Aufsätze

Kontaktloses Bezahlen mit Karte - Erfahrungen und Erwartungen

Beim Zahlungsverkehrssymposium im Jahre 2011 war das Thema "Kontaktloses Bezahlen mit Karte" so konkret noch gar nicht greifbar. Heute - im Jahre 2013 - gewinnt man beinahe schon den Eindruck, als reihe es sich ein in eine große Vielfalt von Produktinnovationen im Bereich der Electronic Payments. Es geht im Folgenden um

1. das institutsübergreifende elektronische Bezahlen,

2. am realen Point of Sale,

3. mittels einer Karte als Formfaktor, und 4. kontaktlos auf Basis der NFC-Technologie.

Die wichtigste Nachricht in diesem Zusammenhang ist: Kontaktlos Bezahlen ist "live". Im Januar 2012 durfte der BVR als damaliger Federführer der Deutschen Kreditwirtschaft bei einer Pressekonferenz in Frankfurt das neue girogo-Verfahren der Öffentlichkeit vorstellen. Bei girogo handelt es sich um die gemeinschaftliche Marke der Deutschen Kreditwirtschaft für das kontaktlose Bezahlen auf Basis der GeldKarte. Es ist seit April 2012 nunmehr im Echtbetrieb in der Pilotregion Hannover/Braunschweig - und es funktioniert. Die Vorteile lassen sich in Schlagworten zusammenfassen: bequem, hygienisch und sicher.

Vorteile spiegelbildlich für die Händler

Die Karte muss nicht mehr in ein Kartenterminal gesteckt werden, die Zahlung erfolgt in deutlich weniger als einer Sekunde, und zwar für den Karteninhaber bequem, hygienisch und sicher. Diese Vorteile ergeben sich spiegelbildlich für den Händler, einschließlich der Sicherheit durch eine Zahlungsgarantie des kartenausgebenden Instituts.

Für girogo werden zum einen sogenannte Dual-Interface-Karten benötigt. Auch wenn man es ihnen nicht ansieht, so lässt sich aus eigener Erfahrung mit der Kartenherstellung durchaus noch bestätigen, dass sie produktionstechnisch anspruchsvoll sind. Die Karten konnten zur Pilotierung mit 1,1 Millionen Exemplaren für Sparkassen und 200 000 Stück für Genossenschaftsbanken (vom DG Verlag) rechtzeitig zur Verfügung gestellt werden und sie bewähren sich im Betrieb.

Zum zweiten werden entsprechende Kontaktlos-Terminals benötigt: 1 100 girogo-Terminals sind inzwischen in 480 Geschäften erfolgreich installiert worden, der größte Teil davon durch den genossenschaftlichen Netzbetreiber Card Process. Aus diesen Zahlen wird deutlich, dass der Pilottest im Raum Hannover-Braunschweig mehr ist als nur ein Friendly-User-Test. Die Akzeptanzstellen decken auch hinsichtlich der vertretenen Branchen ein breites Spektrum ab: Von Edeka über dm, Douglas, Ditsch bis zu Sanifair.

Ein Test der Deutschen Kreditwirtschaft

Der Pilottest ist ein Test der Deutschen Kreditwirtschaft, der durch ein gemeinsam beauftragtes Projektmanagement begleitet wird und auf gemeinsam erstellten Spezifikationen beruht. Seit Jahresbeginn sind zu den 1,3 Millionen von den beteiligten Sparkassen und Genossenschaftsbanken herausgegebenen girogo-Karten weitere 30 000 Karten der VW-Bank hinzugekommen, die primär als Bezahlmedium in der Volkswagen-Arena in Wolfsburg emittiert wurden. Obwohl unter gemeinsamem Dach der Deutschen Kreditwirtschaft, lässt dieses Projekt durchaus Raum für unterschiedliche Vorgehensweisen der beteiligten Partner. So testen die Sparkassen zusätzlich zwei neue Verfahren zum Aufladen der elektronischen Geldbörse am Point of Sale, und sie haben den Roll out auch über das Pilotgebiet hinaus eingeleitet. In anderen Verbandsbereichen wird zunächst der bis zum Jahresende 2013 verlängerte Beobachtungszeitrahmen aus dem Pilotprojekt abgewartet.

