Aufsätze

Die zivil- und strafrechtliche Haftung der Aufsichts- und Verwaltungsräte von Kreditinstituten

Seit der Bankenkrise hat sich die Wahrnehmung des Bürgers und der Politik in Bezug auf die Kreditinstitute und ihre Organe sukzessive verändert. Im Fokus standen zunächst die Vorstände, deren Fehlleistungen in eklatantem Missverhältnis zu Gehältern und Boni standen, verbunden mit unangemessenem Auftreten in der Öffentlichkeit. Die Zeiten zu denen man im Gerichtssaal noch ungestraft das "Victory-Zeichen" zeigen konnte, sind endgültig vorbei. Bei der Commerzbank, die sich die Bezeichnung als "Schmuddelkind der Bankenbranche" gefallen lassen muss,1) und die auch mit Steuergeldern am Leben erhalten wird, wurden die Vorstandsbezüge drastisch gedeckelt. Compliance - Regeln folgten.

Blick auf die Aufsichtsräte

Dann stellte sich zusehends die Frage, ob die eingetretenen "Schieflagen" ausschließlich von den Vorständen zu verantworten waren. Damit gerieten die Kontrolleure - Aufsichtsräte von Großbanken und Landesbanken - in das Visier von kritischen Bürgern, Politik und Behörden. Zu wenig hatte man sich vor Augen geführt, dass eklatante Fehlentscheidungen nur durch die Gemeinsamkeit, das Geflecht von Vorstand und Aufsichtsrat möglich waren, und sind. Der Verfasser hat in seinen Beiträgen zu Anforderungen und Verantwortung des Aufsichtsrates eindringlich auf die Mitverantwortung dieses Organs hingewiesen.2) Die Durchsuchungen deutscher Bankzentralen belegen, ebenso wie neuerdings die Ermittlungen gegen den Deutsche-Bank-Chef Fitschen wegen Prozessbetrugs, ein Umdenken der Justiz.

Die Aufsichts- und Verwaltungsräte der mittelständischen Bankwirtschaft können sich zwar zurechnen, dass ihre Institute solide und mit seriösem Ruf dastehen, auch aufgrund funktionierender Prüfungsmechanismen. Grund, sich zurückzulehnen besteht aber nicht: Pflichtverletzungen sind, wenn auch nicht systemrelevant, an der Tagesordnung, nur verfolgt wurden sie bislang selten. Abgestellt wird auch in diesem Beitrag auf die Genossenschaftsbanken, der analog auf die Sparkassen anwendbar ist.

Grundsätzliche Überlegungen und Haftungsregeln

Der Autor hat in den vorangegangenen zwei Aufsatzteilen, insbesondere in dem Beitrag "Sorgfaltspflichtverletzungen des Aufsichtsrates bei der Kreditvergabe" (ZfgK 13/2014) auf grundsätzliche Regelungen der Aufsichtsratshaftung (Verschulden, Kausalität) hingewiesen. Für den Bereich der Genossenschaftsbanken ist § 41 GenG einschlägig, der die Sorgfaltspflicht der Aufsichtsräte mit denen des Vorstandes in § 34 GenG verknüpft.3) Die Wortwahl dort, es sei die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters - also analog auch Aufsichtsrates - "einer Genossenschaft" anzuwenden, schränkt die Beliebigkeit der Auslegung, was damit gemeint sein könne ein: Es ist auf die Besonderheiten dieser Rechtsform abzustellen.4) Das heißt nichts weniger, als das bei der Amtsausübung § 1 GenG, also die Pflicht zur Förderung der Mitglieder oberste Priorität hat. Das ist sowohl für die zivilrechtliche Haftung, aber auch die strafrechtliche Verantwortung im Rahmen des Tatbestandes des § 266 StGB "Untreue" beachtlich.

Bei den Sparkassen ergibt sich die Spezifizierung der Sorgfalt eines Sparkassenverwaltungsrates aus zwei Gesichtspunkten. Zum einen erfüllt die Sparkasse einen öffentlichen Auftrag, der in den Sparkassengesetzen der Länder grundsätzlich definiert wird: Angemessene und ausreichende Versorgung aller Bevölkerungskreise, der Wirtschaft, insbesondere des Mittelstands, und der öffentlichen Hand mit geld- und kreditwirtschaftlichen Leistungen sowie Unterstützung der Kommunen im wirtschaftlichen, regionalpolitischen, sozialen und kulturellen Bereich.5)

Wieweit die Pflicht zu deren Konto-, Spar- und Kreditversorgung konkretisiert wird, liegt an der Ausgestaltung der Satzung und dem Verantwortungsbewusstsein des jeweiligen Trägers.

