Aufsätze

Aufgaben einer genossenschaftlichen Zentralbank im Wandel der Zeit

Mit Beginn der Finanzkrise, die nach wie vor nicht überstanden ist, steht die gesamte Bankenbranche vor neuen, zum Teil nie da gewesenen Herausforderungen. Die regulatorischen Anforderungen haben drastisch zugenommen (und sie werden weiter steigen), Zinsniveau und -struktur schränken die Ertragsmöglichkeiten erheblich ein, und der Wettbewerb im Kundengeschäft ist intensiver denn je. Darüber hinaus haben die Aufsehen erregenden technischen Entwicklungen der vergangenen zehn Jahre das Kundenverhalten stärker als jemals zuvor verändert. Diesen Herausforderungen zu begegnen ist wie ein Wettkampf gegen mehrere Gegner gleichzeitig, und zwar in unterschiedlichen Disziplinen. Gut, wenn man dabei - wie in der genossenschaftlichen Finanzgruppe - nicht auf sich allein gestellt ist.

Eng kooperierendes Netzwerk

Rund 1 100 Volksbanken und Raiffeisenbanken bilden mit den Spezialunternehmen der Gruppe, den Rechenzentralen, den Verbänden und den Zentralbanken ein arbeitsteiliges, eng kooperierendes Netzwerk. Der Erfolg gibt der Gruppe recht: Als einzige Bankengruppe in Deutschland ist sie ohne Staatshilfe durch die Finanzkrise gekommen, sie ist gegen den Trend sowohl im Einlagen- als auch im Kreditgeschäft gewachsen. Ihre Ergebnisse sind auf gutem Niveau stabil und brauchen keinen Vergleich mit anderen Bankengruppen zu scheuen.

Dennoch: Auf die aktuellen Herausforderungen kann die genossenschaftliche Finanzgruppe nicht mit einem "Weiter so wie bisher" und auch nicht mit Standardkonzepten reagieren. Es gilt vielmehr, Lösungen zu entwickeln, die zur genossenschaftlichen Finanzgruppe passen. Nur so wird sie sich auch dauerhaft von ihren Wettbewerbern differenzieren können. Damit kommen auch auf die WGZ Bank als genossenschaftliche Zentralbank zusammen mit ihren Verbundpartnern neue anspruchsvolle Aufgaben zu.

Selbstverständnis als subsidiärer Dienstleister

Seit 130 Jahren ist die WGZ Bank die genossenschaftliche Zentralbank der Volksbanken und Raiffeisenbanken im Rheinland und in Westfalen. Von Anfang an und bis heute steht qua Satzung der genossenschaftliche Förderauftrag, also die Unterstützung der Mitgliedsbanken, im Vordergrund ihrer Tätigkeit. Ursprüngliche Kernaufgabe war es, den Liquiditätsausgleich zwischen den angeschlossenen Primärbanken sicherzustellen. Im Laufe der Jahre kamen weitere Tätigkeiten hinzu wie die Abwicklung des inländischen und ausländischen Zahlungsverkehrs, das Wertpapier- und Depotgeschäft sowie das Fördermittelgeschäft.

Alle diese Tätigkeiten haben zweierlei gemeinsam: Sie betreffen unmittelbar das Bankgeschäft mit dem Endkunden - anders als etwa reine Servicedienstleistungen - und es sind Funktionen, die die einzelne Volksbank oder Raiffeisenbank vor Ort nicht oder nur zu prohibitiv hohen Kosten erfüllen könnte. Hier fungiert die Bank als leistungsstarker subsidiärer Dienstleister.

Kundenhoheit und Marktverantwortung verbleiben dagegen stets bei der selbstständigen Primärbank vor Ort. Daraus nährt sich deren Antrieb, Mitglieder und Kunden in den jeweiligen, zum Teil sehr unterschiedlich strukturierten Regionen mit attraktiven, passgenauen und nachhaltigen Bankdienstleistungen zu versorgen. Wenn dabei neben der eigenen umfangreichen Produktpalette auch die der WGZ Bank genutzt wird, und zwar sowohl im Privatkunden- als auch im Firmenkundengeschäft, kommen die Stärken der arbeitsteiligen genossenschaftlichen Finanzgruppe voll zur Entfaltung.