Aus Sicht der genossenschaftlichen Finanzgruppe ist es besonders wichtig, möglichst breite Erfahrungen im Umgang mit den neuen Technologien zu sammeln. So testen die Hamburger Volksbank und die Sparda-Bank Hamburg seit Anfang 2012 parallel die Mastercard-Paypass-Lösung auf Basis von Kreditkarten und Paystickern. Die Dortmunder Volksbank testet zusammen mit der WGZ Bank seit März 2013 mit einem begrenzten Kundenkreis eine Smartphone-Lösung mit den Partnern O2 und Mastercard. Die EMV-Kreditkartendaten sind hier sicher im Secure-Element von zertifizierten Smartphones verankert. Zusätzlich befindet sich die DZ Bank mit über 170 Volksbanken und Raiffeisenbanken in der Erprobung von iZettle, womit Smartphones als Kartenakzeptanzterminals genutzt werden können. Die iZettle-Lösung arbeitet zwar im Zusammenspiel mit der Karte kontaktbehaftet, kann aber hinsichtlich der Zielsetzung der Flexibi lisierung des Karteneinsatzes in neuen Akzeptanzzusammenhängen durchaus in die Reihe der Kontaktlosprojekte eingereiht werden.

In der diesjährigen Pressekonferenz der Deutschen Kreditwirtschaft zu girogo vom 19. März 2013 unter Federführung des DSGV wurde zudem angekündigt, dass das Trägermedium für girogo, die Girocard, nun auch hinsichtlich ihrer Debitfunktion für die kontaktlose Anwendung vorbereitet werden soll. Die entsprechenden Abstimmungen in der Deutschen Kreditwirtschaft werden zurzeit getroffen.

Eine Basistechnologie

Aus Sicht der genossenschaftlichen Finanzgruppe handelt es sich bei der Kontaktlostechnologie um eine Basistechnologie, die für ihre langfristige Akzeptanz gerade auch in dem klassischen Kartenzahlverfahren Girocard/electronic cash, das im Jahr 2012 2,3 Milliarden Transaktionen mit 128 Milliarden Euro Transaktionsumsatz auf sich vereinigen konnte, Anwendung finden muss.

Dabei geht es nicht zuletzt darum, die sowohl in der Kreditwirtschaft als auch beim Handel höheren Infrastrukturaufwendungen der Kontaktlostechnologie entsprechend auszulasten und Synergie effekte zu erreichen. Denn allein mit der Kartenbasis im Geldkarte-System, die - trotz professionellen Marketings - bei den vier Pilotbanken nur eine Aktivierungsquote von vier Prozent erreicht hat, werden die notwendigen Economies of Scale sicherlich nicht erreichbar sein.

Will man ein erstes Zwischenfazit aus den genossenschaftlichen girogo- und Paypass-Pilottests ziehen, so deckt sich dies durchaus mit den ursprünglichen Erwartungen:

- Die technische Systeminfrastruktur ist stabil und funktioniert reibungslos.

- Die tatsächliche Kundennutzung ist dagegen bislang noch gering. Offensichtlich wird der kontaktlose Bezahlvorgang sowohl vom Karteninhaber als auch vom Akzeptanten allein noch nicht als Anreiz begriffen, das Bezahlverhalten grundlegend zu ändern.

- Insbesondere die Annahme, dass die Kunden mit der kontaktlosen Einsatzmöglichkeit deutlich häufiger auch die Geldkarte-Funktion nutzen werden, war wohl zu optimistisch.

- Aufgrund der in den Kundenumfragen durchaus bestätigten Servicevorteile der kontaktlosen Bezahltechnologie wird sich diese gleichwohl mittel- bis langfristig durchsetzen, insbesondere wenn beim Kassenpersonal und beim Karteninhaber die Vertrautheit mit dem neuen Bezahlvorgang zunimmt.

