RECHTSFRAGEN

Surcharging bei Paypal und Sofort - BGH schafft keine Rechtssicherheit

Dr. Jörg Streißle, Foto: Annerton Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Endgültige Rechtssicherheit geschaffen hat das BGH-Urteil zum Surcharging bei Paypal und Sofortüberweisung nicht, sagt Jörg Streißle. Dies deshalb, weil es nach wie vor noch offene Fragen gebe wie beispielsweise, ob die eigentliche Dienstleistung von Paypal, also die Übermittlung von E-Geld, eine Ausnahme von der Sepa-Verordnung darstelle oder nicht. Konsequenterweise hätte der BGH diese bewusst offen gelassene Frage beantworten müssen. Auch die Entscheidung zur Sofortüberweisung biete Anlass zu Kritik. Hier hätte sich der Autor eine Vorlage an den EuGH gewünscht. In der Unterscheidung, die der BGH zwischen der Auslösung und der Ausführung der Transaktion macht, sieht er eine unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebenssachverhalts. Und spätestens dann, wenn ein anderes nationales Gericht diese Frage an den EuGH verweisen sollte, wäre das Spiel erneut offen. Red.

In einer nunmehr veröffentlichten Entscheidung urteilte der 1. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs Ende März, dass Unternehmen von Kunden ein zusätzliches Entgelt (Surcharge) für die Verwendung von Paypal oder Sofortüberweisung verlangen dürfen. Voraussetzung hierfür sei, dass das Entgelt nicht (auch) für die Nutzung einer Lastschrift, Überweisung oder Kreditkarte verlangt werde, sondern (allein) für zusätzliche Dienstleistungen.

Zankapfel § 270a BGB

Geklagt hatte die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs gegen einen Veranstalter von Fernbusreisen. Dieser bietet für Buchungen im Internet insgesamt vier Möglichkeiten der Entgeltzahlung an, nämlich EC-Karte, Kreditkarte, Paypal oder Sofortüberweisung. Für die beiden Letzteren erhob er jeweils ein zusätzliches Entgelt, dessen Höhe abhängig von dem zu zahlenden Betrag war, was die Klägerin für unzulässig erachtete.

Das Landgericht München I (Urteil vom 13.12.2018, 17 HK O 7439/18) hatte der Klage erstinstanzlich vollumfänglich stattgegeben. Das Oberlandesgericht München (Urteil vom 10.10.2019, 9 U 4666/18) hob dessen Entscheidung hingegen auf und wies die Klage unter Zulassung der Revision ab. Der Bundesgerichtshof wies nun Ende März die Revision der Klägerin zurück.

Zankapfel war die Vorschrift des § 270a BGB. Sie verbietet die Erhebung eines Entgeltes für die Nutzung einer Sepa-Basislastschrift, einer Sepa-Firmenlastschrift oder einer Sepa-Überweisung generell und bei Zahlungen von Verbrauchern auch im Falle des Einsatzes einer Zahlungskarte. Seinen Ursprung findet § 270a BGB im sogenannten Surcharging-Verbot der zweiten Zahlungsverkehrsrichtlinie (PSD II), und betrifft alle Zahlungsvorgänge im Sinne der Sepa-Verordnung ((EU) Nr. 260/2012). Die Möglichkeit zur Erhebung von Entgelten für weitere Dienstleistungen bleibt von der Richtlinie unberührt.

Entgelt für die Auslösung, nicht für Ausführung

Der BGH stellt zunächst zutreffend fest, dass der deutsche Gesetzgeber die PSD II eins zu eins habe umsetzen wollen. Insofern habe er das Surcharging-Verbot bewusst auf die genannten Fälle beschränkt und von der Möglichkeit der Ausweitung des Entgeltverbotes auch auf andere Zahlungsdienstleistungen keinen Gebrauch gemacht. Eine analoge Anwendung des Verbotes über die aufgeführten Dienstleistungen hinaus verbiete sich daher.

Gegenstand der drei ergangenen Urteile waren zwei Zahlungsverfahren mit unterschiedlichen Abwicklungsmodalitäten, die jeweils für sich zu betrachten sind.

Der Sofortüberweisung liegt von allen Gerichten anerkanntermaßen eine Sepa-Überweisung zugrunde, bei der das Surcharging-Verbot grundsätzlich eingreife. Allerdings - so der BGH - werde das hier streitgegenständliche Entgelt nicht für die Ausführung der Überweisung, sondern vielmehr allein für deren Auslösung verlangt. Der Zahler müsse in diesem Fall sensible Bankzugangsdaten nur an einen streng regulierten Zahlungsdienstleister und eben nicht an jeden seiner Vertragspartner herausgeben. Das OLG München stellte ergänzend noch auf die Prüfung der Bonität des Zahlers und die Unterrichtung des Zahlungsempfängers ab.

