ZAHLUNGSVERKEHR

Das Händlerkonzentratormodell bei Paydirekt funktioniert

Dr. Niklas Bartelt, Foto: Paydirekt

In der Corona-Krise haben sich viele kleine Händler dem E-Commerce zugewandt, um wenigstens einen Teil der ausgefallenen Umsätze online kompensieren zu können. Gerade an die kleinen Händler richtet sich das Konzentratormodell für die Anbindung an Paydirekt beziehungsweise die Entgeltverhandlungen. Niklas Bartelt stellt eine Analyse vor, der zufolge das Modell bei den kleinen Händlern gut ankommt - und die zeigt, dass der Wettbewerb unter den einzelnen Konzentratoren funktioniert. Red.

Paydirekt bietet aktuell zwei Entgeltmodelle an: das Verhandlungsmodell und das Händlerkonzentratorenmodell. Das Verhandlungsmodell stellt eine Lösung insbesondere für große Händler dar, das Händlerkonzentratorenmodell fokussiert auf kleine und mittlere Händler. Die quantitative Analyse zeigt, wie gut das Händlerkonzentratorenmodell von kleineren und mittleren Händlern angenommen wird und welche Effizienzvorteile es bietet - ein Erfolgsmodell.

Ein entscheidendes Element im Design von Paydirekt als das E-Commerce-Zahlverfahren der deutschen Banken und Sparkassen war das Vertriebs- und Entgeltmodell. Historisch wurden in vergleichbaren Situationen multilaterale Interchanges beziehungsweise unilaterale Entgelte angewandt, die analog funktionieren. Damit zahlen Händler beziehungsweise deren Dienstleister ein von den Betreibern des Zahlungssystems festgelegtes Entgelt - oft mit einer "ad valorem"- Komponente - an das Zahlungssystem beziehungsweise die Zahlungsmittelherausgeber.

Unilaterales Preismodell keine praktikable Option

Unilaterale Entgelte sind weitgehend nicht reguliert, wohl aber multilaterale Interchanges. Die Regulierung der EU-Kommission deckelt diese bei 0,2 Prozent für direkt abgebuchte (Debit) und 0,3 Prozent für zeitversetzte (Kredit) Zahlungen. Diese Maßnahme zielte unter anderem auf die internationalen Kreditkartenorganisationen wie Mastercard und Visa, die zuvor seit geraumer Zeit von der Generaldirektion Wettbewerb untersucht wurden.

Die Banken und Sparkassen haben sich für das bereits bei Girocard eingeführte Verhandlungsmodell entschieden. Dies hatte verschiedene Gründe: Um eine für die Händler ausreichend attraktive Abdeckung der Käufer zu erreichen, war (und ist) es wichtig, dass die überwiegende Mehrzahl der deutschen Banken und Sparkassen an dem Verfahren teilnimmt. Damit war ein unilaterales Entgelt für Paydirekt keine praktikable Option.

Da vielen der erfolgreichen Wettbewerber wie Paypal oder Klarna eine solche (unilaterale) Pricing-Option zur Verfügung steht, hätte sich dadurch ein deutlicher Wettbewerbsnachteil ergeben: Im Gegensatz zur regulierten Interchange haben die Zahlverfahren hier die Möglichkeit, die Entgelte frei zu gestalten. Dies ermöglicht Investitionen in wettbewerbsdifferenzierende Merkmale wie käuferzentrierte Mehrwerte. 

Damit können sie den Käufern einen Grad an Convenience und Service anbieten, der sich auch in einem Umsatzplus für den Händler niederschlägt. Dies drückt sich beispielsweise in der Kaufabbruchrate der Zahlverfahren aus, das heißt der Anzahl der Käufer, die im letzten Moment den Kauf abbrechen - oder eben auch nicht. Diese Rate ist im E-Commerce hoch, und jeder Prozentpunkt, um den sie verbessert werden kann, ist für die Profitabilität der Händler entscheidend. Daher sind sie gern bereit, für solche Verfahren etwas mehr zu bezahlen, da sie im Gegenzug von den für Käufer und Händler gleichermaßen attraktiven Maßnahmen profitieren, in die das Zahlverfahren aufgrund der flexibler gestalteten Entgelte investieren kann.

s-30_grafik-1_die_rolle_des_bum_07-2020_vxl.jpg

Aus diesem Grund besteht ein wesentlicher Vorteil des Verhandlungsmodells darin, dass es analog zu den unilateralen Entgelten nicht unter die Interchange-Regulierung fällt. Grundprinzip ist, dass jeder Händler mit den Käuferbanken die Preise frei und unabhängig verhandeln kann und muss. Standardpreise des Zahlverfahrens werden nicht vorgegeben.

