Karten-Blickpunkte

Mobile Payment - Die Brieftasche bleibt

Noch ist die Aussage der diversen Studien zum Thema Mobile Payment relativ eindeutig: Wirklich überzeugt sind die Verbraucher nicht, primär aus Gründen der Sicherheit. Wenn sie sich aber mit dem Bezahlen per Mobiltelefon anfreunden könnten, dann am ehesten mit einem Angebot seitens ihrer Bank. Mag die Kreditwirtschaft auch im großen, gesamtgesellschaftlichen Rahmen an Vertrauen verspielt haben - ihre Kompetenz in Sachen Zahlungsverkehr wird nicht angezweifelt. Dass durch die mannigfachen Kooperationen jetzt der Wettbewerb auch mit den neuen Playern in Gang kommt - mal mit, mal ohne Kreditkarte im Hintergrund -, ist da vielleicht gar nicht so schlecht. Bekanntlich agiert mancher schneller, wenn der Druck wächst.

Dass die Kreditwirtschaft zunächst einmal auf das kontaktlose Bezahlen per Karte setzt, ist trotzdem der richtige Ansatz. Denn diese Brückentechnologie kann Vertrauen in die NFC-Technik schaffen. Und auch bei der prognostizierten raschen Verbreitung NFC-fähiger Telefone wird es noch eine geraume Weile eine Vielzahl von Verbrauchern geben, die nicht über ein solches verfügen.

Der mediale Aufschrei über die Auslesbarkeit dieser Karten im Mai dieses Jahres war gewiss ein deutliches Indiz dafür, dass die breite Öffentlichkeit im Land noch nicht für die mobile Brieftasche bereit ist. Wenn sich der Verbraucher schon über die potenzielle Auslesbarkeit einer einzelnen kontaktlosen Karte und die daraus resultierenden Missbrauchsmöglichkeiten sorgt, wird er dann ohne weiteres sein gesamtes Kartenportfolio in die "Mobile Wallet" auf seinem Handy transferieren wollen?

Gut möglich, dass ein beträchtlicher Teil der technikaffinen Kundschaft solche Ansätze gerne testen wird. Die Karte seiner Bank wird er aber dennoch weiter in der Tasche behalten: aus Gründen der Akzeptanz, aber auch um der Risikostreuung willen. Wenn dann das Mobiltelefon defekt ist, verloren geht, gestohlen oder gehackt wird, dann ist wenigstens nicht die ganze "digitale Identität" in Gefahr. So wie die physische Karte noch eine Zeitlang mit der Parallelität von Chip und Magnetstreifen leben wird, dürfte also auch der technikaffine Kunde bei den bargeldlosen Zahlverfahren auf mittlere Sicht eher zweigleisig fahren - Mobile Payment einerseits, Karte andererseits.

Für den Einzelhandel heißt das alles, dass sich künftig auch der stationäre Handel einer Bandbreite an Angeboten gegenüber sehen wird, wie es sie bisher nur im E-Commerce gab. Ein ähnlich breites Portfolio an Zahlungsoptionen, wie es sich in der Onlinekasse verhältnismäßig einfach umsetzen wird, stößt aber im Laden vor Ort an gewisse Grenzen. Wenn jeder der neuen Anbieter mit einem eigenen Terminal oder terminal-ähnlichem Gerät daherkommt, ist diese schnell erreicht. Doch selbst wenn hier Standards gesetzt wer den, bleibt der Faktor Mensch als Begrenzung. Schon beim Nebeneinander von Paypass und Girogo hat der Einzelhandel erfahren müssen, dass zu viel Verschiedenes zu Verwirrung führt (siehe Beitrag Schrage auf Seite 18). Manche Mobile-Payment-Konzepte werden sich deshalb vielleicht im Remote-Bereich durchsetzen, im Präsenzgeschäft aber nicht.

Die Brieftasche - mag sie durch die verschiedensten Karten auch noch so dick geworden sein, wird uns also wohl noch eine ganze Weile begleiten. Nicht zuletzt kann die Vision vom Verbraucher, den die Technik komplett von seiner klobigen Brieftasche befreit, schon allein deshalb nicht so bald Realität werden, weil dann auch nationale und internationale Behör den auf die kontaktlose Kontrolle von Ausweisen oder Führerscheinen eingestellt sein müssten. Und die Arztpraxen, die sich noch mit der elektronischen Gesundheitskarte herumplagen, werden wohl auch nicht so ohne weiteres auf NFC-Technik umstellen, um eine virtuelle Gesundheitskarte auslesen zu können.

Wenn aber die Brieftasche mit den diversen Ausweisdokumenten unser Begleiter bleibt, dann hat hier auch noch die Karte für den Zahlungsverkehr ihren Platz. Ob man es bequemer findet, eine kontaktlose Karte oder ein Handy aus der Tasche zu holen und ans Kassenterminal zu halten, ist dann sicher Geschmackssache. Das Zahlen "im Vorbeigehen" wird es so oder so erst einmal nicht geben können. Denn das erforderte einen weitaus größeren Sendebereich zwischen Trägermedium und Terminal als die heute üblichen maximal vier Zentimeter. Und damit würde sich wiederum das Risiko erhöhen. sb

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