Leitartikel

Aufrücken in der Hackordnung

sb - Für den Finanzinvestor Warburg Pincus war der Verkauf der Easycash GmbH, Ratingen, vermutlich ein lohnendes Geschäft. 290 Millionen Euro zahlt der Terminalher steller Ingenico für den Kartendienstleister. Unterschiedlichen Marktgerüchten zufolge ist dies in jedem Fall ein Mehrfaches des vor drei Jahren investierten (und nicht veröffentlichten) Kaufpreises. Zum Vergleich: 120 Millionen Euro hatte First Data im Juni 2006 für die gesamte GZS inklusive Easycash gezahlt.

In den vergangenen drei Jahren ist Easycash kräftig weiter gewachsen. Am deutlichsten ablesen lässt sich dies an der Zahl der Terminals, die sich um fast 16 Prozent auf derzeit rund 215 000 erhöhte. Die Zahl der Vertragspartner, für die das Unternehmen Kartenzahlungen abwickelt, wird mit 82 000 angegeben. Dazu zählen so namhafte Adressen wie Aral, Aldi Süd, Metro und Rewe. Teilweise wurde das Wachstum durch Zukäufe er reicht: die Übernahme von Experian Loyalty Solutions, des Kartenzahlungsgeschäfts von Siemens und des vor allem bei kleineren und mittleren Händlern vertretenen Netzbetreibers Card Tech GmbH in Köln. Gerade in den letzten Monaten hat Easycash auch das Geschäftsmodell verbreitert und neben dem Netzbetrieb auch den Einstieg ins Acquiring vollzogen. Mit der Übernahme des deutschen Händlergeschäfts der Royal Bank of Scotland (RBS World Pay) kaufte man sich erst im Juli dieses Jahres einen Bestand von rund 7 000 Händlern ein.

Damit folgt das Unternehmen einem Markttrend. Denn im Zuge der Internationalisierung des Kartengeschäfts beginnt die Trennung von Netzbetrieb und Acquiring - ohnehin stets eine deutsche Besonderheit - immer mehr zu bröckeln. Für den neuen Eigentümer, den Terminalhersteller Ingenico, tut sich damit aber ein Interessenskonflikt auf, der dem von Magna im Zuge der Opel-Übernahme gleicht. Denn während Netzbetreiber klassischerweise eine überschaubare Palette an Terminals im Angebot haben (bei Easycash sind es derzeit vier Artema-Geräte von Hypercom, eines von Banksys und nur eines von der neuen Mutter), muss das Acquiring-Geschäft neutral sein, was die Terminals betrifft. Aus dem Bereich der Finanzdienstleister bietet sich als Beispiel für einen ähnlichen Interessenkonflikt der AWD an, der nach der Übernahme durch den Produktgeber Swiss Life ein Glaubwürdigkeitsproblem hinsichtlich der neutralen Beratung hat.

Gleichwohl bietet die Transaktion gewiss beträchtliche Vorteile. Zum einen dürfte Easycash bei der Expansion Vorteile aus der internationalen Aufstellung von Ingenico in 125 Ländern ziehen. Weitere Synergien bieten sich bei der Verkürzung der Prozesskette, wenn es um die Umsetzung neuer technischer Anforderungen geht, wie sie in den letzten Jahren in kurzer Abfolge umzusetzen waren beziehungsweise noch sind, und bei der sich die Vielzahl der Beteiligten als hinderlich erwiesen hat. Manches könnte hier für Easycash künftig schneller laufen. Gleichzeitig gewinnt Ingenico als Hersteller vermutlich auch neue Einsichten in die Bedürfnisse seiner Kunden, die dann - in Form schnellerer Anpassungszyklen - letztlich auch anderen Kartendienstleistern zugutekommen könnten. Während Magna nach der Opel-Übernahme unter den übrigen Automobilher stellern Kunden zu verlieren droht, wenn es nicht gelingt, die Grenzen zwischen der Rolle als Zulieferer und der des Produzenten klar zu trennen, scheint dies bei Ingenico (mit 15 Millionen Terminals weltweit ohnehin Marktführer) somit unwahrscheinlich. Eher ist vorstellbar, dass die jetzige Transaktion in der Branche Schule machen wird. Denn die Rolle als reiner Hardwarelieferant, der mit einer vergleichsweise schwachen Lobby in der Kartenbranche als Schlusslicht in der Kette lediglich das umzusetzen hat, was Kartenorganisationen, Banken und Regulatoren ersinnen, war für die Terminalhersteller schon seit langem unbefriedigend. Der Schulterschluss mit den Kartendienstleistern ist hier sicher hilfreich.

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