Investitionen - Zinsen - Konjunktur: Stimmen die Zusammenhänge noch?

Abbildung 1: Ausrüstungsinvestitionen in Deutschland seit 2000 Quellen: Statistisches Bundesamt; Institut der deutschen Wirtschaft Köln

Prof. Dr. Michael Hüther, Direktor, Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V. - Seit der Finanz- und Wirtschaftskrise lassen sich einige der im Wirtschaftsleben zu beobachtenden Phänomene aus Sicht des Autors nicht mehr eindeutig mit den aus der traditionellen Theorie und Empirie gewonnenen Einsichten erklären. Vor diesem Hintergrund greift er die hierzulande durchaus kontroverse Debatte über eine strukturelle Schwäche der privaten Investitionen auf und erläutert beobachtbare Störimpulse am Beispiel der großen Schwankungen der Ausrüstungsinvestitionen sowie an der Auflösung des traditionellen Gleichlaufs der volkswirtschaftlichen Investitionsquote und dem in der Konjunkturanalyse gebräuchlichen Composite Lending Indikator der OECD. Ob die unkonventionellen geldpolitischen Aktivitäten der Notenbanken einen neuen Wirkungszusammenhang zwischen Geldpolitik, langfristigen Zinsen und Investitionstätigkeit zeigen werden, hält er im jetzigen Stadium noch nicht für überprüfbar. (Red.)

Es gibt derzeit viele Aspekte der wirtschaftlichen Realität, die den Erklärungsgehalt traditioneller, aus Theorie und Empirie gewonnener Einsichten in Zweifel ziehen. Anders gewendet: Einige realiter zu beobachtende Phänomene lassen sich mit den etablierten Argumentationsmustern nicht mehr selbstverständlich einordnen. Ein solcher, in Zweifel geratener Zusammenhang bezieht sich auf das Investitionsverhalten im Lichte der konjunkturellen Entwicklung einerseits und der niedrigen Zinsen andererseits. Die in Deutschland geführte Debatte über eine strukturelle Schwäche der privaten Investitionen dreht sich letztlich darum.

Ein Thema für die Wirtschaftspolitik

Die Wirtschaftspolitik hat sich dieses Themas angenommen. Während der Bundeswirtschaftsminister dafür eine Kommission berufen hat und auf entsprechende Lösungsvorschläge hofft1), betont der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzminister, dass es weder eindeutige Belege für eine Investitionslücke gebe noch ein besonderer konjunkturpolitischer Handlungsbedarf bestehe.2)

Der Sachverständigenrat hat in seinem jüngsten Jahresgutachten ebenfalls die These vertreten, dass es eine solche Lücke nicht gebe.3) Tatsächlich argumentiert die wirtschaftspolitische Beratung je nach theoretischer Grundlage aber mit Investitionsbedarfen.

Denn im traditionellen gesamtwirtschaftlichen Ablaufschema kommt der unternehmerischen Investitionstätigkeit eine bedeutsame Funktion zu: Einerseits liegt hier der Schlüssel für die Transmission der von außen kommenden Impulse in die Binnenwirtschaft; gewöhnlich führt ein Exportboom über eine damit einhergehende Steigerung der Kapazitätsauslastung zu einer Erhöhung der Ausgaben für neue Anlagen, was wiederum Beschäftigungswachstum generiert, das über den damit einhergehenden Anstieg der Masseneinkommen auch eine Basis für die Expansion des privaten Verbrauchs schafft. Andererseits eröffnet eine kräftige Investitionsdynamik Perspektiven für einen anhaltenden Wachstumsprozess, der sich ohne große inflationäre Verspannung und beschäftigungsintensiv vollzieht.

Die Frage nach der angemessenen Investitionstätigkeit kann sich deshalb auf beide Zusammenhänge beziehen und damit unterschiedliche Felder der Wirtschaftspolitik adressieren. Nachfragepolitisch wird ein Handlungsbedarf aus der Unterauslastung der gesamtwirtschaftlichen Kapazitäten abgeleitet, angebotspolitisch aus einer für die Befriedigung der Beschäftigungswünsche unzureichende Entwicklung des Produktionspotenzials.

