Handlungsimplikationen für Sparkassen im Kontext der Digitalisierung

Professor Dr. Stephan Paul Foto: S. Paul

Im Zuge der Digitalisierung der gesamten Wirtschaft ist die Kreditwirtschaft nicht nur mit einschlägigen Projekten im eigenen Haus beschäftigt, sondern darf auch mit einem erhöhten Finanzierungsbedarf der Unternehmen rechnen. In einer Studie mittels strukturierter, leitfadengestützter Experteninterviews gehen die Autoren am Beispiel ausgewählter Sparkassen und Unternehmen der Frage nach, welche Anforderungen und welchen Anpassungsbedarf beide Seiten in der Praxis haben wie sie sich gegenseitig besser aufeinander einstellen könnten. Für die Sparkassen formulieren sie drei Handlungsstränge: erstens die Modifikation der Betreuungskonzepte hin zu einer Beratung auf Augenhöhe, zweitens die Anpassung der Art und der Qualität der Finanzkommunikation sowie drittens neue Wege beim Produktportfolio mit größerer Flexibilität bei Laufzeiten und Rückzahlungskonditionen. (Red.)

Die aus der Digitalisierung erwachsene "Industrie 4.0" stellt den stärksten Umbruchprozess in der Unternehmenslandschaft seit Jahrzehnten dar. Er schlägt sich in der vertikalen und horizontalen Vernetzung von Menschen, Maschinen und Produkten nieder. Der Transformationsprozess beschränkt sich dabei aber nicht nur auf die Integration von Funktionsbereichen oder die Vernetzung einzelner Unternehmensebenen.1) Vielmehr werden Unternehmen und ganze Branchen vor tiefgreifende, strukturelle und organisatorische Veränderungsprozesse existierender Geschäftsmodelle gestellt.2)

Sparkassenfinanzierung auf dem Prüfstand?

Gemäß dem Lehrsatz "finance has to fit the business"3) sind auch Konsequenzen für die Finanzierung dieser disruptiven Umbrüche und - aufgrund der insbesondere für den Mittelstand zentralen Bedeutung der von Banken zur Verfügung gestellten Kreditfinanzierung - für die Rolle von Finanzinstituten zu erwarten. In der Mittelstandsfinanzierung besitzen Sparkassen eine starke Wettbewerbsposition4) , die jedoch durch die Digitalisierung auf den Prüfstand gestellt werden könnte. In einer Umfrage aus dem Jahr 2017 geben nahezu 40 Prozent der befragten Unternehmen an, dass sie von einem Rückgang der klassischen Fremdfinanzierung durch Banken ausgehen.5) Eine mögliche Begründung für diese Einschätzungen findet sich in der Studie von Zimmermann (2017).

Demnach bestehen - insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) - große Schwierigkeiten bei der Kreditfinanzierung von Digitalisierungsvorhaben.6) Die se Finanzierungslücke könnte zumindest partiell durch alternative Finanzierungsgeber (wie etwa Fintechs) geschlossen werden.7) In Bezug auf die Unternehmensfinanzierung existieren unter anderem Plattformlösungen, über die Unternehmen Kredite aufnehmen können.8) Häufig werden diese neuen Wettbewerber und die mit ihnen einhergehende Etablierung alternativer Finanzierungsformen in der Literatur vor allem als eine Bedrohung für die traditionelle Bankenfinanzierung angesehen. 9)

Welche Handlungsoptionen besitzen Sparkassen hinsichtlich der Anpassung des Produkt- und Betreuungsportfolios, um die Unternehmenskunden im digitalen Transformationsprozess begleiten und so die starke Position als Mittelstandspartner beibehalten zu können? Dieser Frage wurde in einer explorativen Studie nachgegangen, dabei wurde auf einen qualitativen Forschungsansatz zur Generierung verbaler Daten mittels strukturierter, leitfadengestützter Experteninterviews zurückgegriffen. Die insgesamt 15 teilnehmenden Unternehmen wurden aus dem Kundenportfolio zweier Sparkassen - einer sehr großen (Bilanzsumme über 10 Milliarden Euro und einer mittelgroßen Sparkasse (Bilanzsumme zwischen 5 und 10 Milliarden Euro) - ausgewählt. Spiegelbildlich wurden in separaten Interviews die Unternehmenskundenberater der teilnehmenden Unternehmen interviewt. Die Gespräche wurden von Oktober 2017 bis Mai 2018 geführt und anschließend mithilfe der Critical Incident Technique10) ausgewertet.

