Zum Regionalprinzip der Verbundinstitute - eine aktuelle Bewertung

Prof. Dr. Urban Bacher, Foto: Thomas Niedermüller

Für die deutschen Sparkassen und Kreditgenossenschaften ist das Regionalprinzip traditionell ein prägendes Strukturprinzip. Bei den Sparkassen folgt es aus gesetzlichen Vorgaben, bei den Genossenschaftsbanken aus dem Grundgedanken, dass die Genossenschaft eine Selbsthilfeeinrichtung für die Genossen vor Ort ist. Nach der jüngsten Finanzkrise bescheinigen die Autoren beiden Bankengruppen eine positive Entwicklung und eine wesentliche Ausweitung ihrer Geschäftstätigkeit. Vor dem Hintergrund der wiederholten Kritik der Monopolkommission am Regionalprinzip lautet ihre aktuelle Fragestellung: Welche Stärken und Schwächen hat das auf die Region fokussierte Geschäftsmodell von Sparkassen und Kreditgenossenschaften unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklungen im Bankenmarkt. (Red.)

In ihrem XX. Hauptgutachten von 2014 hat die Monopolkommission das gesetzliche Regionalprinzip der Sparkassen und die sich verfestigenden Strukturen im Sparkassenverbund als wettbewerbsbeschränkend eingeschätzt und eine Abschaffung des gesetzlichen Regionalprinzips gefordert.1) Diese Kritik wurde im aktuellen XXII. Hauptgutachten von 2018 erneut aufgegriffen.2)

Neue Interpretation in Zeiten der Digitalisierung

Die regionale Beschränkung ist für Sparkassen und Kreditgenossenschaften ein Strukturmerkmal. Angesichts der strukturellen Änderungen im Bankenmarkt aufgrund von Digitalisierung und Globalisierung stellt sich die Frage, ob das Regionalprinzip als Strukturprinzip noch angemessen ist und regional organisierte Kreditinstitute noch wettbewerbsfähige Antworten auf diese Herausforderungen finden können.

Der vorliegende Beitrag beschreibt die dezentralen Kreditinstitute - Sparkassen und Kreditgenossenschaften - in ihrem Geschäftsmodell und in ihrer Marktstellung in Deutschland. Diese regionale Ausprägung (Regionalprinzip) im Kreditgewerbe wird beleuchtet und bewertet.

Der deutsche Bankenmarkt und das Regionalprinzip

Die Drei-Säulen-Struktur des deutschen Bankensystems: Kennzeichnend für das deutsche Kreditgewerbe ist traditionell seine ausgeprägte Drei-Säulen-Struktur. Nach der Drei-Säulen-Theorie werden Kreditinstitute nach ihrer Zielsetzung und Rechtsform einer Säule zugeordnet. Sparkassen und Landesbanken haben einen öffentlich-rechtlichen Auftrag, sind öffentlich-rechtlich organisiert und bilden die S-Finanzgruppe. Kreditgenossenschaften haben als Genossenschaften einen Förderauftrag für ihre Mitglieder und bilden mit der DZ-Bank als ihrer Zentralbank die genossenschaftliche Finanzgruppe.

Die Geschäftsmodelle dieser beiden Bankengruppen orientieren sich am Gemeinwohl (öffentlicher Auftrag der Sparkassen) beziehungsweise nach den Mitgliederinteressen (Förderauftrag der Kreditgenossenschaften). Die privaten Geschäftsbanken verfolgen in der Regel als Aktiengesellschaft ein fokussiertes erwerbswirtschaftliches Prinzip (Renditestreben/Shareholder-Value-Prinzip).3)

Geschäftsmodell der dezentralen Finanzgruppen: Sparkassen und Kreditgenossenschaften sind vorwiegend mittelgroße Kreditinstitute und agieren nach einem ähnlichen regionalen Geschäftsmodell:4) Sie finanzieren sich vor Ort über die Einlagen der Kunden, die sie bündeln und als Kredite an ihre Privat- und Firmenkunden und Kommunen vor Ort weiterreichen (realwirtschaftlich orientiertes Banking). Im Gegensatz hierzu fokussieren sich die Geschäftsbanken mehr auf Kapitalmarktaktivitäten.