Niveauanpassung der Investitionstätigkeit nach 2009

Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen die Ausrüstungsinvestitionen, da diese in besonderem Maße auch kurzfristig revidiert werden können und damit die Labilität der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung erklären. Seit der Jahrtausendwende zeigt sich ein ungewöhnlicher Verlauf (Abbildung 1). Denn während das erste Jahrfünft nach einer negativen Korrektur im Gefolge des New Economy Booms zu Beginn mehr oder weniger durch eine hartnäckige Stagnation geprägt war, folgte auf den steilen Anstieg von 2005 bis 2008 der ebenso scharfe Einbruch in bis dahin nicht gekannter Form.

Die Erholung lief danach über acht Quartale, und seit der Jahresmitte 2011 herrscht wieder Stagnation. Das Vor-Krisen-Niveau ist bei den Ausrüstungen bisher nicht wieder erreicht worden. Möglicherweise war aber das hohe Investitionsniveau der Jahre 2007 und 2008 durch Nachholeffekte infolge der vorhergehenden langen Investitionsflaute überzeichnet und dient somit nur eingeschränkt als Vergleichsmaß.

Die Detailbetrachtung macht deutlich, dass die starke Schwankung bei den gesamten Ausrüstungen in den letzten Jahren insbesondere durch das kräftige Auf und Ab bei den Ausgaben für Fahrzeuge getrieben wurde. Dahinter steht zunächst der kräftige Boom vor der Krise, der durch die hohe Dynamik des Welthandels verursacht wurde. Danach prägte zum einen die krisenbedingt schwache Entwicklung bei den Nutzfahrzeugen, zum anderen die extreme Verringerung bei Investitionen in Schiffe in diesem Bereich. Letzteres reflektiert die starke globale Position der deutschen Reedereien und deren überdurchschnittlich hohen Investitionen in den Jahren 2004 bis 2008. Sektoral wird dieser Befund ergänzt durch die Tatsache, dass die energieintensiven Branchen seit dem Jahr 2000 mit Ausnahme 2008 keine positiven Nettoinvestitionen aufweisen, was vor allem der Energiepolitik zuzurechnen sein dürfte.

Grundlegende Veränderung des Geschäfts mit Unternehmenskrediten

Angesichts der Weltfinanzkrise kann der Gesamtbefund nicht wirklich verwundern. Denn damals ist es nicht nur zu einer besonders starken Verunsicherung gekommen, sondern es wurde dem zuvor treibenden Geschäftsmodell einer kreditbasierten Investitionsdynamik der Boden entzogen. Die Nachwirkung dieses Entwicklungsbruchs wurde im Lichte der bis Mitte 2011 starken Korrektur des Produktionsabfalls zunächst unterschätzt. Tatsächlich ist bisher kein neuer investitionstreibender Mechanismus wirksam geworden. Die Weltwirtschaft befindet sich stattdessen in einem fortschreitenden und unvermeidlichen Konsolidierungsprozess der Vermögenspositionen. Was auf der einen Seite zur Neubewertung von Teilen des Kapitalstocks führte, das begründete auf der anderen Seite eine Bereinigung der Kreditportfolios. Das Deleveraging ist europaweit in vollem Gange.

Dass sich infolge der Weltfinanzkrise 2009 etablierte Zusammenhänge zumindest vorübergehend aufgelöst oder einen beachtlichen Störimpuls erfahren haben, das zeigen neben der erklärten Entwicklung der Investitionen einfache Bezüge im internationalen Vergleich. So hat sich der zuvor recht enge Gleichlauf der volkswirtschaftlichen Investitionsquote (Anlageinvestitionen) mit dem Composite Leading Indicator der OECD seit dem tiefen Einbruch 2009 aufgelöst, dies gilt für Europa und die Vereinigten Staaten gleichermaßen (Abbildung 2).