Hoher Kapitalbedarf im Kontext der digitalen Transformation

Die Stichprobe besteht aus acht Großunternehmen sowie 7 KMU.11) Ein Drittel der Unternehmen ist der Branche Maschinenbau zuzuordnen, des Weiteren befinden sich Unternehmen aus den Branchen Logistik, Wirtschaftsprüfung, Lebensmittel, Elektrotechnik, Bekleidung sowie Automotive in der Stichprobe. Auf Unternehmensebene bekleideten 60 Prozent der Interviewpartner eine Vorstandsposition sowie 40 Prozent die Position von Abteilungsleitern.

Der Investitionsbedarf für die digitale Transformation im Unternehmenssektor stellt für die Financiers ein hohes Geschäftspotenzial dar. In einer Umfrage unter Produktionsunternehmen der Unternehmensberatung Pricewaterhouse-Coopers gaben die Befragten insgesamt an, mit Investitionen in Digitalisierung für die Jahre von 2016 bis 2020 in Höhe von 31 Milliarden Euro zu planen.12) Analog dazu zeigt die Umfrage ebenfalls eine hohe Kapitalintensität von Digitalisierungsprojekten. Den bereits investierten Betrag beziffern die befragten Unternehmen durchschnittlich auf 2,7 Millionen Euro.13) Für die Zukunft planen sie im Schnitt mit dem nahezu dreifachen der bisher angefallenen Investitionen in Digitalisierungsvorhaben. Vier Unternehmen ergänzen, dass die Digitalisierungsinvestitionen im Verhältnis zwar steigen werden, aber keine Substitute zu den aus dem "normalen Geschäftsbetrieb" resultierenden Investitionen darstellen. Wenngleich die Planungen hinsichtlich der Laufzeiten sowie der Volumina eine große Heterogenität aufweisen, zeigt sich damit im Gesamtbild ein hoher Investitions- und Finanzierungsbedarf.

Anpassungen im Kompetenz- und Betreuungsportfolio

Gleichermaßen scheint eine weitverbreitete Zurückhaltung unter den befragten Unternehmen zu existieren, diese Investitionen durch von Sparkassen bereitgestelltes Fremdkapital zu finanzieren. Die Mehrheit der befragten Unternehmen präferiert für Digitalisierungsvorhaben derzeit die Eigenfinanzierung. Dies ist zum einen durch die sehr gute Liquiditäts- und Bonitätslage der Unternehmen zu erklären. Zum anderen konstatieren die Befragten einen starken Nachholbedarf bei der Passgenauigkeit des Produkt- und Betreuungsangebots der Sparkassen für die besonderen Eigenschaften von Digitalisierungsprojekten.

Zunehmend komplexe Geschäftsmodelle und damit einhergehend schwer einschätzbare Risikopotenziale insbesondere im Hinblick auf Digitalisierungsprojekte erfordern zusätzliche Kompetenzen aufseiten der Banken. Digitalisierungsvorhaben seien laut dem Vertreter eines Dienstleistungsunternehmens "in ihrer Chancen- und Risikostruktur für Banken schwer abzugreifen". Aber auch für Unternehmen selbst stellt die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Digitalisierungsprojekten eine Hürde dar, sodass die wirtschaftlichen Vorteile von Digitalisierungsvorhaben nicht adäquat an die Banken kommuniziert werden können.14)

Den Grundstein für eine beidseitig erfolgreiche Geschäftsbeziehung zwischen Banken und Unternehmen bildet ein individuell passgenaues Betreuungskonzept. Lam und Burton (2006) sowie Adamson et al. (2003) zeigen, dass ein individuelles Betreuungskonzept die Kundenzufriedenheit in hohem Maße positiv beeinflusst. 15) Lundahl, Veghol und Silver (2008) finden heraus, dass der Faktor Kundenzufriedenheit darüber hinaus von dem Individualisierungsgrad der Finanzierungslösungen abhängt. Dementsprechend müssen Banken ein fundierteres Branchenverständnis für die betreuten Unternehmen entwickeln.16) Eine vorgelagerte Stufe für die Entwicklung eines an der Digitalisierung ausgerichteten Betreuungskonzeptes ist das einheitliche Verständnis zwischen Unternehmen und Kundenberater für die Konsequenzen der Digitalisierung sowohl auf der strategischen als auch auf der operativen Ebene des Unternehmens (siehe Tabelle).

