Operationelles Risiko - steigende Eigenkapitalanforderungen in Sicht?

Abbildung 1: BI-Komponente gemäß SMA

Martin Neisen, Partner, Leiter globale Basel-IV-Initiative, Leiter Regulatory Management für PwC Europe, Pricewaterhouse-Coopers AG, Frankfurt am Main - Dass in einer zunehmend von der Technik bestimmten Bankenwelt nicht nur von den Marktentwicklungen, sondern auch von der IT-Infrastruktur, der Stabilität von Prozessen und organisatorischen Abläufen sowie nicht zuletzt von den handelnden Menschen Risiken ausgehen, ist von den Aufsehern längst erkannt worden. Seit rund zwei Jahrzehnten laufen dementsprechend die Bestrebungen, all diese operationellen Risiken mit einer angemessenen Eigenkapitalunterlegung zu berücksichtigen. Basierend auf den Kritikpunkten der bisherigen Ansätze erörtert der Autor die jüngsten Vorschläge und bewertet deren absehbare Auswirkungen. Sein Tenor: Im Vergleich zu den einfacheren Ansätzen sind tendenziell steigende Eigenkapitalanforderungen für das OpRisk zu erwarten. (Red.)

In den 1990er Jahren in den Fokus der Banken und der Aufsicht gerückt, griff der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht (BCBS) das Gebiet des "Operationellen Risikos" erstmals im Jahre 1998 explizit aus Sicht der Bankenaufsicht für Zwecke des Risikomanagements in Form eines Konsultationspapiers auf.1) Innerhalb des ersten Konsultationspapiers zur Neuregelung der Eigenkapitalausstattung (Basel II) wurde zum ersten Mal eine Kapitalunterlegung für das OpRisk gefordert und die Entwicklung einer adäquaten capital charge angestoßen.2) Blieb das BCBS in seinem Konsultationspapier noch eine eindeutige und allgemeingültige Definition des OpRisk schuldig, indem es als "any risk not categorised as market or credit risk" tituliert wurde, übernahm das BCBS im Laufe der Zeit eine Definition aus dem Bankensektor. Heute lautet die aufsichtliche Definition des OpRisk: "Gefahr von Verlusten, die infolge einer Unzulänglichkeit oder des Versagens von internen Verfahren, Menschen und Systemen oder infolge externer Ereignisse eintreten".3)

Weitere Auswirkungsstudie geplant

Ziel dieses Beitrages ist es, basierend auf den Kritikpunkten der bisherigen Ansätze zur Ermittlung der Eigenmittelanforderungen für operationelle Risiken, die Vorschläge des BCBS für den Standardised Measurement Approach (SMA)4) vom März 2016 vorzustellen und die Überarbeitungen im Vergleich zum im ersten Konsultationspapier vom Oktober 20145) seitens des BCBS vorgeschlagenen Revised Standardised Approach (RSA) darzustellen.

Wie bereits vonseiten des Baseler Ausschusses angekündigt6), schlägt das BCBS im Rahmen des zweiten Konsultationspapiers die Abschaffung der bisher noch zulässigen internen Modelle (Advanced Measurement Approaches - AMA) vor. Da die durchgeführte Auswirkungsstudie erwartungsgemäß jedoch gezeigt hat, dass der RSA keine Alternative für AMA-Banken darstellt, hat sich das BCBS dieser Kritik angenommen und im März 2016 ein zweites Konsultationspapier veröffentlicht, welches den SMA als nun einzigen anwendbaren Ansatz beinhaltet. Neu in der Konzeption des Standardised Measurement Approach im Vergleich zum RSA ist insbesondere die Berücksichtigung von internen Verlustdaten für die Berechnung der Kapitalanforderungen für operationelle Risiken.