Mit ihren dezentralen Geschäftsmodellen dominieren die Sparkassen und Kreditgenossenschaften das Retailbanking in Deutschland:5) So haben Sparkassen Kontoverbindungen zu etwa 50 Millionen Privatkunden und zu etwa drei Viertel aller deutschen Unternehmen. Mit 10 000 Bankstellen und 25 000 Bankautomaten sind Sparkassen in der Fläche sehr präsent. Ähnliches gilt für die Kreditgenossenschaften. Sie werden von 18 Millionen Mitgliedern getragen, haben 30 Millionen Privatkunden und zu mehr als der Hälfte der Firmen eine Kontoverbindung. In der Fläche sind sie mit 10 000 Bankstellen und 20 000 Geldautomaten verbreitet.

Mitgliederbezug als Besonderheit

Beiden Geschäftsmodellen gemein sind der regionale Bezug und die ausgeprägte Kundennähe. Kundennähe ist einerseits räumlich definiert ("wenige Kilometer zur Filiale und zum Vorstand"), andererseits wiegt die persönliche Nähe ("gleiche Sprache, Herkunft, namentliche Bekanntheit, persönliche Kontakte zu den Entscheidungsträgern"). Sparkassen und Kreditgenossenschaften agieren in einem abgegrenzten Geschäftsgebiet (Regional- und Kongruenzprinzip).

Charakteristisch für die Bankverbindung zur Sparkasse und Kreditgenossenschaft ist das Hausbankprinzip, das heißt eine langfristige, möglichst umfassende Bankverbindung, oft über Generationen hinweg. Die Bank beziehungsweise Sparkasse pflegt dabei mit ihren Kunden ein besonderes Informations- und Vertrauensverhältnis. Besonderheit der Kreditgenossenschaft ist zudem deren Mitgliederbezug: Die Mitglieder sind die Eigentümer der Kreditgenossenschaft. Die Kreditgenossenschaft ist eine genossenschaftliche "Selbsthilfeeinrichtung" mit dem Ziel, die Mitglieder zu fördern (§ 1 GenG).

Marktentwicklung deutscher Bankgruppen

Nach der Finanzkrise gab es hinsichtlich des Wachstums-, Volumen- und Risikodenkens in der deutschen Kreditwirtschaft eine Trendwende (siehe Abbildung): Statt schierer Größe wurde die Geschäftspolitik der Institute neu überdacht und das Risikomanagement neu definiert. Gerade Realkreditinstitute und Landesbanken haben seither ihr Geschäftsvolumen deutlich reduziert. Die Kreditgenossenschaften und Sparkassen haben im Gegensatz ihre Engagements ausgebaut, so dass deren Marktanteile in den letzten neun Jahren stark angestiegen sind.

Der Marktanteil im "Kreditgeschäft" stieg bei den Sparkassen von 18,2 Prozent im Jahr 2008 um 5,5 Prozentpunkte auf 23,7 Prozent im Jahr 2018, bei den Kreditgenossenschaften im selben Zeitraum von 10,7 Prozent um 6,1 Prozentpunkte auf 16,8 Prozent. In anderen Worten: In der schwierigen Zeit während und nach der Finanzkrise haben die dezentralen Institute durch eine deutliche Erhöhung ihrer Ausleihungen das Entstehen einer Kreditklemme verhindert und in der nachfolgenden Zeit der Wirtschaftserholung eben falls für eine aus reichende Kreditversorgung des Mittelstands Sorge getragen.6)

