Debitkarte

Bewegung im Debitmarkt: Warnung vor einem operativen Ungeheuer

Die bargeldlose Zahlung hat in den vergangenen Jahren immer mehr an Fahrt aufgenommen. Seit einigen Jahren berichtet das EHI bereits über die jährliche Abnahme von Bargeldzahlungen zugunsten der Zahlung per Karte im deutschen Einzelhandel. Eine reichhaltige und teilweise attraktive Produktvielfalt, ein gestiegenes Interesse und Verständnis der Endkunden bezüglich Kartenzahlungen, dazu ein großes Investment aufseiten der Emittenten und Händler in das Thema Sicherheit und zuletzt auch eine Bandbreite von Innovationen und Neuerungen - all dieses begründet den Erfolg der Kartenzahlungen in der jüngsten Vergangenheit.

Umso wichtiger sind daher die aktuellen Entwicklungen hinsichtlich der Gebührensituation und einer damit steigenden Transparenz für alle Prozessbeteiligten; diese Diskussion ist sowohl auf nationaler wie europäischer Ebene durch das Bundeskartellamt beziehungsweise die Europäische Kommission gestartet worden, in beiden Fällen mit dem Wunsch von mehr Wettbewerb und in der Konsequenz sinkenden Preisen zugunsten der Endkunden.

Seit 2009 Bewegung in der Entgeltdiskussion

Auf nationaler Ebene gab es bereits seit einigen Jahren Diskussionen über die anfallenden Gebühren bei Zahlungen mit dem nationalen Debitsystem, der Girocard. Vonseiten der Händler beziehungsweise deren Vertretern oder Verbänden wurde vielfach die mangelnde Transparenz beklagt wie auch die Tatsache, dass Entgelte durch die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) ohne wirklichen Verhandlungsspielraum festgelegt wurden. Die DK hat dieses in der Regel mit Investitionen in das System zur Sicherung der technischen Qualität begründet. Als daraus resultierende Konsequenz mussten die Händler (wie auch die Netzbetreiber) in den vergangenen Jahren neben den Entgelten zudem auch die IT-Kosten auf eigener Seite übernehmen.

Dennoch hat das Girocard-System in den letzten zehn Jahren eine Erfolgsgeschichte geschrieben und ist konsequent gewachsen, auch bedingt durch vereinzelte Entgelt-Sonderregelungen für spezielle, "systemrelevante" Branchen (zum Beispiel Mineralöl oder Lebensmittel-Einzelhandel-Discounter).

Mit der 2009 erfolgten Ankündigung der BP Europe, zukünftig an ihren Tankstellen der Marke Aral die Girocard nur noch im Mischverfahren mit dem gesicherten Lastschriftverfahren anbieten zu wollen, kam eine massivere Bewegung in die Entgeltdiskussion, darüber hinaus stieg auch das Interesse des Kartellamtes am Konstrukt der Deutschen Kreditwirtschaft.

Neue Zeitrechnung bei den Girocard-Entgelten

Fünf Jahre und viele Diskussionen später stehen nun die Banken wie auch Händler vor einer neuen Zeitrechnung: Im April 2014 haben sich das Kartellamt und die Deutsche Kreditwirtschaft darauf verständigt, dass zukünftig Entgelte individuell zwischen dem Bankenverband und dem Händler verhandelt werden können beziehungsweise müssen. Ein knapp 25 Jahre gültiges, einheitliches Händlerentgelt für Girocard-Zahlungen soll es nicht mehr geben (dürfen). Darüber hinaus wurde zwischen dem Kartellamt und den Bankenverbänden vereinbart, dass die verhandelten Entgelte zum 1. November 2014 bereits Anwendung finden müssen.

Um die Komplexität und die Vielzahl der theoretisch denkbaren Gespräche zwischen dem jeweiligen Verband und Händler zu minimieren, sollen auf beiden Seiten Konzentratoren in der Regel die Verhandlungen übernehmen dürfen, die dann für die dem Konzentrator angeschlossenen Parteien gültige Entgelte festlegen.