Der Baseler Ausschuss plant neben der Konsultationsphase bis zum 3. Juni 2016 eine weitere QIS durchzuführen, um die in dem zweiten Konsultationspapier enthaltenen Regelungen final zu kalibrieren. Methoden zur Bestimmung der Kapitalanforderungen für des OpRisk nach Basel II7): Aktuell stehen den Banken gemäß der Capital Requirements Regulation (CRR) drei Alternativen zur Ermittlung der angemessenen Eigenkapitalunterlegung des OpRisk zur Auswahl - der Basisindikatoransatz (BIA), der Standardansatz (STA) und AMA. Die Charakteristika der zunehmenden Risikosensitivität auf der einen und des steigenden Anspruchsniveaus in Bezug auf die quantitativen und qualitativen Voraussetzungen auf der anderen Seite, lassen von einem "continuum of approaches" sprechen.

Basisindikatoransatz, Standardansatz und ambitionierte Messansätze

Der BIA, als Einstiegsverfahren, erfordert nach den Vorgaben des BCBS keine gesonderte Zulassung seitens der Aufsicht. Dennoch geben die "Principles for the Sound Management of Operational Risk"8) und in Deutschland die MaRisk grundsätzliche Mindeststandards für die Ermittlung und das Management des OpRisk vor, welche auch von den Anwendern des BIA einzuhalten sind.9)

Dem STA liegt eine leicht differenziertere Methodik zugrunde. Das anwendende Institut muss sowohl die Einhaltung der Anforderungen an die Anwendung des STA als auch deren praktische Umsetzung im Rahmen einer Anzeige an die zuständige Aufsichtsbehörde bestätigen und anzeigen.10) Seine vermeintlich höhere Risikosensitivität im Vergleich zum BIA erreicht der STA dabei durch die Einteilung der Tätigkeiten der anwendenden Bank in acht Geschäftsfelder11), denen jeweils ein individueller Beta-Faktor zugeordnet wird.12)

Ambitionierte Messansätze (AMA)13) stellen die anspruchsvollste Ausprägung für die Ermittlung der bankaufsichtsrechtlichen Eigenkapitalanforderungen für das OpRisk dar. Hierbei erfolgt die Modellierung der Schadensfälle sowie der mitigierenden Maßnahmen und folglich die Ermittlung des notwendigen Eigenkapitals auf Basis des OpRisk-Risikoprofils der anwendenden Bank.

Der Erlaubnis der Anwendung eines individuellen AMA geht sowohl ein Anzeige- als auch Zulassungsverfahren voraus, indem die beantragende Bank die Einhaltung eines umfangreichen Vorgabenkatalogs schriftlich bestätigen muss. Ferner gibt es darüber hinaus generelle, qualitative und quantitative Anforderungen, deren Erfüllung Voraussetzung für die Genehmigung des AMA sind.

Eigenkapitalanforderung mit interner Berechnung der Verlustdaten

Zur Berechnung der Eigenkapitalanforderung für das OpRisk werden interne Verlustdaten, welche über einen Zeithorizont von mindestens fünf Jahren vorliegen müssen, herangezogen und um externe Daten, Verlustdaten oder Szenarioanalysen, ergänzt. Das BCBS räumt der anwendenden Bank zudem einige Möglichkeiten der Risikominderung, zum Beispiel in Form von Versicherungen oder der Einbindung der erwarteten Verluste in die Budgetierung, ein. Auch die Kombination des AMA mit dem BIA oder STA ist in Form eines partial use möglich.

Kritik an den bestehenden Ansätzen14): Obgleich sowohl der BIA als auch der STA ihre Vorteile, insbesondere in Bezug auf ihre verhältnismäßig unkomplizierte Berechnung, haben, sehen sich beide Methoden einer stetig wachsenden Kritik aus Aufsichtskreisen und Bankenindustrie gegenüber15). Konkret hält das BCBS insbesondere die folgenden Schwächen des BIA und STA fest:

Schwächen des BIA und STA

- Die Annahme, dass das operationelle Risiko von Banken linear mit dem Einkommen steigt, erwies sich als falsch.

- Verlustzunahme infolge operationeller Risiken führt indirekt zu einer Abnahme der Kapitalanforderungen für operationelle Risiken.

- Die absolute Größe der Bank hat keine Auswirkung auf die Höhe des operationellen Risikos.

