Mobile Payment

"Mobiles Zahlen ist eine Investition in die Zukunft" / Interview mit Manfred Hoyer, Christian Brauckmann und Franz-J. Köllner

Im März dieses Jahres ist das Mobile-Payment-Projekt der Dortmunder Volksbank gestartet. Welche Erfahrungen haben Sie bisher gesammelt?

Hoyer: Unsere Kunden zeigen großes Interesse, so konnten wir die vorgesehene Anzahl an ausgegebenen Karten sehr schnell erreichen. Die Resonanz der Nutzer ist durchweg positiv. Dazu trugen sicherlich auch die gut verständlichen und transparenten Erläuterungen des Zahlungsprozesses bei. Der Ablauf erwies sich dann als absolut praxistauglich. Schon die ersten Karten-Zahlungen liefen reibungslos ab, und die sichere Übertragung der verschlüsselten Kreditkartendaten über das Mobilfunknetz auf die SIM-Karte gelang fehlerfrei. Deutlich zeigte sich der unterschiedliche Beratungsbedarf der Teilnehmer des Piloten.

Technikaffine Kunden gingen souverän mit der neuen Methode um.

Weniger versierte Kunden benötigten intensivere Betreuung bei Inbetriebnahme des Smartphones und Installation der App.

Inzwischen haben sich die Transaktionszahlen sehr erfreulich entwickelt. Zusätzlich erhalten wir aus den Befragungen der Pilotkunden wertvolle Erkenntnisse.

Welchen Nutzen stiftet ein solches Projekt für eine Volksbank? Kann über Mobile Payment das Kartengeschäft zu einem Ertragsfaktor werden oder bleibt es eher ein Kundenbindungsinstrument?

Hoyer: Die Dortmunder Volksbank stellt mit diesem Projekt exemplarisch die eigene Innovationskraft und die der genossenschaftlichen Finanzgruppe unter Beweis.

Die Verbundpartner haben als erste Bankengruppe in Zusammenarbeit mit dem Mobilfunkunternehmen Telefónica Deutschland (O2 ) eine Mobile-Payment-Lösung pilotiert, bei der der Kunde unseres Hauses dieses innovative Zahlungsmittel für sein Smartphone erhält. Die Dortmunder Volksbank bezieht bei diesem Projekt auch technikaffine Kunden ein, die eine Vorreiterfunktion beim Einsatz und Rollout von innovativen Produkten haben.

Immer mehr Händler stellen ihre Terminals auf die Kontaktlos-Technologie um. So werden bereits heute die technischen Voraussetzungen geschaffen, um Kunden das kontaktlose Bezahlen mit der Karte beziehungsweise dem Smartphone zu ermöglichen.

Wir gehen davon aus, dass diese Weiterentwicklungen das Bezahlverhalten der Kunden in der Zukunft verändern werden. Folglich ist Mobile Payment kein kurzfristiger Ertragsfaktor, sondern eine Investition in die Zukunft des Zahlungsverkehrs am PoS und im E-Commerce.

Wird die Karte im Smartphone zu einer Konkurrenz für die klassische Karte oder ist sie als Ergänzung zu verstehen?

Köllner: Smartphones verbreiten sich unaufhaltsam. Menschen aller Altersgruppen benutzen es für die verschiedensten Funktionen in ihrem Alltag. Das Smartphone entwickelt sich immer stärker zu einem "All-in-one-Gerät": Kommunikation, Information, Kreativität, Spielzeug. Viele Menschen tragen es überall bei sich. Die Smartphone-Karte sehen wir daher als ein völlig logisches und trendgerechtes Produkt, für das wir die Kreditkartendaten gesichert auf die SIM-Karte des Smartphones liefern und ablegen.

Brauckmann: Die Classic Card Mobile stellt eine Ergänzung zu den bestehenden Kartenprodukten dar. Sie kann das heutige Angebot vervollständigen und es den Kunden ermöglichen, entsprechend ihren Vorstellungen und Alltagssituationen das für sie passende Zahlungsmedium zu nutzen. In den nächsten Jahren wird die klassische Karte als Zugang zu Geldautomaten und zum weltweiten Einsatz ein unverzichtbarer Begleiter bleiben. Der Trend zum Zahlen mit dem Smartphone wird sich jedoch voraussichtlich weiterentwickeln, so wie in den letzten Jahren langsam, aber stetig die Bargeldzahlungen am PoS zurückgegangen sind.

