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Der Schweizer Kartenmarkt aus Sicht von Mastercard

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Der Schweizer Kartenmarkt ist von einer hohen Affinität der Verbraucher für bargeldloses Zahlen geprägt. Weil gleichzeitig auch die Verbreitung von Smartphones sehr hoch ist, ist die Offenheit auch für neue Bezahlverfahren hoch, so Guido Müller. Innovationen finden jedoch fast ausschließlich im Kreditkartenbereich statt, da die nationale Wettbewerbsbehörde Weko für Maestro keine Interchange genehmigt hat. Red.

Die Schweiz ist mit 8,2 Millionen Einwohnern eines der kleineren Länder innerhalb von Kontinentaleuropa. Gemessen an den Transaktionsvolumina, die in der Schweiz elektronisch abgewickelt werden, ist das Land aber heute schon sehr bedeutsam und liegt im oberen europäischen Mittelfeld. Dies liegt daran, dass die Schweizer besonderes affin sind für bargeldloses Bezahlen. Nahezu jeder Einwohner besitzt eine Debitkarte - meist eine Maestro-Karte - und die Zahl der Kreditkarten, die in der Schweiz im Umlauf sind, ist mit fast sechs Millionen ebenfalls außergewöhnlich hoch.

Noch bedeutsamer ist aber, dass die Karten immer häufiger eingesetzt werden - sei es physisch im Ladengeschäft, im E-Commerce oder im wachsenden M-Commerce. Zudem sind die Schweizer häufig über die Landesgrenzen hinaus unterwegs - sei es auf Geschäfts- oder Privatreisen. Dies macht internationale Standards notwendig, damit die Debit- und Kreditkarten nicht nur in der Schweiz und Europa, sondern rund um den Globus problemlos eingesetzt werden können. Das Gleiche gilt für den stetig wachsenden Onlinehandel.

Gleichzeitig wird die Schweiz von Millionen von Touristen und Geschäftsreisenden besucht, welche ihrerseits die Akzeptanz von internationalen Bezahlkarten erwarten. Entsprechend gut ist die Schweiz heute schon mit Terminals ausgestattet, die zu den modernsten in Europa gehören. Die Gesamtzahl der von allen Acquirern gemeldeten Terminals liegt heute bei weit mehr als 100 000, wovon bereits mehr als 60 Prozent für kontaktloses und mobiles Bezahlen genutzt werden können. Ab 2016 werden alle neu ausgelieferten Terminals NFC-fähig sein. Bis 2020 werden schließlich alle noch nicht NFC-fähigen Terminals gegen NFC-fähige ausgetauscht sein. Durch diese schrittweise durchgeführte Anpassung wurde dem Schweizer Markt die Neuerung bereits früh vorgestellt, damit alle Parteien genug Zeit haben, sich mit den neuen Vorteilen und Möglichkeiten vorab vertraut zu machen.

Die Schweiz steht ebenso wie viele andere Märkte vor einem grundlegenden Wandel, der durch die voranschreitende Digitalisierung der Gesellschaft getrieben wird. Wir sind Teil einer digitalen Revolution, die durch die Verfügbarkeit neuer Technologien und Anwendungen angetrieben wird, nahezu alle Lebensbereiche und -phasen betrifft und sich zunehmend auch auf das Konsumentenverhalten auswirkt.

Interaktion statt reiner Transaktion

In der Schweiz nutzen heute schon rund 75 Prozent der Frauen und 85 Prozent der Männer das Internet nahezu täglich. 42 Prozent der Schweizer Bevölkerung sind nach Schätzungen auf Facebook aktiv, etwas weniger bei Twitter, um sich zu informieren, auszutauschen und miteinander zu kommunizieren. Fast jeder Schweizer besitzt zudem ein Smartphone oder Tablet, 99 Prozent empfangen das Mobilnetz, 97 Prozent mit 3G oder 4G. Im Durchschnitt haben die Schweizer 40 Apps auf ihrem Smartphone, 9 davon kostenpflichtig, womit sie eher bereit sind, für Applikationen zu bezahlen als Smartphone-Nutzer in vielen anderen Ländern.

