Allgemein

Zahlungsverkehr: Säbelrasseln aus Brüssel

Vielleicht lag es in der Absicht von EU-Wettbewerbskommissarin Neelie
Kroes, dem Aufbau des einheitlichen europäischen Zahlungsverkehrsraums
(SEPA) für Karten etwas "Anschub" zu leisten, als sie sich unlängst
kritisch der Kartenbranche zuwandte. Die Anbieter haben es sich, so
ihre Beanstandung, in ihrem Geschäft etwas zu bequem gemacht: Zu
gering sei der Wettbewerb, zu hoch die Gewinne und schließlich zu
stark fragmentiert der Markt. Dabei ging es ihr sowohl um nationale
Debitkarten, wie etwa das hiesige EC Cash, als auch um die
internationalen Anbieter von Debit- und Kreditkarten - also im
Speziellen um Mastercard und Visa. Und es geht im Kartenmarkt (trotz
des nach wie vor niedrigen Anteils am gesamten Zahlungsverkehr)
dennoch um ansehnliche Summen: Im Jahr 2004 etwa wurden in der EU rund
23 Milliarden Kartenzahlungen mit Umsätzen im Gesamtwert von rund 1,35
Billionen Euro getätigt.
\
Hintergrund für den Vorstoß der Brüsseler Behörde ist der "vorläufige
Zwischenbericht 1" der auf einer Umfrage bei Marktteilnehmern
basierenden Sektor-Untersuchung der EU-Kommission. Dieser kommt zu dem
Schluss, dass die Branche nach wie vor national zerklüftet ist und in
einigen Ländern nationale Marktteilnehmer den Wettbewerb behindern.
Anstoß nimmt man in Brüssel insbesondere daran, dass so die Kosten für
Konsumenten und Unternehmen in die Höhe getrieben würden.
\
Ein durchschnittlicher Karteninhaber, so rechnet die Kommissarin
medienwirksam vor, zahlt "mehrere hundert Euro pro Jahr zu viel".
\
Insbesondere die hohen Gewinne im Geschäft mit Zahlungskarten sowie
die trotz Binnenmarkt großen Preisunterschiede liefern laut Kommission
dabei die Hinweise auf einen unzureichenden Wettbewerb. An den Pranger
gestellt werden insbesondere, aber nicht allein, die internationalen
Anbieter. So bezahlen laut Studie die Konsumenten für Mastercard und
Visa in einigen Mitgliedstaaten doppelt so viel wie in anderen.
\
Aber auch auf Händlerseite wurden erhebliche Ungleichheiten
festgestellt: In Ungarn, Tschechien oder Portugal etwa liegen die
Gebühren für die "Merchants" mit 2,5 bis 3,1 Prozent des
Transaktionswerts rund drei bis vier Mal so hoch wie in Schweden,
Finnland und Italien, für Zahlungen mit Kreditkarten von Mastercard
oder Visa.
\
Kaum freier Wettbewerb
\
Woher aber kommen diese Ungleichgewichte? Als Quelle der Probleme
identifiziert der Zwischenbericht eine Vielzahl potenzieller Hürden
für den Wettbewerb. Da sind zum einen strukturelle Hindernisse: In
acht Staaten, darunter Deutschland, Italien und Österreich, treten die
Banken den Händlern gegenüber gemeinsam auf und bieten ihnen ein
einziges statt mehrerer konkurrierender Angebote für die
internationalen Kartensysteme von Mastercard beziehungsweise Visa -
das so genannte Blending. Im Resultat sind in diesen Ländern hohe
(Österreich, die Niederlande, Portugal) oder zumindest
überdurchschnittliche (Deutschland, Belgien) Interchange Fees für
Kreditkartentransaktionen zu finden, was schließlich in höheren
Gebühren für die Händler gegenüber dem Acquirer führen könne.
\
Auch das Risiko, die Möglichkeit des Co-Brandings mit den
internationalen Netzwerken zu verlieren, wertet die Studie als
mögliches Hindernis für einen fairen Wettbewerb - den nationalen
Debit-Anbietern würde die Chance genommen, mit eben diesen in
Konkurrenz zutreten, weil aus Kundensicht dann für beide Systeme eine
eigene Karte notwendig ist.
