De-Risking in der betrieblichen Altersversorgung - nicht ohne Aktien

Abbildung 1: Hypothetische Surplus Standard Deviation für unterschiedliche Asset-Liability-Strategien Quelle: Morningstar Direct, Asset Allocation am 31. Dezember 2015. Ergebnisse der Surplus-Optimierung nur zur Illustration. Alle Portfolios sind hypothetisch und entsprechen keinen tatsächlichen Portfolios.

Lars Detlefs, CFA, Geschäftsführer Deutschland, Christine Girvan, Managing Director Canadian Sales, und Ravi Venkataraman, CFA, Senior Managing Director Global Consultant Relations, MFS Investment Management, Boston, Frankfurt am Main - Bei vielen Portfolios für die betriebliche Altersvorsorge dürfte es derzeit Überlegungen geben, höhere Aktienerträge zu erzielen und dafür eine Erhöhung von Risiken in Kauf zu nehmen. Aus Sicht der Autoren lohnt es sich aber auch darüber nachzudenken, wie sich das Risiko mit einer Neuordnung von Aktieninvestments senken lässt, ohne dabei auf Ertragschancen zu verzichten. Anhand von eigenen Untersuchungen sehen sie in niedrigvolatilen Aktienstrategien eine interessante Alternative zu klassischen Ansätzen, zumindest aber eine Ergänzung. (Red.)

Jetzt, da die Zinsen wohl ihr Tief erreicht haben und die Weltfinanzkrise von 2008 lange vorbei ist, könnte für den kontinuierlichen Risikoabbau in der betrieblichen Altersversorgung (bAV), dem sogenannten De-Risking, eine neue Zeit angebrochen sein. Im derzeitigen Niedrigzinsumfeld sollte man sich aber nicht unbedingt auf traditionelle Techniken wie Liability-Driven-Investment (LDI) und die Steuerung der Anleihequote verlassen, sondern im Interesse der Anspruchsberechtigten nach besseren Lösungen suchen. Hierbei könnte das Aktienportfolio eine wichtigere Rolle spielen, nicht nur aufgrund der niedrigen Zinsen, sondern auch weil die Deckungsgrade trotz mancher Fortschritte durchaus noch gesteigert werden können.

Flexibilität und Individualität

Für das De-Risking eines Altersversorgungsprogramms lassen sich Aktien auf unterschiedliche Weise nutzen. Auch wenn es in Einzelfällen gute Gründe für die Anhebung des Risikos mit dem Ziel höherer Aktienerträge gibt, befasst sich diese Untersuchung mit dem in der Praxis häufigeren Bedarf an einem kontinuierlichen Risikoabbau auf Basis sorgfältig berechneter Aktienrisiken. Wer zu Beginn des De-Risking berechenbarere Aktienerträge wünscht, sollte gegebenenfalls über benchmarkbewusste Strategien mit dem Ziel von Mehrertrag bei niedrigerem Tracking Error nachdenken - weil die Aktienallokation zu diesem Zeitpunkt noch immer hoch ist und aktives Management daher einen wesentlichen Beitrag leisten kann.

Im weiteren Verlauf des De-Risking, wenn es mehr darum geht, die absolute Aktienvolatilität zu senken, könnten auch niedrigvolatile Aktienstrategien infrage kommen - mit Erträgen ähnlich den Markterträgen, allerdings bei einer deutlich geringeren Volatilität. Weil jedes Altersversorgungsprogramm anders ist, zählen aber Flexibilität und Individualität, passend zu den Zielen und Restriktionen der Verantwortlichen.

Senkung des aktiven Risikos ohne Verzicht auf Ertragschancen

Wer beim De-Risking auch auf Aktien setzt, sollte dies stets im Rahmen seines Mandats und unter Berücksichtigung des aktuellen Deckungsgrads tun. Wenn bereits ein Großteil der Verbindlichkeiten gedeckt ist, sei es durch eine höhere Anleihequote oder eine längere Duration des Anleiheteils, kann man das aktive Risiko des Aktienportfolios (also das Einzelwertrisiko, im Gegensatz zum Marktrisiko) beibehalten - oder auch senken, ohne dabei auf Ertragschancen zu verzichten.

