Leitartikel

Nicht aus dem Markt gedrängt

sb - Corporate Cards machen es schon seit langem vor: Die Bedeutung der Karte als physisches Stück Plastik wird abnehmen. Die anfassbare, sogenannte "Walking Card" wird zwar (etwa zur Begleichung von Taxi- oder Restaurantrechnungen) immer noch gebraucht. Der weitaus größte Teil der Buchung beziehungsweise Abrechnung von Geschäftsreisen erfolgt aber längst über ein bloßes Konto. Auch im privaten Zahlungsverkehr könnte die Plastikkarte bald auf dem Rückzug sein. Denn alle Entwicklungen der letzten Monate deuten darauf hin, dass das mobile Zahlen im Kommen ist. Die Technologie der Near Field Communication (NFC) macht's möglich.

Die kartenbasierte Kontaktlos-Technologie übernimmt dabei eine Übergangsrolle. Denn der Verbraucher, der deutsche zumal, ändert sein Zahlungsverhalten nicht von heute auf morgen. Mittels des vertrauten Mediums Karte sollen Karteninhaber wie -akzeptanten an das kontaktlose Zahlen gewöhnt werden, ehe die Funktion der Karte später direkt ins Mobiltelefon hineinwandern kann, sofern vom Kunden gewünscht. Ähnliche Funktion haben auch Sticker fürs Mobiltelefon, die nicht nur ältere Mobiltelefone NFC-fähig machen, sondern auch kontaktlose "echte" Karten ersetzen. Der direkte Übergang von Karte, Chip und PIN auf das Zahlen per Handy, so die fast einhellige Meinung im Markt, würde nicht funktionieren, selbst wenn alle nötigen Standards schon verfügbar wären. Die Ergebnisse des E-Commerce-Centers Handel zur Einschätzung der Verbraucher hinsichtlich des mobilen Zahlens (siehe Daten und Fakten auf Seite 5) bestätigen dies.

Sie zeigen auch, dass der Trend zum mobilen Zahlen die Finanzdienstleister und ihre Kartensysteme keineswegs automatisch aus dem Markt drängt. Sie genießen in Sachen Zahlungsverkehr immer noch das höchste Vertrauen. Und dieses gilt es zu nutzen, indem sie sich rechtzeitig mit entsprechenden Lösungen positionieren.

Alternativlos ist die "Karte", wie im klassischen Zahlungsverkehr, freilich auch beim mobilen Zahlen nicht. Längst gibt es Modelle, die auf andere Abrechnungsverfahren setzen. Ein Beispiel ist "Touch & Travel" bei der Deutschen Bahn, wo die Abrechnung per Lastschrift erfolgt - vielleicht auch deswegen, weil die Kartenbranche zum Zeitpunkt der Einführung schlicht noch nicht so weit war. Auch die Abrechnung über die Mobilfunkrechnung ist eine Option. Solche Konzepte sind aber im Grunde "geschlossene" Systeme, die nur auf Basis von Vereinbarungen beziehungsweise Registrierung funktionieren. In Sachen Universalität ist ihnen die Karte immer noch ein Stück voraus. Dass im Piloten von "Google Wallet" nicht nur die "Google Prepaid Card", sondern auch Mastercard Paypass für die Transaktionsabwicklung genutzt wird, kommt schließlich nicht von ungefähr.

Eine wichtige Hürde ist freilich noch zu nehmen: Wenn das Mobiltelefon zum selbstverständlichen Zahlungsmittel werden und auch in Beträge und Bereiche vorstoßen soll, in denen bisher nur Bargeld lachte, dann muss auch die bargeldlose Zahlung von einer Privatperson an die andere möglich sein. Angekündigt hatten die Kartengesellschaften dergleichen schon vor Jahren. Es fehlte aber bislang wohl an der Dringlichkeit, entsprechende Projekte auch wirklich energisch voranzutreiben. Hier muss vielleicht noch ein bisschen nachgearbeitet werden, um dem Wettbewerb der Nichtbanken bei den Zahlungen von Handy zu Handy nicht das Feld zu überlassen. Immerhin: Auch die Google Prepaid Card, um beim Beispiel zu bleiben, wird gegen Debit- oder Kreditkartenzahlung aufgeladen.

Wenn das Smartphone zum Terminal wird, ergeben sich aber nicht nur neue Potenziale. Auch Sicherheitsfragen sind noch zu beantworten. Doch auch dafür lassen sich vermutlich Lösungen finden. Noch ist die Branche hier schließlich ganz am Anfang.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X