Branchentrends 2015

Alternative Einkommensquellen gesucht

Bild 9

Wie immer man die Argumente für und gegen die EU-Verordnung über Interbankenentgelte bewertet - Kartenemittenten werden alternative Einkommensquellen neben der Interchange erschließen müssen. Als gute Möglichkeit dazu bringt Oliver Nauth an die Karte gekoppelte Versicherungen für den ausstehenden Kreditkartensaldo ins Spiel. Hier bietet sich ein Ansatz im Trend zu individuelleren Kartenprodukten. Gleichzeitig lässt sich die Penetration von Kreditkarten mit Teilzahlungsstrategien steigern. Red.

Banken und andere Kreditkartenanbieter haben es immer schwerer, ihre Umsätze zu steigern. Dies liegt zum einen am immer restriktiver werdenden regulatorischen Umfeld, zu anderen am verschärften Wettbewerb und einer höheren Sensibilisierung des Verbrauchers für Kosten, die er tragen muss.

Die Argumente für und gegen die sich gerade im Gesetzgebungsverfahren in Brüssel befindliche neue EU-Verordnung über Interbankentgelte für kartengebundene Zahlungsvorgänge sind bestens bekannt.

- Die Europäische Kommission glaubt, dass ihre Pläne "rechtliche Klarheit und gleiche Wettbewerbsbedingungen für den EU-weiten Zahlungsverkehr" schaffen werden, von dem sowohl Verbraucher als auch Händler profitieren - nicht zuletzt auch im elektronischen Handel.

- Demgegenüber behauptet der Europäische Bankenverband, dass die Erfahrung in Ländern wie Spanien und Australien zeigt, dass die Verbraucher nicht von der Reduzierung beziehungsweise Beschränkung der Kartengebühren im Sinne von Einsparungen profitieren.

Streichung von Leistungen bedroht Marktposition

Egal welche Sichtweise man bezüglich dieser neuen Verordnung hat: Es ist klar, dass die geänderten Spielregeln drastische Auswirkung auf den Kreditkartenmarkt haben werden. Kreditkartenanbieter, einschließlich der Banken, müssen versuchen, alternative Einkommensquellen zu erschließen, um die sich abzeichnenden Verluste von Interbankenentgelten im Kartengeschäft zu kompensieren.

Einige Anbieter könnten versucht sein, neue Gebühren einzuführen, gewisse Leistungen zu streichen oder sogar Investitionen in neue Produkte zurückzufahren. Dies könnte allerdings schwierig werden in einem durch harten Wettbewerb gekennzeichneten Markt, in dem Nullwachstum einhergeht mit Verlust an Marktanteilen.

Das Abwickeln von Kreditkartenzahlungen kostet Geld und wenn Gebühren immer weniger werden und auch Zinseinkünfte aufgrund der derzeitigen Niedrigzinsen rückläufig sind, dann müssen neue Einkommensquellen erschlossen werden, damit die Geschäftsbilanz stimmt. Die Herausforderung dabei wird sein, das Geschäftsmodell so zu modifizieren, dass den Wünschen und Erfordernissen einer immer diversifizierteren Kundenbasis Rechnung getragen wird - sowohl auf der Ebene des Endverbrauchers als auch im Geschäft mit Händlern.

Rapides Wachstum im E-Commerce begünstigt Trend zur Kartennutzung

Giro- oder Kreditkarten verleihen Verbrauchern Kontrolle, Flexibilität und Bequemlichkeit im Umgang mit ihren Finanzen, mit dem zusätzlichen Vorteil von Sicherheit. Auch kann es für kleine Unternehmen schwer sein, an Kapital zu gelangen.

Für solche Unternehmen können Kredit- und Girokarten den benötigten Spielraum bieten, wenn der Zugang zu traditionellen Zahlungsmitteln und Krediten erschwert ist.

Deutschland ist nach Großbritannien im internationalen Vergleich der zweitgrößte elektronische Handelsmarkt. Laut "E-Marketers" kaufen geschätzt 41 Millionen Deutsche über das Internet ein. Das wird auch durch die stabile wirtschaftliche Lage getragen, was dem Trend weg vom Bargeld und hin zu Kartenzahlungen ebenfalls zugutekommt. Eine Umkehr zurück zu Bargeld ist jedenfalls nicht in Sicht, nicht zuletzt bei Verbrauchern jüngeren und mittleren Alters.1)

Zunahme neuer Angebote im Kartensegment?

Als Antwort auf das geringere Einkommen durch Gebühren sowie die immer diversifizierte und anspruchsvollere Kundenbasis haben viele Banken damit begonnen, ihre Angebote zu erweitern; beispielsweise im Hinblick auf Versicherungen. Die Gebühren, die im Zusammenhang mit solchen Produkten verlangt werden, können durchaus den Einkommensausfall durch die Karten als solche kompensieren und sogar zur Erzielung höherer Gewinnmargen, zu Wachstum und zum Erschließen neuer Märkte beitragen.