Die Kritik hat seitens des BCBS zu dem Bestreben geführt, den BIA und STA durch eine neu entwickelte Berechnungsmethode zu ersetzen.

Der AMA ist insbesondere durch seine inhärente Komplexität und ein breites Spektrum an internen Modellen, das zu einer höheren Volatilität in den ermittelten Eigenmittelanforderungen führt, in die Kritik geraten. Insbesondere die fehlende Vergleichbarkeit wird als Grund dafür genannt, die internen Modelle als Möglichkeit zur Ermittlung der Eigenmittelanforderungen für operationelle Risiken abzuschaffen.

Operational Risk - Revisions to the simpler approaches (BCBS 291)16): Mit dem im Oktober 2014 veröffentlichten Konsultationspapier (BCBS 291) griff das BCBS die Kritik am BIA und STA in Teilen auf. Auf Basis der Überarbeitung sollte ein Ansatz geschaffen werden, der altbekannte Schwächen überwindet jedoch so konzipiert ist, dass eine Vielzahl von Banken in der Lage ist, die Berechnungen durchzuführen. Weitere Ziele waren sowohl eine praktische Umsetzbarkeit (Aufrechterhaltung der Nachvollziehbarkeit) als auch eine höhere Risikosensitivität.

Funktionsweise des Revised Standardised Approach (1. Konsultationspapier): Das Grundprinzip des im ersten Konsultationspapiers vorgeschlagenen Revised Standardised Approach ist vergleichbar mit der Funktionsweise des BIA, erkennbar ist jedoch eine höhere Risikosensitivität der Parameter des neuen RSA. Eine wesentliche Bedeutung innerhalb der Modellierung kommt dem Business Indicator (BI) zu. Dieser soll zukünftig als neuer Proxy-Indikator fungieren und den Bruttoertrag ersetzen. Der Festlegung des BI ging eine umfangreiche Benchmarking-Studie voraus, in der seitens des BCBS mehr als 20 potenzielle Indikatoren auf ihre Tauglichkeit zur Ermittlung der Eigenkapitalanforderungen sowohl qualitativ als auch quantitativ geprüft wurden. Nach Einschätzung des BCBS adressiert der BI die wesentlichen Schwächen des bisherigen Indikators Bruttoertrag und bildet somit die Basis für den neuen RSA.17)

Höhere Risikosensitivität

Der Vergleich der beiden Indikatoren zeigt, dass beispielsweise bei der Servicekomponente die Aufwands- und Ertragsposten nicht mehr saldiert, sondern ohne Vorzeichen addiert werden. Dies führt im Vergleich zur bisherigen Berechnungsmethodik in der Regel zu einem Anstieg dieser Komponente. Die höhere Risikosensitivität wird darüber hinaus auch bei der finanziellen Komponente deutlich. Zusätzlich zu den Nettoergebnissen im Handelsbuch berücksichtigt der BI ebenfalls Nettoergebnisse des Bankbuchs (unter anderem Bewertungsergebnisse, Ergebnisse aus dem Hedge Accounting und Wechselkurseffekte, nicht aber beispielsweise Abschreibungen und Wertberichtigungen). Beide Ergebnisse werden betragsmäßig saldiert.

Eine weitere bedeutende Neuerung im Modell des RSA bedingt die Unterteilung des BI in fünf Buckets, welche analog zu dem bisherigen Basisindikator- und Standardansatz jeweils mit einem Koeffizienten versehen sind und somit eine verbesserte Risikosensitivität bezwecken sollen. Der Koeffizient liegt im neuen RSA zwischen 10 Prozent und 30 Prozent.

Standardised Measurement Approach for operational risk (BCBS 355) - Anforderungen an den SMA: Das erste Konsultationspapier sah vor allem die Zusammenführung der beiden bisherigen Ansätze BIA und STA vor. Die Abschaffung des AMA wurde seitens des Baseler Ausschusses zwar diskutiert und angekündigt, jedoch erst mit dem zweiten Konsultationspapier offiziell. Die inhärente Komplexität und eine fehlende Vergleichbarkeit haben dazu geführt, dass der AMA als Berechnungsmethodik an Vertrauen eingebüßt hat und rechtfertigt laut BCBS letztendlich dessen Abschaffung.