Knapper Zeitplan schwächt Verhandlungsposition der Akzeptanten

Auf den ersten Blick ist dieses sicherlich ein Ergebnis, welches sich die Händler lange gewünscht haben: Individuell und dem eigenen Geschäft angepasst Konditionen mit den Verbänden der Kreditwirtschaft abstimmen zu dürfen, dieses unter Berücksichtigung der eigenen Volumina und nicht mittels Nutzung eines generalistischen Entgeltsatzes, der keine Unterschiede zwischen unterschiedlichen Volumengrößen machte.

Aber wie so häufig ist der zweite Blick ebenso wichtig, denn was bedeutet nun die aktuelle Situation? Ohne Einbeziehung der betroffenen Vertragspartei "Händler" (und deren Dienstleister) haben sich die Deutsche Kreditwirtschaft und das Kartellamt auf einen Stichtag für die Livenahme eines neuen Systems geeinigt, welches für den Handel im Bereich des bargeldlosen Zahlungsverkehrs eine elementare Bedeutung hat. Durch den Wegfall einer wirklichen Übergangszeit oder eines "Fallback" Entgelts wird der Händler - ob er will oder nicht - gezwungen, (s)ein Entgelt neu zu verhandeln.

Doch wie gut ist am Ende des Tages die Verhandlungsposition für die eine Seite, wenn der Vertragspartner gegebenenfalls auf Zeit spielen kann? Sind bei dieser Ausgangslage Verhandlungen auf Augenhöhe überhaupt denkbar?

Durch den festgelegten Stichtag bleiben den Händler knapp neun Monate, um mit den acht akzeptieren Issuer-Konzentratoren Gespräche zu führen, um ein (individuelles) Entgelt zu definieren. Wenn man dazu betrachtet, welche Zeitfenster in der Vergangenheit für einige technische Neuerungen in der Umsetzung gebraucht wurden, so darf man sich fragen, ob die hier gewährte Zeitspanne der Bedeutung dieser Thematik wirklich angemessen ist?

Darüber hinaus bleibt aktuell unklar, inwieweit das neue Verhandlungsmodell überhaupt hinsichtlich eines Business Cases für die Issuer die Möglichkeit von Entgeltverhandlungen erlaubt?

Lohnt sich der Aufwand?

Glaubt man der jahrelang vorgebrachten Argumentation der Deutschen Kreditwirtschaft, dass die vormals definierten Gebühren notwendig für einen effizienten Systembetrieb waren, so müsste dieses auch in der heutigen Situation bedeuten, dass es keinen Spielraum für (spürbare) Reduzierungen zugunsten des Handels geben dürfte.

Für einzelne große Unternehmen oder "Leuchtturmprojekte" mag es die Ausnahme von der Regel geben, aber inwieweit es wirkliche Veränderungen für die Masse der Unternehmen geben wird, scheint aktuell doch fraglich.

Zudem sollte sich jedes Unternehmen fragen, inwieweit etwaige Ersparnisse den Aufwand aufwiegen, die ein Händler aktuell erbringen muss, um die Verhandlungen mit den Issuer-Konzentratoren führen zu können. Hat überhaupt jeder Kleinbetrieb oder auch Mittelständler die entsprechenden Ressourcen (zeitlich wie auch hinsichtlich eines inhaltlichen Wissensstandes), um in bilaterale Gespräche einzusteigen?

Stolperfallen beim Konzentratorenmodell

Eine Möglichkeit wäre, dass diese Händler ihr Mandat an den Netzbetreiber geben, der dann als Konzentrator gegenüber den Verbänden auftritt. Ist dieses aber wirklich das, was das Kartellamt ursprünglich einmal gewollt hat? Läuft es hier nicht wieder auf ein mehr oder weniger analoges Entgelt hinaus, welches bloß operativ mit deutlich mehr Aufwand erreicht wurde? Sind Netzbetreiber eigentlich Vertreter des Handels oder letztendlich eigenständige Dienstleister?

Eine weitere Alternative wäre, dass Händler ihr Volumen an wirkliche "Dritte" geben, zum Beispiel also entsprechende Branchenverbände oder Zusammenschlüsse, die der originären Idee eines Händler-Konzentrators sicherlich eher entsprechen.