Für Programme mit kürzerem Zeithorizont und niedrigerem Risikobudget könnte es sich anbieten, für planbarere Anlageergebnisse im Aktienteil zu sorgen, zur Absicherung des Erreichten oder um eine längerfristige Finanzplanung möglich zu machen. Wer erstmals LDI nutzt, will damit meist die Streuung der Anlageergebnisse senken und die Auswirkungen auf die Bilanz verringern. Je wichtiger die Risikobudgetierung für ein Programm ist, desto interessanter können benchmarkbewusstere Strategien sein.

Gewisses Aktienrisiko nötig

Um die Anlageergebnisse im Aktienteil berechenbarer zu machen und beim De-Risking nicht auf Risikobudgetierung verzichten zu müssen, sollten Entscheider das relative Risiko aktiv steuern. Interessant könnten Aktien sein, deren Erträge weniger schwanken als der Markt, kostengünstige Ansätze sowie Strategien mit der Aussicht auf eine individuelle oder komplementäre Ertragsentwicklung und einem Bewusstsein für Risiken. Möglich scheint dies, indem man fundamentale und quantitative Analysen kombiniert. Weil diese beiden Verfahren in aller Regel unterschiedliche Stärken haben, kann sich ein solches Konzept für verschiedene Rahmenbedingungen eignen. So sind fundamentale Strategien vor allem an Wendepunkten erfolgreich, wohingegen quantitative Strategien ihre Stärke eher in Trendmärkten ausspielen.

Unterdessen könnten einige Altersversorgungsprogramme einen Punkt erreicht haben, an dem sie ihr Aktienrisiko verringern müssen. Vielleicht ist ihr Deckungsgrad mittlerweile so stark gestiegen, dass sie entweder (annähernd) voll gedeckt sind und die Entscheider die Aktienquote bereits stark verringert haben. Weil die Programme aber weiterlaufen, ist weiterhin ein gewisses Aktienrisiko nötig. Dabei sollten jedoch hohe Verluste ausgeschlossen werden, da ihr späterer Ausgleich doch einen deutlich höheren Gewinn erfordert. Dieser ist aber nicht leicht zu erreichen, wenn die Aktienquote des Programms bereits sehr niedrig ist.

Auswirkungen von Strategien zur Stabilisierung des Deckungsgrads

Um zu zeigen, wie nützlich niedrigvolatile Aktien beim De-Risking sein können, hat MFS die Risiken und Erträge hypothetischer Portfolios mit unterschiedlichen Assetklassenkombinationen (aus kapitalisierungsgewichteten Aktien, niedrigvolatilen Aktien, US-Aggregate-Anleihen und langlaufenden US-Anleihen) berechnet und untersucht, wie sie sich gegenüber einer hypothetischen Verbindlichkeit (Barclays U.S. Long Corporate Bonds) verhalten (Abbildung 1).

Ein traditionelles Risikomaß für Betriebsrentenprogramme ist die Surplus Standard Deviation, ein Maß für die Korrelation von Aktiva und Verbindlichkeiten. Eine hohe Surplus Standard Deviation bedeutet, dass sich Aktiva und Verbindlichkeiten sehr unterschiedlich entwickeln und die Finanzlage des Programms entsprechend unberechenbar ist. Beginnend mit einem Basisportfolio aus 50 Prozent marktkapitalisierungsgewichteten Aktien und 50 Prozent amerikanischen Aggregate-Anleihen wurden die Surplus Standard Deviation für unterschiedliche hypothetische Allokationen untersucht. 50 Prozent Aktien und ein Deckungsgrad von 80 Prozent entsprechen etwa dem derzeitigen Marktdurchschnitt.

