BEZAHLEN IM NEUEN JAHRZEHNT

"Bezahlen mit Wearables ist noch bequemer als mit dem Smartphone" Interview mit Claudia Kaub

Claudia Kaub, Foto: Wirecard

Noch ist Mobile Payment in Deutschland kein Massenphänomen und wird vorwiegend von Männern genutzt. Das will Wirecard durch die Zusammenarbeit mit dem Uhrenhersteller Swatch ändern. Zum einen ist das Bezahlen per Uhr noch bequemer als mit dem Smartphone, zudem sind die entsprechenden Uhren von Swatch erheblich preiswerter als Smart Watches, sodass die Einstiegshürde geringer ist. Eine Hürde für die Verbreitung sieht Claudia Kaub weder in dem Erfordernis zweier verschiedener Apps noch in der Tatsache, dass die Freischaltung der Uhr für das mobile Bezahlen nur vor Ort in einem Swatch Store erfolgen kann. Die Interchange wird bei Swatch Pay für Wirecard zum durchlaufenden Posten - zumindest dann, wenn die Aufladung der virtuellen Kreditkarte über eine andere Karte erfolgt. Red.

Der deutsche Markt ist nicht eben dafür bekannt, Payment-Innovationen frühzeitig einzuführen. Weshalb startet Swatch Pay nach dem Swatch-Heimatmarkt Schweiz und China in Europa gerade in Deutschland?

Mit Boon hat Swatch in Deutschland einen innovativen, starken Partner, mit dem sie die Einführung von Swatch Pay zügig umsetzen konnten.

Wie bewerten Sie den Markt für Mobile Payment in Deutschland derzeit? Kann man schon von einem echten Durchbruch sprechen oder ist das mobile Bezahlen bislang doch immer noch etwas für Early Adoptersalso eher für technikaffine Männer?

Seit dem Launch von Apple Pay in Deutschland hat das Thema Mobile Payment stark an Bekanntheit gewonnen und die Nutzung steigt kontinuierlich. Dennoch ist Mobile Payment in Deutschland noch kein Massenphänomen und wird vorwiegend von Männern genutzt.

Dass die Nutzung im Vergleich zu anderen europäischen Ländern noch hinterherhinkt, ist neben Sicherheitsbedenken auch darauf zurückzuführen, dass viele gar nicht wissen, dass man mittlerweile auch in Deutschland fast an allen Kartenterminals mobil bezahlen kann.

Wie wollen Sie die breite Masse der Menschen erreichen?

Genau dafür setzen wir auf Swatch Pay.

Inwiefern kann Swatch Pay die Zielgruppe über die technikaffinen Männer hinaus erweitern beziehungsweise das mobile Bezahlen bekannter machen? Kaufen nicht doch wieder vor allem "die üblichen Verdächtigen" die Uhr?

Swatch hat eine loyale Fangemeinschaft und eine breite Zielgruppe über alle Alters- und Interessengruppen hinweg. Das ist natürlich sehr hilfreich, um das Thema Mobile Payment an die Masse der Verbraucher heranzutragen.

Auch andere Lösungen wir Garmin Pay oder Fitbit Pay setzen auf Wearables beim Zahlen. Welchen Marktanteil im Bereich Wearables kann oder soll Swatch Pay erreichen?

Das ist eher eine Frage für Swatch. Wir freuen uns, dass wir unsere Mobile-Payment-Lösung mit diesen beliebten Wearables integriert haben.

Welche Rolle können Wearables überhaupt im Bereich Mobile Payment spielen? Sind sie eher ein zusätzlicher Träger der Zahlungsinformationen für ganz spezielle Einsatzbereiche, etwa im Schwimmbad oder am Strand - oder haben sie das Zeug dazu, sich im Alltag fürs "normale" Bezahlen durchzusetzen?

Bei den Boon-Nutzern haben Wearables von Anfang an eine große Rolle gespielt. Das Bezahlen mit dem Wearable ist im Vergleich zum Bezahlen mit dem Smartphone noch bequemer, weshalb rund 30 Prozent der Nutzer das Wearable nicht nur für spezielle Einsatzbereiche nutzen, sondern auch darüber hinaus im Alltag.

Weshalb brauchen Nutzer von Swatch Pay dafür zwei unterschiedliche Apps?

