IM GESPRÄCH

"Auch mit EPI wird man ein Gemeinschaftsunternehmen brauchen" Interview mit Karl F. G. Matl und Oliver Hommel

Karl F.G.Matl, Foto: Nicole Matschoss_Euro Kartensysteme

Auch nach 25 Jahren hat Euro Kartensysteme als Gemeinschaftsunternehmen der deutschen Kreditwirtschaft für den Zahlungsverkehr nicht ausgedient. Darin sind sich Karl F. G. Matl und Oliver Hommel - der Ende Februar ausscheidende Geschäftsführer und sein Nachfolger - einig. Und das gilt unabhängig davon, ob EPI nun Realität wird oder nicht. So oder so wird die Scharnierfunktion, die Euro Kartensysteme zwischen der Kreditwirtschaft und der "Marktgegenseite" einnimmt, weiterhin gebraucht. Und auch bei EPI werde es Aufgaben geben, die auf der nationalen Ebene zu erledigen sind. Angesichts der immer anspruchsvollen Rahmenbedingungen sei gemeinschaftliches Handeln sogar wichtiger denn je. Red.

Euro Kartensysteme feiert in diesem Jahr den 25. Geburtstag. Was waren aus Ihrer Sicht die wichtigsten Meilensteine?

Matl: 1997 wurde der Processing-Teil der ehemaligen GZS als eigene Gesellschaft abgespalten, durfte aber den alten Namen GZS - Gesellschaft für Zahlungssysteme behalten. Der verbliebene Teil wurde umbenannt in Euro Kartensysteme Eurocard und eurocheque GmbH. Sie hat in der Tat mit diesem Namen in diesem Sommer 25-jähriges Jubiläum.

Ein weiterer wichtiger Eckpunkt in der Geschichte war 2003, als der Acquiring-Teil als Concardis abgespalten wurde. Gleichzeitig verschwand in Deutschland die Eurocard vom Markt zugunsten von Mastercard. Weil auch der Eurocheque in der Ausphasung war, wurde damals auch der Firmenname etwas verkürzt auf Euro Kartensysteme GmbH.

War die Aufteilung der ursprünglichen GZS rückblickend ein Fehler?

Matl: Mit 25 Jahren Rückblick kann man natürlich das eine oder andere heute anders beurteilen. Allerdings wurde die Aufteilung damals aus verschiedenen Gründen vorgenommen. Einer der Gründe war, dass Mitte der neunziger Jahre Visa langsam im deutschen Markt Fuß fasste. Die Institute, die bisher allein Eurocard beziehungsweise dann Mastercard ausgegeben hatten und jetzt auch Visa-Karten emittierten, wollten natürlich das Processing ebenfalls aus einer Hand von der GZS haben. Als wir mit diesem Ansinnen zu Visa kamen, stieß das in London auf wenig Gegenliebe, weil die GZS als Monopol-Anbieter für Eurocard/Mastercard-Issuing, -Acquiring und -Processing in Deutschland wahrgenommen wurde und deshalb erhebliche Nachteile für die Marke Visa befürchtet wurden. So kam es 1997 zu der Abspaltung des Processing-Teils des Unternehmens als neue GZS, der heute als First Data oder Fiserv bekannt ist. Die GZS bekam dann auch sehr schnell die Erlaubnis, auch Visa-Processing zu übernehmen.

Welche Relevanz hat ein Gemeinschaftsunternehmen der deutschen Kreditwirtschaft im Payment-Bereich heute noch?

Matl: Die Relevanz ist heute noch sehr groß. Bargeldloser Zahlungsverkehr ist ein Massenabwicklungsgeschäft. Je mehr Teilnehmer nach demselben Verfahren und mit denselben Werkzeugen arbeiten, desto günstiger wird es für alle. Wir hatten schon immer - auch in alten GZS-Zeiten - die Devise: Der Wettbewerb findet vor Ort zwischen den Instituten um den Kunden statt. Aber die Abwicklung, die Unterstützung und die zentralen Aufgaben des Systems kann man durchaus bündeln, um dadurch Kostenvorteile für alle zu generieren. Das ist heute noch genauso gültig wie vor 25 oder 30 Jahren.

Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind jedoch heute deutlich herausfordernder als damals, als ich vor 32 Jahren mit der Arbeit begonnen habe. Insofern ist es heute wichtiger als jemals zuvor, solche Dinge gemeinsam zu tun. Denn die Margen sind knapper denn je, die Rahmenbedingungen komplexer und die Anforderungen der Regulatorik höher. Von daher ist ein Gemeinschaftsunternehmen heute noch sinnvoller als damals.

Schlägt sich das auch in der Bereitschaft der Gesellschafter nieder, die nötigen Mittel bereitzustellen?

Matl: Bisher haben wir von unseren Gesellschaftern immer die notwendigen Mittel zur Verfügung gestellt bekommen. Ich sehe auch keine Anzeichen dafür, dass sich das ändern könnte.

Hommel: Es hat große Vorteile, den gemeinschaftlichen Betrieb von Zahlungssystemen wie der Girocard über Gemeinschaftsunternehmen zu organisieren und gemeinschaftliche Aufgaben in diesen Zahlungssystemen so auch wirklich gemeinschaftlich wahrzunehmen. Das wird in Zukunft eher noch relevanter werden.

Wir haben in der Vergangenheit gesehen: Immer dann, wenn man sich in der deutschen Kreditwirtschaft im Zahlungsverkehr uneinig war, war dies zum Nachteil aller. Denn die Netzwerkeffekte, die ein Massenzahlungsverkehr braucht - und das gilt auch für kartengestützte Zahlungsverkehrsprodukte - sind ohne gemeinsames Handeln nicht so leicht zu erreichen. Das gilt für die Zukunft umso mehr - egal, ob man sich auf nationaler Ebene bewegt oder sich mit anderen europäischen Partnern zusammentut. Das gemeinschaftliche Handeln steht im Fokus von Zahlungssystemen und damit auch die gemeinschaftliche Weiterentwicklung.

Wenn die Vorteile allen Beteiligten klar sind oder klar gemacht werden, dann ist auch die Organisation der benötigten Investitionsmittel, um Zahlungssysteme marktgerecht weiterzuentwickeln und in ihrer Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, letztlich kein Diskussionsthema - sowohl auf der Gesellschafterseite als auch bei den einzelnen Instituten. Solange die Vorteilhaftigkeit weiterhin erkannt wird, ist es selbstverständlich, die notwendigen Investitionssummen weiterhin zu bewegen.

Matl: Alle am Girocard teilnehmenden Institute bezahlen einen gewissen Obolus, der sich am Schlüssel der ausgegebenen Girocard-Karten orientiert und über den 90 bis 95 Prozent der Kosten der Euro Kartensysteme finanziert werden. Da sich die Kosten auf mehr als 100 Millionen Girocards verteilen, entfallen auf die einzelne Karte nur wenige Cents an Kosten.

Nicht immer war man sich in der DK in Sachen Zahlungsverkehr einig. Bei welchen Themen ist es besonders schwierig, einen Konsens zu finden, wo gelingt das leichter?

Matl: So schwierig ist das tatsächlich im Alltag nicht. Innerhalb des Systems Girocard oder auch bei früheren Systemen wie Geldkarte oder Girogo ziehen schon alle an einem Strang, weil sie das gleiche Interesse haben, ihren Kunden diese Produkte möglichst gut und günstig anbieten zu können. Probleme entstehen dadurch, dass es manchmal unterschiedliche Geschwindigkeiten bei der Einführung neuer Produkte oder Veränderungen am bestehenden Produkt gibt. In der Praxis ist das aber kein Problem.

Hommel: Aus Zahlungssystem-Sicht wird es in Zukunft vielleicht noch stärker darauf ankommen, den verschiedenen Banken und Sparkassen, die am Girocard-System teilnehmen, Möglichkeiten zu bieten, die sie in ihre Karten- und Kontoprodukte einfließen lassen können. Es ist gar nicht wirklich notwendig, dass alle immer gleichzeitig, mit der gleichen Zielsetzung und Prioritätensetzung arbeiten. Das ist ja auch bei den internationalen Schemes nicht anders. Auch Mastercard und Visa führen häufig neue Funktionen ein, die zunächst nur von einzelnen Issuern weltweit umgesetzt werden.