\
Protektionistische Verhaltensweisen
\
Etwas grundsätzlicher werden zudem die generellen Verhaltensweisen
bemängelt: So können die protektionistischen Absprachen zwischen
einheimischen Banken, zum Beispiel in Portugal oder Österreich über
Präferenztarife die Kosten für neue ausländische Konkurrenten derart
erhöhen, dass ein Markteintritt schnell nicht mehr sinnvoll erscheinen
kann. Gleiches gilt für bilaterale Clearingabkommen, wie sie etwa in
Großbritannien vorzufinden sind. Andernorts werden Nichtbanken sogar
gleich gänzlich vom Kartengeschäft ausgeschlossen.
\
Hinzu kommt das viel zitierte Thema der Interchange Fees. Gleich eine
ganze Reihe an marktbehindernden Effekten schreibt der Bericht diesen
zu. Zum einen auf der Händlerseite: Weil im Rahmen der EU-Untersuchung
in Ländern mit höheren Interchange Fees auch durchschnittlich höhere
Händlergebühren festgestellt wurden, läge es nahe, dass die zwischen
Issuer und Acquirer gezahlten Abgaben am Ende direkt an den Kunden
weitergegeben würden.
\
Gleichermaßen führten die hohen Interchange Fees zum anderen auch
nicht notwendigerweise, wie immer wieder gerne von den ausgebenden
Banken als Rechtfertigung angegeben, zu geringeren Gebühren für die
Kartennutzer. Pro einem Euro Erhöhung der Fee, so heißt es in dem
Papier, werden nur 25 Cent als Vergünstigung an den Kunden
weitergegeben. Vielmehr im Gegenteil, oft ließen sich bei den
nationalen Kartensystemen sowohl geringere Gebühren zwischen den
Instituten wie auch für die Nutzer feststellen als bei den
internationalen Plattformen Maestro und Visa Debit.
\
Und auch hier sind es die hohen Gewinne, die aus Sicht der Kommission
die Banken verraten: Weil nämlich in Ländern mit höherer Interchange
Fee eben auch höhere Profite bei den ausgebenden Instituten
festzustellen sind, will die Kommission die althergediente
Argumentation nicht mehr ohne weiteres gelten lassen, dass die
Interchange Fee als Ausgleich für die hohen Kosten des Ausgebens der
Karten notwendig ist. Noch plakativer hält die Studie fest: In 20 von
25 Ländern würde das Issuing selbst dann Gewinne einbringen, wenn es
gar keine Interchange Fee gäbe.
\
Konsultation gestartet
\
Als Konsequenz aus den Ergebnissen der Studie hat die Kommission nun
eine bis zum 21. Juni dieses Jahres laufende öffentliche Konsultation
in die Wege geleitet. Sollte diese die vorläufigen Ergebnisse
bestätigen, will sie zum ersten in individuellen Fällen Maßnahmen
gegen Banken und Kartennetzwerke auf Basis des EU-Kartellrechts
prüfen. Trotz der durchaus harschen Drohgebärde sucht die Kommission
zunächst aber den "positiven Dialog" - auf diese Weise ließen sich oft
bessere Ergebnisse erzielen als durch die sofortige Eröffnung von
Verfahren gegen die mutmaßlichen Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht.
\
Demnach hat sich die Behörde zunächst also der konstruktiven Kritik
verschrieben. Und so sollen zum zweiten die Ergebnisse der Gespräche
Anhaltspunkte für allfällige Änderungen des Rechtsrahmens liefern und
damit zur Schaffung des angestrebten Binnenmarkts für den
Zahlungsverkehr beitragen. Zum dritten schließlich hofft die
Kommission dennoch auf die Wirkung ihres Säbelrasselns, und so
forderte die Kommissarin die Branche dazu auf, in Eigenregie Lösungen
für die identifizierten Probleme zu finden - und damit die Gefahr von
Kartellverfahren zu bannen.
\
Mit der Untersuchung allein des Zahlungsverkehrs will sich die
EU-Wettbewerbskommission im Bezug auf das Retail-Banking übrigens
nicht zufrieden geben: Als weitere Resultate sollen im Juli dieses
Jahres ein Zwischenbericht über Kontokorrentkonten und im September
ein solcher über Versicherungsangebote für Unternehmenskunden folgen.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X