Das Ergebnis dieser Digitalisierung ist das Folgende: Wie Verbraucher heute Waren und Dienstleistungen konsumieren, hat sich ebenso gewandelt wie die Art und Weise, in der sie der Handel heute anbietet. Statt sich lediglich dem Ladengeschäft (Point of Sale) zu widmen, vernetzen Unternehmen mittlerweile sämtliche Vertriebs- und Kommunikationskanäle. Verbraucher bestellen und nutzen heutzutage parallel diverse Kanäle, von Webseiten über Social Media, Online-Shops bis hin zu Auktionsplattformen oder auch spe ziellen Apps über mobile Endgeräte. Infolge dessen bedienen sich immer mehr Unternehmen paralleler Absatzkanäle, wodurch die physische sowie die E-Commerce- und M-Commerce-Welt zunehmend zusammenwachsen. Die Werbeaktion von Coop, welche im letzten Jahr am Hauptbahnhof Zürich einen "virtuellen Supermarkt" errichtete, ist hierfür ein gutes Beispiel.

Mobiles Bezahlen kommt zunehmend an

Schon heute liegt der der Fokus nicht mehr allein auf dem Bezahlvorgang, sondern auf dem Gesamterlebnis des Kaufprozesses, das heißt vor, während und nach dem Einkauf. Während traditionelle Kartenprodukte wenig Interkation während des Einkaufsprozesses zulassen (primär "Transaktion genehmigt, abgelehnt"), bieten vernetzte Geräte wie Mobiltelefone die Möglichkeit vertiefter Interaktion mit dem Kunden - und notabene der Bank: Kommunikation der verfügbaren Einkaufslimits, Coupons der Händler, Information zum Bonusprogramm der Banken oder direkte Rückbestätigung zur Budgetkontrolle und Einbindung der bankeigenen PFM-Lösung (Personal Financial Management).

Auch in der Schweiz gewinnen mobile Angebote vermehrt an Bedeutung. Gemäß einer im Rahmen des PoS-Reports 2014 durchgeführten Befragung am Verkaufspunkt haben 52 Prozent der Konsumenten angegeben, mindestens eine Shopping-App auf ihrem Smartphone zu haben. 18 Prozent der Befragten haben sogar vier oder mehr installiert. Jeder zweite Schweizer nutzt die kostenlose SBB-App auf seinem Smartphone, und 8 Prozent aller Ticketverkäufe finden über die App statt. Diese zunehmende Bedeutung von mobilen Bezahllösungen in der Schweiz zeigte sich auch im Top App Index, welcher von Mastercard im ersten Quartal 2015 veröffentlicht wurde und die besten Applikationen aus insgesamt 36 Ländern untersuchte. Die Schweizer Schokoladen-App Chocogreets schaffte es mit ihrem Angebot europaweit in die obersten Ränge, unter anderem da sie Zahlungsmöglichkeiten über ein Digital Wallet anbietet. Durch solche Auszeichnungen wird klar, dass auch mobiles Bezahlen in der Schweiz zunehmend ankommt und dabei ist, sich weiter zu verbreiten. Hinzu kommen Entwicklungen, die durch neue Marktteilnehmer vorangetrieben werden und bestehende Geschäftsmodelle infrage stellen oder gar obsolet machen, wie sich beispielsweise im Taxi-Bereich mit Uber gezeigt hat.

Im Zahlungsverkehr zeigt sich die aufgezeigte Digitalisierung dadurch, dass Startups, Fintechs und größere Retailer immer wieder neue Möglichkeiten lancieren, um das Einkaufserlebnis neu zu gestalten, bessere Kontrolle und Transparenz zu ermöglichen, Informationen bereitzustellen und schließlich auch die Bezahlung sicher und einfach zu gestalten.

