Handel und Acquiring

Bargeldloser Zahlungsverkehr - Fluch oder Segen?

Der neue europäische Zahlungsverkehrsraum Sepa, Kartellverfahren gegen große Kreditkartengesellschaften und neue Techniken sind wichtige Einflussfaktoren für die Zukunft der bargeldlosen Zahlungsverfahren. Beginnt deswegen für den Handel eine segensreiche Zeit oder sind die Alter nativen zum Bargeld eher ein Fluch?

Eines lässt sich festhalten: Bargeldloses Bezahlen ist auf dem Vormarsch. In den 32 Ländern, in denen die Metro Group tätig ist, gibt es in den vergangenen Jahren einen klaren Trend weg vom Bargeld hin zu bargeldlosen Zahlungsmitteln, vor allem Kartenzahlungen. Verlierer dieses Trends sind neben Bargeld Bezahlvarianten wie Scheck oder Rechnung.

Allerdings ist die Entwicklung nicht homogen. In einigen Ländern besteht bereits ein sehr hoher Anteil an bargeldlosen Zahlungen, zum Beispiel in den Benelux-Staaten, während in anderen Ländern wie zum Beispiel in Russland noch das Bar geld dominiert.

Auch in Deutschland gibt es eine Entwicklung weg vom Bargeld. Lag dessen Anteil 1994 noch bei 79 Prozent und der der Kartenzahlungen bei lediglich sechs Prozent, waren es 2008 bereits 36 Prozent Kartenzahlungen und nur noch 60 Prozent Barzahlungen. Schecks und Rechnungen wurden in diesem Zeitraum fast komplett verdrängt.

Bequemlichkeit und Schnelligkeit

Die Entwicklung weg vom Bargeld ist zwar stetig, aber in den meisten Ländern doch relativ langsam. In Deutschland sind es laut der EHI Studie "Kartengestützte Zahlungssysteme 2009" lediglich rund ein Prozent "Marktanteil", um das das Bargeld jährlich zurückgedrängt wird. Das gewohnte Zahlungsverhalten der Kunden ändert sich trotz vorhandener Alternativen nur bedingt - auch wenn wie in Deutschland praktisch jeder eine Debitkarte hat und die Akzeptanz fast flächendeckend ist.

Es stellt sich die zentrale Frage, warum sich bargeldlose Zahlverfahren nicht schon lange durchgesetzt und das Bargeld abgelöst haben. Denn in anderen Bereichen, etwa der Unterhaltungselektronik und der Kommunikation, gab und gibt es Neuentwicklungen, die die vorangegangene Technologie in einem relativ kurzen Zeitraum praktisch ersetzt haben, man denke nur an die Entwicklung von der Langspielplatte über die CD hin zum MP3-Standard oder die Verdrängung des Briefes durch elektronische Medien.

Was also unterscheidet bargeldlosen Zahlungsverkehr vom MP3-Standard? Zwei wichtige Entscheidungskriterien für die Wahl eines Produkts oder Services sind Bequemlichkeit und Schnelligkeit - das gilt auch für Zahlungsinstrumente. Auf die Frage nach den Zahlungsinstrumenten, die diese Kriterien erfüllen, nennt eine klare Mehrheit von 88 Prozent der befragten Verbraucher in einer Studie der Deutschen Bundesbank1) das Bargeld; es folgen mit deutlichem Abstand die Girocard mit 60 Prozent und die Kreditkarte mit 36 Prozent.

Bargeld ist am preiswertesten

Ein weiteres wichtiges Kriterium auf Ver braucherseite ist die Kontrolle über die Ausgaben. Nach den Zahlungsinstrumenten befragt, die einen guten Ausgabenüberblick gewähren, nennen 76 Prozent der Befragten das Bargeld. Danach folgen mit deutlichem Abstand die Girocard mit 52 Prozent und die Kreditkarte mit 32 Prozent.

Händlerseitig ist Bargeld als gesetzliches Zahlungsmittel vorgeschrieben. Zudem ist es mit schwer reduzierbaren Fixkosten verbunden, wodurch sich aus der Verringerung kleiner Mengen an Bargeld kaum Kostenvorteile ergeben. Dennoch: Bargeld ist nach wie vor das günstigste Zahlungsmittel. Und Kosten sind für den Handel ein gewichtiges Argument bei der Akzeptanz von alternativen Bezahlverfahren.

Neue technische Lösungen sind oft angebotsgetrieben. So ist zum Beispiel die Geldkarte eine technisch interessante Lösung, allerdings gibt es keine nennenswerte Nachfrage bei Händlern oder Endverbrauchern. Nutzen stiftet die Geldkarte allenfalls in Nischen, so etwa bei Automaten. Der erhoffte Durchbruch nach Einführung der Altersverifikation am Zigarettenautomaten blieb auch aus, die Zahlen aus dem Jahr 2008 zeigen sogar wieder nachlassende Geldkartentransaktionen im Vergleich zum Vorjahr.