Auf dem deutschen Bankenmarkt ist seit etwa 20 Jahren eine neue, wesentliche Gruppe von wachstumsstarken Wettbewerbern hinzugekommen, die in den amtlichen Bundesbankstatistiken nicht direkt erkennbar ist: die Direktbanken. Die Direktbanken verfügen aktuell über rund 22 Millionen Kunden. Mit über 8 Millionen Privatkunden deckt die ING-DiBa (heute ING) den Markt der Direktbanken etwa zu 40 Prozent ab, neuerdings betreut die Bank auch gewerbliche Großkunden. Mit einer Bilanzsumme von über 160 Milliarden Euro zählt sie zu den Top-10-Banken von Deutschland. Zweitgrößte Direktbank ist die Deutsche Kreditbank AG (DKB), eine Tochtergesellschaft der Bayerischen Landesbank. Mit etwa 4 Millionen Kunden und einer Bilanzsumme von etwa 80 Milliarden Euro zählt die DKB zu den Top-20-Banken in Deutschland. Die weiteren Direktbanken (Comdirect/Onvista; S-Broker; DAB/Consors; Maxblue, Netbank, Flatex) legen ihren Fokus meist auf das Direktbrokerage von Wertpapieren. Direktbanken verfügen über kein eigenes Filialnetz und nutzen Kreditkarten und moderne Informations- und Kommunikationstechnologien, um Bankgeschäfte abzuwickeln. Durch ein hohes Maß an Standardisierung der Produkte und effiziente Abwicklungsprozesse können sie Kostenvorteile gegenüber den Banken realisieren, die ein Filialnetz unterhalten. Sie folgen gewöhnlich einer klaren Digitalisierungs- und Kostenstrategie. So erreichte die ING-Diba 2017 eine erstklassige Cost Income Ratio von 44 Prozent.7)

Regionalprinzip: Begriff, Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Sparkassen und Kreditgenossenschaften sind seit gut 150 Jahren die Anlaufstelle für die breite Bevölkerung in einem regional begrenzten Geschäftsgebiet. Bei den Sparkassen ergibt sich das Regionalprinzip direkt aus den landesgesetzlichen Vorgaben der Sparkassengesetze (zum Beispiel § 6 SparkG BW, § 2 SparkOBay, § 2 SpkG RP). Danach dürfen Sparkassen nur auf dem Gebiet ihrer Träger tätig werden und auch nur dort Kredite vergeben. In der Wirkung ist das ein gesetzliches Zwangskartell.8) Da nicht alle Sparkassen gleich gute Leistungen erbringen, wird der Wettbewerb insofern behindert, als ein auswärtiger Kunde am Leistungsangebot der "guten Sparkasse" nicht teilnehmen kann. Gegenargument: Das Regionalprinzip ist ein elementares Struktur- beziehungsweise Organisationsmerkmal der Sparkassenfinanzgruppe und sichert so den Gruppenwettbewerb insgesamt.

Analog zu den Sparkassen ist auch für Kreditgenossenschaften das Regionalprinzip ein prägendes Ordnungsprinzip. 9) Es ist Ausdruck der dezentralen Struktur der Genossenschaften als Selbsthilfeeinrichtung vor Ort mit den Erfolgsfaktoren Kundennähe und Hausbankfunktion. Die regionale Begrenzung folgt aus dem Zweck der Genossenschaft, ihre Mitglieder vor Ort zu fördern (§ 1 GenG). Konkret bedeutet dies, dass die Genossenschaft sich auf ihr Gebiet konzentrieren soll, um dort die Betreuung und Förderung der Kunden und Mitglieder zu bündeln.

Besonderheiten für die Kreditgenossenschaften

Im Vergleich zu den Sparkassen und deren Regionalprinzip bestehen für die Kreditgenossenschaften folgende Besonderheiten:

- Sparkassen und Kreditgenossenschaften stehen vor Ort im Wettbewerb. Die Sparkassen sind (noch) größer - durchschnittlich pro Institut etwa zwei bis drei Mal so groß - und weisen auch meist eine stärke Marktstellung auf.

- An vielen Orten agieren Volksbanken und Raiffeisenbanken noch nebeneinander (Doppelpräsenzen). Neben den Volksbanken Raiffeisenbanken agieren auf denselben Märkten die genossenschaftlichen Ständebanken (etwa Sparda-Banken, PSD, BB-Bank, apo-Bank, Kirchenbanken), die etwa ein Viertel des kreditgenossenschaftlichen Volumens ausmachen und innergenossenschaftlich einen spürbaren Wettbewerb darstellen.