Da der RSA aus dem ersten Konsultationspapier jedoch erwartungsgemäß keine Alter native für AMA-Banken darstellt, berücksichtigt der Baseler Ausschuss im Rahmen des SMA interne Verlustdaten als weiteren maßgeblichen Indikator für die Berechnung des operationellen Risikos. Darüber hinaus sollen die im Zuge der ersten Konsultationsphase identifizierten Schwächen überarbeitet werden. Dazu gehört ins besondere die Benachteiligung gewisser Geschäftsmodelle, die zukünftig mithilfe verschiedener Anpassungen vermieden werden soll. Die Funktionsweise wird nachfolgend erläutert.

Konzept des SMA

Das Konzept des SMA basiert auf dem Grundprinzip des im ersten Konsultationspapier dargestellten Business Indicator als neuem Proxy-Indikator und kombiniert diesen mit einem Multiplikator für die Berücksichtigung bankspezifischer interner Verlustdaten (MV). Das Konsultationspapier formuliert zudem umfangreiche Anforderungen insbesondere an Qualität, Granularität, Zeitraum und Verwendung der internen Verlustdaten im Risikomanagement.

Das Verfahren zur Berechnung der Eigenmittelanforderungen ist abhängig von der Größe einer Bank beziehungsweise der Höhe des BI. Je nach Höhe des BI werden die Banken zur Ermittlung der Eigenmittelanforderungen in einen von fünf verschiedenen Buckets einsortiert. Kleinere Banken mit einem BI bis zu 1 Milliarde Euro (Bucket 1) ermitteln ihre Kapitalanforderungen ohne Berücksichtigung der sogenannten Verlustkomponente. Bei Banken mit einem BI größer 1 Milliarde Euro (Buckets 2 bis 5) resultieren die Eigenmittelanforderungen aus der Multiplikation der jeweiligen BI-Komponente mit dem Multiplikator interner Verluste.

Sofern Bucket 1:

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Sofern Bucket 2 bis 5:

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Zur Berechnung der BI-Komponente sind die Buckets jeweils mit einem Koeffizienten versehen. Die Kalibrierung der einzelnen Koeffizienten erfolgte seitens des Baseler Ausschusses auf Basis der Ergebnisse einer Auswirkungsstudie (QIS) aus dem Jahr 2015 und ist in Abbildung 1 dargestellt.

Im Vergleich zum ersten Konsultationspapier erfolgt aufgrund der Berücksichtigung der Verlustkomponenten keine stufenweise Anwendung der Buckets mehr. Die Banken berechnen ihren BI ausschließlich in "ihrem" Bucket. Darüber hinaus erfolgte eine Rekalibrierung der einzelnen Buckets im Vergleich zum BCBS 291.

Der Business Indikator setzt sich wie im ersten Konsultationspapier aus den folgenden drei Komponenten zusammen (siehe Abbildung 2).

Berechnung der drei Hauptkomponenten

Nachfolgend wird die Berechnung der drei Hauptkomponenten anhand der entsprechenden Formeln dargestellt, bevor die jeweiligen Komponenten näher erläutert werden.

Formel 1: Berechnung des Business Indicator nach SMA:

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Im Vergleich zum ersten Konsultationspapier werden in der Zinskomponente zusätzlich Dividendenerträge berücksichtigt. Damit greift der Baseler Ausschuss beispielsweise die Kritik auf, dass die inkonsistente Behandlung von Dividendenerträgen zu Arbitragemöglichkeiten innerhalb des Business Indicator führen könnte.

Formel 2: Berechnung der Zins-, Leasing- und Dividenden-Komponente:

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Die Servicekomponente hat sich zum ersten Konsultationspapier in ihrer Zusammensetzung nicht wesentlich verändert. Der Baseler Ausschuss adressiert im zweiten Konsultationspapier allerdings die Kritik an den vergleichsweise hohen Eigenmittelanforderungen in Relation zu dem operationellen Risiko bei Instituten mit hoher Nettozinsmarge mithilfe des Parameters uBI, der pauschal mit dem Faktor 0,5 versehen wird und die Kapitalanforderung somit reduziert.

