Debitkarte

Schöne neue Kartenwelt - wer hat den Schwarzen Peter?

Haben Sie schon mal ein Angebot bekommen, das sie nicht ablehnen können? So ein Gefühl beschleicht den engagierten Beobachter, wenn er den Status der "Verhandlungen" zum Girocard-System, konkret zu den bilateral zu vereinbarenden Händlerentgelten, analysiert. Sind dies tatsächlich Verhandlungen oder darf der Handel den Vorschlag nur akzeptieren? Wird jetzt das kartellrechtswidrige System der Deutschen Kreditwirtschaft (DK) durch freien Wettbewerb oder ein Oligopol der Netzbetreiber ersetzt? Hat das Bundeskartellamt die kleinen und mittleren Unternehmen gerettet? Oder zahlt am Ende der Verbraucher die Zeche? Und nicht zuletzt: Welche Rolle spielen die Vorgaben der EU in der MIF-Verordnung für die zukünftige Gebührenhöhe?

Das sind nur einige der Fragen, mit denen sich der Mittelstandsverbund zurzeit auseinandersetzt. Der Mittelstandsverbund - ZGV e.V. vertritt die Interessen von etwa 320 Verbundgruppen, in denen mehr als 230 000 mittelständische Unternehmen aus Handel Handwerk und Dienstleistung organisiert sind.

Unergiebiger Verhandlungsmarathon

Insbesondere für die Kooperationen aus dem Einzelhandel und deren Mitglieder sind elektronische Zahlungssysteme von immenser Bedeutung. Der Mittelstandsverbund hat daher zu Beginn des Jahres 2013 Verhandlungen mit den verschiedenen Banken und Bankengruppen aufgenommen und sich in einen bislang leider unergiebigen Verhandlungsmarathon begeben.

Das Bundeskartellamt beanstandet bereits seit dem Jahre 2011 die einheitlichen Händlerentgelte von 0,3 Prozent vom Rechnungsbetrag/mindestens acht Cent als wettbewerbswidrige Preisabsprache. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass diverse Großunternehmen bereits eigene Verträge mit einer Rückvergütung auf die getätigten Umsätze geschlossen hatten. Nach diversen Vorschlägen der Deutschen Kreditwirtschaft, wie ein zukünftiges System hätte ausgestaltet werden sollen, zog das Bundeskartellamt in diesem Frühjahr die Reißleine und machte deutlich, dass es das Kartell nicht weiter dulden wolle. Die Deutsche Kreditwirtschaft verpflichtete sich daraufhin, das einheitliche Händlerentgelt abzuschaffen und ausschließlich bilateral ausgehandelte Händlerentgelte abzurechnen. Damit werden nach Auffassung des Bundeskartellamtes die Voraussetzungen für (Preis-) Wettbewerb geschaffen.

Die kartenausgebenden Institute sind damit gezwungen, auch für die Marktsegmente, in denen sie bislang ohne Preiszugeständnisse das einheitliche Händlerentgelt ungekürzt vereinnahmen konnten, in Preisverhandlungen einzutreten. Soweit die Verlautbarung der Kartellwächter vom 30. April 2014.

In der Praxis führt dies jetzt zu folgenden Regelungen, wie sie von der DK am 26. und 27. März dieses Jahres präsentiert wurden:

- Ab 1. November 2014 ersetzen bilateral verhandelte Girocard-Entgelte das einheitliche multilaterale Girocard-Entgelt von 0,3 Prozent beziehungsweise acht Cent.

- Die bilateral verhandelten Girocard-Entgelte sind bis spätestens 1. November 2014 zwischen Händler beziehungsweise Händlerkonzentrator und Bank beziehungsweise Banken-Konzentrator abzuschließen.

- Besteht zum Stichtag 1. November 2014 keine bilaterale Girocard-Entgeltvereinbarung, darf Girocard-PIN vom Handel nicht mehr angeboten und von den Banken/Sparkassen nicht mehr abgerechnet werden.

Nach Ansicht der Deutschen Kreditwirtschaft bieten sich auf Akzeptanzstellen seite Handelsverbünde/Verbundgruppen, Verbände und technische Netzbetreiber als Konzentratoren an, wobei insbesondere durch die technischen Netzbetreiber nahezu sämtliche Händler (nämlich deren Kunden) kurzfristig in eine bilaterale Entgeltvereinbarung integriert werden könnten.

Zwei-Phasen-Modell für die Umsetzung

Zwischen DK und Bundeskartellamt wurde zur Umsetzung ein sogenanntes Zwei-Phasen-Modell abgestimmt.

Phase 1 sieht vor: Die Girocard-Entgeltvereinbarungen werden über verschiedene Präfixe der Technischen Netzbetreiber und Kurz-Bankleitzahlen der Issuer unterschieden. Die Bestimmung des für eine Transaktion abzuführenden Girocard-Entgelts erfolgt durch den Technischen Netzbetreiber anhand der Präfixe. Die neuen Präfixe müssen nicht zwingend in die Terminals des Händlers eingebracht werden. Start von Phase 1 ist der 1. November 2014.

Phase 2 sieht vor: Die Girocard-Entgeltvereinbarungen werden über individuelle Kennungen der Händler (zum Beispiel Gläubiger-ID) und Kurz-BLZ der Issuer unterschieden. Die technischen Netzbetreiber melden die Umsatzdetails zu den Transaktionen an die Entgeltkopfstellen der Banken/Sparkassen, durch die die Bestimmung der Girocard-Entgelte erfolgt. Das für die Transaktionen abzuführende Entgelt wird dem Technischen Netzbetreiber gemeldet. Dieser zieht das Girocard-Entgelt ein und führt an es die Entgeltkopfstellen ab. Start von Phase 2: 2016.