- Bei Kreditgenossenschaften ergibt sich das Regionalprinzip indirekt über § 1 GenG (Förderauftrag). Bei Überprüfung der Pflichtmitgliedschaft in genossenschaftlichen Prüfungsverbänden hat das Bundesverfassungsgericht am 19. Januar 2001 festgestellt, dass die Rechtsform Genossenschaft sich durch eine "besondere Zielsetzung" auszeichnet und daher eigene "Strukturmerkmale" ausweisen kann. 10)

- Konkret ist das Regionalprinzip bei Kreditgenossenschaften in Ziffer 4 der Verfahrensregeln zum Statut der Sicherungseinrichtung (dort § 6 II 2) geregelt. Das Sicherungsstatut zielt auf Sorgfaltspflichten der Banken und insbesondere auf Kreditrisiken ab. Die Sicherungseinrichtung hat die leidvolle Erfahrung aus vielen Sanierungen gemacht, dass höhere Kreditrisiken gerade in regionenfernen Kreditengagements bestehen. In anderen Worten: Geschäfte in der Region weisen geringere Risiken auf. Grund hierfür ist, dass das Institut in seiner Region viel bessere Orts- und Kundenkenntnisse hat, sodass der Kunde, dessen Integrität, Aktions- und Wirkungskreis (Know-Your- Customer-Prinzip) sowie die Sicherheitensituation wesentlich besser eingeschätzt werden und bei Verdachtsmomenten die Bank vor Ort viel schneller gegensteuern kann. Das Regionalprinzip wird also in der Sicherungseinrichtung im Lichte des Kreditrisikos sachgerecht umgesetzt.

Aufweichung des Regionalprinzips durch die Strukturentwicklung

Sparkassen und Kreditgenossenschaften haben eine beachtliche Strukturentwicklung hinter sich: Gab es vor 20 Jahren noch 600 Sparkassen mit einer durchschnittlichen Bilanzsumme von 1,5 Milliarden Euro, so sind es heute noch 385 Institute mit einer durchschnittlichen Bilanzsumme von 2,5 Milliarden Euro. Noch gravierender ist die Strukturentwicklung bei den Kreditgenossenschaften: Während es nach Ende des 2. Weltkrieges noch etwa 20 000 Kreditgenossenschaften gab, ist deren Anzahl bis heute um über 95 Prozent auf 888 gesunken. Durch Wachstum und Fusion steigt die durchschnittliche Bilanzsumme der Kreditgenossenschaften stark an. Auch vergrößert sich der regionale Wirkungskreis des einzelnen Instituts deutlich durch die Fusion. Ergo: Die ursprünglich sehr typische Ortsgenossenschaft - Raiffeisens Kirchspiel (Pfarrbezirk) mit Warenverkehr - findet man praktisch immer weniger!

Heute sind Volksbanken Raiffeisenbanken typische Bezirks- beziehungsweise Kreisgenossenschaftsbanken mit einem Geschäftsvolumen von 500 Millionen Euro bis 3 Milliarden Euro, die durchschnittliche Bilanzsumme einer Kreditgenossenschaft beträgt 1 Milliarde Euro. 11) Zu erwähnen ist, dass ein Drittel der Kreditgenossenschaften relativ klein ist: Über 250 Kreditgenossenschaften haben heute noch weniger als 250 Millionen Euro Bilanzsumme, davon 90 weniger als 100 Millionen Euro Bilanzsumme.

Diese kleinen Kreditgenossenschaften haben damit einen eher örtlichen Wirkungskreis. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch der Hinweis, dass der Aktionsradius und die Mobilität der Kunden in den letzten Jahrzehnten enorm gewachsen sind. Seit etwa zwanzig Jahren eröffnen neue Informations- und Kommunikationstechniken ungeahnte Möglichkeiten von mobilen und digitalen Bankgeschäften. Faktisch befreien neue Techniken einen fachkundigen Kunden von (fast) jeder räumlichen und zeitlichen Beschränkung!

Ob das Regionalprinzip ein zukunftsfähiges Strukturprinzip für die Sparkassen beziehungsweise Kreditgenossenschaften ist, hängt auch von der Entwicklung des Bankenmarktes insgesamt ab. Im Vergleich zu anderen Ländern weist Deutschland eine hohe Anzahl von Banken und eine geringe Marktkonzentration auf.12) Besonderheit des deutschen Bankenmarktes sind die dominanten Marktstellungen der dezentralen Verbundgruppen - der S-Finanzgruppe und der genossenschaftlichen Finanzgruppe (vergleiche auch Abbildung zur Marktentwicklung).