Jedoch zeigt ein Vergleich der in der Umfrage getätigten Aussagen teilweise große Diskrepanzen zwischen den Einschätzungen der Unternehmens- und Sparkassenvertreter über die Auswirkungen der digitalen Transformation in den Kundenunternehmen, die die Tabelle exemplarisch deutlich macht. Die Antworten der befragten Sparkassenmitarbeiter beziehen sich häufig auf Konsequenzen für einzelne Elemente innerhalb der Wertschöpfungskette und bilden damit nur eine Teilmenge der von den Unternehmensvertretern erläuterten Folgen ab. Vor diesem Hintergrund sollte zur Weiterentwicklung des Betreuungskonzepts zunächst ein einheitliches Verständnis der unternehmensindividuellen Konsequenzen aus der digitalen Transformation geschaffen werden.

Individualisierung und Spezialisierung gefragt

Aufbauend auf dieser Voraussetzung erfordern die durch die Digitalisierung ausgelösten Veränderungsprozesse in den Kundenunternehmen - auch vor dem Hintergrund sich etablierender Fintechs17) - bankseitig ein Alleinstellungsmerkmal. Ein möglicher Anknüpfungspunkt lässt sich in der Aussage des Vertreters eines Elektrotechnikunternehmens finden, nach der viele "Fintech-Prozesse zu standardisiert" seien. Davon ausgehend sieht er Bedarf nach einem Betreuer, der "Szenarien schnell begreift, Alternativen aufzeigen kann und mit Spezialisten vernetzt ist." Sparkassen können sich somit durch die Individualisierung und Spezialisierung des Betreuungskonzepts profilieren. Auch macht diese Aussage deutlich, dass Leistungen, die über die reine Bereitstellung von Finanzprodukten hinausgehen (beyond banking), einen größeren Stellenwert im Bankgeschäft einnehmen werden.

Dieser Aspekt wird auch durch die Tatsache gestützt, dass mehrere Unternehmensvertreter erweiterte Anforderungen an den Kundenbetreuer stellen und eine Digitalisierungsberatung im weiteren Sinne erwarten. Darunter sind die Identifikation von Digitalisierungspotenzialen im Kundenunternehmen und die sachgemäße Analyse des zukünftigen Wertbeitrages von Digitalisierungsprojekten für das Unternehmen und dessen Geschäftsmodell zu verstehen. Einschränkend ist jedoch hinzuzufügen, dass das Meinungsbild an dieser Stelle durchaus ambivalent ist. Der Vertreter eines Dienstleistungsunternehmens sieht den Sparkassenberater nicht als primären Ansprechpartner für Digitalisierungsthemen. Er müsse aber die Sinnhaftigkeit von Digitalisierungsprojekten nachvollziehen können.