Konkrete Einsatzerfahrungen aus vielfältigen Pilotanwendungen

Aus Sicht der genossenschaftlichen Finanzgruppe besteht die Konsequenz daher darin, möglichst konkrete Einsatzerfahrungen aus den vielfältigen Pilotanwendungen zu gewinnen, um rasch auf mögliche anwachsende Kundenbedarfe reagieren zu können. Unter Kosten-/Nutzen-Aspekten scheint ein Breiten-roll-out kontaktloser Bezahlangebote aber noch nicht sinnvoll zu sein.

Gern wird natürlich in diesem Zusammenhang die Frage gestellt, ob es sich bei der kartenbasierten Kontaktlos-Technologie nicht ohnehin um eine Brückentechnologie handelt, die über kurz oder lang von Mobile- beziehungsweise Wallet-Bezahllösungen abgelöst wird. Hierzu ist ganz klar anzumerken, dass sich die Karte als Trägermedium in ihrer Geschichte durchaus wandlungsfähig gezeigt hat - von der Scheckgarantiefunktion über den Magnetstreifen und den kontaktbehafteten Chip nun zur Kontaktlos-Technologie - und gerade die Vertrautheit der Kunden mit diesem realen Medium eine ihrer großen Stärken darstellt. Insofern weist die Karte ähnliche Stabilitätsmerkmale auf wie das Bargeld.

Für das Smartphone spricht unbestritten die Integrationsmöglichkeit des Bezahlvorgangs in viele andere Lifestyle-Anwendungen (aus Sicht des Benutzers) beziehungsweise in individualisierte Marketingprogramme (aus Sicht des Anbieters). Gleichzeitig bedingen Smartphone-basierte Lösungen aber auch eine Verlängerung der Wertschöpfungskette, eine Steigerung der Komplexität und die Notwendigkeit zur Einbeziehung zusätzlicher Partner, - zusammen mit höheren Betrugsrisiken ein schwierig darzustellender Business Case. Um aber auch hierbei von der Theorie zur Praxis zu kommen, haben wir uns zu dem bereits genannten Piloten mit den Partnern O2 und Mastercard-Paypass entschlossen, der seit Kurzem aktiv ist.

Ein Blick in die Kristallkugel

Wenn man Bargeld als "Payment 1.0" und die Karte als "Payment 2.0" bezeichnet, dann werden die Mobile-Anwendungen sicher als "Payment 3.0" die nächste Innovationsstufe im Zahlungsverkehr darstellen. Angesichts der universellen Verbreitung von Bargeld und Karten wird sich dies aber nicht in einem Big Bang niederschlagen, sondern in einer sukzessive zunehmenden Verbreitung vom klassischen E-Commerce in stationäre Anwendungen hinein. Natürlich wird die Kreditwirtschaft - und gerade die retail-orientierte genossenschaftliche Finanzgruppe - ihre Position in diesem Veränderungsprozess finden und definieren müssen. Dabei wird vor allem herauszustellen sein, dass für die Kreditwirtschaft der Zahlungsvorgang als solcher ihr Kerngeschäft und nicht etwa Anhängsel eines Marketing- oder Datensammlungsprozesses darstellt. Diese Neutralität und die Verpflichtung auf gelebte kreditwirtschaftliche Sicherheit- und Datenschutz-Standards ist langfristig ein wesentlicher Wettbewerbsvorteil.

In diesem Zusammenhang bleibt es eine Forderung der gesamten Deutschen Kreditwirtschaft, die Regulatorik für Zahlungssysteme am realen Point of Sale und im Netz für etablierte - und bereits umfangreich regulierte - Anbieter wie Banken beziehungsweise Zahlungsdiensteanbieter und internationale "Quereinsteiger" aus E-Commerce orientierten Branchen wettbewerbsneutral auszugestalten.

Der Beitrag basiert auf einer Rede des Autors anlässlich des "Zahlungsverkehrssymposiums 2013" der Deutschen Bundesbank. Die Zwischenüberschriften sind teilweise von der Redaktion eingefügt.

Dr. Andreas Martin , Mitglied des Vorstands , Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. (BVR), Berlin
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