Produkte wie der Kreditkartenschutz sind dafür da, Kunden im Falle von unvorhersehbaren Risiken und Ereignissen abzusichern, die während des Lebens auftreten können. Das Produkt sichert die Zahlung der Mindesttilgung oder eines Prozentsatzes des Kreditkartensaldos, beispielsweise im Falle von unverschuldeter Arbeitslosigkeit, Arbeitsunfähigkeit oder Unfall. Darüber hinaus wird im Fall von Tod, schwerer Krankheit oder dauerhafter vollständiger Erwerbsunfähigkeit ein bestehender Restkredit vollständig abgelöst.

Diese Absicherung kann sehr hilfreich sein, wenn jemand plötzlich arbeitslos oder krank wird und ein Teil des Einkommens ausfällt, und wenn es keinen Partner gibt, der die ausstehenden Rechnungen begleichen kann.

Hilfe bei Vertrieb und Marketing

Banken und andere Kartenanbieter können darüber hinaus von der Zusammenarbeit mit Versicherern profitieren wenn es darum geht, die Penetration von solchen und ähnlichen Produkten zu erhöhen. Banken können durch eine Partnerschaft mit Versicherungsunternehmen wie Genworth ihre Kosten reduzieren durch die Übertragung von Telemarketingaktivitäten auf den Versicherer.

Endverbraucher und Händler können auch vom Kreditrahmen (Revolving Credit) profitieren, zu dem sie über die Kreditkarten Zugang erhalten. Genworth berät Partner über die besten Teilzahlungsstrategien, um die Nutzung der Karte und die Kundenanbindung zu optimieren.

Revolving Credit ist eine Art von Kredit, bei dem der ausstehende Betrag und die monatliche Abzahlung fluktuieren können und bei Kartenbesitzer normalerweise die Option haben, Gebühren zu vermeiden wenn der ausstehende Betrag innerhalb einer gewissen Frist abbezahlt wird. Diese Art von Kredit hat außerdem eine vorgegebene Kredit- und Ausgabenobergrenze.

Der größte Vorteil ist jedoch, dass dieser Kredit dem Unternehmen oder Verbraucher zugänglich ist, wenn er wirklich gebraucht wird. Die jeweils erneute Beantragung eines Kredites im Falle einer Anschaffung entfällt. Die Teilzahlungsfunktion eignet sich besonders für Menschen, die zwar eine geregelte Arbeit, aber keine regelmäßige Bezahlung haben - und auf diese Weise größere Flexibilität erhalten, was auch den Zinserträgen der Kartenanbieter zugutekommt.

Individuelle Kundenbedürfnisse berücksichtigen

Wenn die Banken jetzt noch zusätzliche Leistungen und gezielte Versicherungsprodukte mit in das Kartenprodukt aufnehmen, dann wäre dies in den Augen des Verbrauchers mit Sicherheit eine erwünschte Diversifizierung, die auch im Interesse der Bank ist.

Das Kundenerlebnis variiert sehr stark zwischen den Banken und anderen Kartenanbietern. Um ihre Gewinnmargen zu schützen, müssen alle Anbieter noch mehr als bisher auf die individuellen Bedürfnisse ihrer Kunden eingehen, verteilt auf die ganze Produktpalette. Nur wenn es gelingt, individuellen Bedürfnissen Rechnung zu tragen - zum Beispiel durch Einbeziehung von Versicherungsprodukten - werden sie das Vertrauen und die Loyalität ihrer Kunden steigern.

Das Kundenerlebnis wird die Basis für Differenzierung

Die Grenzen und Rahmenbedingungen, innerhalb derer die traditionellen Banken und Kartenanbieter ihre Produkte vertreiben, werden zunehmend verschwommen. Laut Forrester Research Digital Banking Forecast für die Jahre 2013 bis 2018 (untersucht wurden die sieben EU-Mitgliedsstaaten Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande, Spanien, Schweden und Großbritannien) hat 2013 erstmals die Mehrheit der Erwachsenen in diesen sieben Ländern ihre Bankgeschäfte über digitale Kanäle (zum Bespiel Computer, Tablet oder Mobiltelefon) getätigt.

Als wichtigste Wachstumssegmente bei den Vertriebskanälen werden Mobiltelefon- und Tabletbanking gesehen. Während für Bankgeschäfte über Mobiltelefone ein Wachstum von 19 Prozent bis 2018 prognostiziert wird, ist das erwartete Wachstum bei Bankgeschäften über Tablets offenbar doppelt so hoch; ausgelöst durch stark steigende Besitzraten solcher Geräte.

Die Nachfrage nach Online-Banking ist ohnehin in den letzten Jahren schon stark angestiegen. Laut Deutsche Bank Research gab es 2010 etwa 27 Millionen Bankkunden, die auf diese Art ihre Geschäfte erledigt haben. Bis 2030 werden etwa 44 Millionen Nutzer erwartet. Als Folge werden immer mehr Bankfilialen geschlossen. Laut Bank of International Settlements ist die Zahl der Bankfilialen in Deutschland im Zeitraum zwischen 2006 und 2011 um 6,6 Prozent zurückgegangen. Die Gewinner sind eindeutig digitalisierte Bankdienstleistungen.

