Leitartikel

(Un)Sicher und (Un)Bequem

Für Kartenanbieter ist Deutschland ein Land zum Träumen. Die größte Volkswirtschaft Europas. Handelsstrukturen, die die Tante-Emma- Läden verschwinden und stattdessen große Konzerne entstehen lassen. Stetig wachsende Zahlen von Kartentransaktionen, Kartenumsätzen und Karteninhabern. Gewachsene und stabile Vertriebspartnerschaften. Überschaubare Wettbewerbslagen. Eine extrem effiziente Infrastruktur. Aber: Das alles ist nur ein Traum, denn mit dem Aufwachen schlägt die Realität erbarmungslos zu. Hinter all den Möglichkeiten, die eine reiche, zivilisierte und risikoscheue Nation dem Geschäft mit den Plastikkarten eröffnen müsste, hinken die tatsächlich erzielten Ergebnisse des Kartenmarktes (immer noch) weit hinterher.

"Gerade weil im Bereich der Bezahlverfahren beziehungsweise -techniken eine beachtliche Innovationskraft festzustellen ist, wird dem Bargeld eine düstere Zukunft prophezeit. Innovative Bezahlverfahren, wie zum Beispiel kontaktlose Kartenzahlungen oder Zahlungen per Mobiltelefon, haben aber bislang keine Bedeutung. Internet-Bezahlverfahren, die infolge des zunehmenden Online-Handels verstärkt genutzt werden, können da schon größere Erfolge vorweisen. Bargeld wird aber wie schon 2008 am meisten genutzt: auf Banknoten und Münzen entfallen mehr als die Hälfte der Umsätze und mehr als vier Fünftel aller Transaktionen", so fasst Bundesbank-Vorstand Carl-Ludwig Thiele die Ergebnisse der nach 2008 bereits zum zweiten Mal erhobenen Studie "Zahlungsverhalten in Deutschland 2011" zusammen.

Obwohl mittlerweile also 94 Prozent der Bundesbürger eine Girocard besitzen und immerhin mehr als ein Drittel über eine "echte" Kreditkarte verfügen, geht der Griff doch immer noch zumeist zum Bargeld. Natürlich freuen sich all die Befürworter und Förderer des Kartengedankens in der Bundesrepublik über den Rückgang des Bargeldanteils an den Ausgaben um fünf Prozentpunkte auf 53 Prozent zwischen 2008 und 2011. Und eine Verdoppelung des Kreditkartenanteils an den Umsätzen von 3,6 auf 7,4 Prozent ist sicherlich auch als Erfolg zu werten. Allerdings von kleiner Basis kommend und auf kleiner Basis bleibend. Deutschland liegt damit immer noch weit hinter dem durchschnittlichen Karteneinsatz anderer Länder in Europa zurück. Zum anderen ist der Kartenzahlungsverkehr nach wie vor dominiert von "ec", oder Girocard wie es heute heißt. Die Debitkarten haben ihren Anteil an den Kartenumsätzen, sicherlich auch durch die verstärkten Anstrengungen von Visa, V-Pay zu positionieren, getrieben, auf inzwischen 28,3 (2008: 25,5) Prozent ausgebaut. Allerdings ließ und lässt sich mit Girocard irgendwie nicht so richtig Geld verdienen, denn fast ausschließlich ist die Debitkarte das kostenlose Anhängsel zum Girokonto. Daran ändert auch der verstärkte Wettbewerb nichts, leider für die Banken.

Und da für den Handel Kreditkartenzahlungen nach wie vor teuer und Bargeld immer noch das billigste Zahlungsmittel sind, fällt ein wichtiger Promoter für echte Kartenzahlungen aus. Denn natürlich entscheidet an der Ladenkasse der Verbraucher, welches Zahlungsmittel er einsetzen möchte, aber eine Steuerung in Form von Incentives beim Karteneinsatz, um den hohen Bargeldanteil zu reduzieren, könnte entscheidende Akzente pro Karte setzen. Stattdessen wird munter über eine Fortführung des elektronischen Lastschriftverkehrs auch unter Sepa gestritten.

Was müsste also passieren, damit die Bundesbürger verstärkt (Kredit)Karten einsetzen? Manfred Krüger sagte anlässlich des zehnjährigen Jubiläums seiner Concardis, dass "Sicherheit und Bequemlichkeit" die entscheidenden Faktoren für den kartenbasierten Zahlungsverkehr seien. Und um beide ist es zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung derzeit nicht gut gestellt. Wer will ernsthaft daran glauben, dass Kreditkartendaten sicher sind, die von Banken natürlich irgendwo auf Servern gespeichert und zwischen Händlern und Banken hin- und hergeschickt werden? Wenn die NSA Knotenpunkte und sogar Unterwasser-Glasfaserkabel anzapfen kann, hilft der beste datensichere Raum einer Bank nichts. Meldungen über Kreditkartenbetrügerringe in den USA und auch Europa helfen ebenfalls wenig, sondern führen im Gegenteil zu noch größerer Vorsicht der Betroffenen, sprich zu noch mehr Bargeldeinsatz, auch wenn das de facto natürlich viel leichter gestohlen oder verloren werden kann als (Kredit)Karten. Hier bedarf es noch viel Überzeugungsarbeit seitens der Banken, des Handels, aber auch der Deutschen Bundesbank und der Politik, sollte eine Beförderung des unbaren Zahlungsverkehrs ernsthaft das Ziel sein. Und nur so können die im "Grünbuch - Ein integrierter europäischer Markt für Karten-, Internet- und mobile Zahlungen" der Europäischen Kommission aufgestellten Anforderungen im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr sichergestellt werden.

Bleibt das Thema Bequemlichkeit. Die hohe Erfindungs- und Experimentierfreude der Kartenbranche mag für die Zukunft zwar wichtig sein, gegenwärtig könnten die ungeheure Vielfalt den Verbraucher dagegen noch verwirren. Girocard mit Unterschrift, Girocard mit PIN, Kreditkarte mit Unterschrift, Kreditkarte mit PIN, Geldkarte, Prepaidkarten, Girogo, Kreditkarte kontaktlos, Zahlen mit dem Handy - all das überfordert den ein oder anderen Bundesbürger, vom Personal an der Ladenkasse ganz zu schweigen. Ach ja, und die Umstellung auf IBAN und BIC, sprich auf die Sepa-Verfahren für Überweisungen und die Umstellung der Lastschriften ab kommenden Februar gibt es ja auch noch. Natürlich wird die Einführung des Lastschriftverfahrens nicht verschoben werden, die Blamage wäre zu groß. Aber mitunter hört man schon Gedankenspiele über wie auch immer geartete und damit geduldete Übergangshilfestellungen durch die Banken.

Auf dem Zahlungsverkehrssymposium 2013 holte die Bundesbank vor Kurzem Experten aus der Kreditwirtschaft, der Notenbanken, der Wissenschaft, des Handels und der Realwirtschaft zusammen, um unter den Stichworten "Sepa - Realisierung des einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraums" und "Innovationen und Visionen im Zahlungsverkehr" zu diskutieren. In diesem Heft finden unsere Leser alle Beiträge und damit ein gutes Stück Vision für den Zahlungsverkehr der Zukunft. Aber natürlich ohne Gewähr.

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