Eröffnete Wahlmöglichkeiten wirken wettbewerbsfördernd

Das Gebot der Förderung des Wettbewerbes verlange nach Ansicht des BGH nicht, dem Zahler die Möglichkeit zu nehmen, anstatt per kostenfreier Überweisung, Lastschrift oder Kartenzahlung zu bezahlen, sich für eine kostenpflichtige Zahlungsvariante zu entscheiden. Die dadurch eröffnete Wahlmöglichkeit wirke vielmehr wettbewerbsfördernd.

Bei Paypal handelt es sich um sogenannte E-Geld-Zahlungen. Diese sind vom Anwendungsbereich der Sepa- Verordnung und mithin dem Surcharging -Verbot ausgenommen, sofern sie nicht zu einer Überweisung oder einer Lastschrift zugunsten oder zulasten eines Zahlungskontos führen.

Während das OLG München den Aspekt als unerheblich betrachtet, dass auch bei E-Geld-Zahlungen das zu transferierende E-Geld gegebenenfalls zunächst in solches umgewandelt werden muss, nämlich dann, wenn der Zahler nicht über ausreichend E-Geld- Guthaben verfügt, beäugt der BGH diesen Umstand vor dem Hintergrund der Einschränkung der Ausnahme von E-Geld-Zahlungen von der Sepa-Verordnung durchaus kritisch. Letztendlich lässt das Bundesgericht die Frage jedoch dahinstehen, da das streitgegenständliche Entgelt für die Zahlungsauslösedienstleistungen von Paypal vereinbart würde, und verweist auf seine Begründung in der Causa Sofortüberweisung.

Kritik an der BGH-Entscheidung

Die Entscheidung des BGH überzeugt in ihrer Begründung, zumindest hinsichtlich der Ausführungen zu Paypal, nicht. Die Qualifikation von Paypal als Zahlungsauslösedienstleister ist nicht nachvollziehbar. Konsequenterweise hätte der BGH die bewusst offen gelassene Frage, ob die eigentliche Dienstleistung von Paypal, nämlich die Übermittlung von E-Geld, unter die Ausnahme nach Art. 1 Abs. 2 der Sepa-Verordnung fällt, beantworten müssen.

Auch die Entscheidung zu Sofortüberweisung bietet Anlass zu Kritik. Vorgebracht wird, dass zwar die Ausführung der Zahlung nicht Gegenstand der Dienstleistung sei, sondern vielmehr (nur) deren Auslösung. Jedoch handele es sich bei der ausgelösten Zahlung um eine solche, die unzweifelhaft dem Surcharge-Verbot unterfalle; die Differenzierung spalte einen einheitlichen Lebenssachverhalt unnatürlich auf.

Wegen des europarechtlichen Ursprungs der hier maßgeblichen Norm des § 270a BGB hätte die Vorlage der Frage nach der Qualifikation der Dienstleistung Sofortüberweisung an den EuGH nahegelegen. Im Fall von Paypal und des Zweifels des BGH, ob dort eine Ausnahme von der Sepa-Verordnung vorliege, wäre nach hiesiger Auffassung sogar zwingend gewesen. Spätestens wenn sich nun ein anderes nationales Gericht in dieser Frage an den EuGH wendet, ist das Spiel von neuem offen.

Rechtssicherheit wäre auch dahingehend wünschenswert gewesen, ob bei der Subsumtion unter § 270a BGB maßgeblich auf zusätzliche Dienstleistungen, wie eine Bonitätsprüfung des Zahlers und die entsprechende Benachrichtigung des Zahlungsempfängers oder gar Zahlungsgarantien des Dienstleisters, abzustellen ist, oder es sich hier um bloße Komplementärleistungen handelt, die im Rahmen der Qualifikation hinter die eigentliche Zahlungsdienstleistung zurücktreten.

Gerade im Bereich der technikbasierten Zahlungen könnte eine finale und verlässliche Klarstellung Motor für weiteren Innovationsschub für Leistungsangebote sein, die auch dem Zahler einen Mehrwert bieten, den er sich gegebenenfalls dann gerne etwas kosten lässt.

Dr. Jörg Streißle, Rechtsanwalt, Annerton Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, München
 

Paypal: "Surcharging ist eine verbotene Aktivität"

Zum BGH-Urteil bezüglich Entgelten bei Zahlungen mit Paypal und Sofort vom 25. März 2021 hat Paypal folgende Stellungnahme veröffentlicht:

"Das vom Bundesgerichtshof verkündete Urteil schafft vor allem Rechtsklarheit. In der Praxis wird sich für Paypal-Kunden jedoch nichts ändern, das heißt, es werden auch künftig keine Zahlungsmittelaufschläge für das Bezahlen mit Paypal erhoben.