Digitale Vertriebskanäle werden unverzichtbar

Diese bieten Verbrauchern eine deutlich größere Auswahl. Beispielsweise hat eine Zeit- und Bewegungsanalyse einer der vier großen australischen Banken kürzlich ergeben, dass Kunden im allgemeinen Zugang zu digitalen Bankdienstleistungen am liebsten zu Arbeitsbeginn über ihren Desktop, über Mobiltelefone während sie nach Hause pendeln und abends, wenn sie zu Hause sind, über Tablets nutzen. Ein ähnliches Prinzip trifft auf „Multi-Channel-Banking” zu: Dabei kann der Kunde unter verschiedenen Vertriebskanälen auswählen und Bankdienstleistungen in Anspruch nehmen wann und wo er will. Digitales und Multi-Channel-Banking sind bedeutsam, weil dadurch nicht nur die Anzahl der Interaktionen mit der Bank steigt, sondern auch die Wahrscheinlichkeit, dass mehr Produkte gekauft werden – und damit sind Kunden für die Bank profitabler.

Das Kundenerlebnis muss dabei aber im Vordergrund stehen; es wird die Basis für eine Differenzierung zwischen Banken und Kartenemittenten sein. Auch sollte man sich darüber im Klaren sein, dass nicht alle Länder, Regionen und Altersgruppen im Gleichschritt den technologischen Fortschritt annehmen.

Genworth hatte eine Umfrage unter 21 000 Menschen in 20 Ländern in Auftrag gegeben, um herauszufinden, welche Versicherungsprodukte über welche Vertriebskanäle in den letzten zwei Jahren gekauft wurden. Das Ergebnis:

- Deutsche Verbraucher kaufen am liebsten in Filialen/Niederlassungen (60 Prozent), was dem Trend in Europa genau entspricht (ebenfalls 60 Prozent).

- Finanzmakler und Berater sind mit 38 Prozent ebenso beliebt wie im Rest Europas (39 Prozent).

- Mit 52 Prozent lag die Abschlussrate über das Internet an exponierter Stelle (Desktop/Laptop/Netbook) – eine Spitzenstellung in Europa.

- Deutschland rangiert auf Rang zwei in Europa was den Kauf über Tablets, PDA und Smartphone betrifft (31 Prozent). Solche mobilen Geräte sind vor allem bei jüngeren Menschen sehr beliebt (50 Prozent im Segment der 18-24-jährigen).

Obwohl der technologische Wandel mit unterschiedlicher Geschwindigkeit in den verschiedenen Ländern und innerhalb der verschiedenen Generationen vonstatten geht, dürfte eines klar sein: digitale Vertriebskanäle werden zusehends unentbehrlich – angefangen vom der Suche nach Informationen, über den Kauf bis hin zum Kundenservice und der Bearbeitung des Schadensfalls. Erfolgreiche Banken und Kartenanbieter werden sich dadurch auszeichnen, dass sie in der Lage sind, Kunden individuell mit ihren digitalen Bedürfnissen passgenau zu betreuen und auf ihren persönlichen Anspruch zugeschnittene Produkte anzubieten. Dabei darf das Unternehmen nicht außer Acht lassen, in qualitativ hochwertige Informationstechnologien zu investieren, die ebenfalls höchsten Anforderungen bezüglich des Datenschutzes entsprechen.

Vier Top-Trends für die Branche

Deutsche Banken und Kartenanbieter sehen sich also einem stark veränderten Markt gegenüber, mit vielen komplexen Herausforderungen. Zusammenfassend sind dies die folgenden vier Top-Trends:

1. neue EU-Gebührenverordnung für Kreditkartentransaktionen und weitere gesetzgeberische Initiativen;

2. diversifizierte Kundenbasis, deren Anforderungen stetig steigen;

3. Wachstum im Bereich elektronischer Handel und Abkehr von Bargeld hin zum Einsatz von Karten; und schließlich

4. die Nachfrage nach verschiedenartigen Vertriebskanälen.

Einige Banken haben sich auf diesen Wandel bereits eingestellt, andere stehen vor einer richtungsweisenden strategischen Entscheidung, wie sie ihr Geschäftsmodell verändern sollen, um im Wettbewerb zu bestehen und angesichts technologischer Innnovationen ihren Umsatz zu steigern. Vor den neuen Realitäten wird man sich nicht verschließen können, wobei jede Herausforderung immer auch neue Möglichkeiten bietet. Nur dann werden die deutschen Banken für die Gesellschaft relevant bleiben.

Fußnote:

1) Euromonitor International: Financial Cards and Payments in Germany, Januar 2014.

Zum Autor

Oliver Nauth, Hauptbevollmächtigter Lifestyle Protection, Genworth Financial Deutschland, Neu-Isenburg

Noch keine Bewertungen vorhanden


X