Bei beiden Arten von Kreditinstituten ist aufgrund ihrer Versorgungsaufträge die Grundüberlegung anzustellen, dass von ihnen im Kreditbereich das Eingehen höherer Risiken zu verlangen ist, als von gewinnorientierten Geschäftsbanken. Während sich dieser Gedanke bei den Kreditgenossenschaften bei etwaigen Liquiditätsengpässen ihrer Mitglieder auswirkt, dürfen Sparkassen die Gewährung von Krediten bei sozialschwachen Bürgern ihres Marktbereiches nicht nur von den Überlegungen zur Kapitaldienstfähigkeit und Sicherheiten abhängig machen. Diese Aspekte sind dann auch bei der Betrachtung der Risiken im Kreditgeschäft insgesamt zu beachten.

Konkret können sich Konstellationen ergeben, dass in einer wirtschaftsschwachen Region Kreditrisiken und Kreditausfälle strukturimmanent sind, ohne dass bereits von daher Erwägungen im Hinblick auf Sorgfaltspflichtverletzungen, Regress oder Untreue anzustellen wären. Höhere Risiken aufgrund gebotener und vertretbarer Finanzversorgung können sogar Indizien für die "angemessene" Aufgabenerfüllung der Sparkassen- beziehungsweise Bankorgane sein.

Haftungsrisiken

1. Aufsichtsorgan und Unternehmensträger: Die Kreditgenossenschaft unterscheidet sich von anderen Genossenschaften insbesondere durch das verantwortete Finanzvolumen und das schwere organisatorische Handling. Trotz zahlreicher Anlässe erscheint es praktisch schwer durchführbar tausende oder zigtausende Anteilseigner mehrfach jährlich zu einer außerordentlichen Generalversammlung einzuladen. Deshalb kommt dem Aufsichtsrat bei der Genossenschaftsbank besonderes Gewicht zu - nicht anders als dem Verwaltungsrat der Sparkassen, die mit ähnlichen Finanzvolumina im öffentlichen Auftrag und treuhänderisch für ihren Träger umzugehen haben.6)

Pflichtverletzungen einzelner Organmitglieder oder des Gesamtgremiums wiegen deshalb besonders schwer. Aus gutem Grunde hat die BaFin die Kompetenzanforderungen konkretisiert,7) und der Gesetzgeber hat danach mit der Neufassung beziehungsweise Einführung der §§ 25 d, 36 III KWG reagiert. Aufsichts- und Verwaltungsräte, die nicht überzeugend in der Lage sind, ihren Anteilseignern beziehungsweise Trägern Handlungserfordernisse, die Ergebnisse der Prüfung und existenzielle Meinungsverschiedenheiten zwischen den Organen transparent zu machen, sind mitverantwortlich für Fehlentwicklungen und setzen sich zusehends Schadensersatzansprüchen aus.

2. Bestellung und Anstellung des Vorstandes: Mit der Bestellung geeigneter Persönlichkeiten als Vorstandsmitglied wird die wichtigste Weichenstellung für ein Kreditinstitut vorgenommen. Neben den ganz erheblich erweiterten Voraussetzungen gemäß § 25 c KWG8) hat der Aufsichts- beziehungsweise Verwaltungsrat die individuellen Anforderungen der zu besetzenden Stelle zu analysieren. Das Melden einer freien Stelle an den Verband und Headhuntern oder andere Dritten die Kandidatenauswahl zu überlassen, ist unzureichend. Bezüglich des engeren Bewerberkreises ist eine Voranfrage an die BaFin unerlässlich, ob gegen eine Bestellung Bedenken bestehen. Der sachliche Meinungsaustausch mit der BaFin gibt gegebenenfalls Gelegenheit dazu, dass der Bewerber seine Kompetenzen weiter belegt oder verbessert.

Haftungsfragen für den Aufsichts- beziehungsweise Verwaltungsrat können sich aus der Bestellung und Anstellung von Vorstandsmitgliedern ergeben, wenn der Auswahlprozess mangelhaft gewesen ist und die BaFin im Nachhinein die Bestellung ablehnt, das heißt unmittelbar danach die Abberufung verlangt. Es entstehen dann möglicherweise vermeidbare Kosten durch Doppel- oder Ausgleichszahlungen und den erneuten Bewerbungsprozess, gegebenenfalls auch im Hinblick auf Rechtsstreitigkeiten. Außerdem ist an Schadensersatzansprüche des abzuberufenden Vorstandsmitglieds wegen Rufschädigung und Beeinträchtigung seiner weiteren beruflichen Entwicklung zu denken.