Neben der Beratungskompetenz sehen mehrere Unternehmensvertreter den Sparkassenberater im Rahmen einer "Barometerfunktion" als Informationsinstanz für aktuelle, branchenweite Entwicklungen. Der geforderte Branchenfokus wird von ihnen darüber hinaus als unerlässlich angesehen, um sachgerecht Digitalisierungspotenziale identifizieren zu können. Wenngleich sich 30 Prozent der befragten Unternehmensvertreter für diesen Branchenfokus aussprechen, gibt es dazu auch gegenläufige Meinungen. Dahingehend wird durch einen Unternehmensvertreter der Standpunkt vertreten, dass ein Branchenfokus aufgrund der begrenzten Anzahl von Beratern und Kunden aus einer Branche nicht erwartet werden könne. Ergänzend seien sowohl branchenweite als auch branchenübergreifende Kenntnisse der Berater vor dem Hintergrund der Digitalisierung notwendig. Die sogenannte "Netzwerkfunktion" könne dementsprechend als Hilfestellung dienen, die im Rahmen der Digitalisierung entstehenden Bedarfe an Anbietern von verschiedenen Dienstleistungen oder auch Digitalisierungsprodukten zu decken.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass veränderte Kundenerwartungen zu einem facettenreicheren Anforderungsprofil der Sparkassenberater führen. Dabei sind auch die sich anpassenden Tätigkeits- und Kompetenzprofile der Finanzverantwortlichen in den Unternehmen zu berücksichtigen, die unter den Befragten als direkte Ansprechpartner der Sparkassenberater fungieren. Die befragten Finanzverantwortlichen der Unternehmen gehen für ihr eigenes Anforderungsprofil von vertieften IT-Kenntnissen aus. Diese beinhalten vor allem die Fähigkeit, IT-Prozesse nachvollziehen und die Erfolgsaussichten von IT-Strategien des Unternehmens bewerten zu können.

Angesichts des durch die Digitalisierung generierten, erhöhten Datenaufkommens sind auch vermehrt analytische Fähigkeiten vonseiten der Finanzverantwortlichen gefragt, die es ihnen ermöglichen, entscheidungsrelevante Informationen aus der Datenvielfalt und -masse herauszufiltern sowie auszuwerten. Und auch ein vertieftes Verständnis von Geschäftsmodellen wird von den Finanzleitern selbst für notwendig gehalten. Spiegelbildlich gelten diese Anforderungen dann auch für die Kundenbetreuer, wollen sie kompetente und relevante Gesprächspartner bleiben.

Anforderungen an die Finanzkommunikation

Einen weiteren Aspekt für eine erfolgreiche Finanzbeziehung bildet der beidseitige Informationsaustausch zwischen Kapitalgeber und -nehmer.18) Klassische Kommunikationsinhalte der Sparkassenberater stellen Informationen über Finanzprodukte und Branchenentwicklungen dar. Die befragten Unternehmen sehen sich jedoch oftmals hohen Suchkosten ausgesetzt, um die von den Sparkassen übermittelten Informationen nach Relevanz für die eigenen Bedürfnisse zu filtern. Folglich wurde vielfach die Erwartung geäußert, die durch die Sparkassen präsentierten Inhalte stärker an die Kundenbedürfnisse anzupassen. Die Unternehmensvertreter erhoffen sich von der Digitalisierung, neben den Suchkosten Ressourcen für die Aufbereitung und Bereitstellung der Informationen einzusparen. In diesem Kontext wäre die Implementierung einer Plattform denkbar, auf die von beiden Parteien Informationen hochgeladen und nach Bedarf von der Gegenpartei tagesaktuell eingesehen werden können. In diesem Kontext sind jedoch zwei kritische Aspekte zu berücksichtigen. Erstens sei von Banken die sichere Informationsübertragung und -speicherung zu gewährleisten. Zweitens fordern befragte Unternehmen mit einem großen Bankenkreis eine vereinheitlichte Übermittlungsinfrastruktur, da die bankindividuelle Aufbereitung der Daten eine zu große Zusatzbelastung für die Unternehmen darstelle.

Aufseiten der Sparkassenvertreter rückt eine sachgerechte Bewertung durch die aus der Digitalisierung erwachsenden Risikopotenziale verstärkt in den Fokus. Aufgrund des schnelllebigen Marktumfeldes und der kürzeren Innovationszyklen wird sich die für Bonitätsbeurteilungen notwendige Informationsbasis wandeln. Sparkassenberater äußern die Erwartungshaltung, in Zukunft vermehrt zu prüfen, inwiefern sich ein Unternehmen aktuell und prospektiv in der Lage befindet, mit den Entwicklungen im Wettbewerb noch "Schritt halten" zu können. Um die für diese Beurteilung angemessene Informationsgrundlage zu schaffen, benötigen die Sparkassenvertreter vermehrt zukunfts- und marktorientierte Informationen von ihren Unternehmenskunden.

