Im Gespräch

"Nationale Dienstleister werden sich nur noch in Nischenbewegen"

Mit dem polnischen Mautsystem haben Sie den Markteintritt in Polen geschafft. In wie vielen Märkten außerhalb Deutschlands ist B+S damit heute tätig? Und welcher Umsatzanteil kommt aus dem Auslandsgeschäft?

Ende des laufenden Geschäftsjahrs werden etwas mehr als 30 Prozent des Acquiringvolumens aus dem Ausland kommen. Dabei lässt sich das Auslandsgeschäft nach der angebotenen Leistungspalette differenzieren:

Insgesamt sind wir heute in 41 Ländern im Acquiring tätig.

Rein am Point of Sale im Einzelhandel aktiv sind wir in 34 Ländern.

Ein Full-Service-Angebot inklusive Terminal, Netzbetrieb und Call-Center bieten wir jetzt inklusive Polen in 13 Märkten an.

Was hindert uns daran, heute schon in allen europäischen Ländern mit einem Full-Service-Angebot unterwegs zu sein? Die wichtigste Hürde sind starke nationale Debitsysteme, deren Gebühren deutlich unterhalb der internationalen Karten- Schemes liegen. Das gilt vor allem für Frankreich. Daneben stellen vor allem nationale Protokolle und nationale technische Standards eine wichtige Barriere dar. Das geht bis hin zu den Telekommunikationsverbindungen, denn selbst ISDN ist nicht überall gleich. Daneben gibt es Abweichungen im Clearing und Settlement und nicht zuletzt regulatorische Vorgaben. Letztere können auch darin bestehen, dass nationale Boards über Zahlungssysteme Regelungen treffen, die grenzüberschreitend arbeitende Dienstleister praktisch nicht erfüllen können. So etwas gibt es zum Beispiel in Italien oder Frankreich.

Polen hat darüber hinaus bis heute die Payment Service Directive noch nicht umgesetzt. Seit Ende 2010 läuft deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren der EU, was dazu geführt hat, dass die Gesetzgebungsverfahren in Polen mittlerweile zumindest angestoßen sind.

Was macht den polnischen Markt trotz dieser Schwierigkeiten so attraktiv?

Eine Reihe von Großkunden drängt uns bereits seit zwei Jahren, ihnen in Polen ein Angebot zu unterbreiten. Dieser Druck ist enorm gewachsen. Mit dem Markteintritt in Polen können wir jetzt auch die Wünsche dieser Kunden erfüllen.

Wie haben Sie den Markteintritt in Polen auch ohne Umsetzung der PSD erreicht?

In der Übergangsphase zwischen der "alten Welt" und der PSD-Regulierung war das ein schwieriger Prozess. Nach sehr langen Verhandlungen mit der polnischen Finanzmarktaufsicht, der Nationalbank und dem Finanzministerium und sogar einer Eingabe an die Regierung haben wir schließlich die Freigabe für den Markteintritt erreicht.

Wie bewerten Sie die Wettbewerbssituation in Osteuropa?

Auch in Osteuropa gibt es eine Reihe von nationalen Dienstleistern. Meist sind es Banken, die Acquiring und Netzbetrieb als Teil eines Gesamtangebots für ihre Firmenkunden sehen. In vielen Fällen wer den dabei Terminalangebote durch andere Dienstleistungen quersubventioniert. Das hemmt an vielen Stellen den Wettbewerb. Bankenneutrale Dienstleister gibt es in vielen Ländern noch nicht. Bei internationalen Kunden gibt es aber steigende Nachfrage nach eben solchen Angeboten.

Neben den Banken als Platzhirsche stoßen wir im Ausland auf internationale Anbieter meist angelsächsischer Provenienz. Hier sind wir durch die Bandbreite unserer Dienstleistungen durchaus wettbewerbsfähig. Denn diese Wettbewerber bieten häufig zwar attraktive Preise, aber sehr nüchterne Dienstleistungen an.

Ist Frankreich immer noch eine Art Tabu-Zone für ausländische Anbieter?

Noch vor zwei Jahren hatten wir Frankreich als weißen Fleck auf der Landkarte betrachtet, in dem sich ein Engagement nicht lohnt, bevor Sepa wirklich realisiert ist. Mittlerweile hat sich diese Einschätzung gewandelt. Denn wir haben einige Großkunden, die in Frankreich tätig sind und einen internationalen Ansatz nutzen wollen. Das hat dazu geführt, dass wir eine Erweiterung unseres Dienstleistungsangebots in Frankreich prüfen. Derzeit läuft die Evaluierung, welche Ausbaustufe sinnvoll ist.