Es vermittelt sich der Eindruck, dass durch die Krise eine generelle Niveauanpassung eingetreten ist. Das ist insofern plausibel, als dass der hinter den hohen Quoten bis 2009 wirksame Kreditzyklus abrupt zu einem Ende kam. Eine fundamental notwendige Neubewertung der Kreditrisiken hat zusammen mit regulatorischen Neuerungen zu einer grundlegenden Veränderung des Geschäfts mit Unternehmenskrediten geführt. Diese Nachwirkung der Krise wird allein wegen der Veränderungen im regulatorischen Umfeld alles andere als vorübergehend sein.

Die These einer Niveauanpassung des Investitionsverhaltens infolge der Krise 2009 beruht auf der Einschätzung, dass die zuvor erlebte Nachfragedynamik nicht nachhaltig gewesen war. Die Entwicklung der Kapazitätsauslastung in der Industrie gibt dafür einen Hinweis (Abbildung 3). Denn trotz des deutlich geringeren Investitionsvolumens seit der Krise bewegt sich abgesehen von dem Einbruch 2009 die Auslastung um den mehrjährigen Durchschnitt zwischen den Indexwerten 80 und 85. Dagegen war eine so hohe Auslastung wie in den Jahren 2007 und 2008 (Indexwert nahe 90) zuvor lediglich direkt nach der Wiedervereinigung zu beobachten gewesen, was für eine Sondersituation spricht.

Jedenfalls bleibt festzuhalten, dass bezogen auf die effektive Nachfrage im Verarbeitenden Gewerbe keine Unterausstattung mit Kapitalgütern und damit eine zu geringe Investitionstätigkeit zu diagnostizieren ist. Berücksichtigt man die damit einhergehende starke Beschäftigungsentwicklung, gesamtwirtschaftlich und in der Industrie, dann spricht dies ebenfalls gegen einen solche These.

Was die Investitionstätigkeit erklärt

Es bedarf keiner speziellen Begründung, dass volkswirtschaftliche Investitionsquoten für sich genommen keine konkreten Hinweise auf eine spezifische Investitionsschwäche oder gar Investitionslücke geben können. Allerdings lassen sich aus Zeitvergleich und Standortvergleich doch Hinweise auf Besonderheiten ableiten. Gleichzeitig gilt, dass hinter einem makroökonomischen Befund immer einzelwirtschaftliche Entscheidungen stehen, die von den Investoren eigenständig und eigenverantwortlich getroffen werden.4) Darauf bezogen kann es eine Lücke der Investitionen nicht geben.

Bezieht man die gesamtwirtschaftliche Finanzierungsrechnung mit ein, dann zeigen sich strukturelle Veränderungen:5) So haben die deutschen Unternehmen ihre Eigenkapitalausstattung deutlich erhöht, die entsprechende Quote stieg von 16,3 Prozent im Jahr 1997 auf 27,4 Prozent im Jahr 2012. Dabei haben sich die Außenfinanzierung der Unternehmen von früher 5,2 Prozent auf zuletzt 2,0 Prozent verringert und die Liquiditätspräferenz spürbar verstärkt. All dies reflektiert eine veränderte Risikoeinschätzung der Unternehmen seit der Weltfinanzkrise. Hatten die deutschen Unternehmen über Jahrzehnte einen negativen Finanzierungssaldo, so zeigt sich seit 2009 ein permanenter Sparüberschuss. Die Unternehmen entschulden sich.

