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EU-Kommission: Wenig Zugeständnisse an die Banken

sb - Lange hat sich die Kartenbranche in Sachen Interchange von einer zeitlich befristeten Regelung zur nächsten durchgehangelt. Und mit jedem neuen Kompromiss, den eine der beiden Kartenorganisationen mit der EU-Kommission geschlossen hat, wurde die Messlatte für den nächsten tiefer gehängt.

Der Versuch von Mastercard, den Automatismus dieser Abwärtsspirale juristisch zu stoppen, war bisher erfolglos. In erster Instanz wurde die Haltung der EU-Kommission im Mai 2012 bestätigt. Das Urteil im Berufungsverfahren wird nicht vor dem Frühjahr nächsten Jahres erwartet.

Zumindest eines hat der juristische Widerstand aber erreicht: Bei den Regulatoren ist ein Bewusstsein dafür entstanden, dass der stete Rhythmus von Wettbewerbsverfahren und Kompromissen kein Dauerzustand sein kann und dass die Branche Rechtssicherheit braucht, wenn sie den "war on cash" weiterführen und den elektronischen Zahlungsverkehr weiterentwickeln soll. Schließlich war es nicht zuletzt die mangelnde Gewissheit über die Ertragschancen, die das Projekt einer politisch sehr gewollten europäischen Debitkarte hat scheitern lassen. Die Ankündigung einer gesetzlichen Regelung zur Interchange dürfte nicht zuletzt ein Ergebnis des Rechtsstreits gewesen sein.

Am 24. Juli hat die EU-Kommission diese angekündigten Vorschläge für eine neue Regulierung des Zahlungsverkehrs vorgelegt. Damit herrscht also Klarheit, wohin der Weg gehen wird. Das an sich ist schon einmal eine Menge wert.

Zwei Komponenten hat das Werk: Einen Vorschlag zur Änderung der Zahlungsdiensterichtlinie von 2007 und einen für eine Verordnung über Interbankenentgelte für kartengestützte Zahlungsvorgänge.

Zunächst zur Interchange-Regulierung. Das Niveau, auf das die Kommission die Sätze deckeln will, ist im Grunde wenig überraschend. Die von Marktteilnehmern durchaus befürchtete Null-Prozent-Interchange zumindest für Debitkarten, wie sie von dem europäischen Handelsverband Euro-Commerce gefordert wird, ist ausgeblieben. Vielmehr sieht der Entwurf diejenigen Sätze vor, die ohnehin zuletzt im Raum standen: 0,3 Prozent für Kreditkarten und 0,2 Prozent bei Debitkarten - und zwar sowohl bei grenzüberschreitenden als auch bei nationalen Transaktionen, wobei für Letztere noch eine "Galgenfrist" von 22 Monaten gegeben wird. Damit wäre V-Pay oder Maestro günstiger als die Girocard nach dem alten "Standardtarif", der aber in 22 Monaten auch längst von neuen, individuell ausgehandelten Verträgen abgelöst sein dürfte. Im Wettbewerb der Systeme verlieren wird die Girocard daher wohl nicht.

Neues Surcharging-Verbot

Für die Kreditkartenakzeptanz wird das Preisargument als K.o.-Kriterium vermutlich fallen. Die EU-Kommission nennt Deutschland deshalb explizit als eines derjenigen Länder, in denen die Regulierung die Kreditkartenakzeptanz steigen und den Bargeldgebrauch sinken lassen wird. Die Kreditkartenakzeptanz beim Lebensmitteldiscounter, im Möbelhandel oder in den Elektronikfachmärkten, in denjenigen Branchen also, die sich der Kreditkarte bisher weitgehend verweigerten, rückt damit in greifbare Nähe. Dann wird sich zeigen, ob der geringe Kreditkartenanteil im Zahlungsmix des deutschen Einzelhandels wirklich nur eine Frage der Akzeptanz oder eben doch eine der Mentalität ist.

Gegenüber den bisherigen Verlautbarungen zurückgerudert ist die Kommission beim Thema Surcharging: Bei allen Transaktionen, für die die gedeckelte Interchange gilt, soll das Surcharging verboten werden. Zumindest der Effekt, dass die Kartenzahlung für die Karteninhaber unattraktiver wird und der Trend wieder zurück zum Bargeld geht, wie es die Spanien-Studie nahelegte, wird damit auf der Handelsseite vermieden. Damit bleibt Emittenten immerhin die Hoffnung, durch einen weiter steigenden Anteil an Kartentransaktionen die sinkenden Interchange-Erträge kompensieren zu können, Motto "Kleinvieh macht auch Mist".

Firmenkarten bleiben attraktiv

Erlaubt werden soll das Surcharging einzig für diejenigen Karten, die von der Interchange-Regulierung ausgenommen werden: Firmenkarten nämlich und Drei-Parteien-Systeme wie American Express und Diners Club. Hier sollen Kartenakzeptanten die Gebühren als Preisaufschlag an die Kunden weitergeben - oder die teuren Karten auch ganz ablehnen dürfen.