Formel 3: Berechnung der Servicekomponente:

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Die Zusammensetzung und Berechnungslogik der Finanzkomponente hat sich im Vergleich zum ersten Konsultationspapier nicht verändert. Sowohl das Nettoergebnis des Handelsbuches als auch des Bankbuchs werden als Durchschnitt der letzten drei Jahre (Absolutwert) berücksichtigt.

Formel 4: Berechnung der Finanzkomponente:

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Interne OpRisk-Schadensdaten in der Verlustkomponente

Die mit Abstand weitgehendste Neuerung ist die Berücksichtigung von internen Op-Risk-Schadensdaten in der sogenannten Verlustkomponente. Die Analysen des Baseler Ausschusses haben ergeben, dass das Geschäftsvolumen einer Bank nur ein Einflussfaktor auf das operationelle Risiko ist. Zur Steigerung der Risikosensitivität ist jedoch die Berücksichtigung weiterer Indikatoren unerlässlich. Auf Basis der Analysen wurden interne Verlustdaten als ein wesentlicher Indikator identifiziert, welche Banken ab Bucket 2 in ihrer Berechnung der Kapitalanforderungen für das OpRisk berücksichtigen müssen.

Anwender der ambitionierten Messansätze sammeln derartige granulare Informationen zu den Verlustdaten schon jetzt und sollten daher in der Lage sein, zukünftig die Verlustkomponente zu berechnen.18) Auch Banken die den STA anwenden, sammeln aufgrund der qualitativen Anforderungen Verlustdaten für das OpRisk. Ferner müssen gemäß den Vorgaben der MaRisk (BTR 4) heute schon alle Banken in Deutschland zumindest wesentliche operationelle Risiken mindestens jährlich identifizieren und beurteilen.

Die Berücksichtigung interner Verlustdaten erfolgt im Rahmen des SMA über den Multiplikator interner Verluste (MIV). Die Berechnungsmethodik stellt sich folgendermaßen dar:

Formeln 5 und 6: Berechnung des Multiplikators interner Verluste:

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Es sind die Verlustdaten der letzten zehn Jahre in die Berechnung einzubeziehen. Während des Übergangszeitraumes gibt es die Möglichkeit, sofern die entsprechenden Daten der letzten zehn Jahre nicht vorliegen, einen mindestens fünfjährigen Zeithorizont zu berücksichtigen. Liegen auch für diesen Zeitraum keine entsprechenden Daten vor, wird das operationelle Risiko bis dahin ausschließlich basierend auf der BI-Komponente kalkuliert.

Auf Basis der Ergebnisse der geplanten QIS soll zukünftig sichergestellt werden, dass die Kombination von Verlustkomponente und Business Indicator eine stabile Eigenmittelunterlegung für operationelle Risiken gewährleistet und sowohl mittelgroße als auch große Banken zukünftig interne Verlustdaten zur Berechnung der Eigenmittelanforderungen berücksichtigen. Insbesondere im Rahmen der zweiten Konsultationsphase wird der Baseler Ausschuss weiter an einer sinnvollen und wirksamen Kalibrierung dieses Indikators arbeiten.

Arbeit an einer wirksamen Kalibrierung

Bezüglich der Nutzung von internen Verlustdaten stellt das zweite Konsultationspapier eine Reihe von Anforderungen. Banken, deren Daten diese Anforderungen nicht erfüllen, haben mindestens 100 Prozent der BI-Komponente für die Unterlegung des OpRisk vorzuhalten. Um zu verhindern, dass Banken mit hohen Verlusten aus operationellen Risiken diese Anforderungen als Arbitragemöglichkeit nutzen, wird der Baseler Ausschuss im Rahmen der finalen Definition einen Multiplikator für eben diese Banken in die Berechnungsmethodik integrieren. Auf Gruppenebene sind zur Berechnung des SMA vollkonsolidierte Business-Indicator-Daten zu verwenden.

