Produktstrategie

EMV-Standardisierung: Neue Spielräume kreativ nutzen

Im kartengestützten Zahlungsverkehr ist der Wechsel vom Magnetstreifen zum Chip in vollem Gange. Spätestens ab dem 1. Januar 2011 werden Debit- und Kreditkarten nur noch mit einheitlichen EMV-Chips ausgegeben. Diese Standardisierung führt zu einer Veränderung des Marktes, der bisher vom technologischen Spezial-Know-how der Kartenanbieter geprägt war. Proprietäre Chips beziehungsweise herstellerspezifische Lösungen sorgten dafür, dass die technologischen Marktführer ihre Position bewahren, stetig ausbauen und potenzielle Wettbewerber auf Distanz halten konnten. So arbeiteten Banken in der Regel mit einem Kartenhersteller zusammen - der dem Institut die technische Problematik abnahm und gleichzeitig mit den technischen Möglichkeiten die funktionale Marschroute vorgab.

Die Standardisierung sorgt heute jedoch dafür, dass das technologische Know-how sein Gewicht als Alleinstellungsmerkmal von Anbietern immer mehr verliert. Stattdessen erhalten in diesem Markt, auf den gleichzeitig neue Wettbewerber drängen, Themen wie zusätzliche Funktionalität und Vermarktung immer größeres Gewicht. Nicht der externe Technologie-Experte, sondern die Marktstrategie der Bank definiert künftig die Anforderungen, nach denen Hard- und Softwarekomponenten der Dienstleister ausgewählt, gestaltet und eingesetzt werden müssen. Kreative Kommunikationskonzepte entscheiden über den Vermarktungserfolg - unterstützt durch das passende Kartenprodukt.

Vom Anbieter- zum Käufermarkt

Die zentrale Frage für die Banken lautet also: Wie kann ich die Chip-Technologie in meinem Sinne einsetzen? Wie neue Kunden gewinnen oder binden? Wie profitable Produkte auf den Markt bringen? Welche intelligenten Zusatzfunktionen bringen die Bank weiter? Und welcher Dienstleister kann mich dabei unterstützen? Für die etablierten Kartenhersteller, die diesen Bereich bisher in einer Oligopolsituation beherrscht haben, bedeutet dies, dass sie ihre Angebotsstruktur massiv umstellen müssen. Gleichzeitig nutzen neue Anbieter die Gunst der Stunde, um sich mit Ge-schäftsprozess-, Marketing- und Vertriebs-Know-how ihren Teil des Marktes zu sichern.

Vor diesem Hintergrund entwickelt sich der bisherige Anbietermarkt zugunsten der Banken hin zu einem Käufermarkt. Aus Bankensicht ist dies zunächst einmal begrüßenswert - jedoch kein Grund, sich auszuruhen. Im Gegenteil, um von diesem Wandel zu profitieren, sind die Banken nun gefordert, ihre neue Rolle im Verhältnis zu den Kartenherstellern auch mit Präsenz und Stärke zu untermauern. Denn eins ist klar: Nur diejenigen Banken, denen es am besten gelingt, zusammen mit ihren Dienstleistern über Kartenprodukte und -services echte Alleinstellungsmerkmale zu entwickeln, erobern sich wichtige Wettbewerbsvorteile. Wer weiter macht wie bisher, die Initiative einzig und allein den Kartenherstellern überlässt und den Ver änderungsprozess verschläft, der droht auf der Strecke zu bleiben.

Strategische Aufgabe

So steht den Banken mit Blick auf die EMV-Standardisierung eine große, strategisch enorm wichtige Aufgabe bevor. Mehr Entscheidungsmöglichkeiten führen zu einem deutlichen Zuwachs an Komplexität. Mehr Freiheit bedeutet mehr Verantwortung. Die Frage, wie die Bank die Chip-Technologie einsetzt und nutzt, die bisher bedenkenlos ganz den Kartenher stellern überlassen werden konnte, ist jetzt aufgrund ihrer gestiegenen strategischen Bedeutung intern zu steuern. Bei vielen Banken fehlt es nicht nur am notwendigen Know-how für die kommenden Aufgaben, es hapert auch schlicht an Kapazitäten. Gleichzeitig braucht es Zeit, um interne Kompetenzen neu aufzubauen, zu bündeln und zu strukturieren.