Potenziale der globalen Arbeitsteilung

Ein Teil der Ersparnis geht dabei über Direktinvestitionen ins Ausland. Hierin äußern sich die Potenziale der globalen Arbeitsteilung, die einer industriebasierten Volkswirtschaft wie der deutschen besonders bedeutsam sind. Betrugen die Bestände von Direktinvestitionen inländischer Unternehmen (einschließlich der Kredite an verbundene Unternehmen im Ausland) zum Jahresende 1991 gut 250 Milliarden Euro (rund 17 Prozent des Bruttoinlandsprodukts), so erreichten sie am Jahresende 2013 über 1 400 Milliarden Euro (gut 50 Prozent des BIP)6). Im Ergebnis der fortschreitenden Internationalisierung hat sich der Anteil der Exporte an der gesamtwirtschaftlichen Leistung Deutschlands von knapp 24 Prozent im Jahr 1991 auf knapp 46 Prozent im Jahr 2013 erhöht und dabei den Dämpfer des Jahres 2009 - als die Exportquote um fast sechs Prozentpunkte auf knapp 38 Prozent absackte - mehr als ausgeglichen.

Gesamtwirtschaftliche Wirkungszusammenhänge

Fragt man nach den gesamtwirtschaftlichen Wirkungszusammenhängen, dann zeigt sich, dass die Formulierung einer makroökonomischen Investitionsfunktion nicht gerade zu befriedigenden Ergebnissen geführt hat, jedenfalls sind robuste Bestimmungen der Wirkungszusammenhänge kaum zu ermitteln.7) Dabei lässt sich die traditionelle Dichotomie zwischen der klassischen Betrachtung, die die Investition als abhängig vom Realzins sieht, und der keynesschen Hypothese, die die Abhängigkeit von der Nachfrage postuliert, auflösen, indem das Niveau des Absatzes positiv und der Realzins (als Opportunitätskosten) negativ gleichermaßen als Determinante der Investitionen gelten.

Tatsächlich erweisen sich der Realzins und der Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts als Konjunkturkennziffer in den meisten Modellen als signifikant für die Erklärung des privaten Investitionsgeschehens, das gilt ebenso für Strukturkennziffern wie den Industrieanteil und die Beschäftigungsquote8).

Rolle der Erwartungen

Die zugespitzte Variante - Konjunktur und Zinsen als Bestimmungsgrößen der Investitionen zu verstehen - wird erst realitätsnah, wenn man für die intertemporalen Bezüge die Rolle der Erwartungen reflektiert. Unternehmen müssen den Gegenwartswert eines Investitionsprojekts, also die abgezinsten erwarteten Gewinne, mit den Anschaffungskosten vergleichen. Die Gewinnaussichten beeinflussen die Entscheidung positiv, der Realzins beeinflusst diese negativ.

Bedeutsam sind damit aber die Erwartungen, genauer die Bildung der Erwartungen über die zukünftigen Gewinne. Dafür haben die gegenwärtigen Gewinne eine Indikatorfunktion, aber bedeutsamer ist die verspürte Unsicherheit über die Stabilität der Rahmenbedingungen. Hierbei spielen vielfältige innen- und außenpolitische Aspekte eine besondere Rolle. "Ein Anstieg der Unsicherheit bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit zukünftig besonders negativer oder besonders positiver Ereignisse zugenommen hat" (Sachverständigenrat JG 2013/14, S. 81).

Im Großen und Ganzen lässt sich die Veränderung der Ausrüstungen mit dem Indexstand des Indikators für politische Unsicherheit überein bringen (Abbildung 4). Freilich erlaubt dies keine jederzeitig starke Erklärung.9) Allerdings wird auch hier deutlich, dass sich seit der Krise 2009 das Ausmaß der Unsicherheit fundamental erhöht hat und somit die generell niedrigere Investitionstätigkeit - die Niveauanpassung - mit zu erklären vermag.

Aktienmarkt als Indikator

Ein besonderer Informationsgehalt für die Veränderung der Unternehmensinvestitionen wird dem Aktienmarkt zugewiesen, da sich dort in intensiver Weise die Erwartungen der Finanzmärkte über die unternehmerischen Ertragsperspektiven manifestieren. Über Tobin's q wird versucht, diesen grundsätzlichen Zusammenhang für die Investitionsentscheidung zu nutzen.10) Vergleicht man demgemäß die Marktkapitalisierung des Unternehmens (Aktien plus andere ausstehende Wertpapiere) mit dem Wert des Kapitalstocks zu Anschaffungspreisen (dieser ergibt Tobin's q), dann wäre bei einer Relation größer 1 eine zusätzliche Investition ökonomisch sinnvoll.