Warum gerade Dortmund? Was macht diese Region interessant für einen Pilotversuch?

Hoyer: Dortmund bietet eine ideale Kombination: Die Dortmunder Volksbank gehört zu den größten Volksbanken in Deutschland. Hinzu kommen die Vorteile einer Region, die durch Universität und zahlreiche Technologiefirmen geprägt ist. In diesem Umfeld werden technische Innovationen aufgeschlossen aufgenommen. Nicht zuletzt sind unsere guten Beziehungen zum Handel von großem Vorteil.

Reicht die Paypass-Akzeptanz bisher schon aus, um das Konzept für Kunden interessant zu machen? Oder kommt man einstweilen nicht über den Status einer netten Spielerei für technikaffine Kunden hinaus?

Hoyer: Momentan hat der Markt beim kontaktlosen Bezahlen noch das "Henne-und-Ei-Problem". Aktuell gibt es zu wenige Kunden mit kontaktlosen Karten und zu wenige Akzeptanzstellen für kontaktlose Zahlungen. Der Markt entwickelt sich jedoch stetig weiter - so statten mehrere große Handelsunternehmen deutschlandweit ihre Terminals mit Kontaktlos-Zahlfunktion aus.

Auch unsere Erfahrungen im Pilotprojekt zeigen, dass der Handel durchaus interessiert und aufgeschlossen ist. Hier bewährte sich etwas, was typisch für genossenschaftliche Banken ist - die Partnerschaft der Dortmunder Volksbank mit den regionalen Unternehmen. So konnten wir den Einzelhandel ins Boot holen. Gemeinsam mit VR Pay, dem Acquirer der genossenschaftlichen Finanzgruppe, gelang es, 50 Händler zu überzeugen und mit Kontaktlos-Infrastruktur auszustatten. Die Technik konnte ihre Stärken zeigen: Die Händler waren insbesondere überrascht, wie einfach und schnell der Bezahlvorgang mit Hilfe der Kontaktlos-Technologie für den Kunden ist.

Wo sehen Sie typische Anwendungsbereiche?

Köllner: Letztendlich ändert sich der Anwendungsbereich nicht. Der Zahlprozess an der Kasse ist jedoch grundsätzlich einfacher, hygienischer und schneller für den Kunden und den Händler. Die kontaktlose Zahlung bietet sich vor allem dort an, wo in kurzer Zeit viele Kunden bedient werden. Für den einfachen kontaktlosen Bezahlvorgang wählt der Kunde die Classic Card Mobile in seiner digitalen Geldbörse, der O2 Wallet, aus und hält sein Smartphone vor das Terminal. Erst wenn der Betrag 25 Euro übersteigt, ist die Authentifizierung notwendig. Daher werden insbesondere Zahlungen von kleinen Beträgen so effizient abgewickelt, dass sie Bargeldzahlungen ersetzen können. Wird das einfache Bezahlen dann noch mit Mehrwerten des Handels wie zum Beispiel Bonussystemen und Ticketing kombiniert, kann das eigentliche Potenzial von Mobile Payment erschlossen werden.

Nach welchen Kriterien wurden die Kunden für das Pilotprojekt ausgewählt? Inwieweit sind sie repräsentativ für einen breiteren Markt?

Hoyer: In erster Linie wurden Bestandskunden der Dortmunder Volksbank persönlich angesprochen. Daneben informierten wir unsere Kunden sowohl auf der Internetseite der Dortmunder Volksbank als auch auf der Online-Banking-Seite über das Projekt. Die Teilnehmer am Piloten decken den gesamten Kundenkreis der Dortmunder Volksbank ab. Zusätzlich konnten auch neue Kunden für eine Teilnahme gewonnen werden. Somit zeigt die Teilnehmergruppe ein breites und aus unserer Sicht repräsentatives Kundenbild.

Welche Zielgruppen wollen Sie mittelfristig mit der virtuellen Karte ansprechen?