Das Selbstverständnis der Bank als subsidiärer Partner ihrer Mitgliedsbanken hat im Laufe der Jahrzehnte weitere Unterstützungsleistungen rund um das Geschäft der Primärstufe hervorgebracht, sei es in der Banksteuerung, im Derivategeschäft, in der Bargeldlogistik oder bei der Geldwäsche- und Betrugsprävention, um nur einige Beispiele zu nennen. In dem sich rasant wandelnden Umfeld der genossenschaftlichen Finanzgruppe wird die Bank auch in Zukunft ihr Leistungsspektrum permanent anpassen. Darauf weiß sich ihre gesamte Mannschaft verpflichtet, nicht zuletzt auch deshalb, weil dieses Postulat in den Unternehmensleitsätzen fest verankert ist.

Vier wesentliche Herausforderungen

Die genossenschaftliche Finanzgruppe steht derzeit vor geballten Herausforderungen. Das hat sie zunächst mit allen anderen Bankengruppen in Deutschland und in Europa gemein, denn die Entwicklungen gehen nahezu überall in die gleiche Richtung. Vier wesentliche Themengebiete sind hier zu nennen:

1. Die regulatorischen Anforderungen auf allen Feldern des Bankgeschäftes haben ein solches Ausmaß angenommen, dass es für die einzelnen Institute schwer geworden ist, jederzeit den Überblick zu behalten und vor allem die eng gesteckten Umsetzungstermine einzuhalten. Eigenkapital- und Liquiditätsvorschriften, Reglementierung und Dokumentationspflichten im Wertpapiergeschäft, im Zahlungsverkehr und im Depotbankgeschäft, MaRisk, MaComp und vieles mehr führen zu erheblichen Mehrbelastungen. Ressourcen und Managementkapazitäten müssen - mindestens temporär - vom Kundengeschäft auf die Erfüllung vielfältigster regulatorischer Anforderungen verlagert werden.

2. Das niedrige Zinsniveau und die flache Zinsstruktur, die in erster Linie zur Verbesserung der Kreditbedingungen in den wirtschaftlich schwächeren Regionen Europas und damit zur Wachstumsbeschleunigung sowie zur Linderung der Staatsschuldenproblematik beitragen sollen, schränken die Ertragskraft vieler Institute hierzulande erheblich ein. Das Zinsergebnis stellt nun einmal die wichtigste Ertragssäule der meisten Banken dar. Deren Risikotragfähigkeit wird geschwächt, je länger die Niedrigzinsphase anhält. Banken, die sich dem klassischen Kundengeschäft verpflichtet haben, sind davon stärker betroffen als internationale Investmentbanken.

3. Der Wettbewerb um Privat- und Firmenkunden ist wieder voll entbrannt. In beiden Geschäftsfeldern sind die Genossenschaftsbanken tief verwurzelt, seit Langem haben sie dort ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt. Banken, die auf diesen Märkten vorübergehend weniger intensiv tätig waren, drängen nun mit Macht wieder hinein und scheuen sich auch nicht, verlorenes Terrain durch Dumpingkonditionen zurückzuerobern. Der Preis- und Konditionenwettbewerb nimmt zum Teil ruinöse Züge an mit entsprechenden Auswirkungen auf die Gewinn- und Verlustrechnung fast aller Banken.

4. Internetdienstleister und auch Telekommunikationsunternehmen übernehmen zunehmend Bankfunktionen. Mit Paypal und seit Kurzem auch mit Apple bieten zwei globale "Nichtbanken-Wettbewerber" Konto- und Bezahlfunktionen im Internet und für mobile Endgeräte an. Mit zunehmender Verlagerung des Handels vom stationären Vertrieb in das Internet wandern immer mehr Transaktionen aus dem klassischen bankeigenen oder banknahen Zahlungsverkehr in andere Bezahlstrukturen ab. Zugleich bietet sich den neuen Wettbewerbern, sofern sie den aufsichtsrechtlichen Anforderungen genügen, die Möglichkeit, ihre bisherigen Funktionalitäten um das Kredit- und das Einlagengeschäft zu erweitern. Die ersten Anbieter verfügen bereits über Banklizenzen innerhalb der Europäischen Union. Obendrein drängen diese Wettbewerber mit "Mobile Payments" vermehrt an den Point of Sale.

