Leitartikel

Gleiches Recht für alle

sb - Allzu häufig kommt es nicht vor, dass Banken und Handel in Fragen der Interchange an einem Strang ziehen. Einen Punkt, in dem sich die Einschätzungen weitgehend decken, gibt es jedoch: Bei der Deckelung der Interchange-Sätze durch EU-Gesetzgebung sollten Drei-Parteien-System nicht anders behandelt werden als Vier-Parteien-Systeme. Darin sind sich beide Seiten einig - wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Kreditinstitute befürchten eine Benachteiligung der Mastercard- und Visa-Emittenten gegenüber American Express, Diners Club oder JCB. Und dem Handel ist es ein Dorn im Auge, dass es auch weiterhin Karten geben soll, für deren Akzeptanz ein deutlich höheres Disagio zu zahlen ist. Das belegt eine von Mastercard in Auftrag gegebene Ipsos-Studie, für die zwischen dem 15. April und dem 7. Mai 2014 insgesamt 901 Einzelhändler aus sechs europäischen Ländern telefonisch befragt wurden. Zentrales Ergebnis: 66 Prozent der Einzelhändler sind der Meinung, dass die von den europäischen Entscheidungsträgern derzeit erwogene Regelung für alle Kreditkartennetzwerke gleichermaßen gelten sollte. Überraschend ist dabei eigentlich nur, dass die Quote nicht noch deutlich höher ausfällt.

Viel erstaunlicher ist jedoch vielleicht eine andere Zahl: 55 Prozent der Händler (in Deutschland sogar 66 Prozent) würden ein entsprechendes Gesetz nur dann befürworten, wenn es tatsächlich für alle Kreditkartennetzwerke gleichermaßen gelten würde. Natürlich ist es verständlich, dass die Akzeptanzseite mit der Maximalforderung - also möglichst niedrige Disagien für alle Kartenzahlungen - auftritt. Eine Interchange-Deckelung aber nur deshalb abzulehnen, weil es Ausnahmen von der Regel gibt, würde jedoch bedeuten, höhere Gebühren für die Mehrzahl der Karten im Mark zu akzeptieren, wenn diese Maximalforderung nicht erfüllt wird. Aus kaufmännischer Sicht wäre dies eine merkwürdige Haltung.

Die EU-Kommission wird die Studie vermutlich ohnehin wenig beeindrucken - wurde sie doch von einer Kartenorganisation in Auftrag gegeben. Mehr als einmal hat die Kommission bekanntlich kundgetan, dass sie es (selbstredend ohne die damit befassten Wissenschaftler zu diskreditieren) bei solchen Auftragsarbeiten für möglich hält, dass das Studiendesign automatisch Ergebnisse im Sinne des Auftraggebers oder Sponsors zutage fördert. Bekanntestes Beispiel war die Studie zur Wirkung der Interchange-Regulierung in Spanien. Die Frage nach einer Gleichbehandelung aller Marktteilnehmer wird indessen nicht gar so einfach vom Tisch zu wischen sein. Die europäischen Handelsverbände, allen voran Euro-Commerce, haben schließlich längst gezeigt, zu welcher Hartnäckigkeit sie fähig sind. Wenn die Regulierung kommt und der Einzelhandel für American Express, JCB oder Diners Club weiterhin höhere Disagien zu zahlen hat, dann werden die Lobbyisten diese Ausnahmen ganz sicher nicht von der Agenda nehmen. Die Begründung der Ausnahme der Drei-Parteien-Systeme von der Regulierung mit der Tatsache, dass es bei Organisationen, die zugleich als Emittenten und Acquirer auftreten, per definitionem keine "Interchange" gibt, dürfte dabei in den Bereich der juristischen Spitzfindigkeiten verwiesen werden. Und in der Tat gibt es in den europäischen Behörden sicher genug Juristen, die dieses Definitions-Problem - den politischen Willen vorausgesetzt - lösen könnten.

Die Kommission hat bei den Drei-Parteien-Systemen jedoch auch aufgrund der vergleichsweise geringen Marktbedeutung keinen Regulierungsbedarf gesehen. Schließlich ist die Akzeptanz von American Express, Diners oder JCB für viele Händler aus Wettbewerbssicht längst nicht so zwingend wie die von Visa und Mastercard. Damit bleibt dem Handel die Möglichkeit, "mit den Füßen abzustimmen". Bei einer entsprechenden Erosion des Händlernetzwerks aufgrund zu hoher Händlerentgelte könnte es dann sicher einmal der Markt richten.

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