3. Überwachung des Vorstandes: Das Fehlen einer effizienten Kontrolle des Vorstandes ist in der Praxis einer der Hauptvorwürfe gegenüber den Mitgliedern der Aufsichtsgremien. Sie wirksam zu organisieren dient der Risikoprophylaxe, die nicht nur anhand von bankindividueller Geschäftsordnung, Geschäftsanweisung und Richtlinien durchzuführen ist. Das regelmäßige Abarbeiten einer Checkliste im Hinblick auf die in Gesetz, Satzung, Vertrag und internen Dokumenten fixierten Pflichten des Vorstandes gehört zu den selbstverständlichen Obliegenheiten des Aufsichts- beziehungsweise Verwaltungsrates.9) Dazu bedarf es entsprechender Feststellungen im Protokoll. Fehlen sie, indiziert bereits das einen Verstoß gegen die aufsichtlichen Obliegenheiten.

Versäumnisse bei der Kontrolle des Bankbetriebs

Treten Probleme im Bankbetrieb auf, wird sich der Aufsichtsrat im Hinblick auf die Mindestanforderungen für seine Tätigkeit nicht exkulpieren können. Die häufigsten Versäumnisse in der Praxis sind:

- Entgegennahme pauschaler Ergebnisberichte der Obleute der Aufsichtsratsausschüsse;

- Vorratsbeschlüsse, das heißt Ermächtigungen des Vorstandes für wesentliche Einzelmaßnahmen oder Handlungsbündelungen für einen künftigen Zeitraum ohne ausführliche Beratung;

- Beschränkung auf Ergebnisprotokollierung und somit Vereitelung der Nachvollziehbarkeit von Beratungsgang und Beschlussfassung;

- Verzicht auf die Hinzuziehung von sachverständigen Rechts- und Fachberatern bei Entschließungen von besonderer Bedeutung und bei wesentlichen Meinungsverschiedenheiten mit dem Vorstand;

- Verzicht auf die Unterzeichnung von Beschlüssen und Protokollen durch alle zustimmenden AR-Mitglieder und Dokumentierung von Widersprüchen;

- Verzicht auf die Dokumentation zum Beratungsergebnis wesentlicher vom Vorstand vorgetragener Tagesordnungspunkte.

4. Verletzung von Organisationspflichten: Aufsichts- und Verwaltungsratsmitglieder haben mit Wahl und Annahme des Amtes vertragliche Pflichten übernommen.10) Dazu gehört die regelmäßige Sitzungsteilnahme einschließlich der dafür erforderlichen Vorbereitung.11) Der Aufsichts- beziehungsweise Verwaltungsrat benötigt die vollständige Anwesenheit seiner Mitglieder, insbesondere, wenn sie aufgrund bestimmter fachlicher Qualifikationen oder als Repräsentanten bestimmter Eignergruppen berufen wurden.12) Sachgemäße Beratungen und Entscheidungen sind sonst nicht gewährleistet.13) Auffassungen des Aufsichtsratsvorsitzenden werden vom Vorstand in der Praxis häufig als Zustimmung des Aufsichtsrates gewertet und später vom Gesamtgremium genehmigt. Diese Verfahrensweise widerspricht Gesetz und Satzung, weil sie die notwendige Beratung vor der Entscheidung umgeht und somit gegen die Sorgfaltspflicht verstößt.

Unwissenheit kein Argument zur Haftungsvermeidung

Ein weiterer kritischer Punkt ist das beanstandungslose Hinnehmen kurzfristiger Sitzungsvorlagen durch den Vorstand. In der Praxis versuchen Aufsichtsräte Fehlentscheidungen damit zu rechtfertigen, sie seien wegen unzureichender oder zu später Information durch den Vorstand gehindert gewesen, einen Sachverhalt zu bewerten und zu entscheiden. Die Gerichte akzeptieren Unwissenheit als Argument zur Haftungsvermeidung nicht mehr. So hat beispielsweise das OLG Brandenburg die Verteidigung des Aufsichtsrates nicht akzeptiert, seine Mitglieder seien "Laien und einfache Leute"14).