Paypal hat seine Nutzungsbedingungen im Januar 2018 dahingehend geändert hat, dass es Händlern nicht mehr gestattet ist, ihren Kunden Aufschläge für die Nutzung von Paypal zu berechnen. Der entsprechende Passus in den Paypal-Nutzungsbedingungen ... lautet wie folgt: 'Als Händler dürfen Sie Ihren Kunden für die Nutzung der Paypal-Dienste keine Aufschläge oder "Servicegebühren", höhere Versandkosten im Vergleich zu anderen Zahlungsmethoden oder sonstige Gebühren berechnen. Die Berechnung von Aufschlägen gilt als verbotene Aktivität.'

Hintergrund dieser Änderung war folgender: Mit Inkrafttreten der zweiten Zahlungsdiensterichtlinie der EU (PSD2) hat der deutsche Gesetzgeber das Erheben von Entgelten für die Nutzung bargeldloser Zahlungsmittel für Sepa-Lastschriftzahlungen und Kreditkartenzahlungen untersagt (§ 270a BGB).

Dieses Gesetz wurde bislang so ausgelegt, dass dieses Verbot eines Aufschlags nicht für Paypal-Zahlungen gilt, da es sich bei Paypal-Zahlungen um E-Geld-Transaktionen handelt. Dies geht auch aus der Beschlussempfehlung zum Gesetzestext (Seite 152 in diesem Dokument) hervor: "Im Hinblick auf das Surcharging-Verbot habe man nach intensiven Beratungen beschlossen, dass man den Gesetzentwurf diesbezüglich nicht verändern und auch keine Ausweitung auf 3-Parteien-Systeme und Paypal vornehmen wolle. Nach Aussagen der Bundesregierung sei es aber sowohl zivil- als auch wettbewerbsrechtlich möglich, ein solches Surcharging-Verbot auch vertraglich mit den jeweiligen Händlern zu vereinbaren. Das Ziel sei es, dass am Ende möglichst keine Surcharges verlangt werden könnten."

Unabhängig davon war und ist Paypal der Ansicht, dass alle Verbraucher die Möglichkeit einer schnellen und sicheren Zahlung haben sollten - ohne jegliche Hürden. Aus diesem Grund hat Paypal seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Januar 2018 dahingehend geändert, dass es Händlern verboten ist, Zusatzgebühren für das Bezahlen mit Paypal zu verlangen.

Mit Händlern, deren rechtliche Beziehung zu Paypal nicht über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen geregelt ist, hat Paypal auf individueller Basis erreicht, dass auch diese keine Zahlungsmittelaufschläge mehr für das Bezahlen mit Paypal erheben.

Aktuell werden für das Bezahlen mit Paypal keine Zahlungsmittelaufschläge mehr erhoben. Und wie eingangs bereits erwähnt, wird sich daran auch künftig nichts ändern."

Surcharging dem Markt überlassen

"Der BGH macht mit seinem Urteil deutlich, dass nur die Sepa-Überweisung sowie die Sepa-Lastschrift als solche vom Aufpreisverbot gedeckt sind. Sofortüberweisung und Paypal integrieren zwar die beiden Zahlverfahren, machen daraus aber ein neues Produkt mit weiteren Funktionen, die den Aufpreis wiederum rechtfertigen.

Damit wäre nun zunächst geklärt, was nach Auslegung der PSD2 zu erwarten war. Allerdings wird sich dadurch im Wesentlichen nichts ändern.

Zum einen können die Anbieter weiterhin in ihren AGB eine Nichtdiskriminierung gegenüber anderen Zahlverfahren festschreiben und damit insbesondere im E-Commerce mit dem vorgeschriebenen gebührenfreien Verfahren gleichziehen. Zum an deren ist die Erhebung von Gebühren für bestimmte Zahlarten ohnehin ein ungeliebtes Signal in Richtung Kunde in einem hoch wettbewerbsintensiven Markt.

Somit wird die Auswirkung des Urteils kaum wahrnehmbar sein. Dem Markt würde es vielmehr guttun, das Surcharging generell wieder zu ermöglichen. Auch mit einer vollumfänglichen Freigabe blieben die Auswirkungen im Wettbewerb eng begrenzt - immerhin gäbe es aber dem Händler ein Instrument an die Hand, um in Verhandlungen allzu ausufernden Entgeltforderungen der Zahlungssysteme zu begegnen. Denn im Zweifel ist ein Aufpreis in Höhe anfallender Kosten weniger schmerzhaft als die Nichtakzeptanz eines führenden Zahlverfahrens."

Dr. Jörg Streißle , Annerton Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, München

Weitere Artikelbilder

Noch keine Bewertungen vorhanden


X