Fidor Smart Card: Kombikarte für eine spitze Zielgruppe

sb - Möglich wäre es schon lange gewesen. Und doch ist die Fidor Bank der erste Kartenemittent in Deutschland, der eine Mehrfunktionskarte ausgibt: Die Fidor Smart Card vereint Kredit- und Debitkartenfunktion (Mastercard und Maestro) in einem Stück Plastik. Vergleichbare Angebote gibt es in Europa aktuell nur in Belgien, Italien, Frankreich und Schweden. Wie bei neuen Kartenprogrammen üblich, ist die Karte auch kontaktlos einsetzbar.

Im Hinblick auf die Abwicklung von Zahlungsvorgängen ist die Kreditkartenzahlung bei dem neuen Produkt priorisiert. Am Terminal wird somit zuerst eine Mastercard-Autorisierung angefragt. Nur dann, wenn Mastercard am PoS nicht unterstützt wird - im Regelfall dürfte das der Fall sein, wenn der Händler keine Kreditkarten akzeptiert - wird die Transaktion über Maestro, also als Debittransaktion abgewickelt.

Passend für den deutschen Debitmarkt?

Dass es sich trotz der Kombifunktion eigentlich um eine Kreditkarte handelt, wird schon am Design deutlich: Auf der Vorderseite prangt nur das Mastercard-Logo, das Maestro-Zeichen ziert lediglich die Rückseite. Umgekehrt würde es - zumindest mit Blick auf Deutschland - vermutlich auch wenig Sinn machen. Angesichts des fast flächendeckenden Maestro-Akzeptanznetzes und der günstigeren Debitkonditionen käme die Kreditkartenfunktion bei einer Maestro-Priorisierung vermutlich kaum zum Tragen. Dennoch dürfte in der Voreinstellung als Kreditkarte in einem ausgeprägten Debitmarkt wie Deutschland genau auch die Crux des neuen Produkts liegen. Schließlich präferiert ein Großteil der deutschen Karteninhaber die Debitkartenzahlung mit der Begründung, auf diese Weise besser den Überblick über die eigenen Finanzen zu behalten. Die Kreditkarte wird weniger für Einkäufe des täglichen Bedarfs als vielmehr für größere Anschaffungen gezückt. Eine Karte, die primär als Kreditkarte verarbeitet wird und Debit gewissermaßen nur als Backup vorsieht, könnte also am Grundbedürfnis vieler Kunden vorbeigehen. Ohnehin hat gemäß den neuen EU-Vorgaben demnächst der Handel die Hoheit darüber, wie er die Transaktion abwickelt. Und das dürfte in vielen Fällen eher Debit als Kredit sein.

Wahlmöglichkeiten am PoS eher theoretisch

Die Fidor Bank argumentiert an dieser Stelle zwar, dass der Karteninhaber bei vielen Händlern vor der Transaktion selbst wählen kann, ob die Zahlung über die Kreditkarten- oder die Debitkartenfunktion der Karte abgewickelt werden kann. Doch ist diese Wahlmöglichkeit seitens des Karteninhabers bislang eher eine Wunschvorstellung des europäischen Regulators als gelebte Realität am PoS - zumindest in Deutschland.

Ob es überhaupt jemals zum Normalfall wird, dass der Kunde am Terminal nicht nur seine PIN eingeben, sondern darüber hinaus auch zwischen mehreren Ver fahren wählen kann, ist überdies fraglich - solange es nicht explizit vorgeschrieben ist. Der Handel ist jedenfalls skeptisch. Schließlich hat die Pre-Selection das Zeug dazu, den Zahlungsvorgang, der doch so schnell ablaufen soll wie möglich, erneut zu verlängern. Das gilt selbst dann, wenn die Kunden nach einer Eingewöhnungsphase gelernt haben, welche Funktion ihre Karte hat und was sie dementsprechend eingeben müssen, um ihrer Präferenz in Sachen Abwicklung zu folgen.

Keine Frage: Für Kunden, die mit Kreditkarte bezahlen wollen, ist ein solches Kombiprodukt zweifellos praktisch, weil es das Akzeptanzspektrum der Karte erweitert, falls die Kreditkarte einmal nicht akzeptiert wird. Vor dem Hintergrund, dass in einer Bitkom-Umfrage zum Zahlungsverkehr (siehe Rote Seiten in bank und markt 8/2015) jedoch nur 8 Prozent der Konsumenten die Kreditkarte als präferiertes Zahlungsmittel benennen, dürfte diese Zielgruppe jedoch eher klein sein.

Interessant wird die neue Karte aus Kundensicht vermutlich primär durch das Preismodell: Angeboten wird sie in Verbindung mit dem gebührenfreien Girokonto ohne Jahresgebühr. Zwei Bargeldabhebungen pro Monat sind kostenfrei. Wer nur einmal zum Geldautomaten geht, erhält für den entsprechenden Monat eine Gutschrift von einem Euro, wer ganz auf Abhebungen von Bargeld verzichtet, bekommt zwei Euro gutgeschrieben. Das gilt freilich nur ab einem monatlichen Gehaltseingang von 399 Euro. Damit richtet sich das neue Produkt an eine eher spitz zugeschnittene Klientel, die nicht nur gerne die Kreditkarte nutzt, sondern obendrein überwiegend bargeldlos zahlt. Als Instrument der Kundenlenkung hin zu weniger Barzahlungen ist das Preismodell jedoch zweifellos interessant - wenn auch vermutlich eher für Direktbanken als für Filialbanken mit einem dichten Netz an Geldautomaten.

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