In welchen Märkten planen Sie den Markteintritt konkreter?

Bisher haben wir immer die Strategie verfolgt, gemeinsam mit unseren bestehenden Kunden ins Ausland zu expandieren. In der zweiten Stufe werden weitere Händler im Land akquiriert. Und in der dritten Stufe expandieren wir mit neuen Kunden, die wir im Ausland gewonnen haben, in weitere Märkte. Auch diese Stufe haben wir bereits erreicht.

Jetzt haben wir in einer europaweiten Studie Kaufkraftvolumen, Zahlungsverkehr und Marktteilnehmer analysiert. Daraus wurden einige Länder extrahiert, die wir in den nächsten zwölf bis 24 Monaten sehr viel intensiver angehen wollen. Damit verlässt B+S zum ersten Mal die bisherige Strategie und geht aufgrund dieser Marktbeobachtung aktiver in neue Länder hinein. Eine Menge Potenzial für Wachstum sehen wir im Süden und Osten Europas.

Im vergangenen Jahr haben Sie auch Akquisitionen nicht mehr ausgeschlossen....

Belgien ist das erste Land, in dem wir - in Abkehr von unserer bisherigen Strategie anorganisch wachsen. Das ist ein wichtiger Meilenstein in der Geschichte von B+S. In gewisser Weise ist aber auch die Übernahme der Terminalverträge von Hypercom nach wie vor kundengetrieben. Denn im Land ist nicht nur genug Luft für einen gesunden Mitbewerb, sondern der Markt ist auch attraktiv für unsere bestehenden Kunden.

Erwarten Händler heute einen internationalen Full-Service aus einer Hand? Geht der Trend zur Konsolidierung der Vertragsbeziehungen?

In abgeschotteten Märkten mögen rein nationale Anbieter heute noch ihren festen Platz haben. Die Erwartungshaltung der Händler geht aber immer mehr in Richtung internationaler Anbieter, damit die Zahl der Dienstleister reduziert werden kann und dadurch Kosten gesenkt werden können. Schon aus Fallback-Gesichtspunkten streben Vertragspartner nicht das europaweite Full-Service-Angebot nur eines einzigen Dienstleisters an. Beziehungen zu mehr als fünf Dienstleistern in Europa wollen die Händler innerhalb der nächsten fünf Jahre aber nicht mehr unterhalten. Insofern gibt es einen Wettlauf unter den Dienstleistern, die Kunden in möglichst vielen Ländern adäquat bedienen zu können. Auf längere Sicht werden sich rein nationale Dienstleister nur noch in Nischen bewegen.

Welche Chancen sehen Sie im Acquiring noch im Inland?

In den klassischen Märkten der Kredit- und Debitkartenakzeptanz betrachte ich den Markt als ziemlich ausgeschöpft, wenngleich es noch einige Branchen gibt, die immer wieder im Fokus der Kartenakzeptanz stehen. Mit Tegut haben wir den letzten großen Filialisten gewonnen, der noch nicht auf die offiziellen Zahlverfahren gesetzt hatte.

Die eine oder andere Opportunität gab es noch mit der Umstellung vom Magnetstreifen auf den Chip. Denn mit dem Magnetstreifen war auch die Abwicklung über Kassentastaturen möglich. Jetzt müssen Kundenbedieneinheiten angeschlossen werden. Auch dieses Potenzial ist aber in Kürze ausgeschöpft. Insofern gibt es in den tradierten Märkten nur noch bedingtes Wachstum.

Wann werden die großen deutschen Discounter Kreditkarten akzeptieren?

Im Ausland ist die Kreditkartenakzeptanz auch bei den Discountern eine Selbstverständlichkeit, weil sie vom Kunden erwartet wird. In Deutschland funktioniert das im grenznahen Bereich.

Für das flächendeckende innerdeutsche Geschäft wird in einem ersten Schritt die Akzeptanz der Debitkarten der Kartenorganisationen, also Maestro und V-Pay, kommen. Dann ist es nur noch eine Frage der Konditionen, wann der Damm in Richtung Kreditkartenakzeptanz gebrochen ist. Ich rechne damit in drei Jahren.

Braucht die Kreditkartenakzeptanz bei Aldi und Lidl den Umstieg auf Chip und PIN auch bei Kreditkarten?

Das ist ein ganz wichtiger und vielfach übersehener Punkt. Denn im Discounterbereich kommt es bei den Kassendurchlaufzeiten auf die Zehntelsekunde an. Änderungen im Ablauf, also das Umstellen von PIN auf Unterschrift, sind neben den Konditionen einer der größten Hinderungsgründe für die Kreditkartenakzeptanz. Deshalb ist Chip und PIN eine unabdingbare Voraussetzung für die Kreditkartenakzeptanz bei den Discountern.