Für die Dax 30-Unternehmen liegt Tobin's q im Betrachtungszeitraum durchweg über 1, im langfristigen Durchschnitt bei einem Wert von 1,5 (Abbildung 5). Unter der Annahme, dass die hier betrachteten 30 Unternehmen als einigermaßen repräsentativ für die gesamte Unternehmenslandschaft in Deutschland stehen, lassen sich die Schwankungen im Zeitverlauf durchaus mit der Veränderung der gesamtwirtschaftlichen Ausrüstungsinvestitionen in Verbindung bringen. Die konjunkturellen und krisenbedingten Einbrüche bei den Investitionen finden sich beim q nur bedingt wieder, was damit zusammenhängt, dass nicht nur die Börsenkapitalisierung sondern auch die Bewertung der Assets in solchen Phasen negativ korrigiert. Der leicht positive Trend der unternehmerischen Investitionen in den Jahren 2012 und 2013 passt zum Wiederanstieg seit 2007 von Tobin's q auf den Durchschnittswert 1,5.

Die unbestimmte Rolle der Geldpolitik

Die Geldpolitik versucht weltweit seit der Krise 2009 durch einen forcierten Expansionskurs deren Folgen abzufedern.11) Die Konsequenz ist einerseits ein extrem niedriges Zinsniveau, andererseits eine deutliche Verlängerung der Bilanz der Zentralbank. Die zins- und mengenpolitischen Maßnahmen haben bislang aber nicht zu einer Belebung der Geldnachfrage geführt. Die Genesung des Bankensystems ist zwar vorangekommen, doch gerade in den europäischen Krisenländern immer noch prägend und über die schwache Kreditversorgung belastend. In Deutschland gibt es hingegen die bereits genannte Liquiditätspräferenz, die krisenbedingt private Haushalte und Unternehmen gleichermaßen haben. Dies zeigt sich auch in der Verschiebung der Zinsstrukturkurve (Abbildung 6).

Zwar ist die Zinsstrukturkurve derzeit etwas steiler als zu Beginn des Jahrtausends, allerdings wird nur eine geringe Liquiditätsprämie für langfristige Anleihen verlangt. Auch scheint die Meinung am Kapitalmarkt zu dominieren, dass die kurzfristigen Zinsen angesichts der gedeuteten Strategie der Europäischen Zentralbank und ihrer erwarteten Reaktion auf Konjunktur und Preisniveauveränderung noch lange sehr niedrig bleiben werden. Dem stehen offenkundig auch keine anders gearteten Erwartungen seitens der Marktakteure für die makroökonomische Situation entgegen.12) Die Geldpolitik befindet sich in einer Liquiditätsfalle: Beim gegebenen nominalen Zinsniveau nahe Null sind die privaten Akteure bereit, hinreichend Liquidität zu halten. Die Zinspolitik der Notenbank ist wirkungslos.

Das Bild der aktuellen Zinsstrukturkurve passt zu der Einschätzung einer neuen Niveaujustierung der gesamtwirtschaftlichen Aktivität und damit auch der unternehmerischen Investitionen. Die Bewegung der deutschen Volkswirtschaft in einer Art Wellblechkonjunktur eröffnet wenig Raum für Fantasie.13) Die Investoren bleiben hinter ihren Möglichkeiten zurück, die sich aus den Perspektiven des Strukturwandels - Stichwort Industrie 4.0 - ergeben. Wenn der Sektor der nichtfinanziellen Unternehmen netto spart, dann bewirken die niedrigen Zinsen auch für sich genommen nichts, also unabhängig von globalen Risiken und europäischen Themen. Die EZB verlangt deshalb seit dem Sommer von Geschäftsbanken einen Strafzins von 0,2 Prozent, wenn diese Geld bei der Notenbank parken.