Weltweit unter den Top 10 beim kontaktlosen Zahlen

Bislang sind die Partnerbanken in der Schweiz sehr gut positioniert. Dies liegt vor allem daran, dass Konsumenten den Banken vertrauen, wenn es um Geld und Daten geht, was mehrere unabhängige Studien, wie zum Beispiel die der FH Luzern aufzeigen. Beides verbleibt in den sicheren Systemen der Banken. Mastercard wird ebenfalls ein besonders hohes Vertrauen entgegengebracht, wenn es um die Abwicklung und Übermittlung der Bezahlungen geht. Hier profitieren wir von der weltweiten Präsenz in über 210 Märkten und den internationalen Standards - vor allem bei der Sicherheit, die das weltweite Zahlungsverkehrsnetz bietet. Diese Vorteile gilt es gemeinsam mit allen Partnern weiter auszubauen, damit die Schnittstelle zum Kartenbesitzer noch attraktiver gestaltet werden kann.

Gleichzeitig hat sich die Zusammenarbeit mit allen Partnern bei der Einführung von kontaktlosem Bezahlen bewährt. So gewinnt kontaktloses und mobiles Bezahlen auch in der Schweiz zunehmend an Bedeutung. Alleine 2014 wurden 250 Prozent mehr Karten für kontaktlose Bezahlvorgänge eingesetzt als im Vorjahr. Mit dieser Aktivitätssteigerung hat sich die Schweiz weltweit in die Top 10 katapultiert, was die Nutzung von kontaktlosen Bezahlprodukten betrifft. Alleine im vierten Quartal 2014 wurden fast eine Million kontaktlose Bezahlvorgänge oder "Taps" an den NFC-fähigen Bezahlstellen über Mastercard-Produkte abgewickelt.

Als nächstes wird Mastercard mit den Partnern bei den Banken und im Handel daran arbeiten, Masterpass für den Schweizer Markt zu lancieren, um dem sich wandelnden Konsumentenverhalten noch besser gerecht werden zu können. Dadurch wird sichergestellt, dass wir auch in Zukunft die bevorzugten Anbieter für unsere Kartenbesitzer bleiben.

Masterpass bietet den Händlern als fortschrittliche Zahlungstechnologie die Option, das Wallet-System direkt in den Online-Shop zu integrieren. Der Kunde füllt seinen Warenkorb, geht zur Kasse und kann mit wenigen Klicks den Bezahlvorgang abwickeln. Dies macht vor allem den Einkauf über mobile Endgeräte nutzerfreundlicher und wesentlich schneller. Betrachtet man, dass bereits 80 Prozent der Schweizer Bevölkerung auf mobiles Internet zugreifen (75 Prozent via Smartphone und 42 Prozent via Tablet), dient ein bequemes und sicheres Zahlsystem als solider Wettbewerbsfaktor für Online-Händler. Zudem wird der Zahlungsvorgang stets über die gesicherten Netzwerke der Banken abgewickelt, was den Konsumenten ein großes Anliegen ist im Hinblick auf Sicherheit und Datenschutz.

Masterpass als digitale Plattform bietet auch den Banken eine echte Alternative für Online-Bezahlvorgänge. Durch diese Entwicklungen gewinnt der Zahlungsverkehr noch stärker an Bedeutung. Masterpass hilft die Schnittstelle zwischen Bank und Kunden auch im E-Commerce zu festigen und in der Markenwelt der Bank zu platzieren. Die Plattform von Mastercard wurde in Zusammenarbeit mit größeren Banken, Händlern und Mobilfunkanbietern entwickelt und ist heute bereits in 16 Ländern ein fester Bestandteil der Infrastruktur.

Nationale Infrastruktur auf internationale Entwicklungen vorbereiten

Spätestens mit der Ankündigung und Lancierung von Apple Pay in den USA wird offensichtlich, dass die weltweiten Entwicklungen und internationalen Standards im Zahlungsverkehr immer mehr einen maßgebenden Einfluss auf die zur Verfügung stehenden Lösungen auf dem Schweizer Markt haben und weiter haben werden. Dabei muss es ein zentrales Anliegen sein, dass die nationalen Infrastruktur auf internationale Entwicklungen vorbereitet ist, auch um weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben. Mastercard arbeitet sehr intensiv daran, mit dem Setzen von Standards und der starken Innovationstätigkeit stets eine Schlüsselrolle innezuhaben. Bislang ist weder Apple Pay noch Samsung Pay in Europa verfügbar. Die Banken haben die Möglichkeit, sich dennoch bereits heute auf diese Einführung vorzubereiten, um ihren Kunden langfristig die neusten technischen Lösungen zur Verfügung zu stellen. Mastercard stellt hierfür die erforderlichen Elemente des "Betriebssystems" zur Verfügung, insbesondere die Sicherheit des eigentlichen Bezahlvorgangs betreffend.