Unterschiede beim Selbst- und Fremdbild

Ebenso erfordert die perspektivische Betrachtungsweise kundenseitig aktuellere und zeitnäher übermittelte Informationen. Allerdings besteht gegenwärtig ein großes Defizit in der Übermittlung der vom Kundenberater geforderten Informationsbasis. Die Kundenberater identifizieren als Problemfelder unter anderem die fehlende Bereitstellung von Planzahlen sowie Investitions- und Notfallplänen oder auch von Angaben zur Risikosituation sowie zur Produktpositionierung im Wettbewerb. Im Kontrast dazu stehen die Erkenntnisse, dass nicht alle Kundenbetreuer die von ihren Unternehmenskunden zur Verfügung gestellten Informationen vollumfänglich nutzen.

Darüber hinaus klaffen offenbar Selbst- und Fremdbild der beiden Finanzierungspartner auseinander. Dies beweist die spiegelbildliche Befragung von Unternehmens- und Sparkassenvertretern hinsichtlich der vom Unternehmen zur Verfügung gestellten beziehungsweise der vom Unternehmenskundenberater erhaltenen Informationsitems. Die Ergebnisse belegen eine durchschnittliche Diskrepanz der Aussagen für vier von 15 Informationsitems19) pro Sparkassen- und Unternehmenspaar. Wenngleich die Mehrheit der Befragten der Finanzkommunikation einen hohen Stellenwert für den Unternehmenserfolg einräumt, attestieren die Ergebnisse der spiegelbildlichen Befragung der Finanzkommunikation somit ein Kommunikationsdefizit. Dennoch vertreten die Befragten erstaunlicherweise mehrheitlich die Meinung, dass das Niveau der Finanzkommunikation nicht verbesserungsbedürftig sei.

Neben den Veränderungen des Betreuungs- und Kompetenzprofils sowie den Veränderungen der Kommunikationsprozesse sollten sich die Sparkassen mit den Ausstattungsmerkmalen von Finanzprodukten auseinandersetzen, um diese unternehmensindividuell auf die Anforderungen von Digitalisierungsvorhaben maßzuschneidern. Die befragten Sparkassen bieten zwar keine explizit für die Digitalisierung designierten Finanzierungsinstrumente an. Jedoch haben Unternehmens- und Sparkassenvertreter konkrete Erwartungen an die Gestaltung der Ausstattungsmerkmale von Krediten. Eine Kernforderung der Unternehmensvertreter stellt dabei eine höhere Flexibilität dar; zum Beispiel bezüglich der Laufzeiten und Rückzahlungskonditionen.

Hier erwarten 40 Prozent der befragten Unternehmen zum einen eine zu der wirtschaftlichen Nutzungsdauer des finanzierten Investitionsgutes kongruente Laufzeit, da die Digitalisierung zu einem kürzeren Innovationszyklus und damit zu einer verkürzten ökonomischen Nutzungsdauer von Investitionsgütern führe. Somit sei auch die starre Orientierung der Laufzeit an den AfA-Tabellen nicht mehr angemessen. Zum anderen erwarten sie eine höhere Flexibilität bei den Rückzahlungskonditionen. So dürften laut dem Vertreter eines diversifizierten Maschinenbauunternehmens "Vorfälligkeitsentschädigungen keine Rolle mehr spielen", da ex ante die Laufzeit von Digitalisierungsprojekten schwer zu determinieren sei. In dem Zuge schlägt ein Sparkassenvertreter vor, tilgungsfreie Jahre in der Aufbauphase des Projektes zu integrieren.

Der Bedarf nach einer höheren Flexibilität wird auch hinsichtlich der bereitgestellten Volumina beziehungsweise bei der Abrufbarkeit offensichtlich. Demnach sollen Finanzierungen den Charakter eines flexibel abrufbaren, zweckgebundenen Finanzierungsrahmens aufweisen.20) Ähnlich äußert sich ein Sparkassenvertreter, der vorschlägt, zunächst die Zielstruktur des Digitalisierungsvorhabens zu entwerfen, woraus sich das Investitions- und Finanzierungsvolumen sowie die Laufzeit des Gesamtprojektes ableiten ließen. Während der Projektphase sei dem Kreditnehmer die Option einzuräumen, bei Strukturanpassungen den geplanten Abruf des Volumens verändern zu können. Mit der Garantie einer erhöhten Flexibilität in den Tilgungskonditionen würden jedoch wesentliche Planungsrisiken der Unternehmen auf die Sparkassen übergewälzt. Daher bremsen zwei Sparkassenvertreter die Erwartungen an eine stärkere Flexibilisierung der Kredite, da die Institute nach wie vor auf planbare Zahlungsströme angewiesen seien.

