Kreditwesen aktuell

Ergebnisse der diesjährigen IWF-Frühjahrstagung - kein Grund für Alarmismus

Dr. Andreas Dombret, Mitglied des Vorstands, Deutsche Bundesbank, Frankfurt am Main - Neben den üblichen Themen weltwirtschaftliche Lage, internationale Finanzarchitektur und die Rolle des IWF schafften es mit den "Panama Papers", den Folgen der weltweiten Flüchtlingsströme und einem möglichen Brexit auch aktuelle Fragen auf die Agenda der Frühjahrstagung von IWF und Weltbank. Bei seiner Bestandsaufnahme hält der Autor nicht zuletzt die stärkere Betonung notwendiger Strukturreformen für erfreulich. Von immer größeren Rettungsschirmen erwartet er keine Garantie für Stabilität. Zufrieden zeigt er sich mit der vollzogenen IWF-Quoten- und Governance-Reform sowie mit den personellen Entscheidungen an der IWF-Spitze. (Red.)

Finanzminister, Notenbankgouverneure und weitere hochrangige Delegierte trafen sich vom 14. bis zum 17. April in Washington DC zur regulären Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank sowie dem parallel stattfindenden Treffen der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer, der sogenannten G20.

Im Mittelpunkt der Diskussionen standen die Lage der Weltwirtschaft, die Ausgestaltung der internationalen Finanzarchitektur einschließlich der Rolle des IWF sowie zahlreiche Risiken wie etwa der mögliche Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union. Die G20 erörterten unter dem Eindruck der "Panama Papers" Maßnahmen zur Bekämpfung von Korruption und Verbesserung der Transparenz in Steuerfragen und bekräftigten die Notwendigkeit für alle Länder, die bereits geltenden internationalen Standards einzuhalten. Der IWF plant zusammen mit der Weltbank, der OECD und den Vereinten Nationen, die technische Zusammenarbeit mit Niedrigeinkommensländern in Steuerfragen zu intensivieren.

Weltwirtschaft - fortgesetzte moderate Erholung, Abwärtsrisiken erhöht

Aus Sicht der Bundesbank sind die auf der Tagung erzielten Ergebnisse durchaus zufriedenstellend. So wurde die Lage der Weltwirtschaft in den Beratungen weniger pessimistisch eingeschätzt, als es die Verlautbarungen im Vorfeld der Tagung noch hatten vermuten lassen. Mit Blick auf die internationale Finanzarchitektur ist erfreulich, dass die Einschätzung der Bundesbank breit geteilt wurde, dass immer größere globale Rettungsschirme nicht unbedingt zu einem stabilen Finanzsystem beitragen. Der IWF korrigierte seine globale Wachstumsprognose leicht nach unten; im laufenden und im kommenden Jahr wird die Weltwirtschaft demzufolge um 3,2 Prozent beziehungsweise 3,5 Prozent wachsen. Vor diesem Hintergrund warnte der Fonds, dass die seit einiger Zeit anhaltende gedämpfte wirtschaftliche Entwicklung nicht ausreiche, um die Arbeitslosigkeit in vielen Ländern spürbar zu senken und die weiterhin hohen Schuldenstände der öffentlichen Haushalte abzubauen. Als Belastungsfaktoren identifizierte der IWF vor allem das niedrige Produktivitätswachstum, die unvorteilhafte demografische Entwicklung und die Spätfolgen der Finanzkrise.

Dieser Analyse schloss sich das International Monetary and Finance Committee (IMFC), der Lenkungsausschuss des IWF, in dem die wichtigsten Finanzminister und Notenbankgouverneure vertreten sind, weitgehend an. Zwar werde der Ausblick durch zunehmende Risiken getrübt, gleichwohl halte der moderate Aufschwung an. Die Liste der Sorgen des IMFC ist indes lang. Sie umfasst vor allem die Gefahr eines ungeordneten Kapitalabflusses aus Schwellenländern, den Übergang Chinas zu einem neuen Wachstumsmodell, die Folgen höherer Finanzierungskosten und Finanzmarktvolatilität im Kontext von Zinserhöhungen der US-amerikanischen Notenbank, geopolitische Konflikte, die aktuellen Flüchtlingsströme und einen möglichen "Brexit".

