Im Gespräch

"Wir glauben fest an Ubiquität" - Interview mit Peter Bakenecker

Peter Bakenecker
Quelle: Mastercard

Die Zukunft des Bezahlens liegt für Peter Bakenecker in der Konvergenz der verschiedenen Bezahlformen und der Ubiquität von Zahlungslösungen. Seine Devise: Alles muss überall und mit allem funktionieren. Genau hier sieht er nationale Bezahlsysteme im Nachteil und verspricht sich deshalb weitere Potenziale auch im deutschen Debitmarkt. Beim Stichwort Mobile Payment wagt er die Prognose: Der schon so oft vorausgesagte Durchbruch des Bezahlens per Mobiltelefon wird in Deutschland in diesem Jahr tatsächlich kommen. Red.

Karten

Sieht sich Mastercard heute noch als "Kartengesellschaft"?

Mastercard war und ist ein Technologieunternehmen. Seit über 50 Jahren bieten wir unseren Partnern die Technologien und Erfahrung, um weltweiten Zahlungsverkehr sicher, schnell und bequem abzuwickeln.

Die große Herausforderung ist heute der Übergang in das digitale Zeitalter. Ziel ist die Bereitstellung von technologischen Innovationen im Mastercard-Netzwerk, damit unsere Partner wettbewerbsfähig bleiben und sich auch in Zukunft auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können - ihre Kunden.

Karten

Ist die physische Karte also ein Auslaufmodell?

Die Karte wird es immer oder zumindest noch für eine sehr lange Zeit geben, ebenso, wie es immer Bargeld geben wird. Wir werden aber zunehmend sehen, dass die Karte virtualisiert wird und in unterschiedlichen Endgeräten wie beispielsweise Mobiltelefonen oder Wearables integriert ist.

Karten

Laut der Studie der deutschen Bundesbank haben nur 36 Prozent der Deutschen eine Kreditkarte, davon wiederum setzen nur 19 Prozent ihre Karte mindestens einmal im Monat ein. Ist der deutsche Markt damit nicht ein sehr frustrierender?

Es ist wahr, dass Deutschland in Sachen Kartennutzung hinter anderen Ländern zurückbleibt. Die Kreditkarte wird typischerweise auf Reisen oder für Hotelbuchungen eingesetzt. Immerhin verfügen über 90 Prozent der Deutschen über eine Debitkarte, die sie für ihre täglichen Geschäfte nutzen. Hier dominiert die Girocard. Das größte Thema ist aber die Liebe zum Bargeld sowie der Wunsch nach Ausgabenkontrolle und Sicherheit.

Karten

Welche Chancen sehen Sie für Mastercard im deutschen Debitmarkt?

Heute setzen bereits zahlreiche Institute in Deutschland auf die neue Debit Mastercard, da sie die globale Einsetzbarkeit an über 44 Millionen Akzeptanzstellen sowie die Multikanalfähigkeit im Online- und Mobile-Bereich nutzen wollen. Eine Girocard kann dies auch 2018 noch nicht.

Die Debit Mastercard wird nicht nur von Anbietern wie N26 ausgegeben, sondern auch von Kreditinstituten wie der Deutschen Bank und der Commerzbank. Wir führen zahlreiche weitere Gespräche, da das Interesse an überall einsetzbaren Produkten steigt, um langfristig wettbewerbsfähig zu sein, schneller marktreife Lösungen anzubieten und redundante Investitionen zu vermeiden. Die zunehmende Geschwindigkeit in der technologischen Entwicklung fördert dieses Interesse.

Karten

Wie sieht es mit der Debit Mastercard in den beiden Verbünden aus?

Auch dort gibt es zahlreiche Interessenten und Piloten. Einer läuft beispielsweise bei der Sparkasse Siegen.

Karten

Sehen Sie eine Chance, die Girocard irgendwann ablösen zu können?

Ich glaube, im deutschen Markt ist in der nahen Zukunft Platz genug, da neben dem Bargeld zahlreiche alternative Lösungen - wie beispielsweise Rechnungskauf - einen hohen Marktanteil haben.

Karten

Eine andere Möglichkeit, im deutschen Debitmarkt Marktanteile zu gewinnen besteht in der Kundenauswahl am PoS. Welche Chancen sehen Sie hier?

Die technische Möglichkeit hierfür besteht, auch bei den großen Einzelhändlern. Aber sicher ist die in Deutschland gewählte Lösung nicht der benutzerfreundlichste Weg und es muss noch viel Aufklärungsarbeit betrieben werden. Es muss uns gelingen, für den Kunden eine Mehrwertleistung zu generieren, damit er einen Grund hat, die entsprechende Marke auszuwählen.

