Leitartikel

Offen für Best Practice

Für das spontane Zusammenrücken von Menschen beziehungsweise die Stärkung des Zusammenhalts von bestehenden Interessengemeinschaften oder Geschäftspartnerschaften gibt es höchst unterschiedliche Motive. Ein klassischer Fall ist die Bedrohung von außen. Im Verlauf der Weltgeschichte hat sie Völker oder Volksgruppen zusammengeschweißt und dabei je nach Situation eine Wagenburgmentalität oder auch Rückhalt für offensive Gegenreaktionen erzeugt. Auf der anderen Seite des Spektrums findet man Solidarisierung aus einer Position der Stärke heraus. Man will zu den Gewinnern gehören. Spontane Verbrüderungsszenen dieser Art hat man hierzulande im Frühsommer bei der Fußballweltmeisterschaft erlebt. Überträgt man dieses Muster auf die deutsche Genossenschaftsorganisation ist nicht ganz klar, welche Stoßrichtung deren aktuelle öffentliche Wahrnehmung als ziemlich geschlossene oder vielleicht sogar verschworene Gemeinschaft bestimmt. Es gibt sowohl ernst zu nehmende Indizien für eine Bedrohungslage von außen als auch für breiten inneren Zuspruch aus fester Überzeugung.

Ohne Frage steht die genossenschaftliche Kreditwirtschaft mit den regulatorischen Auflagen, dem niedrigen Zinsniveau und nicht zuletzt dem Wettbewerb mit traditionellen sowie ganz neuen Anbietern (siehe ZfgK 18-2014) vor großen Herausforderungen. Doch diese drei Aspekte betreffen ausnahmslos alle Banken. Für die Genossenschaftsorganisation kann es also nur darum gehen, gewachsene und in der Vergangenheit erwiesenermaßen funktionsfähige Strukturen gegen drohende Wettbewerbsverzerrungen zu verteidigen - sei es gegen eine unangemessene Geldpolitik, gegen unverhältnismäßige Rechnungslegungs- und Berichtspflichten und/oder gegen überbordende regulatorische Maßnahmen. Die doppelte Proportionalität der Aufsicht, also eine Orientierung der laufenden Überwachung der Institute an der Größe und den Risikostrukturen ist deshalb ein Anliegen, das von den Vertretern des Genossenschaftssektors zu Recht immer wieder eingefordert wird, um das Schreckensszenario "Too small to comply" zu verhindern. Im Prinzip weiß sich die Bankengruppe an dieser Stelle mit der hiesigen Aufsicht einig, wenngleich Letztere bei Diskussions- oder gar Streitpunkten immer auch ihre Verantwortung für europa- oder weltweit tragbare Regelungen im Auge haben muss.

Besonders schwer erträglich ist der Regulierungswust allerdings gerade für die genossenschaftlichen Ortsbanken, je länger auf der anderen Seite der internationalen Großbanken die Lösung des vieldiskutierten "Too big to fail"-Problems auf sich warten lässt. Erst dieser Tage ist am Rande der Herbsttagungen von IWF und Weltbank diesbezüglich wieder ein Anlauf gemacht worden, einer marktorientierten Lösung näherzukommen. Neben der Festlegung einer angemessenen Eigenkapitalausstattung für die systemrelevanten Institute geht es um Möglichkeiten zur Umwandlung von anderen Kapitalbestandteilen in haftendes Eigenkapital, um eine Festlegung stabilitätsfördernder Liquiditätskennziffern und um die Klärung der Refinanzierungsfrage im Falle einer Schieflage.

Auf ein nationales Störfeuer in der Debatte um die Zukunftsfähigkeit der Verbundstrukturen, nämlich die Kritik der Monopolkommission am Regionalprinzip, hat der BVR-Präsident mit einer feinen Differenzierung zum Sparkassensektor reagiert. Zwar hält er eine generelle Kritik an dezentral organisierten Verbundstrukturen nicht für nachvollziehbar. Aber anders als das gesetzlich aus dem Wirkungskreis ihrer Anstaltsträger abgeleitete Regionalprinzip der Sparkassen sieht er bei den Genossenschaftsbanken die regionale räum liche Schwerpunktbildung auf den Wohnbezirk oder den Firmensitz allein aus dem Auftrag zur Förderung der Interessen ihrer Mitglieder abgeleitet.