Neue Zahlverfahren wie das Bezahlen mit Fingerabdruck oder kontaktlos mit dem Mobiltelefon befinden sich in den meisten Märkten noch in einem Forschungsstadium. Im "Real Future Store" testet die Metro Group diese Techniken bereits heute. Entscheidend wird auch hier die Kundenakzeptanz sein, die dadurch erreicht werden kann, dass der Kunde Vorteile für sich sieht, zum Beispiel schneller die Kasse hinter sich lassen zu können. Im Lebensmitteleinzelhandel wollen die Kunden Frische und Qualität zu einem vernünftigen Preis kaufen. Die Zahlart steht dabei nicht im Mittelpunkt, sondern ihre Wirkung auf Bequemlichkeit und Schnelligkeit beim Einkaufen.

Gewinn-Entscheidung an der Kasse

Auch wenn die Entwicklung weg vom Bar geld relativ langsam verläuft, so ist dieser Trend dennoch eine gewaltige Herausfor derung für den Handel, da Bargeld für die Unternehmen das mit Abstand günstigste Zahlungsmittel ist. Fakt ist: Es gibt derzeit kein bargeldloses Zahlungsmittel, welches auch nur annähernd an die geringen Kosten für die Bargeldabwicklung heranreicht. Selbst die Kosten für die in manchen Ländern relativ günstigen Debitkartenzahlungen liegen regelmäßig über den Bar geldkosten.

Somit steigen durch den wachsenden Anteil bargeldloser Zahlungsmittel die Kosten für die Händler stetig, sofern auf der Seite der bargeldlosen Systeme keine spürbare Kostensenkung erreicht wird. Speziell im Lebensmittelhandel sind die Margen sehr gering und oft entscheidet sich somit an der Kasse, ob mit einem Umsatz auch ein Gewinn erwirtschaftet wird oder der Gewinn an die Bank fließt.

Anforderungen an Zahlungsmittel im Handel

Neben den Kosten, die sich im Idealfall für bargeldlose Zahlungsmittel in engeren Grenzen als heute halten sollten, gibt es weitere sehr wichtige Anforderungen für bargeldlose Zahlungsmittel im Handel. Die erste ist die Sicherheit, und hier sind verschiedene Aspekte zu berücksichtigen.

Die Ausfallsicherheit der Systeme ist eine Grundvoraussetzung beim Einsatz von Kartenzahlungen. Ungern erinnert man sich im Handel an die Tage des Weihnachtsgeschäfts 2005 zurück, als Teile des ec-cash Autorisierungssystems ausfielen.

Die Notwendigkeit einer Backup-Lösung (ELV, Offline-Verarbeitung bei Kreditkarten) wurde damals und auch zwischenzeitlich bei jedem erneutem Ausfall der Autorisierungssysteme deutlich. Sonst lässt sich ein Chaos an den Kassen kaum vermeiden.

In der vorigen Ausgabe (siehe cards Kar ten cartes 3/2009) wurde in einigen Artikeln unter dem Aspekt des Wettbewerbs und der günstigen Abwicklung zugunsten des ELV-Verfahrens argumentiert. Zumindest, was eine Backup-Lösung gegen Systemausfälle beim Girocard-System angeht, sei das ELV-Verfahren auch in diesem Artikel explizit ins Feld geführt. Denn dazu fehlt derzeit eine überzeugende Alternative.

Die Kreditwirtschaft hat seither in die Ausfallsicherheit des ec-cash Systems investiert, allerdings kann die Verfügbarkeit noch nicht als völlig zufriedenstellend bezeichnet werden. Denn auch wenn die statistischen Verfügbarkeitszeiten gut klingen, so sind auch verbleibende Ausfallzeiten jedes Mal ein immenser "Betriebsunfall". Und man darf eines nicht vergessen: Wenn die Bargeldquote weiter auf Kosten der Kartenzahlungen sinkt, steigt die Abhängigkeit von der Technik noch weiter.

Sicherheit vor Manipulationen: Die Absicherung gegen Betrug, vor allem von außen - Stichwort Terminalmanipulation - ist leider ein Thema, dem man trotz der Erfolge im Kampf gegen diese Art der Kriminalität Aufmerksamkeit widmen muss. Die Metro Group reagiert durch verstärkte Überprüfung der Terminals, die Einführung von Siegeln und einige andere Maßnahmen darauf. Viele Maßnahmen und Vor schriften wurden und werden seitens der Kreditwirtschaft gefordert, zum Beispiel OPT, EMV oder PCI. Diese Maßnahmen verursachen jedoch Kosten, die zu großen Teilen letztlich vom Handel zu tragen sind und in den Rechenbeispielen, in denen bargeldlose Zahlungen als äußerst preiswert dargestellt werden, oft unter den Tisch fallen.

Schnelligkeit: Der Kassenbereich ist trotz aller Fortschritte immer noch ein Engpass, vor allem im Lebensmittelhandel, wenn die Kunden mit frischer oder tiefgefrorener Ware auf eine schnelle Abwicklung warten. Hier sind die gängigen bar geldlosen Verfahren kaum schneller als Bargeld. Inzwischen wurden Fortschritte durch neue Technik ermöglicht und man kann mit entsprechenden Investitionen die Abwicklungszeiten bei Kartenzahlungen am PoS signifikant senken.