An der Absprache sind bei Paydirekt aktuell neben dem Händler sechs weitere Parteien beteiligt: drei Käuferbanken (Commerzbank, Deutsche Bank und HVB Unicredit) und drei sogenannte Bankenkonzentratoren als Verhandlungsführer für die genossenschaftlichen Banken (DZ Bank), die Sparkassen-Finanzgruppe (GIZS) und die weiteren Privatbanken (Targobank).

Händlerkonzentratoren als Entgelt-"Großhändler"

Einige der Händler haben dieses Verhandlungsmodell für sich genutzt, um die Entgelte nach ihren Vorstellungen erfolgreich zu verhandeln. Dies waren insbesondere, aber nicht ausschließlich, große Händler - zum Marktstart der Fokus der Vertriebsaktivitäten von Paydirekt. Mit dem stetigen Wachstum von Paydirekt meldeten sich jedoch vor allem kleine und mittlere Händler zu Wort, die sich eine Alternative zum Verhandlungsmodell wünschten. Um dem entgegen zu kommen, forcierte Paydirekt den Roll-out des Händlerkonzentratorenmodells.

Der Händlerkonzentrator erleichtert Händlern die Teilnahme an Paydirekt, indem er die Funktion eines zentralen Ansprechpartners für Entgelte und Teilnahmevereinbarung übernimmt. Folglich ist es der Händlerkonzentrator, der die Entgelte mit den Zahlerbanken und Bankenkonzentratoren verhandelt. Diese Entgelte stellt er den Händlern - gegebenenfalls inklusive einer Marge für die Dienstleistung - zur Verfügung. Zudem übernimmt er die Paydirekt-Onboarding- und Vertragsprozesse sowie die Entgeltabrechnung in Richtung der einzelnen Händler. Der Kunde des Händlerkonzentrators hat damit einen Ansprechpartner und einen Preis. Handelt es sich bei dem Händlerkonzentrator zusätzlich um einen Payment Service Provider (wie es der Regelfall ist), kann sich der Händler über einen einzigen Dienstleister kaufmännisch und technisch anbinden.

s-30_grafik-2_vertragsbeziehungen_bum_07-2020_vxl.jpg

Auch ohne BaFin-Lizenz

Bei der rechtlichen Ausgestaltung bestand die Herausforderung darin, nicht nur den regulatorischen Anforderungen zu entsprechen, sondern auch die Interessen aller Beteiligten ausgewogen zu berücksichtigen. Insbesondere war darauf zu achten, dass der Händler eine unmittelbare Zahlungsgarantie der Bank erhält, dass der Händlerkonzentrator nicht bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Ba-Fin) lizenzpflichtig wird und dass keine (umsatz)-steuerlichen Nachteile entstehen. Dies konnte dadurch erreicht werden, dass der Händlerkonzentrator (Standardmodell) der Kommissionär der Leistungen der Zahlerbanken ist und der Händler der Kommittent.

Für Payment Service Provider eröffnet sich mit dem Händlerkonzentrator ein attraktives Geschäftsfeld, was eine neue Art der Ertragsströme und zusätzliche Kundenbindung möglich macht. Zudem können sie ihren Händlern den Zugang zu einem attraktiven und im Hinblick auf die Gesamtkosten äußerst preiswerten Zahlverfahren ermöglichen und erleichtern. Gleichzeitig können sie auch von einem Brand Spill Over der Marken der deutschen Banken und Sparkassen profitieren. Für nicht lizensierte PSPs ist zudem interessant, dass dies auch ohne eine Lizenz der BaFin zulässig ist.

Effizienzvorteile dank Händlerkonzentrator

Das Konzept der Transaktionskosten nach Coase ist ein hilfreiches Framework, um zu untersuchen, ob das Konstrukt des Händlerkonzentrators einen Mehrwert für die Händler generiert.