Neben allen Sorgen über ein mangelndes Verständnis und unzureichender Wertschätzung der europäischen Politik und der internationalen Regulatoren für das genossenschaftliche Geschäftsmodell bis hin zu den jüngsten Befürchtungen eines verstärkten Einzugs angelsächsischer Kapitalmarktusancen durch den neuen britischen EU-Kommissar für Bankenfragen ist im Genossenschaftssektor auch Stolz auf das Erreichte zu spüren. Unter unverfälschten Markt- und Wettbewerbsverhältnissen sind die Verantwortlichen auf allen Ebenen von der Existenzberechtigung und Zukunftsfähigkeit ihrer Gruppe überzeugt.

Als untrüglicher Beleg für eine gute Position im Wettbewerb dient die seit Jahren stabile Ertragslage, die durch die Halbjahresergebnisse 2014 einmal mehr auf allen Verbundebenen untermauert wird. Eine starke Marktstellung des deutschen Genossenschaftssektors vermitteln im Rückblick auf die Jahre seit der akuten Finanzkrise die gerade von der Bundesbank veröffentlichten Ertragszahlen der Bankengruppen. Seit 2007, so dokumentiert es der Monatsbericht September, ist für die Kreditgenossenschaften der Zinsüberschuss zumindest stabil geblieben, die allgemeinen Verwaltungsaufwendungen wurden nachhaltig zurückgeführt, und das Betriebsergebnis wie auch der Jahresüberschuss nach Steuern zeigen klar nach oben. Eine verlässliche Ertragsbasis für die Zukunft bedeutet das zwar nicht, aber es hat dem Genossenschaftssektor Handlungsspielraum für eine vergleichsweise geräuschlose Anpassung der Strukturen und eine Intensivierung der Marktbearbeitung geschaffen. An vielen Stellen hat man das Gefühl, als gebe es durchaus noch Stellschrauben zur Hebung von Effizienzreserven. Und anders als in der Vergangenheit hat sich dabei eine Offenheit für Best-Practice-Lösungen etabliert, die ein Klima für viel unbefangenere Entscheidungen schafft.

Ganz wichtig ist in diesem Zusammenhang der Austausch in den diversen Fachräten. Man weiß in der Gruppe über viele Aktivitäten Bescheid. Das gilt etwa für die offensiven Instrumente der Volksbank Bühl im New Banking, von Social Media über ein hauseigenes Online-Netzwerk und eine Innovationswerkstatt bis hin zu Crowdfunding. Man kann die Erfahrungen der VR Bank Altötting-Mühldorf mit einem Verzicht auf Dividende zugunsten einer stärkeren Förderung von Projekten in der Region abrufen. Es wird auf öffentliche Zwischenrufe zu den Fusionsverhandlungen des Frankfurter und des Rheinisch-Westfälischen Genossenschaftsverbandes verzichtet. Die Teambank kann ohne gruppeninternen Aufruhr den Abbau ihrer Filialen ankündigen und Gespräche mit den jeweiligen Ortsbanken zur Übernahme von Mitarbeitern und Standorten führen. Cornelius Riese kann unaufgeregt über konzernähnliche Steuerungs- und Controllingprozesse der DZ Bank sprechen, ohne bei der Basis wirkliche Ängste vor einem Ende des marktbezogenen Unternehmertums auszulösen.

Und man mag es kaum glauben: Dieser Tage haben sogar die Aufsichtsräte der Fiducia und der GAD grünes Licht für eine Fusion der Rechenzentralen gegeben (Gespräch des Tages). Schon Ende November/Anfang Dezember 2014 können damit die Gremienentscheidungen der GAD und der Fiducia unter Beweis stellen, dass die deutsche Genossenschaftsorganisation aus einer Position der Stärke heraus wirklich solidarisch und offen für Best Practice ist.

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