Die Bundesbank teilt die Auffassung des IWF, dass die Risiken für die weltwirtschaftliche Entwicklung erhöht sind. Gleichzeitig sieht sie die Erholung der globalen Wirtschaft aber weiterhin auf Kurs und hat keinen Grund für übermäßigen Pessimismus. Befürchtungen, dass ein Abgleiten vor allem der fortgeschrittenen Volkswirtschaften in eine "säkulare" Stagnation droht - also in ein dauerhaft niedriges Wachstum und niedrige Inflation bei gleichzeitig hoher Arbeitslosigkeit - teilt die Bundesbank nicht. So liegt die Abschwächung des Wachstumstempos in den Schwellen- und Entwicklungsländern größtenteils im starken Rückgang der Rohstoffpreise begründet.

Dreiklang empfohlen

Als Antwort auf das schwächere Wachstum und die erhöhten Risiken empfiehlt die Geschäftsführende Direktorin des IWF, Christine Lagarde, einen Dreiklang von Politikmaßnahmen, einen sogenannten "three-pronged approach": Erstens müsse die akkommodierende Geldpolitik fortgesetzt werden. Zweitens solle die Fiskalpolitik wachstumsfreundlicher gestaltet werden und Länder mit finanziellem Spielraum sollten zur Nachfragestimulierung beitragen. Drittens müssten die Anstrengungen zur Umsetzung wachstumsfreundlicher Strukturreformen intensiviert werden.

Der IWF beschäftigte sich zuletzt verstärkt mit dem Thema Strukturreformen und legte in seinem Weltwirtschaftsausblick eine detaillierte Analyse vor. Darin wird grundsätzlich die positive Wachstumswirkung von Arbeits- und Gütermarktreformen hervorgehoben. Da jedoch bei Strukturreformen auf kurze Sicht das Risiko einer Wachstumsbeeinträchtigung besteht, soll laut IWF die Nachfrage durch Geld- oder Fiskalpolitik gestützt oder der Zeitpunkt der Umsetzung in Abhängigkeit vom Konjunkturzyklus gewählt werden.

Weiterentwicklung der internationalen Finanzarchitektur

Das IMFC bekräftigte, dass einer wachstumsfreundlichen Fiskalpolitik eine wichtige Rolle zukomme, was aber nicht automatisch die Inkaufnahme höherer Defizite bedeute. Beispielsweise könnte den öffentlichen Investitionen bei den Staatsausgaben Priorität eingeräumt werden. Eine Fortsetzung der akkommodierenden Gelpolitik sei ebenfalls angezeigt, wobei Finanzstabilitätsrisiken beachtet werden müssten. Das IMFC betonte ferner, dass die Geldpolitik alleine kein ausgewogenes, dauerhaftes Wachstum generieren kann. Die internationale Gemeinschaft hat zudem Protektionismus und der Instrumentalisierung des Wechselkurses zu Wettbewerbszwecken erneut eine klare Absage erteilt. Insbesondere die stärkere Betonung notwendiger Strukturreformen ist erfreulich. Nicht zuletzt räumte auch die chinesische G20-Präsidentschaft diesem Thema eine große Bedeutung ein. In der internationalen Debatte setzt sich zunehmend die Ansicht durch, dass das Wachstumspotenzial einiger Volkswirtschaften in der Vergangenheit tendenziell überschätzt wurde. Von den deutlichen Forderungen nach einer Nachfragestimulierung, ein Thema bei dem Deutschland bei früheren Tagungen unter Druck geraten ist, hat man sich jedenfalls ein Stück weit entfernt.

Der IWF sieht neben dem Handlungsbedarf für einzelne Länder auch die Notwendigkeit für eine stärkere globale Zusammenarbeit. Hierzu zählen insbesondere ein gut funktionierendes internationales Währungssystem, eine Stärkung des globalen Handels und die weitere Umsetzung der vereinbarten Reformen im Finanzsektor.

Die Diskussion über die internationale Finanzarchitektur war dabei geprägt von Überlegungen, wie das globale finanzielle Sicherheitsnetz zur Krisenprävention und -bekämpfung weiterentwickelt werden kann. Der Begriff "Sicherheitsnetz" bezeichnet ein mehrschichtiges System, das sich aus Devisenreserven, regionalen Sicherheitsmechanismen wie dem Europäischen Stabilitätsmechanismus sowie Swaplinien zwischen den Zentralbanken und dem IWF zusammensetzt. Der IWF beschrieb das Sicherheitsnetz im Vorfeld der Tagung als "fragmentiert" und merkte an, dass der Zugang zu den einzelnen Elementen ungleich verteilt sei. Daher, so der IWF, müsse die Kooperation zwischen dem Fonds und regionalen Notfallkreditgebern gestärkt und die Finanzausstattung des IWF erneut geprüft werden.