5. Verletzung von Mitwirkungspflichten:

Wesentliche Mitwirkungspflichten des Aufsichtsrates bestehen insbesondere bei der Kreditvergabe,15) der Pflichtprüfung16) und bankaufsichtlichen Anordnungen.

a) Kreditvergabe: Siehe ausführlich dazu: "Sorgfaltspflichtverletzungen des Aufsichtsrates bei der Kreditvergabe" in ZfgK 13/2014, 668.

b) Pflichtprüfung: Gemäß § 57 II GenG ist der Aufsichtsrat auf sein Verlangen zur Prüfung hinzuzuziehen. Bei Kreditinstituten besteht hier kein Ermessen in Bezug auf das "Ob". Der Aufsichtsrat muss in den Prüfungsprozess eingebunden sein,17) mindestens durch:

- Beratung des Prüfungsplanes und Einbeziehung der Beanstandungen des Vorjahres in den Prüfungsprozess;

- Abgleich mit Prüfungsergebnissen der Innenrevision und eventuell deren parallele Beauftragung; regelmäßige Konsultation mit dem Verantwortlichen des Prüfungsverbandes/der Prüfungsstelle; Abgleich von Prüfungsfeststellungen mit den Beratungsverläufen und -ergebnissen des Prüfungsausschusses des Aufsichts- beziehungsweise Verwaltungsrates;

- Hinwirken auf die Beseitigung von Differenzen in der Bewertung von Sachverhalten zwischen Bankorganen und Prüfern.18)

Haftungsrisiko durch unwidersprochenes Zulassen

Erst danach macht es Sinn, die gesetzlich vorgeschriebene Beratung über das voraussichtliche Ergebnis der Prüfung gemäß § 57 IV GenG durchzuführen und gemäß § 58 IV GenG über das Prüfungsergebnis zu beraten.19)

Die genannte Vorgehensweise wird in der Praxis oft eklatant verletzt; Beratungen des Aufsichtsrates beschränken sich in Einzelfällen, die dann in der Regel später auch Regressfälle werden, auf die Entgegennahme einer "Präsentation" der Prüfungsfeststellungen und des Prüfungsergebnisses durch den Verband, ohne dass der Prüfungsbericht beziehungsweise ein Leseexemplar vorgelegt wird. Zu den gravierenden Sorgfaltspflichtverletzungen des Aufsichtsrates gehört es, ihm bekannte erhebliche Meinungsverschiedenheiten zwischen Vorstand und Prüfung nicht aufzuklären, eine dem Vorstand "aufgenötigte" Sichtweise des Verbandes in den Jahresabschluss und das Prüfungsergebnis einfließen zu lassen. Das unwidersprochene Zulassen von bedeutsamen, aber dubiosen Prüfungsfeststellungen, insbesondere im Kreditbereich, stellt für den Aufsichtsrat ein erhebliches Haftungsrisiko dar.

Das gilt insbesondere, wenn rein bewertungsmäßig, das heißt buchhaltungstechnisch eine Risikolage des Kreditinstitutes dargestellt wird, die eine tatsächlich nicht existente "Gefahren- oder Schieflage" der Bank ausweist. Werden diese Resultate vom Vorstand nicht mitgetragen, können sich mehrere Probleme ergeben: strafrechtliche Vorwürfe und bei Fehlentschlüssen der Anteilseigner/des Trägers, die mit finanziellen Folgen verbunden sind, Schadensersatzansprüche - ganz zu schweigen von tatsächlich ungerechtfertigten Maßnahmen der Bankenaufsicht im Rahmen der §§ 6, 36, 44 KWG.

c) bankaufsichtliche Anordnungen: Die Mitwirkungspflicht des Aufsichtsrates ergibt sich anlässlich bankaufsichtlicher Maßnahmen.20) Adressat ist hier - neben den etwa betroffenen Vorstandsmitgliedern - der Aufsichtsrat, vertreten durch seinen Vorsitzenden. Eine informelle bankaufsichtliche Maßnahme, zum Beispiel Beanstandung oder Missbilligung, die sich in der Regel im Rahmen des § 6 KWG auf Kritik der Bankorganisation bezieht, ist für den Aufsichtsrat Anlass zu unverzüglichem Handeln. Einerseits ist eine umgehende Bestätigung des BaFin-Schreibens mit Erklärung der Nachprüfung erforderlich. Des Weiteren die Beratung der notwendigen Schritte in gemeinsamer Sitzung mit dem Vorstand. Die umgehende Beseitigung von Mängeln sollte der BaFin gemeldet werden; gegebenenfalls empfiehlt sich eine gemeinsame Besprechung. Eine Sonderprüfung gemäß § 44 KWG erfordert die gleiche Vorgehensweise.