Wir müssen uns ein Stück weit davon verabschieden, das gemeinschaftliche Handeln daran festzumachen, dass alle zum gleichen Zeitpunkt das Gleiche tun. Es geht darum, dass alle gemeinschaftlich von der Vorteilhaftigkeit eines Zahlungssystems überzeugt sind und diesem Zahlungssystem die Möglichkeit geben, sich weiterzuentwickeln. Dann ist es auch kein Problem, dass das eine Institut diese Funktion früher einführt als ein anderes. Dafür unterscheiden sich ja auch Ideen zur Produktausgestaltung und Prioritäten in der IT zwischen den verschiedenen Instituten immer mal wieder.

Aber gemeinschaftlich daran zu arbeiten, dass ein Zahlungssystem für alle Optionen schafft, damit die Institute die Chance haben, im Wettbewerb darüber zu entscheiden, wann man was aus diesen Optionen für die eigenen Kunden tatsächlich macht, ist die eigentliche Aufgabe eines Gemeinschaftsunternehmens wie Euro Kartensysteme. Deshalb kann gemeinschaftliches Handeln auch dann weiter sinnvoll sein, wenn eine einzelne Funktion nicht von jedem Issuer zum gleichen Zeitpunkt eingeführt wird.

Matl: Hierfür ist die Geldkarte ein gutes Beispiel. Nachdem zwischenzeitlich einige Emittenten das Produkt nicht mehr so interessant fanden, war immer noch genügend kritische Masse vorhanden, um das Produkt am Laufen zu halten. So wird jetzt auch die Geldkarte noch bis Ende 2024 für diejenigen, die sie noch nutzen, problemlos funktionieren.

Wie kommt es, dass die DK so lange an der elektronischen Geldbörse festgehalten hat, obwohl sie doch eigentlich durch das kontaktlose Bezahlen obsolet geworden ist?

Matl: Das Produkt lebt deshalb immer noch weiter, weil Kunden es immer noch benutzen wollen. Das Interesse ist natürlich geringer geworden und durch die Entwicklung der Girocard in Richtung Kontaktloszahlung ist ein System auf den Plan getreten, das diese Aufgaben besser, einfacher und effizienter lösen konnte. Die Girocard musste aber auch erst so weit sein - mit Funktionalitäten wie NFC und Zahlungen ohne PIN. Nachdem das geschafft ist, kann die Girocard jetzt Geldkarte und Girogo ablösen. Die Karten können ja beides. Insofern ist das ein fließender Übergang, sodass dieser für Karteninhaber und Händler nahtlos gestaltet werden kann.

Werden die Kunden das überhaupt merken? Die Geldkarte ist doch im Grunde längst zum Auslaufmodell geworden ...

Matl: Das ist schon richtig. Die Nutzung hat in den vergangenen Jahren abgenommen. Es gab jedoch immer noch Stellen, wo Girogo gern und häufig genutzt wird - beispielsweise in Sportstätten. Aber das waren eng begrenzte Einsatzbereiche. In der breiten Fläche im Handel waren Geldkarte und Girogo nicht mehr so gefragt. Hier war schlichtweg das Bessere der Feind des Guten. Deshalb hat die Girocard, insbesondere in ihrer kontaktlosen Version, diese Produkte ersetzt.

Gesetzt den Fall, EPI wird ein Erfolg und alle nationalen Schemes würden auf das europäische System migriert - würde Euro Kartensysteme dann ein wichtiges Aufgabenfeld wegbrechen?

Hommel: Das glaube ich nicht. Auch bei EPI braucht man ja jemanden, der sich um die EPI-Entwicklung in Deutschland kümmert, beispielsweise in Sachen Marketing. Ein Aufgabenfeld, das die Euro Kartensysteme lange hatte, war, die Vermarktung von Eurocard/Mastercard in Deutschland zu organisieren, bis Mastercard das selbst übernommen hat. Es gibt gute Gründe, weiterhin Gemeinschaftsunternehmen zu haben, die sich im Zahlungsverkehr engagieren und unter Wahrung deutscher Interessen die Weiterentwicklung von Zahlungssystemen in Deutschland im Markt betreuen und vorantreiben. Deshalb bin ich davon überzeugt, dass es auch dann, wenn EPI realisiert wird, noch genügend Aufgaben gibt, die weiterhin auf der nationalen Ebene zu erledigen sind - dann eben mit einem Fokus auf EPI. Auch dafür wird man die Euro Kartensysteme gut brauchen können. An der Stelle ist es sicherlich ganz gut, dass wir das Wörtchen Euro bereits im Namen tragen.