Brauckmann: Nach Abschluss und Auswertung des Pilotprojektes werden wir in der genossenschaftlichen Finanzgruppe entscheiden, ob die Classic Card Mobile das Kartenangebot der Volks- und Raiffeisenbanken künftig bundesweit ergänzen wird.

Letztendlich können alle Kunden angesprochen werden. Kurzfristig würde die virtuelle Karte eher technikaffine Kunden ansprechen, die ihre Kreditkarte häufig einsetzen und gerne immer bei der neuesten Smartphone-Generation dabei sind. Doch bequeme Nutzung und reibungslose Technik sind auch der Garant dafür, andere Kundengruppen mittelfristig zu überzeugen.

Welche Marktchancen hat ein Konzept, das einen Mobilfunkvertrag mit einem bestimmten Anbieter voraussetzt? Und welche Aussagekraft kann ein Pilot, der unter solchen Einschränkungen stattfindet, überhaupt haben?

Köllner: Wir haben uns im Piloten aus rein praktischen Gründen auf zwei bestimmte Smartphones und einen Mobilfunkvertrag eines bestimmten Mobilfunkanbieters beschränkt.

In Deutschland gibt es zwar vier große Mobilfunkanbieter, die sich bezüglich der hier wichtigen Aspekte wie dem Einsatz moderner Smartphones aber nicht sehr unterscheiden. Daher sehen wir hinsichtlich der Aussagekraft des Piloten keine großen Einschränkungen.

Die Zusammenarbeit mit Telefónica Germany als kompetentem Partner ermöglicht uns derzeit die Umsetzung des mobilen Bezahlverfahrens. Bei einem bundesweiten Rollout wäre es selbstverständlich notwendig, alle Mobilfunkanbieter zu unterstützen. Da der heutige Ansatz schon auf definierten Standards aufsetzt, könnte er in Zukunft auf weitere Mobilfunkanbieter ausgeweitet werden.

Und umgekehrt gefragt: Was müssen Sie vorweisen können, um auch andere Mobilfunkanbieter mit ins Boot holen zu können und damit den Teufelskreis aus zu wenigen Nutzern einerseits und zu eingeschränkten Nutzungsmöglichkeiten andererseits zu durchbrechen?

Köllner: Mobilfunkunternehmen müssen heutzutage eigentlich nicht mehr überzeugt werden, in Kooperationen mit der Kreditwirtschaft einzusteigen. Schließlich ist Zahlungsverkehr ein äußerst komplexes Thema, das über die bestehende kartenbasierte Infrastruktur äußerst effizient bedient wird.

Natürlich hat aber auch unser Pilotprojekt an vielen Stellen große Resonanz gefunden. Nicht nur die Kunden wollen die Technologie, auch die Anbieter wollen sie bereitstellen. Und die Übertragung der Lösung auf weitere Mobilfunkbetreiber wird auch zusehends einfacher, weil die Standardisierung Fortschritte macht. Dies gilt einerseits für die Wallet-Schnittstelle, aber auch für die Schnittstellen der "Trusted Service Manager", also die Anbindung unseres Systems zur Übertragung der Kreditkartendaten in die SIM-Karte der Smartphones an weitere Partner.

Gleiche Frage im Hinblick auf den Kreditkartenpartner: Warum ist die Entscheidung für Mastercard gefallen und muss man für mittelfristigen Erfolg nicht zweigleisig auch Visa anbieten?

Brauckmann: Das Ziel ist es, den Volksund Raiffeisenbanken entsprechend ihren Vorstellungen und den Wünschen ihrer Kunden Zahlungsprodukte anzubieten. Deshalb ist es für uns mittelfristig selbstverständlich, dass wir die Kreditkarte auf dem Smartphone sowohl mit Mastercard als auch mit Visa anbieten, wenn es zu einem Rollout kommt.

Im Pilotprojekt ging es aber zunächst darum, erste Erfahrungen zur technischen Umsetzbarkeit und zur Akzeptanz bei Kunden und Handel zu sammeln sowie den Business Case zu betrachten. Deshalb wurde das Projekt nur mit einem Telekommunikationspartner und mit Mastercard als Kreditkartenpartner gestartet, und zwar unter anderem auch, weil Mastercard beim kontaktlosen Zahlen im Handel stärker vertreten war.