Soweit die von der DK als "Verhandlungslösung" bezeichnete neue Entgeltsystematik.

De facto sind Netzbetreiber als Konzentratoren gesetzt

Als problematisch empfinden wir als Händlerkonzentrator und damit Vertragspartner der Banken, dass über Jahre auf Zeit gespielt wurde, in der die kleinen und mittleren Händler weiter überhöhte Entgelte zahlen mussten. An die Adresse des Bundeskartellamtes richtet sich der Vorwurf, dass das nun mit der Deutschen Kreditwirtschaft abgestimmte Ergebnis auch schon 2011 zu haben gewesen wäre, mit ebenfalls erheblichen Kosteneinsparungen für den Mittelstand.

Außerdem überrascht die Tatsache, dass trotz Installierung der Funktion des Konzentrators und der Aussage, Konzentrator könne quasi jeder sein, sich der Eindruck aufdrängt, dass sowohl Deutsche Kreditwirtschaft als auch das Bundeskartellamt nicht nur in Kauf nehmen, sondern bewusst darauf setzen, dass de facto die Netzbetreiber als Konzentratoren auftreten werden und dadurch nahezu 100 Prozent der Händler rechtzeitig zu einer bilateralen Entgelt-Vereinbarung kommen.

Realisierung technisch unmöglich

Und schließlich führt das Datum der Umstellung zum 1. November 2014 zu einem technischen Problem, das keine beziehungsweise keine ausreichende Berücksichtigung in den Gesprächen zwischen der Deutschen Kreditwirtschaft und dem Bundeskartellamt gefunden hat: Die technische Infrastruktur im Girocard-System sieht keine diversifizierte Konditionsstruktur vor. Das heißt es ist den Netzbetreibern heute nicht möglich, für ein oder mehrere Unternehmen oder Konzentratoren unterschiedliche Konditionen der unterschiedlichen Banken im System abzubilden. Dies erklärt sich daraus, dass es diese Anforderung bisher nicht gab und daher auch keine Felder für entsprechende Eingaben in der Software vorhanden sind.

Ohne der Technik und denen, die sie programmieren und implementieren, allzu viel Entgegenkommen zu zeigen, ist dies nachvollziehbar, hat jedoch zur Folge, dass die Banken zwar Konditionen neu verhandeln, die Umsetzungspartner aber auf die technische Unmöglichkeit der Realisierung verweisen. Man kann sich vorstellen, wie die derzeitigen Gespräche aussehen. Bis heute konnte "Der Mittelstandsverbund" mehr als 2 000 Vollmachten aus 24 Verbundgruppen mit einem PIN-Transaktionsvolumen von über 40 Millionen Transaktionen hinter sich versammeln. Mit diesem "Paket" konnten bei den Vertragspartnern auf Issuerseite attraktive Kondition verhandelt werden.

Kampf der Lobbyisten mit den Bürokraten

Hierbei sind die Vorgaben der EU mit 0,2 Prozent für sogenannten Vierparteiensysteme eine Benchmark, die zwar von den Banken als irrelevant für Deutschland bezeichnet wird, aber einerseits in allen Hinterköpfen herumspukt und Phantasien erzeugt und dann ja vielleicht doch zum Frühjahr 2015 aktiv werden kann. Das wird ein Kampf der Lobbyisten mit den Bürokraten - ob dabei der Handel auf der Gewinnerseite stehen kann, wäre wünschenswert, aber auch eher überraschend. Für Händler stellt sich die Situation zum 1. November 2014 also insoweit als spannend dar, als sie eine vertragliche Regelung benötigen, welche die Sparkassen, die Volksbanken, die privaten und öffentlichen Banken, die Deutsche Bank, die Commerzbank, die Unicredit und die Postbank erfassen. Da wohl kein Mittelständler dies alleine angehen und realisieren kann, ist er auf Unterstützung angewiesen.

Die Netzbetreiber versuchen derzeit, mit den Banken Vereinbarungen als Konzentratoren zu schließen, wie dies auch einige wenige andere Zusammenschlüsse oder Großunternehmen tun. Die Größenordnung der Transaktionen des Mittelstandsverbundes (über 40 Millionen) darf dabei wohl als notwendig für eine nennenswerte Verbesserung der Kondition angesehen werden. Die berühmte "Boutique Susi" fällt als Verhandlungspartner eher aus.

Der Händler muss sich also darüber klar werden, ob er sein gesamtes elektronisches Abrechnungsgeschäft in eine Hand, nämlich die seines Netzbetreibers, geben möchte oder ob Wettbewerb an dieser Stelle eher belebend und daher auch konditionenreduzierend wirken kann. Das gilt insbesondere für die Phase 2, in der dann individuelle Konditionen mit unterschiedlichen Banken vereinbart werden können, wenn ein Konzentrator über eine entsprechende Verhandlungsstärke verfügt.

Bleibt zu hoffen, dass sich die Betreiber des Girocard-Systems, also die Deutsche Kreditwirtschaft, endlich ihrer Verantwortung auch und gerade gegenüber dem mittelständischen Handel bewusst werden und dafür Sorge tragen, dass Konzentratoren, wie der Mittelstandsverbund, die nicht selbst über die technische Infrastruktur verfügen, bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben unterstützt werden. Derzeit drängt sich allerdings vielmehr der Verdacht auf, dass sich die großen Player Deutsche Kreditwirtschaft und Netzbetreiber gegenseitig den "Schwarzen Peter" zuschieben.

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