Aber hier muss im Anschluss eine weitere, sehr relevante Frage gestellt werden: Woher bekommt ein solcher Händler-Konzentrator die individuellen Transaktionsdaten eines jeden angeschlossenen Händlers, um etwaige Abrechnungen vornehmen zu können? Diese dürften in der Regel durch den Netzbetreiber zur Verfügung gestellt werden, das heißt dieser erbringt eine Dienstleistung. Ob das aber für den Händler wirklich ohne Berechnung einer Gebühr erfolgen wird, darf zumindest an dieser Stelle in Frage gestellt werden.

Es verbleibt die Befürchtung, dass es mit Beginn der Regulierung am Ende des Tages zu keiner signifikanten Optimierung der Entgeltgebühren für das Gros der Händler im diesem Bereich kommen wird.

Internationale Verfahren für Akzeptanten (noch) teurer

Parallel zu den nationalen Entwicklungen gibt es aber auch im europäischen Umfeld massive Diskussionen hinsichtlich der von den Schemes Visa und Mastercard erhobenen Interchanges und Gebühren; diese beziehen sich aktuell zwar nur auf die sogenannten "Vier-Parteien-Modelle", jedoch laufen über dieses Konstrukt der Großteil der Transaktionen.

Mit Maestro und V-Pay haben Mastercard und Visa schon seit längerer Zeit Debitprodukte auf dem Markt, welche aufgrund von Sepa bereits heute für die Abwicklung von nationalen Transaktionen durch die Händler genutzt werden könnten. Technisch bedarf es hierfür einer Änderung der Vorrangsregelung am PoS, das jeweilige Co-Batch wird dann bevorzugt zur Girocard als Zahlapplikation ausgewählt.

Der Grund dafür, dass zum jetzigen Zeitpunkt weder Maestro noch V-Pay wahre Wettbewerber zur Girocard sind, ist durch die Gebührensituation bedingt: Die Interchange-Sätze zuzüglich der darüber hinaus anfallenden Gebühren (card scheme fees sowie Entgelt des Acquirers) sorgen für ein im Vergleich zur Girocard deutlich höheres Disagio.

Mehr Kartenakzeptanz durch Interchange-Regulierung?

Es gibt aber auch in diesem Umfeld Bemühungen, ein für alle Parteien transparentes und für die Händler attraktiveres Modell zu schaffen: Die Vertreter der Europäischen Kommission sind bereits seit langer Zeit in Gesprächen mit Mastercard und Visa, um ein neues Gebührenmodell zu finden; nun soll im Zuge der PSD II eine Deckelung der Interbankenentgelte auf 0,2 Prozent für Debitkarten (maximal sieben Cent je Transaktion) beziehungsweise 0,3 Prozent für Kreditkarten vorgenommen werden. Ein entsprechender Vorschlag steht zur finalen Entscheidung an.

Während einer Übergangsfrist sollen die Obergrenzen für Interbankenentgelte bei Debit- und Kreditkarten erst einmal für grenzübergreifende Transaktionen gelten, also wenn ein Verbraucher seine Karte in einem anderen Land verwendet oder ein Einzelhändler eine Bank beziehungsweise einen Dienstleister in einem anderen Land nutzt. Danach werden die Obergrenzen auch für inländische Transaktionen gelten.

Parallel zu dieser Verordnung hat sich Visa mit der Europäischen Kommission auf eine Selbstregulierung verständigt, die bereits vor der PSD II zum Tragen kommen wird. Die seitens Visa vorgeschlagenen Interchanges decken sich weitestgehend mit den Werten der EU-Regulierung, wobei eine Einführung auch hier in verschiedenen Schritten und unter Berücksichtigung von unterschiedlichen Vorgaben erfolgt.

Der Eingriff der EU in das aktuelle System mag notwendig gewesen sein, da frühere Bemühungen hinsichtlich einer Veränderung in den Gesprächen mit Mastercard und Visa aus Sicht der EU nicht die notwendigen Erfolge gebracht haben; wo es nicht unbedingt für das eigene Geschäft notwendig war, haben Händler mit Verweis auf die Gebühren die Akzeptanz der Produkte von Mastercard und Visa verweigert.