Verwarnung von Vorstandsmitgliedern

Die Verwarnung von Vorstandsmitgliedern gemäß § 36 II KWG stellt eine existenzielle Gefahr für das Kreditinstitut dar. Sie erfordert die umgehende Beratung und Beschlussfassung eines zielgerichteten Arbeitsprogramms und eines rechtskonformen Weisungskatalogs für den Vorstand. Gleichzeitig sind stellvertretende Vorstandsmitglieder für den Fall eines Abberufungsverlangens zu berufen. In der Praxis ist davon auszugehen, dass eine Verwarnung erst dann erfolgt, wenn die BaFin zu der Auffassung gelangt, dass eine informelle Maßnahme unzweckmäßig und eine Abberufung wahrscheinlich erforderlich ist. Der Aufsichtsrat hat umgehend geeigneten Rechtsschutz zu organisieren, das gebietet die Interessenswahrnehmung seiner Körperschaft und der seines Vorstandes im Sinne der Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Gelingt es nicht, eine einvernehmliche Regelung mit der BaFin herbeizuführen, wird der Aufsichtsrat unter Ausbedingen einer angemessenen Handlungsfrist und unter Meidung von Zwangsmaßnahmen gehalten sein, den Vorstand abzuberufen und die Stellvertreter ins Amt zu setzen.

Missachtet der Aufsichtsrat seine Obliegenheitspflichten und entstehen der Bank Nachteile, können Regressansprüche begründet sein. Ein gravierender Fehler in der Praxis besteht im "vorauseilenden Gehorsam" des Aufsichtsrates: Das Abberufungsverlangen der BaFin bedeutet lediglich die Pflicht zum Widerruf der Bestellung als Vorstandsmitglied, nicht zur Kündigung des Dienstvertrages. Es können erhebliche finanzielle Folgen entstehen, wenn sich gerichtlich herausstellt, dass kein wichtiger Grund vorgelegen hat und die Bank sowohl jahrelang Gehälter nachzahlen, Abfindung und Schadensersatz wegen geminderter Berufsaussichten leisten muss. Geht die Fehlentscheidung des Aufsichtsrates mit mindestens bedingtem Vorsatz einher, kommt die Realisierung des § 266 StGB "Untreue" in Betracht, und zwar sowohl gegenüber der Körperschaft als auch gegenüber dem betroffenen Vorstandsmitglied.

6. Verletzung von Informationspflichten: Untreues, leichtfertiges, schadensersatzträchtiges und strafrechtlich relevantes Verhalten von Aufsichtsräten ist die Regel, wird aber bislang kaum mit Folgen belegt. Der Alltag im Genossenschafts- und Sparkassenbereich bringt eine zwangsläufige persönliche und zeitliche Entfernung von den Trägern mit sich. Der Verbundenheit mit den Mitgliedern beziehungsweise dem Träger haben Vorstände und ihre Aufsichtsorgane vor allen anderen Eigeninteressen die oberste Priorität einzuräumen.

Vernachlässigung von Organisations- und Mitwirkungspflichten

Pflichtverletzungen beginnen mit Nachlässigkeiten, zum Beispiel in schlampiger Tagesordnungsgestaltung und Beratung, setzen sich mit Lethargie bei der Prüfung des Kreditinstitutes fort und finden ihre Krönung beziehungsweise den "Gipfel" in leichtfertigen Beschlussvorlagen, die die effiziente Arbeit des Trägers oder einzelner Mitglieder behindern, statt sie zu fördern - und das alles mit Inkaufnahme aus Bequemlichkeit oder Inkompetenz. Dann müssen zwangsläufig Prüfungsverbände beziehungsweise Prüfungsstellen und die Bankenaufsicht einschreiten. Bezüglich der Konsequenzen mag dann ein Berater zugeschaltet werden, der es vermag günstigenfalls die notwendigen ernstlichen Ermahnungen herbeizuführen, und der dafür sorgt, dass es dann dabei sein Bewenden hat.21)

In der Regel folgt die Verletzung von Informationspflichten aus der Vernachlässigung von Organisations- und Mitwirkungspflichten. Ein Aufsichts- oder Verwaltungsrat, der seine Beratungspflichten vernachlässigt, führt Fehlentscheidungen im Bankbetrieb schuldhaft herbei. Dass das Aufsichtsorgan tatsächlich keinen Überblick über die wesentlichen Angelegenheiten der Körperschaft besitzt, erweist sich leider oft erst im bankaufsichtlichen Verfahren oder vor Gericht. Für den Bereich der Sparkassen hat der Verfasser bereits in seinem Beitrag in ZfgK 13/2014 auf einen Bericht des Hessischen Rechnungshofs hingewiesen, in dem gerügt wird, dass den Trägern wesentliche Informationen über ihre Sparkassen fehlten.22)

Besondere genossenschaftliche Treuepflicht der Organe

Sind wesentliche Beschlüsse zu fassen, die fundamentale Interessen der Körperschaft berühren, kann die Verletzung der Informations- und Berichtspflicht zur Anfechtbarkeit gemäß § 51 GenG oder bei gravierenden Rechtsverletzungen zur Nichtigkeit von Beschlüssen führen. Das gilt vor allem für fehlerhafte Entscheidungen in Bezug auf die Feststellung des Jahresabschlusses, die Gewinnverwendung, Festsetzung von Nachschüssen, Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat, Fusion. Der vollständige Verzicht des Aufsichtsrates auf die zwingende Berichterstattung gemäß § 59 GenG ist ein gravierender Gesetzesverstoß, der zur Unwirksamkeit von Beschlüssen führen kann.