Es zeigt sich, dass sich das Risiko durch zusätzliche US-Anleihen und später dann niedrigvolatile Aktien deutlich verringern lässt. Zwar werden die Risiken allein schon durch langlaufende Anleihen stark gesenkt, doch erweist es sich als noch wirksamer, neben langlaufenden Anleihen auch niedrigvolatile Aktien aufzunehmen.

Auswirkungen niedrigvolatiler Aktien auf den Deckungsgrad

Interessant ist, dass die Korrelation bei der Risikoverringerung durch niedrigvolatile Aktien eine größere Rolle spielt als bei kapitalisierungsgewichteten Aktien. Auf Basis der Vergangenheitskorrelation im längsten gemeinsamen Zeitraum (Januar 1999 bis Dezember 2015) zeigt sich beim MSCI ACWI Minimum Volatility Index eine deutlich höhere Korrelation mit den hypothetischen Verbindlichkeiten (Barclays U.S. Long Corporate Bonds) als beim MSCI ACWI Index (0,37 gegenüber 0,26). Niedrigvolatile Aktien sind attraktiv, weil sie dann besser abschneiden, wenn lang laufende Anleihen an Wert zulegen - also meist in schwierigen Marktphasen. Intuitiv erscheint es daher plausibel, dass die Surplus Standard Deviation sinkt, wenn sich Aktiva und Verbindlichkeiten parallel entwickeln.

Welche Auswirkungen aber können niedrigvolatile Aktien auf den Deckungsgrad eines Altersversorgungsprogramms haben? Die MFS-Analyse zeigt, dass sie den Deckungsgrad stabilisieren und extrem schlechte Ergebnisse unwahrscheinlicher werden. Zunächst wurde ein hypo thetisches Betriebsrentenprogramm mit 80 Prozent Deckungsgrad (Basisszenario) betrachtet und dann für einen Zehnjahreszeitraum unterschiedliche Allokationen und den Verbindlichkeitenproxy modelliert. Abbildung 2 zeigt die Ergebnisse.

Wie erwartet streuen die möglichen Endwerte beim Basisportfolio (50 Prozent marktkapitalisierungsgewichtete Aktien, 50 Prozent US-Aggregate-Anleihen) am stärksten. Denkbar ist alles von äußerst guten 141 Prozent Deckung (95. Perzentil) bis hin zu lediglich 56 Prozent (5. Perzentil).

Wenn das untragbar scheint, kann es sich anbieten, die Spanne durch langlaufende Anleihen und niedrigvolatile Aktien zu verringern, zumal dann auch der Median-Deckungsgrad steigt. Bei 50 Prozent niedrigvolatilen Aktien und 50 Prozent langlaufenden US-Anleihen beträgt der Deckungsgrad im ungünstigsten Fall nicht mehr 56 sondern 70 Prozent. Dies kann gerade dann sehr wichtig sein, wenn die Geschäfte schlecht gehen und das Unternehmen dem Betriebsrentenprogramm die zusätzlichen Mittel erst dann zuführen will, wenn es leichter zu verkraften ist.

Gemäß der Analyse ist ein Kontinuum von Aktien-Allokationen denkbar, von restriktionsfrei über risikobewusst bis zu defensiv beziehungsweise niedrigvolatil - jeweils einhergehend mit entsprechenden De-Risking-Strategien und Anpassungspfaden für die Asset-Allokation.

Volatilitätsbegrenzung mit Aktien unter der Lupe

Niedrigvolatile Aktien können sich anbieten, um das Verlustrisiko eines Programms zu senken. Klug gemanagt haben sie sich in guten Marktphasen gut gehalten und in schwierigen Marktphasen als sehr krisenfest erwiesen. Dies zeigen die Erträge des MSCI World Low Volatility Index seit 1990 in Abbildung 3.

Aber nicht alle niedrigvolatilen Aktienstrategien sind gleich. So neigen Strategien, die ausschließlich in die am wenigsten schwankungsanfälligen Aktien investieren zu einer hohen Sektorkonzentration und entsprechend hohen Faktorrisiken. Man sollte nie vergessen, dass die weltweit schwankungsärmsten Aktien unmittelbar vor der japanischen Tsunami-Katastrophe im Jahr 2011 japanische Versorgerwerte waren - genau die Papiere, die dann massiv einbrachen.