Dieses wiederum reduziert damit gleichzeitig den Wettbewerb unterschiedlicher, kartenbasierter Zahlsysteme am PoS - dieses ist der EU ein "Dorn im Auge", da fehlender Wettbewerb gleichzeitig zu höheren Kosten zulasten des Endkunden führen kann. Und dieses widerspricht im Ergebnis dem Ziel beziehungsweise zum Teil auch dem Selbstverständnis der Kommission.

Sollte es nun zu einer finalen Entscheidung durch die Gremien beziehungsweise das Europäische Parlament kommen, so werden deutliche Einschnitte in das heutige Gebührenmodell der Issuer vorgenommen, welche tatsächlich zu einer Neugestaltung der Kartenakzeptanz in verschiedensten Branchen führen können.

Eine breitere Akzeptanz von zum Beispiel Kreditkarten mag auch bei der Verbreitung neuer Technologien beziehungsweise Angeboten wie NFC-basierte "mobile wallets" helfen. Fraglich ist heute aber, wie die fehlenden Erträge aus den Entgeltsätzen zukünftig durch die Issuer kompensiert werden können? Werden kostenlose Kartenangebote bald der Vergangenheit angehören, was indirekt wieder Einfluss auf die Akzeptanz beim Endkunden nehmen könnte? Oder verzichtet man auf einen Ausbau von Neuerungen und/oder Technologien bei den Kartenangeboten?

Komplexität darf Mehrwerte nicht überdecken

Viel ist aktuell in Bewegung, sowohl auf nationaler wie auch internationaler Ebene werden momentan für das Geschäft wichtige und elementare Fragen beziehungsweise Probleme diskutiert. Unabhängig davon, wie die finalen Ergebnisse aussehen werden, kann man sicherlich heute schon sagen, dass es für alle Marktteilnehmer zu Einschnitten beziehungsweise Veränderungen kommen wird, welche es in der Vergangenheit in dieser Form nicht gegeben hat.

Wichtig für einen generellen Erfolg aller Änderungen wird sein, dass die Komplexität - in der Umsetzung wie auch im Verständnis - nicht die Mehrwerte überdeckt. Im Vordergrund aller Aktivitäten sollte eine breitere Akzeptanz des bargeldlosen Zahlungsverkehrs stehen, nicht aber das Schaffen eines operativen Ungeheuers aus Regularien, IT-Systemen und anderem.

Ein Wettbewerb zwischen nationalen und europäischen Zahllösungen kann sicherlich den Wettbewerb positiv beflügeln; aus Sicht des Händlers gilt es, die für das eigene Geschäft beste Lösung - auf Basis vergleichbarer Gebührenmodelle - zu finden. Für die Karten ausgebende Seite besteht die Möglichkeit, sich in einem neu definierten Umfeld die bestmögliche Position durch passende Produktangebote beziehungsweise Dienstleistungen zu suchen.

Neue Allianzen?

Der aktuelle Unmut hinsichtlich der Gebühren-Regulierung mag in gewisser Weise nachvollziehbar sein, da solche Schritte immer einen unbeliebten Eingriff in das eigene Geschäft beziehungsweise die eigenen Kalkulationen bedeuten; aber diese Tendenz hat sich länger angekündigt, sodass es nicht überraschend kam und man sich proaktiv mit der Situation hätte auseinander setzen können. Letztendlich ist der regulatorische Eingriff sicherlich auch ein Ergebnis der Tatsache, dass es in der Vergangenheit nicht die gewünschte und aus Sicht der Regulatoren notwendige Bewegung innerhalb der jeweiligen Modelle gab.

Inwieweit nun aber die Zukunft tatsächlich aus den genannten 0,2 Prozent beziehungsweise maximal sieben Cent pro Transaktion für Debitkarten beziehungsweise 0,3 Prozent für Kreditkarten bestehen wird, werden die kommenden Monaten sicherlich zeigen.

Wichtig wird sein, dass alle Marktteilnehmer trotz der nun anstehenden Veränderungen ein gemeinsames Verständnis "pro Kunde" entwickeln. Zudem wird man in Zukunft aufgrund der Veränderungen vielleicht auch neue Allianzen und Kooperationen zwischen Marktteilnehmern sehen können, die aus heutiger Sicht nicht zu erwarten gewesen wären.

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