Suche nach einem neuen Normal

Da die Banken aber einen erheblichen Vorlauf auf der Passivseite durch hohe Einlagen haben, hat dies noch nicht zu mehr Krediten geführt. Daraufhin haben die ersten Geschäftsbanken begonnen, solche Strafzinsen auf größere Einlagen zu erheben. Dabei sind zunächst vor allem große Liquiditätsbestände von institutionellen Investoren betroffen, wenn diese nur geparkt sind. Ob daraus ein neuer Investitionsschub resultiert, wird sich noch zeigen müssen. Dann ergäbe sich ein neuer Wirkungszusammenhang zwischen Geldpolitik, langfristigen Zinsen und der Investitionstätigkeit. Vorerst aber bleibt der Befund, dass die Investitionstätigkeit trotz sich belebender Konjunktur immer noch im Zeichen der globalen Wirtschaftskrise 2009 steht. Die Suche nach einem neuen Normal läuft noch.

Für wertvolle Unterstützung danke ich meinem Assistenten Dr. Henry Goecke.

Fußnoten

1) Vgl. http://www.bmwi.de/DE/Presse/pressemitteilungen,did=651464.html, zuletzt besucht am 29. November 2014. Zur Begründung betonte Bundeswirtschaftsminister Gabriel: "Die relativ schwache Investitionsentwicklung in Deutschland erfordert neue wirtschaftspolitische Antworten".

2) Vgl. http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/Abt_2/2014-11-25-Gutachten-Beirat.pdf?__blob=publicationFile&v=1, zuletzt besucht am 29. November 2014.

3) Vgl. Sachverständigenrat: Mehr Vertrauen in Marktprozesse. Jahresgutachten 2014/15, Ziffern 431ff.

4) Vgl. Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesfinanzministerium (siehe Fn. 2).

5) Vgl. Sachverständigenrat: Mehr Vertrauen in Marktprozesse. Jahresgutachten 2014/15, Ziffern 423 ff.; Deutsche Bundesbank: Geschäftsbericht 2013, S. 58.

6) Vgl. Deutsche Bundesbank: Geschäftsbericht 2013, S. 50.

7) Unverändert gilt: "We are still not able to predict investment to a reasonably precise level, nor can we even conclude on the basis of empirical performance what form of the investment equation is preferable and stable. ... It is difficult to reduce with success the very complex investment process to a limited number of variables and parameters" (J. Kaehler, O. Korn: Wirkungszusammenhänge zwischen Zinsen und makroökonomischer Aktivität. Baden-Baden 1995, S. 55f.).

8) Vgl. Handesblatt Research Institute, DIW Berlin: Private Investitionen in Deutschland. Oktober 2014, S. 13ff.

9) So schlussfolgert der Sachverständigenrat aus seiner Analyse: "Die Analyseergebnisse stützen somit die Hypothese, dass die hohe Unsicherheit zur Investitionsschwäche beigetragen hat. Gleichwohl ist der Erklärungsbeitrag geringer als vielfach vermutet." (Gegen rückwärtsgewandte Wirtschaftspolitik. Jahresgutachten 2013/14, S. 83, Kasten 7).

10) Vgl. J. Tobin: A General Equilibrium Approach to Monetary Theory. In: Journal of Money, Credit and Banking Bd. 1, 1969, S. 15-29.

11) Vgl. M. Hüther: Behutsamer Einstieg in die Zinswende. In: Wirtschaftsdienst Bd. 94, H. 9, 2014, S. 626-630.

12) Zu den grundsätzlichen Zusammenhängen vgl. Deutsche Bundesbank: Bestimmungsgründe der Zinsstruktur - Ansätze zur Kombination arbitragefreier Modelle und monetärer Makroökonomik. In: Monatsbericht April 2006, S. 15-29.

13) Vgl. M. Hüther: Eine veränderte Kulisse globaler Risiken. In: Wirtschaftsdienst Bd. 94, H. 12, S. 855-859.

Prof. Dr. Michael Hüther , Direktor und Mitglied des Präsidiums , Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V., Köln

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