Damit bleiben Corporate Cards für die Emittenten ein ertragsstarkes, attraktives Produkt. Das steigende Akzeptanzrisiko dürfte überschaubar sein, sind doch die von der Regulierung ausgenommenen Karten in der Regel solche mit überdurchschnittlichem Bon. Und es wird eine Reihe von Händlern und Dienstleistern geben, die sich diese Kundschaft auch zu höheren Preisen erhalten wollen.

Dass die Corporate Cards von der Regulierung ausgeklammert wurden, hat vermutlich vor allem mit der Wettbewerbssituation in diesem Segment zu tun. Anders als im Privatkartenbereich ist American Express bei den Firmenkarten auch in Europa sehr gut im Markt vertreten. Hätte man nur die Drei-Parteien-Systeme ausgenommen, hätte das zu einer spürbaren Wettbewerbsverzerrung geführt. Diesem Argument haben sich die Regulatoren nicht entzogen.

Mehr Banken-Kooperationen mit American Express?

Entgegen den Forderungen der Bankenseite bleiben die Drei-Parteien-Systeme jedoch auch den Privatkarten von der Regulierung ausgenommen. Vermutlich setzt die Kommission darauf, dass auch American Express und Diners Club mit den Preisen werden nachziehen müssen, um in der Akzeptanz nicht noch weiter zurückzufallen. Denn hier hat der Handel ganz neue Möglichkeiten. Mit dem Kippen der Honour-all-cards-Regelung für teure Karten wäre es beispielsweise denkbar, private Amex-Karten zurückzuweisen oder nur noch gegen Surcharging zu akzeptieren, selbst wenn Firmenkarten mit den höheren Durchschnittsumsätzen ohne Bedingungen akzeptiert werden.

Ein gewisser Preisunterschied zu den der Regulierung unterliegenden Transaktionen wird aber zweifellos bestehen bleiben. Gut möglich deshalb, damit Vertriebskooperationen von Banken mit American Express, für die es bereits eine Reihe von Beispielen gibt, künftig noch attraktiver werden.

Mehr Amex-Karten im Markt und damit mehr kundenseitige Nachfrage nach der Akzeptanz der Karte würden dann freilich wieder den impliziten Druck auf die Händler in Sachen erhöhen, die Karte ohne Wenn und Aber und ohne Aufpreis zu akzeptieren. Die nächste Stufe der Regulierung, die dann auch die Drei-Parteien-Systeme und die Firmenkarten mit einbezöge, wäre dann absehbar. Die Beseitigung dieser Ausnahmen ist ohnehin eine der Forderungen des Einzelhandels in Reaktion auf den vorgelegten Legislativvorschlag.

Zahlungsdiensterichtlinie will neue Anbieter fördern

Bei der Revision der Zahlungsdiensterichtlinie steht der Gedanke im Vordergrund neue Anbieter und die Entwicklung innovativer Mobiltelefon- und Internetzahlungen in Europa zu fördern, was der weltweiten Wettbewerbsfähigkeit der EU zugutekommen soll.

Zu diesem Zweck sollen die neuen sogenannten Zahlungsauslösedienste, die kostengünstige elektronische Zahlungen ohne Kreditkarte ermöglichen, in den Anwendungsbereich der Payment Services Directive aufgenommen werden. Sie werden künftig den gleichen Regulierungs- und Aufsichtsstandards unterliegen wie alle anderen Zahlungsinstitute. Verbraucher werden damit besser vor Betrug, Missbrauch und sonstigen Problemen wie einer strittigen oder fehlerhaften Zahlungsausführung geschützt. Damit will der Regulator gleiche Bedingungen für alle schaffen. Tatsächlich wird mit der Ausweitung der PSD auf die "Zahlungsauslösedienste" für neue Anbieter eine Hürde eingezogen: Sie müssen sich ordentliche Konzepte auch für Fraud-Prävention oder Rückabwicklung vorhalten.

Neue Anbieter bekommen Einblick ins Konto

Und doch gilt der Grundsatz "Gleiche Bedingungen für alle" nur auf den ersten Blick. Wie es die Kommission bereits im vergangenen Jahr - unter anderem auf dem Bankkarten-Forum der Zeitschrift cards Karten cartes - hatte durchblicken lassen, sieht die Revision der PSD vor, den neuen Anbietern gewissermaßen den Blick ins Konto zu erlauben: Banken sollen verpflichtet werden, bei Zahlungen über die neuen Dienste für die sichere Authentifikation ihrer Kunden zu sorgen und Informationen darüber zur Verfügung zu stellen, ob der Kunde über die notwenige Solvenz zur Durchführung der Zahlung verfügt - und das bitte ohne zeitliche Verzögerung. Das Stichwort Netzneutralität aus dem Bereich der Telekommunikation gilt somit auch im bereich neuer elektronischer Zahlverfahren.

Die neuen Wettbewerber erhalten damit Einblick ins Konto und können ihre Dienste anbieten, ohne das Bonitätsrisiko ihrer Kunden tragen zu müssen. Das müssen ihnen die Banken abnehmen, ohne dafür eine Vergütung zu erhalten. Die neuen "Third Party Payment Provider" werden somit im Wettbewerb mit den Banken begünstigt. Hier nimmt der Regulator Wettbewerbsverzerrungen zulasten der Banken ganz bewusst in Kauf. An dieser Stelle haben sich also die Befürchtungen der Kreditwirtschaft voll bewahrheitet.

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