Eine wirksame Volatilitätssteuerung soll starke Schwankungen verhindern. Wer auf die volatilsten Titel verzichtet und das verbleibende Universum aus weniger volatilen Papieren aktiv steuert, hat die Aussicht auf Erträge in Höhe des Marktertrags (oder etwas mehr) bei einem deutlich geringeren Beta. Wie Abbildung 4 zeigt, hat es sich auf Dauer ausgezahlt, auf die volatilsten Aktien zu verzichten.

Solche Strategien setzen meist mehr auf Qualitätsunternehmen mit mittlerer bis niedrigerer Volatilität. Darüber hinaus lassen sich durch eine niedrigvolatile Strategie auf Basis quantitativer wie fundamentaler Analysen exogene Risiken in einem Ausmaß mindern, wie es eine rein quantitative Strategie wohl nicht leisten kann. Der Mehrwert einer solchen aktiven Strategie entsteht durch die Kombination aus Marktbreite und Managerkompetenz, also durch eine gute aktive Einzelwertauswahl aus einem größeren Anlageuniversum. Intelligente niedrigvolatile Aktienstrategien können den Deckungsgrad in schwachen Marktphasen stabilisieren.

Ausgetretene Pfade verlassen

Angesichts der weltweit niedrigen Zinsen und des Zwangs, den Deckungsgrad zu steigern und zu stabilisieren, sollten die Entscheider in der betrieblichen Altersvorsorge die Aktien-Allokation beim De-Risking überdenken. Dank unterschiedlicher Möglichkeiten des Aktieneinsatzes können sie dabei eigene Ziele und Restriktionen berücksichtigen.

Wer das relative Risiko aktiv steuern will und dabei Wert auf geringe Ertragsschwankungen und niedrige Gebühren legt, könnte eine Aktienstrategie auf Basis fundamentaler und quantitativer Analysen erwägen. Wer hingegen eine niedrigere absolute Volatilität des Aktienteils anstrebt, könnte auf liquide und transparente niedrigvolatile Aktienstrategien und ein flexibleres De-Risking setzen. Niedrigvolatile Aktienstrategien sind eine interessante Alternative zu klassischen Ansätzen, zumindest aber eine Ergänzung. Alternative Anlagen wie Immobilien und Private Equity sorgen sicherlich für eine hervorragende Diversifikation, haben aber Schwächen wie mangelnde Transparenz, höhere Kosten und Liquiditätsengpässe. Vor allem aber liegen ihre erwarteten Erträge unter denen von Aktien. Für einige Programme mag dies akzeptabel sein, für andere nicht.*)

Die möglichen Vorteile eines De-Risking auch mit Aktien liegen auf der Hand - unabhängig davon, ob Entscheider das gesamte Portfolio neu aufbauen oder es nur zum Teil neu strukturieren wollen. Doch egal wie, wenn durch diese Maßnahmen Risikobudget frei wird, kann man es für Aktiva mit attraktiveren Risiko- und Ertragseigenschaften nutzen. Dies stellt höhere Erträge in Aussicht - und die dringend benötigte Verbesserung der Deckungsgrade.

Fußnote

*) J. P. Morgan 2016 Long-Term Capital Market Assumptions (arithmetische Erträge): Large Caps USA 8,09 Prozent, Mid Caps USA 8,54 Prozent, Small Caps USA 9,26 Prozent, Immobiliendirektanlagen USA 6,12 Prozent, diversifizierte Hedgefonds 4,42 Prozent, Rohstoffe 4,68 Prozent, internationale Infrastrukturanlagen 7,22 Prozent, Private Equity 10,58 Prozent.

Lars Detlefs , Senior Managing Director, Head of Institutional Sales – EMEA , MFS Investment Management, Frankfurt am Main

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