Als Gemeinschaftsunternehmen nehmen wir ja auch für die gesamte deutsche Kreditwirtschaft eine Art Scharnierfunktion ein und arbeiten sehr viel mit der sogenannten Marktgegenseite zusammen, dem Handel und den Netzbetreibern. Auch dafür ist es wichtig, dass wir als neutraler Sachwalter der Interessen des Zahlungssystems wahrgenommen werden und bereitstehen.

Ein weiteres Aufgabenfeld von Euro Kartensysteme ist das Sicherheitsmanagement. Konnte hier in den vergangenen Jahren das Sicherheitsniveau verbessert werden?

Matl: Solange es Geld gibt, wird es auch Kriminelle geben, die versuchen, es sich anzueignen. In den vergangenen 40 Jahren haben wir im kartengestützten Zahlungsverkehr festgestellt: Wenn wir die Sicherheit erhöhen - vom Magnetstreifen auf den Chip, vom Chip zu Chip und PIN, von Chip und PIN zur Zwei-Faktor-Authentifizierung oder auch bei der Kryptografie - dann hilft das für eine gewisse Zeit. Danach ziehen die Kriminellen nach. Insofern ist es ein stetes Tauziehen.

Allerdings kann man sagen, dass in den vergangenen fünf bis sechs Jahren durch die Einführung von Chip und PIN der Gesamtschaden innerhalb der Kartensysteme gemessen am abgewickelten Umsatz geringer geworden ist. Sowohl der absolute als auch der relative Schaden sind permanent gesunken, der relative sogar noch stärker. Hier haben die verschiedenen Bemühungen also Früchte getragen.

Dabei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Das eine ist die Technik im Hintergrund - Kryptografie und Schlüssellängen sind Dinge, von denen der Verbraucher überhaupt nichts spürt. Ein anderer wichtiger Teil ist das Sicherheitsbewusstsein der Verbraucher. Hier sind wir mit unserem Sicherheitsmanagement und der kartensicherheit.de seit Langem sehr aktiv. Die diversen Botschaften (PIN und Karte getrennt halten, PIN nicht aufschreiben und mitnehmen, Kartenverlust sofort melden) bringen wir seit vielen Jahren über die verschiedensten Kanäle zu den Verbrauchern. Dieser ständige Einsatz an der Sicherheits-Werbungsfront trägt Früchte. Die Menschen sind heute vorsichtiger. Aber natürlich gibt es immer noch Verbesserungsmöglichkeiten nach oben.

Wie weit ist die Weiterentwicklung der Girocard in Sachen Online-Fähigkeit inzwischen gekommen?

Hommel: Teilweise ist sie ja bereits Realität geworden, wenn man sich anschaut, was die Sparkassen im Rahmen von Apple Pay machen. Hier werden bereits Online- oder Remote-Zahlungen innerhalb des Girocard-Systems abgewickelt. Es ist der gemeinschaftliche Wille innerhalb der Kreditwirtschaft, diese Funktionalität weiter auszubauen, das heißt, es den Kunden mit der Girocard zu erlauben, E-Commerce-Transaktionen zu initiieren. Im Augenblick arbeitet man gemeinschaftlich an der Umsetzung. Gemeinschaftlich heißt in diesem Fall nicht nur zwischen Banken und Sparkassen und den verschiedenen Verbandsbereichen. Sondern auch die verschiedenen Gemeinschaftsunternehmen, die in diesem Bereich tätig sind, werden einbezogen. Das heißt, wir arbeiten mit der Paydirekt GmbH eng zusammen, die für Giropay verantwortlich ist, um die Kräfte zu bündeln und diesen Einsatz möglich zu machen.

Ich bin fest davon überzeugt, dass wir in diesem Jahr die ersten Realisierungen erleben werden und die ersten Transaktionen sehen, die mit einer Girocard außerhalb von Apple Pay im E-Commerce angestoßen werden. Das ist keine Frage des Ob mehr und auch nur noch in Teilen eine Frage des Wie, sondern nur noch eine Frage des Wann.

Welche sonstigen Weiterentwicklungen braucht die Girocard noch?

Hommel: Bei #DK ging es darum, verstärkt Synergien zu schaffen und die Kräfte im Zahlungsverkehr zu bündeln. Hier sind in der Vergangenheit Strukturen geschaffen worden, die nicht immer ein optimales Miteinander gewährleisten. Da ist jetzt mit #DK ein neuer Start gelungen. Hierfür ist die Girocard im E-Commerce ein gutes Beispiel.