Zukünftige Aufgaben einer genossenschaftlichen Zentralbank

Diese enormen Herausforderungen treffen eine stationär aufgestellte und dezentrale Organisation, die aus vielen, dafür aber vergleichsweise kleineren Einheiten besteht, mit voller Wucht. Zwar hat die genossenschaftliche Finanzgruppe die Finanz- und die europäische Staatsschuldenkrise in den vergangenen Jahren besser als andere Bankgruppen bewältigt und Marktanteile hinzugewonnen, ohne an Ertragskraft einzubüßen. Diese Zeiten könnten aber auch schnell vorbei sein. Umso wichtiger ist es, sich aus einer Position der Stärke heraus für die Zukunft zu rüsten. Auf die WGZ Bank kommen dabei infolge der engen Verbindung mit ihren Mitgliedsbanken und der gesamten genossenschaftlichen Finanzgruppe besondere Aufgaben zu. Diesen wird sie sich im Rahmen ihrer subsidiären Verantwortung selbstverständlich stellen.

Soviel vorweg: Um die gegenwärtigen und zukünftigen Aufgaben zu bewältigen, wird die Bank ihr Selbstverständnis als genossenschaftliche Zentralbank nicht verändern. Die Erfüllung des Förderauftrags verlangt ihr schließlich ab, ihre Mitgliedsbanken überall dort zu unterstützen und zu entlasten, wo die wachsenden Anforderungen von einzelnen Instituten nicht mehr wirtschaftlich sinnvoll erfüllt werden können.

Die zuvor skizzierten Herausforderungen betreffen letztlich alle Banken und damit auch die WGZ Bank als Geschäftsbank. Als systemrelevantes Kreditinstitut muss sie die neuen regulatorischen Anforderungen in besonderem Maße erfüllen. Das Zinsniveau betrifft sie in allen zinsabhängigen Geschäftsfeldern - negative Einlagen zinsen inklusive. Den Wettbewerb mit anderen Banken spürt sie besonders im Firmenkundengeschäft, aber auch in der Immobilienfinanzierung, und als zentraler Zahlungsverkehrsdienstleister ist sie prominent von den Entwicklungen im Internet betroffen. All diesen Herausforderungen muss sie sich also schon aus Eigeninteresse stellen.

Lösungen für Mitgliedsbanken mit entwickeln

Da aber der Förderauftrag elementare Bedeutung für die Bank hat, gilt für sie die Maßgabe, bei allen wichtigen Projekten immer auch an Lösungen und Leistungen für ihre Mitgliedsbanken zu denken. Es macht schließlich wenig Sinn, beispielsweise an der Erfüllung der kommenden MiFID II/MiFIR zu arbeiten, ohne dabei gleichzeitig die Anforderungen an die Primärstufe zu berücksichtigen. Genau aus diesem Grund erfüllt die Bank die neuen Meldeanforderungen im Derivategeschäft gemäß EMIR nicht nur für den Eigenbedarf, sondern zugleich auch für ihre Mitgliedsbanken. Solche Lösungen sind vor allem effizient, weil sie zu Synergien im Verbund führen. Die Förderung der Anteilseigner geht damit unmittelbar einher.

Folgerichtig wird die Bank ihre Unterstützungsleistungen für das Kundengeschäft der Mitgliedsbanken ausweiten, insbesondere rund um das Wertpapiergeschäft und den Zahlungsverkehr. So arbeitet sie an Paketlösungen, die den Bankberater dabei unterstützen, Wertpapierberatung in der Filiale und Wertpapiertransaktionen über das Internet miteinander zu verbinden. Gemeinsam mit den Rechenzentralen und der DZ Bank hat die WGZ Bank eine neue Brokerageplattform eingeführt, die es dem Kunden im Rahmen des Internetauftritts seiner jeweiligen Genossenschaftsbank auf hohem kommunikationstechnischen Niveau ermöglicht, Wertpapiertransaktionen zu tätigen und sein Depot zu verwalten. Mobil ist dies im Übrigen auch über eine App möglich. Solche Angebote sind nicht allein unter technischen Gesichtspunkten, sondern gerade auch unter Berücksichtigung des deutlich strengeren Aufsichtsrechts im Wertpapiergeschäft ausgesprochen anspruchsvoll.