Dabei ist MDES (Mastercard Digital Enablement Service) eine notwendige Technologie, welche sicherstellt, dass keine echte PAN (Primary Account Number) übermittelt wird und de facto jede Transaktion ebenso sicher macht wie die bisherigen EMV-Transaktionen. Zudem ist MDES schnell und auf bestehende Zahlungsinfrastruktur skalierbar sowie auch für Cloud-Based-Payments oder EMV-ähnliches Bezahlen in-App oder im Browser (Mastercard Secure Remote Payment).

Ohne Interbankenentgelt wenig Innovation bei Debit

Ein weiterer Fokus in der Schweiz wird auf der Entwicklung von Debit-Produkten liegen - hier müssen Alternativen und neue Angebote geschaffen werden, welche noch optimaler auf die Bedürfnisse der Kartenbesitzer eingehen. Bisher finden in der Schweiz Innovationen und Neuentwicklungen primär auf der Kreditkartenseite statt, was unter anderem damit zusammenhängt, dass Maestro ohne Interbankenentgelt agieren muss. Die seit dem Jahr 2008 geplante Einführung eine Interchange für Maestro-Karten wurde von der Wettbewerbskommission Weko nicht autorisiert, während im EU-Raum deutlich höhere Gebühren für nationale Transaktionen mit Debitkarten erhoben werden.

Das bis heute fehlende Interbankenentgelt sorgt für Ertragsausfälle bei Kartenherausgebern, sodass diese nicht länger kostendeckend arbeiten können, ohne etwa ihre Dienstleistungen und Preise anzupassen. Aus diesem Grund fehlen den Banken für die Weiterentwicklung ihrer Debit-Produkte Investitionsanreize.

Da die Schweiz kein Mitglied der EU ist, basiert das Rechtssystem, an welchem sich Institutionen und Unternehmen orientieren, auf dem Schweizer Banken- und Finanzmarktrecht. Dennoch wurden maßgebliche Richtlinien und Verordnungen der EU aufgenommen, um in der EEA-Region (European Economic Area) wettbewerbsfähig zu bleiben. Hierfür wurden unter anderem die Regulationen des Schweizer Kartenmarkts der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB) und der SNB angepasst. Zudem wurden zahlreiche weitere Mindeststandards eingeführt. Durch diese Anpassungen ist das Schweizer Kartenbusiness heute ein offener Markt, welcher im europäischen Raum wettbewerbsfähig ist. Daher sorgt die Regulierung der Interchange Fees in der Schweiz, insbesondere bei den Debitkarten, regelmäßig für Schlagzeilen, während die Produkte zunehmend verschmelzen.

Zudem sind Regulierungsbehörden in den regulierten Märkten den Beweis dafür schuldig geblieben, dass die beabsichtigte Entlastung auch beim Endverbraucher angekommen ist und nicht primär die großen, internationalen Handelsketten von den regulatorischen Eingriffen profitiert haben. Dabei sollten die Konsumenten und ihre Bedürfnisse im Mittelpunkt stehen. Abschließend bleibt die Erkenntnis, dass vernetzte, mobile Geräte besser dazu geeignet sind, das Einkaufs- oder Bezahlerlebnis vor, während und nach dem Ereignis zu gestalten. Während die Plastikkarte hier durch kontaktloses Bezahlen an Attraktivität gewinnt, wird diese durch intelligente mobile Endgeräte ergänzt und letztlich abgelöst. In jedem Fall wollen wir weiterhin der wichtigste Lösungsanbieter und Partner für die Banken, Acquirer und Händler bleiben - klassisch, online und mobil.

Zum Autor

Guido Müller, General Manager Schweiz, MasterCard Europe, Zürich

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