Mit Basel II wurden seitens des BCBS drei zulässige Methoden zur Ermittlung der Eigenkapitalanforderungen für das OpRisk eingeführt - BIA, STA und AMA. Insbesondere BIA und STA mussten sich dabei wachsender Kritik erwehren. Mit Veröffentlichung des ersten Konsultationspapiers BCBS 291 griff das BCBS die teils fundamentale Kritik an den beiden Einstiegsmethoden auf und ersetzte mit dem RSA die beiden Ansätze durch einen neukonzipierten Ansatz, der die Kritik jedoch auch nur eingeschränkt adressiert hat und die ungleiche Behandlung verschiedener Geschäftsmodelle weiter verschärfte. Weiterhin pauschale Gewichtungsfaktoren nutzend, stebte der RSA erstmals Abstufungen in der Höhe des BI zur Differenzierung der Kapitalanforderungen für das OpRisk an, indem er den BI, je nach dessen absoluter Höher, in bis zu fünf Buckets einsortiert und diese mit jeweils spezifischen Faktoren gewichtet.

OpRisk: Tendenziell steigende Eigenkapitalanforderungen

Der Baseler Ausschuss hat die Kritik am RSA mit Veröffentlichung des zweiten Konsultationspapiers weitgehend adressiert. Insbesondere die Unterschiede in den Geschäftsmodellen, die zu regulatorischer Arbitrage hätten führen können, wurden mit zusätzlichen Komponenten im Business Indikator und neuen Gewichtungsfaktoren reduziert. Fraglich ist, warum der Weg gewählt wurde, für bestimmte provisionslastige Geschäftsmodelle eine alternative Berechnung vorzuschlagen, anstatt ähnlich zum alten STA eine Unterscheidung in Geschäftsbereiche vorzunehmen. Darüber hinaus hat der Baseler Ausschuss mit der Einführung des Verlustindikators der Kritik nicht berücksichtigter tatsächlicher Verluste in der OpRisk-Ermittlung Rechnung getragen und somit versucht, ein Äquivalent zum AMA zu schaffen.

Aus der eingeschränkten Verrechnung von Erträgen und Aufwendungen resultieren im Vergleich zu den bisherigen Anforderungen nach BIA und STA tendenziell steigende Eigenkapitalanforderungen für das OpRisk. Die Einführung der Verlustkomponente erhöht nicht nur die Risikosensitivität der neuen Berechnungsmethodik, sondern dient darüber hinaus als Anreizfaktor für Banken zur Weiterentwicklung des Managements von operationellen Risiken.

Für Banken, die zukünftig in den Bucket 119) fallen, werden sich im Vergleich zum BIA tendenziell niedrigere Kapitalanforderungen ergeben. Der strukturell konservativere BI kann durch den um 4 Prozentpunkte niedrigeren Koeffizienten überkompensiert werden. Bei Banken mit einer BI-Komponente in den Buckets 2 bis 5, was gemessen an der Bilanzsumme eher mittelgroße bis große Banken betrifft, wird der SMA tendenziell zu höheren Kapitalanforderungen führen. Darüber hinaus wird die Kapitalanforderung stark durch den linearen Faktor MIV, der die internen Verluste abbildet, beeinflusst. Für alle Banken, die bisher den BIA oder den STA verwendet haben und zukünftig in Bucket 2 bis 5 fallen, werden die neuen Regelungen zu komplexeren Berechnungen der OpRisk-Anforderungen führen. Nicht nachvollziehbar ist, warum kleinere Institute, die in der Vergangenheit schon Verlustdaten gesammelt haben, von der freiwilligen Anwendungsmöglichkeit des MIV ausgenommen sind. Gerade kleinere Institute mit einem geringen OpRisk-Risikoprofil könnten hiervon profitieren.