In Zukunft müssen wir stärker in einen Abgleich der Funktionen vor allem der Girocard mit denen der internationalen Kartenorganisationen gehen. Denn diese sind in den vergangenen fünf, sechs Jahren sehr stark in einen Innovationswettbewerb eingestiegen und haben sehr stark in neue Funktionalitäten investiert, die sie auch mit zentraler Infrastruktur unterstützen. Hier gibt es in der deutschen Kreditwirtschaft noch die eine oder andere Lücke, die wir schließen können.

Dabei ist es wichtig, nicht beim Zahlungsvorgang allein stehen zu bleiben, sondern auch darauf zu schauen, wie Strukturen, die über den Zahlungsverkehr geschaffen werden, und die Verbindungen zwischen kartenausgebenden Instituten, Akzeptanzpartnern und Karteninhabern dazu genutzt werden können, Zusatznutzen zu schaffen. Dazu ein Beispiel, das in der Vergangenheit eng mit dem Geldkarte-System verknüpft war: das Thema Altersverifikation, das ursprünglich vor allem vor dem Hintergrund der Tabakautomaten konzipiert worden war. Hier gibt es große Möglichkeiten, das Thema für weitere Akzeptanzbereiche weiterzuentwickeln und damit einen Zusatznutzen im Markt zu schaffen, der über die reine Abwicklung von Zahlungsverkehr hinausgeht. Wenn wir über solche Funktionalitäten nachdenken, bleiben wir nicht nur im Payment stecken, sondern können damit zeigen, dass wir andere Probleme lösen können, die immer dann entstehen, wenn Kunde und Akzeptanzpartner aufeinandertreffen.

Welche Lücken gegenüber den internationalen Schemes haben Sie noch in den Blick genommen?

Hommel: Im Bereich der E-Commerce und Remote-Transaktionen gibt es sicher Dinge, die wir heute nicht in der gleichen Art und Weise adressieren können. Ein Beispiel sind sichere Zahlungen, die nicht vom Kunden, sondern vom Händler ausgelöst werden - neudeutsch Merchant Initiated Payments. So etwas wird vielfach im digitalen Bereich für neue Abrechnungsmodelle wie Streaming-Abos verwendet. Hier hinkt das Lösungsangebot der deutschen Kreditwirtschaft in ihren Zahlungssystemen denen der internationalen Zahlungssysteme noch ein wenig hinterher. Deshalb müssen wir auch in diesem Bereich Lösungen schaffen, die für die Akzeptanzseite sinnvoll und kostengünstig angeboten werden können und gleichzeitig vom Kunden als sicher und bequem wahrgenommen und entsprechend genutzt werden.

Ich will damit aber nicht sagen, dass bisher in der deutschen Kreditwirtschaft nicht über Innovation nachgedacht wurde. Auch dafür lässt sich die Altersverifikation anführen - das bieten weder Mastercard noch Visa mit ihren Produkten heute an.

Mastercard und Visa haben angekündigt, die Marken Maestro beziehungsweise V-Pay auslaufen zu lassen, um die jeweilige Hauptmarke als Lösung für alle Bezahlsituationen zu positionieren. Auch in der neuen Visa-Debit-Kampagne wird dieser Ansatz verfolgt. Müsste nicht auch die deutsche Kreditwirtschaft dahin kommen, eine Art "Universalmarke" zu haben, die vom Kunden als "Eier legende Wollmilchsau" für den Alltag wahrgenommen wird - vom Bezahlen an der Kasse im Supermarkt über Online-Transaktionen bis hin zu P2P-Transaktionen?

Hommel: Um das weiter voranzubringen, haben wir im Rahmen von #DK die Markenfamilie bereits weiter angepasst. Das Giropay-Logo ist dem der Girocard deutlich angeglichen worden, sodass den Instituten in Zukunft eine stringente Kommunikation anwendungsübergreifend einfacher gemacht wird und die verschiedenen Funktionen innerhalb dieser Markenfamilie leichter kombiniert angeboten und vermarktet werden können.

Natürlich kann man über eine weitere Zusammenführung nachdenken. Ich glaube aber nicht, dass der Unterschied der beiden Marken Girocard und Giropay letztlich einen großen Unterschied macht. Vielen wird vermutlich gar nicht auffallen, dass bei der einen Funktion "card" und der anderen "pay" steht.