Mit Priceless Specials hat Mastercard Anfang 2018 ein eigenes Loyalitätsprogramm in Deutschland gestartet. Damit können Karteninhaber mit jeder Mastercard-Transaktion Punkte, sogenannte Coins, sammeln und bei teilnehmenden Händlern einlösen. Deutschland ist der 25. Markt weltweit, in dem dieses Programm verfügbar ist. Alle Mastercard-Inhaber können das Loyalitätsprogramm kostenlos nutzen. Sie müssen sich dafür mit ihrer Mastercard lediglich einmal auf unserer Plattform registrieren.

Karten

Wie würde eine benutzerfreundliche Lösung zur Anwendungsauswahl aus Ihrer Sicht aussehen?

Die benutzerfreundlichste Lösung wäre sicher, den Kunden gleich nach Stecken der Karte auf dem Eingangsdisplay des Terminals zum Auswählen der Marke aufzufordern. So eine Lösung gibt es zum Beispiel in Italien.

Karten

Stichwort Zwei-Faktor-Authentifizierung: Wie zufrieden sind Sie mit den jetzt festgelegten Regeln dafür?

Gute Frage! Wir hätten uns natürlich gewünscht, dass die Regeln kundenfreundlicher und die Limits etwas höher wären, um den Bezahlprozess für den Kunden so einfach wie möglich zu machen. Generell gibt es bei der Umsetzung noch viel Ungeklärtes.

Mastercard fokussiert sich hier auf Lösungen, die eine hohe Nutzerfreundlichkeit in den Vordergrund stellen. Dazu haben wir beispielsweise Mastercard ID-Check entwickelt. Im Fokus steht hier die Nutzung biometrischer Daten für die Authentifizierung, sei es über den Fingerabdruck-Scan, die bisher gebräuchlichste Lösung, oder die Gesichtserkennung per Selfie. Andere Verfahren werden hinzukommen.

Karten

Eine zunehmend verbreitete Lösung ist das kontaktlose Bezahlen. Sind die Limits hier angemessen?

Beim kontaktlosen Bezahlen geht es uns zunächst einmal darum, dass der Kunde es versteht und nutzt. Langfristig sollten die Limits definitiv erhöht werden.

Wichtiger für die Umsetzung im Handel und die Akzeptanz ist aber momentan eine harmonisierte Lösung durch alle Anbieter, einschließlich der nationalen Systeme. In Ländern, in denen das kontaktlose Bezahlen gut etabliert ist, ist es aber hilfreich, die Limits anzuheben.

Karten

In Deutschland werden immer noch Bedenken hinsichtlich der Auslesbarkeit kontaktloser Karten vorgetragen. Was zeigt die Erfahrung aus anderen Ländern in dieser Frage?

Wir sehen in Ländern, in denen die Verbreitung des kontaktlosen Zahlens deutlich größer ist als in Deutschland und auch die Limits höher liegen, keine ansteigenden Betrugszahlen.

Karten

Wann kommt in Deutschland der schon so oft vorausgesagte Durchbruch des mobilen Bezahlens?

Mobiles Bezahlen in Deutschland ist noch in den Kinderschuhen. 2018 wird jedoch das Jahr der mobilen Bezahllösungen auch in Deutschland sein. Einige Banken haben schon Lösungen am Markt, viele haben diese angekündigt. Es wird sicher kein einfacher Weg sein, aber der Durchbruch wird kommen. Sicherlich muss hierfür ein erkennbarer Kundennutzen vorhanden sein, wobei das Bezahlen durch das Mobiltelefon zahlreiche Möglichkeiten bietet wie zum Beispiel Anwendungen zur Ausgabenkontrolle, Sicherheit oder auch Benutzerfreundlichkeit. Ein gutes Beispiel ist der öffentliche Nahverkehr in Städten wie London, wo die Menschen mit dem Mobiltelefon U-Bahn oder Bus bezahlen können. Das spart Zeit für den Kunden und ermöglicht Synergien für die Anbieter (zum Beispiel Kosten des Ticketverkaufs). So etwas brauchen wir auch in Deutschland, damit die Leute habitualisiert werden, das Mobiltelefon zum Bezahlen zu nutzen.

Karten

Die Kartenakzeptanz in Deutschland hat mit der Interchange-Regulierung einen deutlichen Schub bekommen. Sind Sie an dieser Stelle jetzt zufrieden?

Die Interchange-Regulierung hat dazu geführt, dass in Deutschland jetzt flächendeckend Karten akzeptiert werden. Das gilt sowohl für Debit- als auch für Kreditkarten, weil die Kostenposition jetzt in etwa gleich ist. Als Resultat gibt es immer mehr internationale Händler, die nur noch internationale Marken akzeptieren.

Karten

Aber wie sieht es mit den kleinen Händlern aus?

Hier besteht immer noch Nachholbedarf. Ein gutes Beispiel sind Bäcker oder Metzger. Gemeinsam mit den Acquirern arbeiten wir daran, auch diese Akzeptanzlücke zu schließen. Wir hoffen jedoch, dass die Kartenakzeptanz gerade auch bei den typischen Kleinbetrieben mit dem Thema mobiles PoS noch einmal ein großes Stück weiter vorangetrieben werden kann. Es geht ja nicht nur um das Thema Bezahlen, sondern auch um weitere Mehrwerte wie automatisierte Rechnungen, Ausgabenkontrolle et cetera.