Umfangreiche Datenerhebungen und Analysen

Insbesondere aus den neu eingeführten Anforderungen an die Berücksichtigung interner Verluste lassen sich bereits deutliche Herausforderungen für die zukünftig betroffenen Banken ableiten. Eine der wesentlichen Herausforderungen besteht für Banken, die bisher nicht AMA-Anwender waren, aber zukünftig verpflichtet sind interne Verlustdaten zu berücksichtigen, in den Mindestanforderungen an die Ermittlung, Analyse und Pflege der Verlustdaten über bis zu zehn Jahren.

Hier werden umfangreiche Datenerhebungen und Analysen notwendig sein. Für diese Banken wird sich durch den neuen Ansatz erstmals ein effektives OpRisk- Management auf die Kapitalanforderungen positiv auswirken und somit kompensierend zu den tendenziell steigenden Anforderungen aufgrund der neuen Systematik wirken. Bedeutende Auswirkungen auf die Kapitalanforderungen werden sich allerdings voraussichtlich für diejenigen Banken ergeben, die aktuell den AMA nutzen. Hier ist insbesondere aufgrund der vorgegebenen einheitlichen Ermittlung des BI eine deutliche Erhöhung der Kapitalanforderungen zu erwarten.

An dieser Stelle bleiben die Ergebnisse von weiteren Auswirkungsstudien (QIS) sowie die Konsultationsphase des zweiten Papieres des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht abzuwarten. Die Ergebnisse der QIS werden maßgeblich die finale Kalibrierung der Berechnungslogik zur zukünftigen Ermittlung von Eigenmittelanforderungen aus operationellen Risiken beeinflussen.

Weitere Details zur Abschaffung des AMA und zur Umsetzungsphase des Standardised Measurement Approaches kündigte der Baseler Ausschuss im aktuellen Konsultationspapier für den Jahresverlauf 2016 an.

Fußnoten

1) Vgl. BIS (1998).

2) Vgl. BCBS 50 (1999).

3) Vgl. BCBS 128 (2004).

4) Vgl. BCBS 355 (2016).

5) Vgl. BCBS 291 (2014).

6) Vgl. Ingves (2015).

7 ) Vgl. BCBS 128 (2004).

8) Vgl. im Detail zur nationalen Umsetzung: BaFin (2012), MaRisk BTR 4 "Operationelle Risiken" und BCBS 292 (2014).

9) Vgl. Neisen, CRR-Kommentar in Boos/Fischer/ Schulte-Mattler (2016).

10) Vgl. BaFin/Deutsche Bundesbank (2007).

11) Vgl. Art. 317 CRR: Unternehmensfinanzierungen, Handel, Wertpapierprovisionsgeschäft, Firmenkundengeschäft, Privatkundengeschäft, Zahlungsverkehr und Verrechnung, Depot- und Treuhandgeschäft sowie Vermögensverwaltung.

12) Vgl. Büttel/Eichstedt, Basel IV in Neisen/Röth (2016).

13) Vgl. BCBS 128 (2004).

14) Vgl. BCBS 291 (2014).

15) Vgl. Araya/King/Hannemann/Lombardo (2013).

16) Vgl. BCBS 291 (2014) und BCBS 292 (2014).

17) Als Hauptgrund für diese Überlegenheit führt das BCBS die spezielle Zusammensetzung des BI an, insbesondere im Hinblick darauf, dass kompensierende Ergebniseffekte nicht zwangsläufig das tatsächliche operationelle Risiko reduzieren.

18) Die Analyse des Baseler Ausschusses hat ergeben, dass mehr als 80 Prozent der Banken mit einem Business Indicator größer 1 Milliarde Euro nicht den BIA für die Berechnung der operationellen Risiken nutzen, sondern den STA oder die AMA (vgl. BCBS 355).

19) Gemäß erster Analysen deutscher Banken mit Fokus auf dem Kreditgeschäft liegt aktuell die Grenze zwischen Bucket 1 und Bucket 2 bei einer Bilanzsumme zwischen 20 und 40 Milliarden Euro.

Martin Neisen , Partner, Risk and Regulation und Global Basel IV Leader, PricewaterhouseCoopers GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Frankfurt am Main

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