Standardisierung: Kaum ein anderer Bereich ist so wenig standardisiert wie die Kartenzahlung. Zwar gibt es internationale Standards und Kartenmarken, aller dings sind noch allzu viele nationale Besonderheiten vorhanden, die Zentralisierungsansätze, mit denen Skaleneffekte erreicht werden könnten, zunichte machen. So ist es erklärbar, dass selbst international tätige Händler im Bereich der Zahlungsabwicklung noch sehr dezentral aufgestellt sind. Neben der Technik ver hindern auch die nationalen Interchangesätze der Kartengesellschaften ein "Central Acquiring".

Technisch könnten hier die Standardisierungsinitiativen im Rahmen von Sepa Abhilfe schaffen. Größere Veränderungen beim Thema Interchange sind wohl nur durch die EU-Kommission und die Kartellbehörden zu erwarten.

Kundenbindung und Umsatzsteigerung: Wie eingangs beschrieben gibt es eine Tendenz zur teureren Kartenzahlung - diesen monetären Nachteil versucht man auszugleichen durch Nutzung der Kartenzahlung zur Kundenbindung und, sofern möglich, zur Umsatzsteigerung. Für die Kundenbindung haben sich Karten durchaus bewährt und auch Verknüpfungen von Bonuskarte und Bezahlfunktion (zum Beispiel Payback Visa und Payback Maestro) lassen sich beim Kunden platzieren. Die Umsatzsteigerung ist naturgemäß sehr schwierig zu errechnen und kaum nachweisbar.

Ungewisse Zukunft

Die vorab beschriebenen Anforderungen sind heute nur in Teilen zufriedenstellend erfüllt. Somit sind Kartenzahlungen derzeit eher ein notwendiges Muss, da man in einigen Märkten ohne Kartenakzeptanz nicht auskommt. Rein die Kosten betrachtend nicht vorteilhaft, muss der Händler in solchen Märkten die Kartenzahlung aufgrund der Wettbewerbssituation und als Service für den Kunden trotzdem einführen.

Dass sich die bargeldlosen Bezahlverfahren einmal so positiv entwickeln, dass sie ein Segen für den Handel werden, ist möglich, wenngleich aus heutiger Sicht nicht vorhersehbar.

"war on cash" auch im Handel?

Bleibt abschließend die Frage: Was müsste sich ändern, um den Handel zum viel zitierten "war on cash" zu bewegen? Generell müssen signifikante Vorteile gegenüber dem Bargeld geschaffen werden - und zwar auf Verbraucher- und Händlerseite.

Die Schnelligkeit muss sich bei bar geldlosen Zahlungen weiter verbessern, Ansätze wie beim kontaktlosen Chip gibt es bereits.

Die Ausfallsicherheit muss weiter gesteigert werden, und es müssen tragfähige Back-up-Alternativen zur Verfügung stehen.

Eine durchgreifende Standardisierung würde Skaleneffekte und damit Spielraum für Preisreduzierungen schaffen.

Der Preis der Bezahlart ist und bleibt ein sehr wichtiges Kriterium. Es geht nicht darum, dass der Handel etwas geschenkt will. Allerdings sind die heutigen, auf dem Interbankenentgelt basierenden Strukturen nicht optimal. Die Interchange-Gebühren sind zu hoch, kaum transparent und stellen einen fixen Kostenblock für den Acquirer dar, der letztlich vom Handel bezahlt werden muss und nicht verhandelbar ist.

Ermutigende Signale

Erfolge, sprich aus der Sicht des Einzelhandels eine Absenkung dieser Gebühren, konnten bis dato in der Regel nur über die Kartellbehörden beziehungsweise die Politik (EU-Kommission) erreicht werden. Dies ist bedauerlich, auch da diese Verfahren erfahrungsgemäß lange dauern.

Allerdings gibt es auch ermutigende Sig nale: In Australien wurde etwa eine Senkung der Interchange-Gebühren bei Visa und Mastercard vorgeschrieben und trotzdem ist der Marktanteil von Mastercard und Visa im Vergleich zu American Express und Diners in den vergangenen fünf Jahren gestiegen. Das Katastrophenszenario der Kreditwirtschaft, dass Kartenunternehmen oder -herausgeber mit einer reduzierten Interchange nicht konkurrenzfähig sind, hat sich hier als nicht haltbar herausgestellt.

Falls die vorgenannten Änderungen kommen, würde der Handel mit den Banken gemeinsam einen "war on cash" wesentlich wahrscheinlicher mittragen. Man könnte dann den folgenden Hinweis sicher öfter vorfinden: "An dieser Kasse nur Kar tenzahlung möglich."

Fußnote Studie "Zahlungsverhalten in Deutschland", Deutsche Bundesbank 2009

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