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Neue Anbieter in der europäischen Regulierungsnische

sb - Vermutlich war das Flatrate-Modell - Jahresgebühr als Pauschalpreis, dafür keine nutzungsabhängigen Transaktionsgebühren - einer der wesentlichen Erfolgsfaktoren für das Zahlungsmedium Karte. Schwer vorstellbar, dass der deutsche Barzahler sich von der Karte hätte überzeugen lassen, wenn von Anfang an für jeden Zahlvorgang ein Entgelt angefallen wäre. Genau das aber soll nach den Vorstellungen der EU-Kommissionen bald der Fall sein - Transparenz und Wettbewerb zuliebe. Händler sollen nicht nur die Wahl haben, bestimmte teure Karten zurückzuweisen, sondern eben auch die Kosten der Kartenzahlung als Surcharging an den Kunden weiterzugeben. Teurer werde es dadurch für den Konsumenten nicht, so die Sicht der Kommission. Schließlich müsse der schon heute für die Disagien aufkommen, die im Rahmen einer Mischkalkulation in die Endpreise eingerechnet werden. Den offenen Ausweis der Bargeldkosten sieht dieses Denkmodell indessen nicht vor.

Der Handel ist am Zug

Im Ergebnis müssten beim Surcharging die Verkaufspreise sinken - nur: Wer will/ soll das nachprüfen? Im Zweifelsfall zahlt der Kunde die Rechnung, und sei es nur, weil Händler (möglicherweise in stiller Übereinkunft) aus dem Surcharching ein Geschäftsmodell machen, indem sie regelmäßig mehr als die tatsächlichen Kosten berechnen. Aus dem Internet sind derartige Praktiken namentlich bei Fluggesellschaften bereits hinreichend bekannt. Durch die Regulierung täte sich dann ein neues Handlungsfeld für die Regulatoren auf. Vor allem aber: Der "war on cash" ist mit dem Surcharging zumindest in Märkten wie dem deutschen nicht zu gewinnen.

Natürlich ist noch gar nicht ausgemacht, inwieweit der Handel all die schönen Möglichkeiten, die ihm Europa einräumen will, überhaupt nutzen kann. Die Tatsache, dass es für Kartenakzeptanten schwierig werden könnte, die Nicht-Akzeptanz bestimmter Karten oder das Surcharging an der Kasse zu erklären, ist sich Rita Wezenbeek, Leiterin Zahlungsverkehr bei der Generaldirektion Wettbewerb der EU-Kommission, durchaus bewusst. Sie sieht jedoch die Händler am Zug. Sie dürften sich nicht einfach zurücklehnen und niedrigere Interchangesätze verlangen, sondern müssten aktiv darüber verhandeln.

Die Abschaffung der Honour-all-Cards-Regel wie auch die Freigabe des Surchargings sollen den Akzeptanten dabei neue Verhandlungsmacht geben - in der Erwartung, dass die Emittenten sich auf niedrigere Interchange-Sätze einlassen werden, um Praktiken zu vermeiden, die sich nur ungünstig auf den Karteneinsatz auswirken können. Dass die Emittentenseite um die Probleme des Handels bei der Durchsetzung eben dieser Praktiken weiß, muss die Verhandlungen andererseits nicht unbedingt beflügeln - Motto: "Dann macht doch mal ..."

Mehr noch als diese Fragen treibt die Kreditwirtschaft derzeit allerdings eine andere Sorge um: die mangelnde Regulierung neuer Wettbewerber. Hier herrscht bislang der Eindruck vor, dass alles Neue als innovativ und deshalb nicht regulierungsbedürftig eingestuft wird, während die etablierten kreditwirtschaftlichen Systeme so gestutzt werden, dass sie neue Wettbewerber nicht behindern. Und mehr noch: Sie sollen ihnen sogar Unterstützung gewähren. Denn der Kommission schwebt vor, dass neue Wettbewerber zumindest soweit Zugriff auf die Banksysteme haben sollen, dass ein Check durchgeführt werden kann, ob eine Transaktion möglich ist oder nicht. Durch solche Bonitätsabfragen bei der Bank des Kunden würden neue Marktteilnehmer eines wesentlichen Risikos enthoben, das für einen Zahlungsdienstleister zum Kern seines Geschäfts gehören sollte - alles im Sinne des Wettbewerbs selbstverständlich.

Datenschutzprobleme erwartet

Dass dies die Banken und Sparkassen erzürnt, liegt auf der Hand. Denn sie sehen nicht nur eine Begünstigung neuer Marktteilnehmer, sondern fürchten obendrein gravierende Datenschutzprobleme. Eben deshalb ist in dieser Frage sicher noch nicht das letzte Wort gesprochen.

Geklärt werden müssen wird auch, wann ein innovativer Marktteilnehmer die kritische Größe erreicht hat, um aus der regulatorischen Nische für neue Marktteilnehmer herauszufallen. Reichen rund 40 Prozent bei Paypal dafür noch nicht aus, fragte Dr. Stefan Popp von der DKB auf dem Privatkundenforum 2012. Gleiche Regeln für alle, lautet unisono die Forderung der Branche.

Doch auch damit wäre längst nicht alles einfach. American Express etwa könnte in einem vom Surcharging geprägten Umfeld auf die Idee kommen, mit den Payback-Partnern den Verzicht aufs Surcharging auszuhandeln. Eine Surcharging-freie Payback-Amex-Karte wäre dann ein echtes Pfund im Wettbewerb.

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