Ein wesentlicher Einflussfaktor auf den Bankenmarkt ist die Bankenregulierung, die den aufsichtsrechtlichen Rahmen für die Bankgeschäfte definiert. Im Nachgang der Finanzkrise von 2008 wurde die Bankenregulierung schrittweise deutlich verschärft. Die regulatorischen Anforderungen sind teilweise nicht größenabhängig, sodass die Belastungen aus zusätzlichen Informations- und Kontrollpflichten kleinere Banken stärker treffen als größere.13)

Neue Geschäftsmodelle und Prozesse durch die Digitalisierung

Die Digitalisierung ermöglicht ganz neue Geschäftsmodelle beziehungsweise Geschäftsprozesse, die es so in der Bankenlandschaft bisher nicht gab.14) Typischerweise sind es junge Startup-Unternehmen, die diese neuen Ideen mit teilweise erheblichem Erfolg vermarkten (sogenannte Fintech-Unternehmen). Neue technische Entwicklungen im digitalen Umfeld, wie Blockchain-Technologien, eröffnen neue Anwendungen und ebnen neuen Wettbewerbern mit völlig neuartigen Geschäftsmodellen den Markteintritt.

Da diese Geschäftsmodelle in der Regel internetbasiert sind, kann auch bei Erfolg schnell eine große Skalierung erreicht werden. Die neuen Wettbewerber wachsen also nicht langsam über regionale Expansion, sondern können bei Erfolg sprunghaft Marktanteile gewinnen. Beispielhafte Kategorien hierbei sind Zahlungsdienstleistungen, Kreditvermittlungsplattformen und automatisierte Wertpapierdienstleistungen.

Zahlungsdienstleister und Plattformen

Einer der bekanntesten neuen Zahlungsdienste ist Paypal. Dieser Dienst ermöglicht das weltweite Zahlen und Empfangen von Kleinbeträgen, was häufig im Onlinehandel erforderlich ist. Weltweit machen das bereits 210 Millionen Kunden. Neben Paypal gibt es viele andere ähnliche neue Anbieter von Zahlungsdiensten, die keine Banken sind.15) Neue Anbieter von Zahlungsdiensten sind auch Internetgiganten wie Apple, Google und Amazon.

Kreditvermittlungsplattformen vermitteln als sogenannte Peer-to-Peer-Netzwerke Kredite zwischen Privatanlegern (Kreditgebern) und Privatkreditnehmern. Da die Vermittlung über Onlineplattformen im Internet erfolgt und der Vermittler meist nicht das Ausfallrisiko übernimmt, entfällt ein Teil der Zinsmarge, die eine normale Bank verlangt. Bekannte Beispiele hierfür sind die Unternehmen "Smava" oder "Auxmoney".

Ein Robo-Advisor ist eine Plattform zur automatisierten Anlageberatung, welche dem Kunden die Möglichkeit bietet, einen Anlagevorschlag, ein Musterportfolio oder eine Anlageempfehlung zu erhalten (algorithmusbasierte Wertpapierempfehlung).16) Das Depot wird dabei vollautomatisch gemanagt. Konkret wird die Diversifikation entlang der mathematischen Effizienzkurve auf Basis der Portfoliotheorie mit Aktien- und Rentenfonds bestimmt. Im Portfolio selbst finden sich vorwiegend Indexprodukte (ETF).

Stärken-Schwächen-Analyse

Stärken - Die gezeigten Veränderungen aus Regulierung und Technik führen zusammen mit gesellschaftlichen und demografischen Veränderungen zu neuen Nutzungsverhalten im Banking und auch zu völlig neuen Geschäftsmodellen. Auch Sparkassen und Kreditgenossenschaften können sich anpassen und sich der technischen Errungenschaften bedienen. Eine Zukunftsstrategie sollte auf die vorhandenen Stärken des Unternehmens setzen (Stärken stärken) und möglichst auf vorhandenen personellen und technischen Voraussetzungen aufbauen.