Die Bundesbank hat in dieser Debatte zu bedenken gegeben, dass die Rettungsmechanismen in den letzten Jahren bereits erheblich gestärkt wurden. Das aktuelle System ist größer und flexibler als jemals zuvor und die Vielfalt der Elemente sollte eher als Stärke denn als Schwäche verstanden werden. Die Bundesbank erkennt daher keinen akuten Handlungsbedarf, wie auch das IMFC in seinem Kommuniqué feststellte. Nach ihrer Auffassung ist insofern für eine effektive Krisenprävention ein ausgewogener Ansatz wichtig. Es sollte dabei nicht nur um die Größe des globalen finanziellen Sicherungsnetzes gehen, sondern auch die nationale Verantwortung für die Widerstandsfähigkeit der eigenen Volkswirtschaft betont werden.

Eng verknüpft mit der Diskussion über die Rolle des IWF bei der Krisenbewältigung ist die Frage nach seiner angemessen Ausstattung mit Finanzmitteln. Das IMFC würdigte in diesem Zusammenhang die Umsetzung der bereits 2010 beschlossenen IWF-Quoten- und Governance-Reform. Dadurch hat sich die reguläre Finanzausstattung des IWF verdoppelt und der Einfluss von Schwellenländern im IWF hat deutlich zugenommen. So ist China zum drittgrößten Anteilseigner geworden - vor Deutschland und hinter den USA und Japan. Der IWF besitzt durch die Umsetzung der Reform aktuell eigene Finanzmittel im Umfang von knapp 600 Milliarden Euro und ist damit aus Sicht der Bundesbank insgesamt komfortabel ausgestattet.

Nach Inkrafttreten der Reformen steht mit der 15. Allgemeinen Quotenüberprüfung bereits die nächste reguläre Überprüfung der IWF-Quoten an, die wegen der Verzögerung bei der Umsetzung der 2010er Reformrunde mehrfach verschoben worden war. Hier sind erneut kontroverse Diskussionen über die angemessene Höhe und Stimmrechtsverteilung der Mitgliedsländer zu erwarten. Das IMFC bekräftigte das durchaus ambitionierte Ziel, diese Diskussion bis zum Herbst 2017 abzuschließen.

Neue Amtszeit für Christine Lagarde und David Lipton

Sowohl die G20 als auch der IWF beschäftigen sich mit der Rolle der Sonderziehungsrechte (SZR) im internationalen Währungssystem. Der IWF kann diese SZR den Zentralbanken seiner Mitglieder zuteilen, die sie dann in frei verwendbare Währungen wie den US-Dollar tauschen können. Im November 2015 hat das Direktorium des IWF grundsätzlich beschlossen, den chinesischen Renminbi zusätzlich zum Euro, US-Dollar, Pfund Sterling und Yen als weitere Währung dem Korb hinzuzufügen, der zur Bestimmung des Werts der SZR herangezogen wird. Aktuell prüft der IWF turnusgemäß, ob ein Bedarf für die Schaffung weiterer SZR festgestellt werden kann. Voraussetzung dafür wäre laut IWF-Abkommen, dass ein langfristiger, globaler Bedarf zur Ergänzung bestehender Währungsreserven besteht. Die Bundesbank sieht diesen Bedarf aktuell nicht. Parallel hierzu wird überlegt, ob Sonderziehungsrechte breiter verwendet werden sollten. Hier liegen bisher aber kaum konkrete Vorschläge vor und das IWF-Abkommen setzt solchen Überlegungen enge rechtliche Grenzen.

Christine Lagarde wurde als Geschäftsführende Direktorin des IWF ebenso wie ihr erster Stellvertreter, David Lipton, für eine zweite Amtszeit bestätigt. Das IMFC begrüßte ausdrücklich diese wichtige Personalentscheidung, da diese Kontinuität an der Spitze des IWF bedeutet. Der Internationale Währungsfonds ist damit in guten Händen und bereit für die kommenden Herausforderungen.

Dr. Andreas Dombret , Global Senior Advisor , Oliver Wyman GmbH, München (und Vorstand i.R., Deutsche Bundesbank)
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