Was muss bei den technischen Abläufen verändert werden?

Köllner: Der heutige Pilotstand zeigt, dass die technischen Abläufe grundsätzlich richtig definiert wurden und gut funktionieren. Nun können wir daran arbeiten, bestimmte Prozesse für große Kundenzahlen zu optimieren.

Der Pilot brachte auch Telefónica Deutschland (O2 ) wertvolle Erkenntnisse zu den neu erstellten Systemen. Hier zeigte sich, dass - wie üblich bei Neuentwicklungen - vereinzelt "Kinderkrankheiten" auftreten, die sich nur im realen Einsatz erkennen lassen. Diese können nun analysiert und abgestellt werden.

Wie lang soll das Pilotprojekt laufen? Und wann ist gegebenenfalls mit einem Roll-out zu rechnen?

Brauckmann: Das Projekt ist auf sechs Monate ausgelegt. In dieser Phase werden die Teilnehmer eng begleitet. Dazu gehört auch eine wissenschaftliche Beobachtung durch die Steinbeis-Hochschule.

Erst nach Ende der ersten Phase wird auf Basis der Erfahrungen die Entscheidung vorbereitet, ob und wann ein Rollout erfolgen soll. Dabei wird das Kundenfeedback wichtig sein. Die Entscheidung wird aber auch davon abhängen, wie sich eine vernünftige und kommerziell tragfähige Partnerschaft mit allen Mobilfunkanbietern darstellen lässt.

Kommt perspektivisch auch die Girocard kontaktlos in die Wallet?

Brauckmann: Die Girocard ist in Deutschland ein sehr verbreitetes und wichtiges Zahlungsmittel. Deshalb spezifiziert die DK (Die Deutsche Kreditwirtschaft) die Girocard kontaktlos und bereitet die zukünftige Einführung vor. Neben dem Produktangebot Girocard kontaktlos als Dual-Interface-Karte, mit der kontaktbehaftet also wie bisher "gesteckt" und kontaktlos gezahlt werden kann, sehen wir sie in einer Wallet als eine sinnvolle technologische Ergänzung. Die wesentlichen Vorbedingungen für eine Einführung werden dabei auch der Kundenwunsch, die Kundenakzeptanz und die Marktentwicklung sein.

Die Genossenschaftsorganisation hat ja bei der Weiterentwicklung der Zahlverfahren eine ganze Reihe von Projekten angestoßen. Kann eine Volksbank das alles managen? Oder müssen sich die Institute aus Kapazitätsgründen beispielsweise zwischen Girogo, Girocard kontaktlos oder der virtuellen Karte entscheiden? Wie kommt da der Verbund ins Spiel?

Brauckmann: Die WGZ Bank folgt der Strategie, mit der die genossenschaftliche Finanzgruppe seit Jahren erfolgreich ist: Produktentscheidungen werden nicht nur anhand von Theorien und Markttendenzen getroffen, sondern müssen auch Praxistests bestehen. Deshalb erproben wir an verschiedenen Stellen in Pilotprojekten sowohl die Dual-Interface-Karte, den Pay-Sticker - eine kleine kontaktlose Karte, die auf Handy, Schlüsselanhänger oder anderswo aufgeklebt werden kann - und eben die Kreditkarte im Smartphone.

Köllner: Auf Basis der Erfahrung in diesen Piloten wollen wir den Kunden auch in Zukunft einfache, sichere und technologisch hochentwickelte Zahlverfahren bieten. Trotz technologischer Vielfalt muss ein Produktangebot dabei einfach und benutzerfreundlich sein: Der Kunde kann zukünftig voraussichtlich als Ergänzung zu seiner (Plastik-) Karte die virtuelle Karte für sein Smartphone auf Wunsch zusätzlich von seiner Volks- und Raiffeisenbank beziehen.

Hoyer: Nach wie vor wählt jede Bank genau wie wir aus, welche Produkte sie ihren Kunden anbieten möchte. Und natürlich sind dabei die eigene Marktsituation, vorhandene Ressourcen und individuelle Ziele entscheidend. Wir gehen davon aus, dass in Zukunft häufig auch Kartenprodukte in Smartphones als Zahlungsmittel angeboten und von Kunden eingesetzt werden.

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