Swatch und Boon sind zwei unterschiedliche Systeme. Boon ist eine digitale Prepaid Mastercard, die auch mit anderen Wallets verwendet werden kann.

Ist die Notwendigkeit, zwei Apps zu nutzen, aber nicht wieder eine zusätzliche Hürde?

Bei anderen Wallets werden ebenfalls zwei Apps benötigt: zum einen die Wallet an sich und zweitens das Bezahlmittel (also zum Beispiel eine Kreditkarte), das der Wallet hinzugefügt wird.

Ein Ansatzpunkt bei Boon war ja ursprünglich unter anderem, Apple Pay auch dann nutzen zu können, wenn Apple Pay im eigenen Heimatmarkt noch gar nicht verfügbar ist und/oder die eigene Bank Apple Pay nicht unterstützt. Wie hat sich der Marktstart von Apple in Deutschland auf die Nutzung von Boon ausgewirkt?

Der Marktstart von Apple Pay in Deutschland war sogar sehr positiv für Boon, da Boon nun für alle zugänglich ist und nicht nur für eine kleine Gruppe derjenigen, die über einen nicht ganz unkomplizierten Umweg Apple Pay in Deutschland nutzen wollten.

Welcher Anteil der Nutzer von Boon nutzt eine iOS-Version der App beziehungsweise die Android-Version?

Die Anzahl der iOS Nutzer ist deutlich größer als der Android-Nutzer.

Erwarten Sie, dass das so bleibt?

Auch wenn es mehr Android Smartphones als i-Phones gibt, liegen die i-Phone-Nutzer immer noch vorn bei den Themen App-Nutzung und Mobile Commerce. Ich gehe deshalb davon aus, dass das auch erst einmal im Bereich Mobile Payment so bleiben wird.

Welches Zahlungsmittel hinterlegen Nutzer üblicherweise in der App - eher eine Kreditkarte, eine Debitkarte oder ein Bankkonto? Wie teilt sich das in etwa auf?

In der Regel laden die Nutzer häufiger per Kredit- oder Debitkarte auf als per Banküberweisung.

Bei Transaktionen über Swatch Pay beziehungsweise Boon wird eine virtuelle Mastercard generiert. Beim Bezahlen geht die Interchange dann also an Wirecard? Erhält die kartenausgebende Bank eine Interchange, wenn das Boon-Konto über eine Karte aufgeladen wird? Wie rechnet sich das Modell dann für Wirecard? Die Interchange vom Händler wäre dann ja quasi nur ein durchlaufender Posten ...

Das Bezahlen mit Boon beziehungsweise das Aufladen von Boon verhält sich wie jedes andere Kreditkartengeschäft. Das heißt: Beim Bezahlvorgang fließt die Interchange an Wirecard. Im Gegenzug ist das Aufladen eine Transaktion, bei der Wirecard die Interchange an die kartenausgebende Bank zahlt, wenn das Aufladen über eine Kredit- oder Debitkarte erfolgt.

Wir möchten zukünftig über Mehrwertdienste Umsätze generieren.

Künftig soll es auch kostenpflichtige Services für Nutzer von Swatch Pay geben. In welche Richtung denken Sie da? Geht es in Richtung "Lifestyle"-App wie bei Alipay?

Swatch Pay bleibt kostenlos. Zur zukünftigen Weiterentwicklung des Angebots und der Swatch-Pay-App wäre Swatch der beste Ansprechpartner.

Die Aktivierung des NFC-Chips in der Swatch-Uhr muss in einem Swatch Store erfolgen. Wie stark limitiert das die Zahl der möglichen Nutzer - vor allem im ländlichen Raum?

Es gibt bundesweit 24 Swatch-Verkaufsstellen - in allen Großstädten und auch kleineren Städten. Somit haben wir eine sehr gute Abdeckung.

Wie könnte eine mögliche Lösung für online erworbene Uhren aussehen - und in welchen Zeitraum ist so etwas realistisch?

Die Swatch-Pay-Modelle sind seit dem 19. Dezember 2019 auch im Online-Shop erhältlich. Diese können dann weiterhin an allen 24 Swatch-eigenen Verkaufsstellen aktiviert werden.

Claudia Kaub, Head of Consumer Solutions, Wirecard AG, Aschheim
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