Fehlende Sicherheiten als Finanzierungshemmnis?

Vor dem Hintergrund der steigenden Bedeutung von immateriellen Vermögenswerten im Rahmen von Digitalisierungsprojekten sind erhöhte Finanzierungsrisiken aus Sicht der Sparkassen zu erwarten, da für Banken immaterielle Vermögenswerte vielfach nur schwer verwertbare Sicherheiten darstellen. Somit kann laut Zimmermann (2016) "eine Entwicklung weg von Investitionen in Sachanlagen und hin zu immateriellen Vermögenswerten [...] langfristig den Kreditzugang der Unternehmen belasten"21) , was in einer Verschärfung der in der Einleitung angesprochenen Finanzierungslücke münden kann, wie Zimmermann (2017) in einer Anschlussstudie zeigt. Von daher ist die Wahrscheinlichkeit für eine Kreditvergabe im Kontext eines Digitalisierungsprojektes signifikant niedriger als für klassische Projekte.22)

In der Befragung ist sich der Großteil der Interviewpartner auf Unternehmens- und Sparkassenebene dieser Problematik bewusst. Allerdings besteht Einigkeit darüber, dass die fehlenden Sicherheiten kein Finanzierungshemmnis darstellen. Denn zum einen ist ein Großteil der befragten Unternehmen dem produzierenden Gewerbe zuzuordnen und verfügt dementsprechend über einen hohen Anteil materieller Vermögenswerte, welche wiederum zur Besicherung herangezogen werden können. Zum anderen zeigen die befragten Sparkassenvertreter die Bereitschaft, vermehrt Blankofinanzierungen für Digitalisierungsprojekte herauszugeben sowie auf alternative Risikoabsicherungsinstrumente abzustellen. So wurde von einer Sparkassenvertreterin vorgeschlagen, die "Risikoposition des Instituts aus Stand-Alone-Sicht" zu verringern, indem für Digitalisierungsvorhaben vermehrt syndizierte Kredite herausgegeben werden.

Verstärkter Einsatz von Debt Covenants

Zwei weitere Sparkassenvertreter diskutierten die Möglichkeit, die zukünftigen Cashflows des finanzierten Projektes als Sicherheit zu verwenden. Einschränkend ist hier jedoch hervorzuheben, dass angesichts der offensichtlich bestehenden Schwierigkeiten bei der wirtschaftlichen Beurteilung von Digitalisierungsvorhaben die tatsächliche Realisierbarkeit der prognostizierten Cashflows mit vergleichsweise höherer Unsicherheit behaftet sein kann. Des Weiteren wurden von einem Unternehmensvertreter und drei Kundenberatern der verstärkte Einsatz von Debt Covenants betont. Haghani et al. (2014) zeigen, dass die häufigste Konsequenz bei Verletzung von Covenants die Zahlung einer Waiver Fee an den Kapitalgeber darstellt.23) Aufgrund der höheren Risikoposition der Sparkassen bei der Finanzierung von Digitalisierungsvorhaben sind jedoch schärfere Sanktionen denkbar. Laut einer befragten Sparkassenvertreterin sollten die Banken die aus stehenden Linien bei Verletzung der Covenants sofort fällig stellen dürfen. Des Weiteren könnten die Sparkassen die Risiken durch die Einbindung von Bürgschaftsbanken zumindest partiell auslagern. Insgesamt zeigt das Meinungsbild der Unternehmen eine deutliche Präferenz für mehr Flexibilität und einer geringeren Besicherung, was zugleich eine Erhöhung der Standardrisikokosten in der Zinskalkulation zur Folge haben könnte. Vier Unternehmen sind sich dessen bewusst und gehen insgesamt von steigenden Zinsen für die Finanzierung von Digitalisierungsvorhaben aus.