§ 147 GenG bedroht deshalb die unrichtige Darstellung der Verhältnisse der Genossenschaft gegenüber der Generalversammlung mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. Diese Spezialvorschrift ergänzt die §§ 340 m i.V.m. § 331 Nr. 1 HGB und trägt der besonderen genossenschaftlichen Treuepflicht der Organe gegenüber den Anteilseignern Rechnung. Dabei geht es um unrichtige, das heißt falsche Darstellungen, Aufklärungen und Nachweise, seien sie mündlicher oder schriftlicher Art. Auch das Verschweigen von Angaben und Sinnentstellungen erfüllen den Straftatbestand.23)

Damit sind auch die Anspruchsgrundlagen für die zivilrechtliche Regressverfolgung von Obliegenheitsverletzungen des Aufsichtsrates gegenüber der Generalversammlung beschrieben. Während für die strafrechtliche Verfolgung (bedingter Vorsatz) erforderlich, eine Täuschungs- und Schädigungsabsicht aber entbehrlich ist,24) liegen die Hürden für die Regressinanspruchnahme niedriger: Hier genügt der Nachweis der Schuldhaftigkeit, die bei grober Fahrlässigkeit/Leichtfertigkeit immer gegeben ist. Insofern ist es empfehlenswert, über die Bedeutung von Tätigkeits- und Lageberichten sowie Auskünften an die Mitglieder intensiv nachzudenken.

Haftungsart und Haftungsverfolgung

Gesamtschuldnerische Haftung: Gemäß § 41 i.V.m. § 34 II S. 1 GenG haften die Mitglieder des Aufsichtsrates gesamtschuldnerisch. Gemäß § 34 II S. 2 tragen sie die Beweislast.

Regressbeschluss: Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen setzt einen Beschluss der Generalversammlung - bei Sparkassen des Trägers - voraus. Das wird im Hinblick auf die Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung nur möglich sein, auf der Basis vollständiger Aufklärung der vorgeworfenen Pflichtverletzungen. Dazu ist das Einholen eines neutralen Sachverständigengutachtens erforderlich. Der Beschluss muss konkret die Regressverfolgung, das heißt den Auftrag zur Klageerhebung beinhalten.

Im Hinblick auf den Rufschaden und Vertrauensverlust sind andere Regelungen, wie zum Beispiel Rücktritt oder der Widerruf der Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern vorzuziehen. Die Abberufung vom Amt eines Aufsichtsrats- oder Verwaltungsratsmitglieds ist zwingend bei einem entsprechenden Verlangen der BaFin. Diese Verfügung kann gemäß § 36 III KWG ver anlasst werden bei gesicherten Pflichtverstößen oder nachgewiesener fehlender Sachkunde. In der Regel ist dann davon auszugehen, dass der Behörde schwerwiegende Anhaltspunkte vorliegen, die eine Gefährdung der Interessen der Körperschaft oder Dritter durch den Verbleib im Amt als wahrscheinlich erscheinen lassen. Die Verletzung von Obliegenheitspflichten mit denkbaren Haftungskonsequenzen liegt dann nahe.

Fähigkeit in die "Selbstreinigung" dokumentieren

Strafverfahren: Auch bei der Einleitung von Strafverfahren sind die Gesamtbelange der Kreditgenossenschaft oder Sparkasse zu berücksichtigen. Mögliche Konsequenzen einer Strafanzeige gegen Aufsichtsratsmitglieder sollten bedacht werden:

- Durchsuchungsanordnung nicht nur für die Beschuldigten, sondern das gesamte Kreditinstitut;

- Zeit- und Kostenaufwendungen für die Begleitung des Ermittlungs- und Strafverfahrens, Schadensersatzansprüche und strafrechtliche Folgen bei Einstellung des Verfahrens gemäß § 170 II StPO oder Freispruch;

- Vertrauensverlust.