Matl: Für den Kunden steht die Funktion viel stärker im Vordergrund als die Marke. Dinge, die uns im Tagesgeschäft beschäftigen, einzelne Marken oder Randfunktionalitäten oder Abläufe hinter den Kulissen sind Verbrauchern völlig egal. Für Kunden und Händler gilt: Es muss bequem und schnell sein und sie müssen dem System vertrauen. Und wenn Kunden und Händler dem System vertrauen, so wie es bei der Girocard der Fall ist, dient die Marke im Grunde nur der Wiedererkennung und der Gewissheit, bei einem Händler oder Dienstleister so bezahlen zu können.

Hommel: Beim Stichwort Marke muss man zudem unterscheiden zwischen einem System wie der Girocard, das vorrangig der Zweckerfüllung dient, und Systemen wie Visa oder Mastercard, bei denen die Markenbildung auch einen Teil des Unternehmenswertes ausmacht. So lässt sich auch erklären, weshalb diese Schemes viel Geld etwa für das Sponsoring großer Sportereignisse ausgeben. Denn mehr Zahlungen werden dadurch nicht ausgelöst. Wenn Visa und Mastercard jetzt verstärkt die Hauptmarke in den Vordergrund rücken und Nebenmarken wie V-Pay und Maestro auslaufen lassen, steckt dahinter eine andere Philosophie von Zahlungssystemen, eine andere Unternehmensphilosophie und auch eine andere Bewertung als Unternehmen, als das bei der Girocard beziehungsweise Euro Kartensysteme der Fall ist.

Man kann nicht verleugnen, dass es in den Verfahren historisch gewachsene Vertragsstrukturen gibt, die man nicht so leicht zusammenwerfen kann, wie man sich das vielleicht vorstellt. Auch der deutsche Einzelhandel hat in den vergangenen Jahren eine hohe Präferenz für die Girocard aufgebaut - und auch das ist ein Asset, das wir berücksichtigen müssen und bei der Weiterentwicklung nicht aufs Spiel setzen dürfen. Insofern war der jetzige Schritt ein wichtiger Schritt, um die Kommunikation in Richtung Endkunden weiter zu vereinheitlichen, ohne die erzielten Erfolge des Girocard-Systems über die vergangenen Dekaden leichtfertig zu gefährden.

Der Handel hat während der Pandemie sehr stark für das Bezahlen per Girocard geworben. Ging der Anstoß dafür von Euro Kartensysteme aus?

Matl: Es ist schwer, bei einer so weit verbreiteten guten Idee den Urheber zu benennen. Die Technologie war da und es war klar, dass eine kontaktlose Transaktion hygienischer abläuft als eine kontaktbehaftete. Das kam mit den anderen Vorteilen der Kontaktlostechnologie zusammen. So kam es, dass sich diese Bezahlmethode so schnell verbreitet hat wie keine zuvor.

Und ja, wir wurden vonseiten des Handels um Hilfe gebeten, an dieser Stelle Hand in Hand zu arbeiten. Hier muss man auch erwähnen, dass alle am System beteiligten Parteien, Handel, Institute, Netzbetreiber und auch wir binnen kürzester Zeit Großes geleistet haben.

Hommel: Daraus lässt sich eine Lehre für die Zukunft ziehen, die auch außerhalb der Pandemie gilt. Es muss klar erkennbare und kommunizierbare Vorteile für den Handel und für die Endkunden geben. Deshalb ist es wichtig, mit der Marktforschung nah am Kunden zu sein und in vielen Gesprächen mit dem Handel zu prüfen, wie man die Systeme für die Akzeptanzseite vorteilhaft ausgestalten kann. Wenn das beides zusammenkommt, dann passiert so etwas, wie wir es beim kontaktlosen Bezahlen gesehen haben, dass Marktteilnehmer ihrerseits diese Vorteile kommunizieren und ihnen in ihrem Umfeld Geltung verschaffen. Das nützt am Ende allen Beteiligten und ist die Erfolgsformel für die Zukunft.

Karl F.G.Matl , Geschäftsführer, Euro Kartensysteme GmbH, Frankfurt am Main
Oliver Hommel , Geschäftsführer , Euro Kartensysteme GmbH, Frankfurt am Main

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