Neben den veränderten Ausgestaltungen von Finanzierungslösungen sind auch Implikationen für die Kreditvergabeprozesse denkbar. 80 Prozent der interviewten Unternehmen stellen spezifische aus der Digitalisierung resultierende Anforderungen an den Kreditvergabeprozess der Sparkassen. Zwei Unternehmen fordern einen beschleunigten Entscheidungsprozess.24) Sie begründen dies mit dem durch die Digitalisierung angetriebenen, schnelleren technologischen Innovationszyklus, wodurch Unternehmen zeitnäher auf sich bietende Investitionsmöglichkeiten reagieren müssen. Darüber hinaus fordern zwei Unternehmen eine erhöhte Transparenz in der Entscheidungsphase, um jederzeit den Bearbeitungsstand ihrer jeweiligen Finanzierungsanfrage einsehen und damit die eigene Planungssicherheit erhöhen zu können.

Eng verbunden mit der Effizienz des Kreditvergabeprozesses ist die Frage, zu welchem Zeitpunkt die Sparkassen in den Gesamtprozess des Investitionsvorhabens integriert werden können. Vier Unternehmen erachten es im Kontext von Digitalisierungsvorhaben als angebracht, die Kundenberater der Sparkasse bereits in der Phase der Projektentwicklung einzubeziehen. Eine frühzeitigere Chancen- und Risikoeinschätzung könne "Zeit und Kosten sparen", falls die Sparkasse eine Finanzierung des Projekts ablehnt. Ein weiterer Interviewteilnehmer erhofft sich durch die frühzeitige Einbindung auch von den Erfahrungen des Bankberaters zu profitieren und von diesem Vorschläge für konkrete Finanzierungsmodelle zu erhalten. Auch die etwaig vom Bankbetreuer identifizierten Risiken stellen für zwei Unternehmensvertreter einen Mehrwert dar, der die frühzeitige Einbindung des Beraters durchaus rechtfertigt. Ein weiterer Teilnehmer merkt an, dass die Intensität der Einbindung des Beraters auch von der Art der Investition abhängig ist.

Beispielsweise bedarf die Investition für die Integration eines Enterprise-Resource-Planning-Systems nach Meinung des Befragten einer vergleichsweise späteren Einbindung des Beraters als eine aus einem Digitalisierungsansatz getriebene Überholung des Geschäftsmodells. Damit sei aber auch die Erwartung verknüpft, frühzeitig Impulse von der Bank zu erhalten, um für solche Projekte zusätzliche Mittel am Markt generieren zu können, wie etwa KfW-Fördermittel. Ein weiterer Unternehmensvertreter betont, dass die Sparkassen hinsichtlich der proaktiven Ansprache von "Digitalisierungslücken" in den Kundenunternehmen Nachhol bedarf besitzen. Durch eine aktivere Ansprache des Themas "könne die Bank auch mehr Finanzierungsgeschäft erreichen".

Drei Handlungsstränge für Sparkassen

Die dargestellten Ergebnisse münden in Handlungsimplikationen für Sparkassen, die sich in drei Kategorien aufteilen lassen. Erstens kann eine Modifikation des Betreuungskonzepts dazu dienen, dass Unternehmenskunden die Kundenberater in Sachen Digitalisierung als "Partner auf Augenhöhe" wahrnehmen. Hierfür sollte neben tieferen Geschäftsmodellkenntnissen ein einheitlicheres Verständnis hinsichtlich der Konsequenzen der Digitalisierung für die Kundenunternehmen angestrebt werden. Aufbauend darauf können die Kundenberater durch zusätzliche Services, die unter dem Begriff "beyond banking" subsumiert werden, Mehrwert für die Kundenunternehmen schaffen.