Neue Perspektiven - neue Produkte - neue Chancen

Stand in der Vergangenheit bei allen Fragen rund um EMV-Chips noch die Technologiefrage im Vordergrund, so gibt es heute ganz neue Aufgaben: Banken müssen jetzt entscheiden, wie sie die Technologie nutzen, um Alleinstellungsmerkmale zu gewinnen, wie sie neue Chip-basierte Produkte in ihre Geschäftsprozesse integrieren, wie sie neue Angebote erfolgreich an bestehende und neue Kunden herantragen können.

Und genau dies sind die Fragen, die Dienstleister heute beantworten können müssen. Zu den Dienstleistern, die sich bereits sehr früh auf diese neue Situation eingestellt haben, zählt die Swiss Post Solutions (SPS), eine europaweit tätige Unternehmensgruppe für Dialogmarketing-Dienstleistungen. Zu den wesentlichen Services der SPS gehört die Kartenpersonalisierung - das heißt, Kreditkarten wer den gemäß den Spezifikationen von Mastercard und Visa mit persönlichen Daten der Karteninhaber versehen.

In der Vergangenheit musste die SPS dafür zugekaufte Chips nutzen und in ihren Lösungen einsetzen. In der Standardisierung erkannte das Unternehmen die Chance, seine Wertschöpfung zu vertiefen: Und so produziert die SPS heute Chip-Karten auf Basis eines eigenen Betriebssystems und kann so alle Leistungen rund um die Kar tenpersonalisierung komplett aus einer Hand anbieten. Von der Beratung und Konzeption der EMV-Profile über die Bereitstellung von Zusatzanwendungen bis zum kreativen Fullfilment. Zu den ersten Nutzern dieses neuen Chips der SPS gehört die Landesbank Berlin. Das Institut setzt die Technologie derzeit im Rahmen eines Pilotprojekts ein.

Um solche neuen Kartenprodukte heute zum Erfolg zu führen, sind schließlich Banken und Dienstleister gleichermaßen gefordert, die neuen Spielräume durch die EMV-Standardisierung kreativ und effizient zu nutzen. So wird es vor dem Hintergrund der zunehmenden Individualisierung darum gehen, die Möglichkeiten der kontaktlosen Karten in neuen Anwendungsgebieten, der Nutzungen der Karte im Internet bei zunehmenden Betrugsfällen auszuloten und praktisch umzusetzen. Und auch der Einsatz von Chips, die nicht mehr in den normierten Karten, sondern in Handys, Uhren oder anderen Objekten unter gebracht sind, steht auf der Agenda.

Die Kür entscheidet

Der EMV-Chip ist spätestens ab 2011 Pflicht für alle Banken. Im Zuge der Standardisierung werden technologische Hürden zunehmend niedriger. Über den Erfolg von Banken und ihren Dienstleistern entscheidet deshalb in Zukunft vor allem das kreative Kürprogramm: So sind die Banken gefragt, ihren Kunden intelligente Kartenlösungen mit Chip-Funktionen zu bieten, die sich vom Wettbewerb abheben. Und sie müssen diese erfolgreich vermarkten. Kartenhersteller und andere Dienstleister haben sich in ihrer neuen Dienstleisterrolle zurechtzufinden - weg von der Technik, hin zu Prozess-, Marketing- und Vertriebsdenken. Nur wem es gelingt, seine Position im veränderten Markt zu finden und diese auch auszufüllen, wird hier künftig erfolgreich agieren können.

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