Bei schwerwiegenden Verdachtsmomenten, die bei Regionalbanken der Öffentlichkeit, das heißt auch Lokalpresse kaum zu verheimlichen sind, können harte Maßnahmen gegen "untreue" Vorstände angebracht sein, um die Fähigkeit in die "Selbstreinigung" zu dokumentieren. Gegebenenfalls empfiehlt sich in unvermeidlichen Fällen das Einberufen einer Pressekonferenz. Insofern kommt die Anregung einer strafrechtlichen Verfolgung durch das Kreditinstitut oder Geschädigte nur in Betracht bei:

- gravierenden Pflichtverstößen mit beachtlicher Schadenshöhe;

- krimineller Energie und

- eigennützigen Motiven.

Zu beachten ist: Ein einmal in die Wege geleitetes strafrechtliches Ermittlungsverfahren kann nicht durch "Rücknahme" der Strafanzeige abgebrochen werden, aufgrund der dann zwingenden Tätigkeit der Ermittlungsbehörde "von Amts wegen" (Offizialgrundsatz gemäß § 160 I StPO).

Verteidigungshinweise für gefährdete Geschäftsleiter

Allgemeinanwälte sind als Anklagebegleiter (der Körperschaft) oder Verteidiger in Wirtschaftssachen, insbesondere Banksachen, in der Regel ungeeignet. Vorsicht ist geboten bei Verflechtungen eines Anwaltes mit Verband oder Behörde.

Als Verteidigungshinweise für gefährdete Geschäftsleiter sind zu nennen:

- Umgehender Kontakt mit einem Berater des Vertrauens;

- Keine Terminwahrnehmung bei der Polizei - es besteht für den Beschuldigten keine Pflicht dort zu erscheinen, Entschuldigung mit Hinweis auf anwaltliche Vertretung genügt.

- Es gilt dringend § 201 StPO zu beachten, mit der Möglichkeit, Einwendungen gegen die Eröffnung des Hauptverfahrens zu erheben und entlastende Beweiserhebungen zu beantragen. Auch professionelle Verteidiger weisen auf diese Möglichkeit des Zeitgewinns und zur Abwendung des Hauptverfahrens nur selten hin - sie verdienen hauptsächlich je Verhandlungstag. Die Einlassungsfrist beträgt meistens nur eine Woche nach Zustellung der Anklageschrift, in der man die Chance hat, eine prekäre öffentliche Verhandlung abzuwenden!

- Beauftragung eines Gutachters zwecks Sachverhaltsanalyse.

- Offenheit gegenüber den nächsten Angehörigen, da sich "Öffentlichkeit" als Folge der herausgehobenen Stellung nicht vermeiden lässt. Jede Unterstützung wird benötigt.

Das Ende bedenken

Vor Beginn jedes Verfahrens, sei es zivil- oder strafrechtlicher Art, gilt der Grundsatz: Bedenke das Ende! Der Weg durch die Instanzen (1. Instanz, 2. Instanz = Berufung, 3. Instanz = Revision) kann sich als ausgesprochen komplex, langwierig und kostenträchtig erweisen. Aufzuwendende Anwaltshonorare und Gerichtskosten sorgen in der Praxis immer wieder für Überraschung, wenn sie nicht vor Beauftragung sorgsam, das heißt für die kompletten Rechtszüge erfragt werden: Wer schlussendlich verliert, zahlt alles und hat den unvermeidlichen Rufschaden. Einer Bank, die unbedacht mit ehemaligen Organmitgliedern umgeht, vertraut ein Mittelständler seine Ersparnisse nicht an. Kluge Erwägungen in der Krise und einvernehmliche Lösungen, eventuell durch Mithilfe eines erfahrenen Streitschlichters, sind oft die bessere Lösung.

Auch wenn derzeit Schadensersatzklagen gegen Aufsichts- und Verwaltungsräte eben so selten sind wie Strafverfolgungen, erhöht sich die Bereitschaft, pflichtvergessene Organmitglieder in die zivil- und strafrechtliche Verantwortung zu nehmen. Die Sensibilisierung für Amtsmissbräuche ist auch bei Genossenschaftsmitgliedern und Trägern kommunaler Kreditinstitute gewachsen.

Es ist Aufgabe der Fachmedien, die Entscheidungsträger der Bankwirtschaft zeitnah, über aktuelle Ereignisse und Entwicklungen zu informieren. Handlungsanleitungen und kontroverse Fachauffassungen fördern den Meinungsbildungsprozess in den Entscheidungsgremien. Mit den vorgelegten drei Beiträgen zu Aufgaben und Haftung von Aufsichts- und Verwaltungsräten soll nicht nur das Bewusstsein für wesentliche Probleme wachgerufen, sondern auch Lösungsansätze angeboten werden. Die unmittelbare Anwendung und Rechtssicherheit in der Praxis ist das Ziel.