Zweitens stellen die Art und die Qualität der Finanzkommunikation wesentliche Stellschrauben dar, Probleme bei der Finanzierung von Digitalisierungsvorhaben zu mindern. Die Anforderungen der Unternehmen konzentrieren sich auf eine effizientere sowie sichere Informationsübertragung. Zudem müssen sich Sparkassen und Unternehmen verstärkt hinsichtlich des beidseitigen Informationsbedarfs abstimmen. Damit können zum einen Informationsüber- oder -unterversorgungen vermieden werden. Zum anderen dürfte die digitale Transformation zu einem veränderten Informationsbedarf führen. Drittens existieren im Produktportfolio Anpassungszwänge. Insbesondere bei Laufzeiten, Rückzahlungskonditionen sowie Volumina kann eine erhöhte Flexibilisierung die Passgenauigkeit von Krediten für die besonderen Eigenschaften von Digitalisierungsprojekten verbessern. Des Weiteren sollten die Sparkassen die vermehrte Berücksichtigung alternativer Sicherungsinstrumente prüfen - auch mit der Konsequenz, dass sich die Standardrisikokosten erhöhen könnten.

Die Autoren danken allen Gesprächspartnern für ihre Teilnahme an der Studie und den ermöglichten Einblicken.

Fußnoten

1) Vgl. Reischauer/Hober (2016).

2) Vgl. Reischauer (2015), Seite 271.

3) Paul et al. (2017), Seite 4.

4) Vgl. unter anderem Finanzgruppe Deutscher Sparkassen- und Giroverband (2015), Seite 18. Demnach stiegen die Volumina von Unternehmenskrediten zwischen 2008 und 2014 um durchschnittlich 9,3 Prozent p.a.

5) Vgl. Riedel/Groschupp (2017), Seite 11.

6) Vgl. Zimmermann (2016), Seit 2.

7)Vgl. Riedel/Groschupp (2017), Seite 11.

8) Vgl. u.a. www.lendico.de/ und www.compeon.de/.

9) Vgl. unter anderem Arbeitskreis Finanzierung der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V. (2017), Seite 273.

10) Die CIT ist ein auf Flanagan (1954) zurückgehender, anerkannter qualitativer Forschungsansatz zur effektiven Inhaltsanalyse verbaler Daten. Siehe hierzu auch Arbeitskreis Finanzierung der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V. (2017) sowie Paul et al. (2011).

11) Basierend auf den Jahresabschlüssen aus dem Jahr 2016. Für die Größenkriterien siehe IfM Bonn und Welter/Levering/May-Strobl (2016).

12) PricewaterhouseCoopers (2016), Seite 7.

13) Einschränkend ist hier anzumerken, dass lediglich sechs Unternehmen hierzu Angaben machten.

14) Vgl. Zimmermann (2017), Seite 9.

15) Vgl. Lam/Burton (2006), S. 42; Adamson et al. (2003), Seite 352.

16) Vgl. Lundahl/Veghol/Silver (2008), Seite 589.

17) 42 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, sich eine Inanspruchnahme von Finanzierungsdienstleistungen über ein Fintech vorstellen zu können.

18) Vgl. Bharath/Dahiya/Saunders/Srinivasan (2011); Moro/Fink/Maresch (2015).

19) Unter dem Begriff Informationsitems werden hier beispielsweise Angaben zur Risikosituation, Informationen zur Markt- oder Finanzierungsstrategie oder Auftragsübersichten subsummiert.

20) Limitierend wurde darauf hingewiesen, dass zwischen beiden Parteien konkrete Kriterien zur Verifizierung des Verwendungszwecks vereinbart werden sollten.

21) Zimmermann (2016), S. 1.

22) Vgl. Zimmermann (2017), S. 9.

23) Vgl. Haghani et al. (2014), Seite 17.

24) Ein Unternehmensvertreter betont dabei, dass man sich selber in der Pflicht sehe, möglichst schnell relevante Informationen zu liefern.

Ein umfassendes Literaturverzeichnis zu diesem Beitrag können Sie hier herunterladen.

Professor Dr. Stephan Paul Lehrstuhl für Finanzierung und Kreditwirtschaft, Ruhr-Universität Bochum
Lorraine Scholle Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin, Lehrstuhl für Finanzierung und Kreditwirtschaft, Ruhr-Universität Bochum
Marcel Heinze Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand, Lehrstuhl für Finanzierung und Kreditwirtschaft, Ruhr-Universität Bochum
Prof. Dr. Stephan Paul , Lehrstuhl für Finanzierung und Kreditwirtschaft , Ruhr Universität Bochum

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