Im Folgenden sollen daher die Direktverhandlungen und die Nutzung eines Händlerkonzentrators gegenübergestellt werden. Der Vergleich entlang der hier besonders relevanten Faktoren für die Transaktionskosten legt nahe, dass insbesondere kleinere Händler Einsparungen realisieren könnten. Diese Einsparungen ergeben sich unter anderem durch eine Fixkostendegression, da die Kosten der Verhandlungen mit den Zahlerbanken und Bankenkonzentratoren über viele Händler verteilt werden können.

Zudem werden zusätzliche Komplexitätskosten für das vollständige Management einer neuen Zahlart vermieden. Gleichzeitig legt die Bündelung der Verhandlungsmacht und die vermutlich größere Verhandlungsexpertise der Händlerkonzentratoren nahe, dass die vom Händlerkonzentrator verhandelten Entgelte niedriger sind, als wenn ein einzelner, kleinerer Händler direkt verhandelt.

Dem steht entgegen, dass der Händlerkonzentrator diese Vorteile gegebenenfalls durch die von ihm aufgeschlagene Marge (über)kompensieren könnte. Als Korrektiv hierfür sollte der Wettbewerb der Händlerkonzentratoren untereinander wirken.

Da die Paydirekt Entgelte der Banken und die Preise der Händlerkonzentratoren aus kartellrechtlichen Gründen nicht öffentlich sind, muss die Frage der Weitergabe der Effizienzvorteile indirekt analysiert werden. Auf Nachfrageseite bietet es sich an, das Verhalten der Händler auszuwerten und so zu ermitteln, ob ein ausreichender Anteil der Effizienzvorteile an die Händler weitergegeben wird. Schließlich ist es Teil des Kerngeschäfts von Händlern, Waren und Dienstleistungen zu möglichst attraktiven Konditionen einzukaufen. Auf Angebotsseite wird die Struktur des Marktes für Händlerkonzentratoren untersucht. Ziel war es zu bewerten, ob die strukturelle Wettbewerbsintensität für die Händlerkonzentratoren eine ausreichende Motivation darstellt, um einen wesentlichen Anteil der Effizienzvorteile des Modells an die Händler weiterzugeben.

Vor allem von kleinen Händlern genutzt

Für die Analysen im Folgenden wurden aktive Händler und deren Umsätze im Zeitraum von Anfang Februar 2019 bis Ende Januar 2020 ausgewertet. Ziel war es, saisonale Schwankungen der Umsätze (Weihnachtseffekt) durch eine Zwölf-Monats-Betrachtung zu berücksichtigen.

Die erste Analyse zeigt, dass das Händlerkonzentratormodell ein Erfolgsmodell ist: 93 Prozent der Händler haben dieses im Vergleich zum Direktmodell genutzt.

Bezüglich des Umsatzes der Händler ergibt sich - auf den ersten Blick - ein differenziertes Bild: Die über die Händlerkonzentratoren angeschlossenen Händler machen nur 35 Prozent des Umsatzes des Verfahrens aus. Analysiert man die resultierende durchschnittliche Größe der Händler (gemessen am Verhältnis von Anteil des Händler-Umsatzes zu Anteil der Händler-Anzahl), so bestätigt dies aber nur die Hypothese, dass die Vorteile des Händlerkonzentrators für kleine und mittlere Händler besonders ausgeprägt sind: Diejenigen Händler, die über den Händlerkonzentrator angebunden sind, machen im Durchschnitt nur 38 Prozent des Umsatzes des durchschnittlichen Händlers.

s-31_grafik-3_paydirekt-haendler_bum_07-2020_vxl.jpg

Eine Untersuchung der Einzeldaten zeigt aber auch, dass gleichzeitig einige große und erfahrene Händler den Händlerkonzentrator nutzen. Dies mag damit zusammenhängen, dass diese das Verfahren zunächst testen, im Bewusstsein, eine (Real-)Option zu haben: Nachdem das Verfahren ausreichend Volumen erreicht hat, können sie nämlich immer noch testen, ob sie über Direktverhandlungen zusätzliche Einsparungen erreichen können.

Der Wettbewerb funktioniert

Auch bezüglich der Wettbewerbsintensität unter den Händlerkonzentratoren gibt es Indikatoren, die nahelegen, dass der Wettbewerb unter ihnen funktioniert. Aktuell sind 12 Händlerkonzentratoren aktiv, darunter viele profilierte und bekannte PSPs. Eine erste Analyse der einzelnen Händlerkonzentratoren zeigt, dass sieben von ihnen über 90 Prozent der Händler und gleichzeitig über 90 Prozent des Händlerumsatzes, der über Händlerkonzentratoren abgewickelt wird, auf sich vereinen. Diese wurden weiter untersucht.