Karten

Der Handel klagt seit der Interchange-Regulierung über die Kreativität der Karten-Schemes bei der Einführung neuer Gebühren...

Die Mehrwerte, die wir in unserem Netzwerk bereitstellen, haben sich in letzter Zeit für alle Teilnehmer stark verändert. Deshalb hat sich auch der Preis verändert.

Karten

Wie hat sich die Wahrnehmung der Kartenorganisationen seitens des Handels in den letzten Jahren verändert?

Sie hat sich stark zum Positiven verändert. Es gibt viele Händler, mit denen wir eng zusammenarbeiten, gerade in den Bereichen Technologie und Innovationen. Das reicht von Checkout-Lösungen über Augmented Reality bis hin zu Webshop-Integrationen.

Es geht um effizientere Prozesse, neue Kundenerlebnisse oder auch bessere Datenauswertungen (damit meine ich Verkaufs-, nicht Kundendaten), oder beispielsweise auch um bessere Standortauswahl für den stationären Handel, wo Zahlungsverkehrsdaten helfen können.

Karten

Haben Instant Payments das Zeug dazu, das Bargeld oder die Karte zu verdrängen?

Instant Payments sind sicherlich eines der großen Themen, bei dem sich neben der technischen Umsetzung die Frage nach den Anwendungen stellt.

Kannibalisierungsprobleme sehen wir nicht - schon wegen des hohen Bargeldanteils und des hohen Anteils alternativer Bezahlmethoden, die es in Deutschland gibt.

In Großbritannien hat Mastercard Vocalink gekauft, um sich des Themas Instant Payments weltweit anzunehmen.

Unsere Vision ist die Konvergenz aller Bezahllösungen, also die Verschmelzung der Online- und Offline-Welt. Alles sollte mit allem funktionieren. Vom Konto auf die Kreditkarte, von einer zur anderen Debitkarte, von Konto zu Konto und so weiter. Das alles global einsetzbar in einem Netzwerk. Bei diesem Konzept spielt das Thema Instant Payments eine große Rolle, letztendlich auch zur Realisierung verschiedener Mehrwertleistungen.

Karten

Wie bewerten Sie die Perspektiven von Paydirekt?

Nur so viel: Paydirekt ist sicher eine gute Lösung der deutschen Kreditwirtschaft. Ob es die richtige Lösung zur richtigen Zeit in der richtigen Umsetzung war, wird sich zeigen.

Karten

Sehen Sie überhaupt eine Zukunft für nationale Bezahlsysteme?

Wir glauben fest an die Idee, dass Bezahlsysteme in allen Kanälen und allen Ländern funktionieren müssen, gerade vor dem Hintergrund der Anforderungen, die die technologische Entwicklung und die Entwicklung des Handels stellt. Domestische Lösungen werden es aufgrund der fehlenden Größe im internationalen Vergleich und der notwendigen Investitionen, die getätigt werden müssen, schwer haben, mit dieser Entwicklung Schritt zu halten. Deshalb glauben wir, dass für nationale Systeme Partnerschaften erforderlich sein werden.

Karten

Hemmt das Wettbewerbsrecht solche Partnerschaften und vielleicht auch Innovation?

Es gab in den letzten Jahren verschiedene Bemühungen, auf europäischer Ebene zusammenzuarbeiten. Länderübergreifende Bezahlsysteme sind aber weniger an der Regulierung gescheitert als vielmehr an den einzelnen nationalen Interessen.

Karten

Wird der Payment-Markt zunehmend zum Oligopol?

Nein, ganz im Gegenteil. Viele innovative Anbieter haben das Spektrum der Bezahlmethoden in den letzten Jahren erheblich erweitert. Aus dem zunehmenden Konsolidierungsdruck gibt es sehr interessante Möglichkeiten für Partnerschaften oder auch länderübergreifende Kooperationen, die dem Verbraucher deutlich mehr Leistungen bieten werden. Wir sind für alle Gespräche offen.

Karten

Woran liegt es, dass in Deutschland Payment-Innovationen so gut wie nie zuerst oder früh auf den Markt kommen?

Gründe hierfür sind sicherlich, dass die fehlende einheitliche Infrastruktur eine mögliche Skalierung erschwert sowie der Wettbewerb zwischen nationalen und internationalen Systemen. Deshalb tut man sich in Deutschland immer etwas schwerer, neue Themen schnell in den Markt zu bringen.

Karten

Was könnte der deutsche Markt von anderen lernen?

Schneller innovativ zu sein und das Interesse des Kunden in den Mittelpunkt zu stellen, anstatt auf die Entwicklung eigener Systeme zu pochen.

Der deutsche Markt sollte mutiger sein und innovative Lösungen pushen, sonst tun es andere.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X