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Bargeld versus Karte: Muss Bargeldteurer werden?

sb {L57431} Bargeld ist teuer. Zu diesem Ergebnis kommen die Europäische Zentralbank, die EU-Kommission und die Kartenorganisationen in ihren Studien über die Kosten der verschiedenen Zahlungsmittel. Kartenemittenten werben mit diesem Argument für die Substitution von Barzahlungen durch elektronische Zahlungsmittel. Dass weite Teile des Einzelhandels immer noch am Bargeld als kostengünstigstem Zahlungsmittel festhalten, wird in diesem Kontext zumindest als irrational oder doch schlecht durchgerechnet betrachtet.

Niedrigere Stückkosten beim Bargeld

Die indirekt als verbohrt gekennzeichnete Haltung der Bargeldverfechter erhält nun aber Unterstützung durch eine Studie von Retail Banking Research in London auf Basis europäischer Zahlungsverkehrsdaten von 2008. Auch sie kommt zu dem Schluss, dass die Kosten des Bargeldverkehrs durchaus beträchtlich sind. Allerdings wird die allgemeine Aussage "Bargeld ist am teuersten" stark relativiert. Anhand der Berechnungen wird wieder einmal deutlich: Es ist alles eine Frage der Betrachtung.

Insgesamt beziffert RBR die Kosten des Zahlungsverkehrs im europäischen Einzelhandel in Europa auf 164 Milliarden Euro, wovon 84 Milliarden für Barzahlungen und 80 Milliarden auf bargeldlose Zahlungsvorgänge entfielen. Pro Person wären das 130 Euro fürs Bargeld und 124 Euro für bargeldlose Transaktionen. Schneidet in der Gesamtbetrachtung die Karte also noch günstiger ab, so kehrt sich bei der Umrechnung der Kosten auf die einzelne Transaktion das Verhältnis spürbar um: Hier kommt die Studie für die gesamten Bargeldkosten der europäischen Länder auf 28 Cent pro Zahlungsvorgang, bei bargeldlosen Zahlungen dagegen mit 92 Cent auf mehr als das Dreifache. Auch die seit 2001 durchgeführten Studien der Zentralbanken in Belgien, den Niederlanden, Norwegen und Portugal sowie der Reserve Bank of Australia kommen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass Kosten von Bargeld pro Transaktion niedriger sind als die von Debit- oder Kreditkartenzahlungen. Nur das Ergebnis einer schwedischen Studie fällt anders aus.

Den Kostenvergleich Bargeld versus Debitkarte hat das Forschungszentrum für Empirische Ökonomie und Wirtschaftspolitik der Hochschule St. Gallen erstmals 2007 errechnet. Demnach verursacht Bargeld pro Transaktion zwar niedrigere Kosten als Maestro. Weil aber auf Barzahlungen viele Transaktionen mit meist kleinen Umsätzen entfallen, sind die Maestro-Kosten in Prozent des Umsatzes doch geringer.

Volkswirtschaftliche versus privatwirtschaftliche Interessen

Der Break-Even-Umsatz, ab dem Zahlungen mit Debitkarte volkswirtschaftlich günstiger sind als Bargeld, wurde hier mit zwölf Schweizer Franken errechnet. Das deckt sich in etwa mit den Werten, die die Zentralbanken für Belgien und die Nieder lande errechnet haben. Aus Sicht des Handels wird die Kartenzahlung freilich erst ab 79 Franken attraktiver. Daraus ergibt sich die Divergenz zwischen dem volkswirtschaftlichen Interesse der Bargeldsubstitution und der Vorliebe des Handels für Barzahlungen bei einem Großteil der Zahlvorgänge.

Das Bestreben der europäischen Wettbewerbshüter, immer günstigere Konditionen für Kartenzahlungen durchzusetzen, ist vor diesem Hintergrund der Versuch, volkswirtschaftliche und privatwirtschaftliche Interessen unter einen Hut zu bringen - freilich mit einem bislang oft eher einseitigen Blick auf den Einzelhandel. Ob der Effekt, der sich mit der Bargeldsubstitution durch elektronische Zahlungsmittel erzielen ließe, die ganze Aufregung beziehungsweise den betriebenen Aufwand wert ist, erscheint vor dem Hintergrund der RBR-Studie fraglich. Zweifellos würden die Gesamtkosten der Gesellschaft dadurch gesenkt. Für Belgien und die Niederlande wurden die Auswirkungen jedoch nur mit 0,02 Prozent des Bruttoinlandsprodukts berechnet.

Kartellamtseingriff in den GAA-Streit kontraproduktiv

Mit Blick auf die Diskussion um die Bar geldversorgung in Deutschland wird das Bild aber noch ein wenig diffuser: Schließlich engagieren sich hierzulande die Wettbewerbshüter emsig dafür, die Bargeldver sorgung für die Verbraucher möglichst preiswert zu machen - und konterkarieren damit den zumindest auf europäischer Ebene geäußerten politischen Willen, den "war on cash" voranzutreiben. Retail Banking Research bemängelt sogar die europaweit geübte Praxis der Kreditinstitute, eigenen Kunden das Geldautomatennetzwerk gratis zur Verfügung zu stellen. In Osteuropa (Bulgarien, tschechische Republik, Rumänien, Russland) und Irland geht es auch anders: Dort werden auch Abhebungen an den Automaten der eigenen Bank bepreist.

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