In anderen Branchen ist das Autorisierungsverfahren inklusive der Themen Geschwindigkeit und Belegverarbeitung für den Vertrieb von Kreditkartenakzeptanzen heute noch kein Argument.

Wie ist das Interesse des Handels an V-Pay?

Entscheidend für das Händlerinteresse ist immer der Kundenwunsch. Es gibt auch keine Kostenbarrieren, denn V-Pay ist nicht teurer als Maestro. Über die Verbreitung von V-Pay-Karten im europäischen Ausland wird V-Pay deshalb immer mehr zu einem "Must-have"-Produkt.

Welche Chancen bieten neue Produkte beziehungsweise Technologien wie das kontaktlose oder mobile Zahlen?

Mit dem kontaktlosen Zahlen, Kleinbetragszahlverfahren und Mobile Payment lassen sich neue Märkte er schließen.

Zum einen denken auch solche Händler, die bisher auf Eigenabwicklung setzten, angesichts des hohen Innovationstempos darüber nach, ob sich ein eigener Netzbetrieb überhaupt noch lohnt.

Zudem erschließen die neuen Zahlverfahren neue Branchen mit geringen Durchschnittsumsätzen, für die Kartenzahlung bisher kein Thema war. Dazu gehört der Automatenbereich, aber auch Kioske, Bäcker, Metzger oder Imbissbuden. Und sie bieten uns auch Chancen, die Zusammenarbeit mit bestehenden Kunden zu verbreitern.

Neben unseren Projekten mit Paypass-Akzeptanz begleiten wir sehr aktiv die Umstellung der Girocard auf kontaktloses Zahlen gerade für den Kleinbetragsbereich. Hier stimmen wir mit den Terminalherstellern, DSGV und BVR unsere Vorstellung darüber ab, wie kontaktlose Zahlungen für den Händler möglichst praktikabel erfolgen können. Hier profitieren wir von unseren jahrelangen Erfahrungen mit Paypass. Es wäre zum Beispiel unsinnig, zwei unter schiedliche Kontaktlos-Einheiten ans Terminal anzuschließen. Aber auch für den Bediener müssen die Abläufe bei kontaktlosen Kredit- und Debitkarten möglichst gleich sein. Gerade große Händler sind sehr offen für neue Zahlverfahren. Das gilt für die kontaktlose Girocard genauso wie für Paypass.

Was kostet die Aufrüstung auf kontaktlose Technologie?

Die Terminals für die kontaktlose Girocard liegen noch nicht final vor. Im Moment beträgt der Preis für die Kontaktlos-Einheit etwa ein Drittel des Terminal-Preises. Aufgrund der geringen Stückzahlen ist hier noch kein für den Händler attraktives Preisniveau erreicht. Sobald die Stückzahlen steigen, wird der Aufpreis aber sehr überschaubar sein.

Ist die angestrebte neue Ladeinfrastruktur für die Geldkarte eine Aufgabe für die Netzbetreiber?

Technisch läuft der Ladeprozess immer über die Evidenzzentralen. Die Ladung über das Zahlterminal am PoS anzubieten, ist aber tatsächlich eine neue Dienstleistung für die Netzbetreiber. In der Vergangenheit haben sie diese Aufgabe auch schon erbracht, allerdings an separaten Geräten, den Ladesäulen oder den Bankensonderfunktionsterminals.

Ist das überhaupt ein lohnendes Geschäft?

Im letzten Vierteljahr haben wir uns damit befasst, wie wir zu einem Business Case kommen. Es wurde durchgerechnet, was diese Dienstleistung kostet, zu welchen Preisen sie kostendeckend angeboten werden kann und welche Transaktionsmengen zu erwarten sind. Zur Finalisierung dieser Kalkulation müssen jedoch erst die fertigen Spezifikationen vorliegen. Denn noch wird eine ganze Reihe von Ladevarianten diskutiert.

Folgt das mobile Zahlen automatisch auf die kontaktlose Karte?

Beim Mobile Payment gibt es zwei Ansätze. Die einen sehen das Mobile Payment als natürliche Weiterentwicklung des kontaktlosen Zahlverfahrens mit Karte. Die anderen gehen davon aus, dass die Transaktionen künftig auf anderem Weg, etwa über die Mobilfunkabrechnungen oder per Lastschrift abgerechnet werden. Wir beobachten sehr gespannt, in welche Richtung sich der Markt entwickelt.