Unverwechselbar bleiben

Um ihre Mitgliedsbanken bei der Abwicklung ihres Wertpapiergeschäfts - also in der Marktfolge - weitergehend als bisher zu unterstützen, entwickelt die Bank derzeit ein modulares Angebot. Als sogenannter Mastermandant der Deutsche Wertpapier-Service Bank, über die das Wertpapiergeschäft aller Volksbanken und Raiffeisenbanken in Deutschland abgewickelt wird, ist sie auch für diese Tätigkeiten prädestiniert.

Im Zahlungsverkehr pilotiert die Bank in enger Abstimmung mit ihren Verbundpartnern ein Kundenangebot zum Bezahlen mit dem Handy. Zugleich arbeitet sie gemeinsam mit der DZ Bank und den Rechenzentralen an einem Verfahren und einer technischen Plattform, die es den Kunden der genossenschaftlichen Finanzgruppe ermöglicht, ihre Zahlungen im Internet über das Bankkonto bei ihrer Volks- oder Raiffeisenbank statt über ihnen nicht vertraute Anbieter von Bezahlverfahren abzuwickeln.

Dabei ist es unerlässlich, nur solche technischen Lösungen anzubieten, die die Marktverantwortung und die Kundenhoheit der Primärbanken in keiner Weise infrage stellen. Eine Direktbank als zentraler Anbieter im Internet kann für die genossenschaftliche Finanzgruppe nach wie vor nicht infrage kommen. Neben den zu erwartenden Kannibalisierungseffekten zulasten der Primärbanken würde das wesentliche Differenzierungsmerkmal der Gruppe, die nachhaltige regionale Verantwortung, aufgeweicht - damit würde sie austauschbar. Angebote von Wettbewerbern zu kopieren, hieße letztlich, ein bewährtes Geschäftsmodell partiell zur Disposition zu stellen. Das darf nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden. Aufgabe der WGZ Bank ist es daher, kluge Lösungen zu entwickeln, die zur genossenschaftlichen Finanzgruppe passen, ohne dabei die Bedürfnisse und Erwartungen von Mit gliedern und Kunden aus dem Blick zu verlieren.

Die Bank hat ferner für die Gesamtbanksteuerung einige neue Dienstleistungen auf den Weg gebracht. Für den Treasurybereich hat sie beispielsweise das "Beratungsmandat Depot-A" entwickelt, mit dem die Primärbank Teile ihres Eigenanlagenmanagements auf die Bank übertragen kann. Unter der Leistungsmarke "WGZ Prozess Partner - Initiativbanking für passgenaue Lösungen" sind zudem alle Leistungen für Mitgliedsbanken gebündelt, mit denen sie bei Prozessen im Vertrieb, in der Produktion und in der Gesamtbanksteuerung unterstützt werden. WGZ Prozess Partner enthält Tools und Angebote, die die Prozesse in der jeweiligen Bank optimieren, ebenso wie Serviceleistungen, bei denen die WGZ Bank einzelne Prozesse oder Prozessschritte für die Mitgliedsbank übernimmt. Von den unter diesem Label derzeit gebündelten 48 Leistungen werden im Schnitt zirka 30 pro Mitgliedsbank genutzt. Soweit es sich dabei aus Sicht der Mitgliedsbanken um klassisches Outsourcing handelt, sind die geltenden Anforderungen der MaRisk selbstverständlich berücksichtigt.

Entlastung für das Kundengeschäft

Durch die kontinuierliche Erweiterung der Dienstleistungspalette der Bank können auf zahlreichen Feldern gemeinsam mit der Primärstufe weitere Synergien für die Finanzgruppe gehoben werden. Gestartet mit der Liquiditätsausgleichsfunktion, erweitert um Abwicklungsaufgaben im transaktionsabhängigen Bankgeschäft und um die Bereitstellung ergänzender Produkte im Aktiv- wie im Passivgeschäft wird die WGZ Bank ihr Angebotsspektrum künftig verstärkt um die Übernahme administrativer und regulatorischer Aufgaben der Primärstufe ausbauen. Volksbanken und Raiffeisenbanken sollen sich - insoweit entlastet - umso intensiver auf das Geschäft mit ihren Mitgliedern und Kunden konzentrieren können.

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