Die Untersuchung der sieben wichtigsten Händlerkonzentratoren nach Größe der betreuten Händler (auch hier gemessen am Verhältnis von Anteil des Händler-Umsatzes zu Anteil der Händler-Anzahl) ergibt drei unterschiedliche Typen von Händlerkonzentratoren:

- drei Großkunden-Spezialisten mit durchschnittlich mindestens doppelt so viel Umsatzanteil wie Anteil an der Händleranzahl,

- ein Allrounder mit Fokus sowohl auf große als auch auf kleinere Händler sowie

- drei Händlerkonzentratoren mit Breiten-Fokus und einem durchschnittlich höheren Anteil an der Händleranzahl im Vergleich zum Umsatzanteil der über sie angeschlossenen Händler

Somit ergibt sich folgendes Bild: Kleinere Händler haben vier Händlerkonzentratoren, die auf diese fokussiert sind - drei mit Breitenfokus und einen Allrounder. Die größeren Händler haben ebenfalls vier Händlerkonzentratoren mit einem Schwerpunkt auf ihrem Segment: drei Großkundenspezialisten und den Allrounder. Gleichzeitig zeigen die Existenz und der Erfolg des Allrounders, dass keine signifikanten Barrieren zwischen den beiden Teilsegmenten des Marktes bestehen. Folglich kann ein Spieler, der aktuell nur auf ein Teilsegment fokussiert ist, mit überschaubarem Aufwand auch in den Wettbewerb des anderen Segments im Markt für Händlerkonzentratoren eintreten. Das Wissen um diese Tatsache stellt einen weiteren indirekten Wettbewerbsdruck sicher.

Daher erscheint ausreichend struktureller Wettbewerb gegeben zu sein, wenn selbst bei einer Betrachtung der Teilmarktsegmente mehr als drei Wettbewerber pro Segment um die Händler konkurrieren. Damit kann davon ausgegangen werden, dass ein wesentlicher Anteil der Effizienzvorteile des Händlerkonzentratormodells an die Händler weitergegeben wird.

Der Erfolg des Händlerkonzentratorenmodells zeigt den Bedarf an unkomplizierten Lösungen für kleine und mittlere Händler. Daher hat Paydirekt das Händlerkonzentratorenmodell bereits - zusätzlich zu den traditionellen PSPs - auch für die Collecting PSPs geöffnet. Zudem soll es in Zukunft auch eine Lösung geben, in der sich kleine Händler mit Hilfe eines Händlerkonzentrators direkt an Paydirekt anbinden können. Auf diese Weise können die Verträge und Prozesse noch weiter vereinfacht werden.

Fußnoten

1) Verordnung (EU) 2015/751 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2015 über Interbankenentgelte für kartengebundene Zahlungsvorgänge.

2) Ein Beispiel kann ein effektives Fraud Prevention System sein, das es ermöglicht, in der überwiegenden Zahl von Fällen auf eine Zwei-Faktor-Authentifizierung zu verzichten, welche für Kunden oft eine Hürde im Kaufprozess darstellt.

3) Vertragsschluss ist mit jeder Zahlerbank individuell (identische Verträge bis auf individuelle Entgeltvereinbarungen).

4) Hier insbesondere IF-VO, Kartellrecht, KWG, ZAG und GwG.

5) Vgl. Gesamtkosten von Zahlungsverfahren im deutschen E-Commerce 2019, Ibi research.

6) Nicht zu verwechseln mit den Gebühren pro Transaktion. Vgl. Coase, Ronald H., The Firm, S. 33-55.

7) Dabei wurden Datensätzen mit nicht eindeutiger Datenlage von der Betrachtung ausgeschlossen. Stichproben lassen vermuten, dass dadurch keine systematische Verzerrung entsteht ?

Der Autor bedankt sich bei Andreas Blank und Oxana Ott für die Unterstützung.

Dr. Niklas Bartelt, Mitglied der Geschäftsführung, Paydirekt GmbH, Frankfurt am Main
Dr. Niklas Bartelt , Senior Advisor, Dozent, EBS Business School, EBS Universität für Wirtschaft & Recht, Wiesbaden , DZ Bank, Frankfurt am Main

Weitere Artikelbilder

Noch keine Bewertungen vorhanden


X