Unabhängig davon, in welche Richtung sich der Markt technisch bewegt, stellt sich die Frage, wer wieviel für die Transaktion bezahlt. In anderen Ländern gibt es neue Ideen, die Transaktion kostenlos anzubieten, dies aber mit Informationssammlung oder gar Werbung zu verknüpfen. Hier sind wir sehr skeptisch, ob das auf den deutschen Markt applizierbar ist.

Wie ist das Mobile Payment unter Sicherheitsaspekten zu bewerten?

Kleinbetragszahlungen sehe ich als unproblematisch an. Wird das Smartphone aber - beispielsweise für mobile Händler - zum Terminalersatz, sehe ich ein Sicherheitsrisiko. Es gibt hierzu auch massive Warnungen seitens des BKA und des ZKA. Denn eine sichere PIN-Eingabe ist am Handy nicht möglich; ebenso werden Schadsoftware-Erkennungen noch viel zu selten eingesetzt.

Wird das Smartphone als Terminal im Zusammenhang mit einer Karte genutzt, ergibt sich zudem die Frage, ob es sich um eine Card-present- oder eine Card-not-present-Transaktion handelt. Hier besteht noch eine Grauzone, in der schnellstmöglich eine Klarstellung durch die Kartengesellschaften erfolgen sollte.

Im Januar haben Sie im Acquiring beziehungsweise für den kaufmännischen Netzbetrieb der Sparkassen den Sparkassen-Händlerservice geschaffen. Was sind hier die Zielsetzungen?

Die Sparkassen-Finanzgruppe hat das strategische Ziel gefasst, das Acquiring-Geschäft zu beflügeln. Namentlich kleinere und weniger aktive Institute sollen verstärkt auf die Vertriebskraft und das Know-how von B+S zugreifen können, um die Kartenzahlungsakzeptanz in ihrer Region leichter voranzutreiben. So soll der Sparkassen-Händlerservice die Potenziale aus Netzbetrieb und Acquiring für die gesamte Sparkassen-Finanzgruppe stärker nutzen.

Sparkassen bieten dem Händler in der Regel deutlich mehr Leistungen als ein klassischer Netzbetreiber an. Das Sparkassenbranding soll deshalb helfen, das Qualitäts- und Serviceangebot einer Sparkasse zu signalisieren.

Wie sind die bisherigen Erfahrungen?

Mittlerweile haben wir im Sparkassen-Händlerservice 55 Mitarbeiter, die sich ausschließlich um die Sparkassen und ihre Kunden kümmern. Aber auch in anderen Abteilungen werden mehr Produkte und Dienstleistungen für Sparkassen entwickelt. Momentan sind wir noch in der Einführungsphase. Aber bereits jetzt gibt es positive Rückmeldungen.

Noch einmal zum Netzbetrieb: Wie viele Terminals haben Sie derzeit am Netz, wie viele Transaktionen haben Sie im Netzbetrieb abgewickelt -und wie viel davon ist ELV?

Wir haben 156000 Terminals am Netz, über die zirka 550 Millionen Transaktionen pro Jahr abgewickelt werden. Der Anteil der ELV-Transaktionen liegt etwa bei zehn Prozent.

Wie bewerten Sie die Aussichten von ELV?

Angesichts der Statistiken des EHI sollte man ELV nicht unterschätzen. Die Frage ist, ob man es als Dienstleister vor dem Hintergrund der europäischen Entwicklungen heute noch pushen will oder soll.

Hier pendelt die Stimmung zwischen den Extremen hin- und her. Als die Discounter electronic cash beitraten, war ELV totgesagt. Und die Frage, ob es sich lohnt, eigene Lösungen dazu anzubieten oder weiterzuentwickeln, war relativ schnell beantwortet. Vor etwa eineinhalb Jahren, als BP den Umstieg auf zahlungsgarantiertes ELV ankündigte, schwenkte die Marktstimmung zum anderen Extrem.

Damals dachten wir intensiv darüber nach, unser Produktspektrum zu erweitern. Mittlerweile erleben wir mit Blick auf das Sepa-Enddatum keine verstärkte Nachfrage nach zahlungsgarantiertem ELV mehr.

Wie gehen Sie mit der Daten-schutz-Diskussion um ELV um?

B+S ist in einem Datenschutzaudit nach dem neuen Bundesdatenschutzgesetz abgenommen worden. Wir sind davon überzeugt, dass wir die Forderungen der Datenschützer komplett erfüllen. Eine ganze Reihe derjenigen Dienstleistungen, die jetzt im Zentrum der Diskussion stehen, bieten wir so gar nicht an.

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