Fußnoten

1) LG Frankfurt am Main 2-03 O 205/13.

2) Z.B.: Der unqualifizierte Aufsichtsrat: Anforderungen und Abberufungsmöglichkeiten der Bankenaufsicht (ZfgK 19/2013, 972; Sorgfaltspflichtverletzungen des Aufsichtsrates bei der Kreditvergabe (ZfgK 13/2014, S. 668); Sorgfaltspflicht und Haftung genossenschaftlicher Aufsichtsräte und kommunaler Kreditinstitute (Serie in Bank intern, Düsseldorf, Teil I Nr. 18/2014; Teil II: Die Organisation des Aufsichtsrates Nr. 30/2014).

3) Lang/Weidmüller-Schaffland, Genossenschaftsgesetz 37. Auflage 2011, § 41 Rn. 7.

4) Siehe hierzu näher, aber vom Verfasser nicht durchweg geteilt: Beuthien, Genossenschaftsgesetz, 15. Auflage 2011, § 41ff.

5) Siehe beispielsweise Sparkassengesetz für Baden-Württemberg (SpG) vom 19. Juli 2005.

6) Sehr beachtlicher "Diskussionsbeitrag" zum öffentlichen Auftrag: Wollenberg, Gemeinnützigkeit und öffentlicher Auftrag - aber bitte ohne den Chef, Bank intern Nr. 39/2014.

7) Siehe "Merkblatt zur Kontrolle der Mitglieder von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen gemäß KWG und VAG v. 3. Dezember 2012".

8) Fassung aufgrund des Gesetzes zur Anpassung von Gesetzen auf dem Gebiet des Finanzmarktes vom 15. Juli 2014 (BGBl. I S. 934) m.W.v. 19. Juli 2014.

9) Siehe aber: Lang/Weidmüller-Schaffland, a.a.O., § 41 Rn. 46.

10) Zu den Amtspflichten der Aufsichtsratsmitglieder siehe Beuthien, a.a.O., § 41 Rn. 8ff.

11) Siehe hierzu: Lang/Weidmüller-Schaffland, a.a.O., § 41 Rn. 14f.

12) Beuthien, a.a.O., § 41 Rn. 9.

13) Lang/Weidmüller-Schaffland, a.a.O., 37. Auflage 2011, § 41 Rn. 8.

14) OLG Brandenburg, Urt. v. 23. August 2005 - 6 U 132/04.

15) Ausführlich dazu: Glenk, Sorgfaltspflichtverletzungen des Aufsichtsrates bei der Kreditvergabe, in ZfgK 13/2014, S. 668.

16) Ausführlich dazu: Glenk, Genossenschaftsrecht - Systematik und Praxis des Genossenschaftswesens, 2. Auflage 2013, Verlag C.H. Beck, Teil E. Prüfungs- und Berichtswesen, S. 305ff.

17) Siehe hierzu auch Glenk: Der unqualifizierte Aufsichtsrat, in ZfgK 19/2013, S. 973.

18) Zum Prüfungsverfahren: Lang/Weidmüller-Schaffland, a.a.O., Rn. 6 ff.; Glenk, Genossenschaftsrecht - Systematik und Praxis des Genossenschaftswesens, a.a.O., Rn. 824ff.

19) Lang/Weidmüller-Schaffland, a.a.O., 37. Auflage 2011, § 58 Rn. 7.

20) Siehe hierzu ausführlich: Glenk, Genossenschaftsrecht - Systematik und Praxis des Genossenschaftswesens, a.a.O., Hauptkapitel H. "Kreditgenossenschaft und Aufsichtsbehörde" sowie Anhang "A. Beispiele für bankaufsichtliche Maßnahmen gegenüber Vorständen von Kreditgenossenschaften".

21) Für diese unjuristische Diktion und Ermahnung bittet der Autor um Nachsicht, sie erscheint ihm aufgrund seiner mehr als 20-jährigen Berufserfahrung als Gutachter und Rechtsverteidiger notwendig. Sie soll dem Leser einen Nutzen - günstigenfalls auch Handlungsanleitung - geben.

22) Hessischer Rechnungshof, Zusammenfassender Bericht 2012 Ziff. 9.6.

23) Beuthien, a.a.O., § 147 Rn. 4f.

24) Beuthien, a.a.O., § 147 Rn. 7.

Hartmut Glenk , Direktor, Institut für Genossenschaftswesen und Bankwirtschaft (IGB), Siegen/Berlin
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