Für Sparkassen und Kreditgenossenschaften (im Folgenden fokussiert auf die Volksbanken Raiffeisenbanken) können folgende Stärken definiert werden:

- Hohe regionale Bekanntheit und Bedeutung als Arbeitgeber, Steuerzahler und Wirtschaftsfaktor: Durch ihre regionale Ausrichtung haben die Sparkassen und Volksbanken Raiffeisenbanken in ihren Regionen zum Teil erhebliche Marktanteile, eine hohe Bekanntheit und zahlen in erheblichen Umfang Gewerbesteuer und Körperschaftsteuer. Regional sind sie auch wichtige Arbeitgeber. Sie rekrutieren ihr Personal vor allem aus der jeweiligen Region und bieten damit qualifizierte Beschäftigungsmöglichkeiten auch im ländlichen Raum an. Insgesamt sind sie regional bedeutende Wirtschaftsfaktoren.

- Hohe Kompetenz in ausgewählten Geschäftsfeldern: Überwiegend sind die Sparkassen und Volksbanken Raiffeisenbanken im klassischen Privat- und Firmenkreditgeschäft tätig (realwirtschaftlich orientiertes Banking). Durch diese Konzentration auf ausgewählte Geschäftsfelder (Einlagengeschäft, Baufinanzierung, Mittelstandsgeschäft, Vermittlungsgeschäft) sind in diesem Geschäftsfeld entsprechende Kompetenzen vorhanden.

- Kundennähe: Durch ihre regionale Ausrichtung sind die Sparkassen und Volksbanken Raiffeisenbanken sehr nah an ihren Kunden; das gilt sowohl für die räumliche als auch für die persönliche Kundennähe.

- Stabile Ertragslage: Aus den vorgenannten Stärken ist bei vielen Kunden eine "Hausbankverbindung" entstanden. Aus diesem Hausbankprinzip entsteht verbunden mit einer stringenten Kostenkontrolle und einer ausgeprägten Fristentransformation eine stabile Ertragslage, die geringeren Schwankungen als bei anderen Banken unterliegt. Negativ auf die Ertragslage von realwirtschaftlich orientierten Kreditinstituten wirkt sich das lang anhaltende Niedrigzinsniveau aus.

Schwächen - Für die Sparkassen und Volksbanken Raiffeisenbanken lassen sich aber auch Schwächen identifizieren:

- Abhängigkeit von der regionalen Bevölkerungsentwicklung: Aufgrund der regionalen Orientierung hängt die Geschäftsentwicklung maßgeblich von der jeweils regionalen Entwicklung ab. Durch den demografischen Wandel werden einzelne Regionen deutlich unterschiedlich getroffen: Verstädterte Großräume/Metropolregionen ziehen junge Menschen an, während ländliche Regionen teilweise erheblich verlieren. In diesen ländlichen Regionen verändert sich zudem die Altersstruktur zu höheren Altersdurchschnitten.

- Entwicklung von Innovationen bei dezentraler Entscheidungsfindung: Die Entwicklung von innovativen Produkten oder Geschäftsprozessen, insbesondere im digitalen Umfeld, ist häufig know-how- und kostenintensiv. Aufgrund der dezentralen Struktur der Verbünde werden solche Entwicklungen zentralisiert. Verbände beziehungsweise die Zentralbanken (DZ Bank beziehungsweise Landesbanken) koordinieren und begleiten die Ideen und Projekte gewöhnlich. Damit eine Marktkraft und Skaleneffekte eintreten können, müssen die neuen Ideen mehrheitlich unterstützt und getragen werden. Ergo: Die Entscheidungsfindung und Umsetzung von Innovationen in dezentralen Strukturen ist zeitaufwendig und inhaltlich aufwendig zu managen.

- Abhängigkeit vom lokalen/regionalen Arbeitsmarkt: Die Arbeitskräfte, die sich für die Tätigkeit bei einer Sparkasse beziehungsweise Volksbank Raiffeisenbank interessieren, sind primär in der jeweiligen Region ansässig. Das ist einerseits eine Stärke (persönliche Kundennähe), andererseits schränkt es die verfügbaren Kapazitäten und vor allem auch die verfügbaren Kompetenzen stark ein. Besonders der Zugriff auf spezialisiertes und innovatives Wissen kann so erschwert sein.

- Abhängigkeit vom Zinsniveau: Sparkassen und Kreditgenossenschaften leben vom Zins und das Zinsergebnis dieser Institute hängt von der absoluten Zinshöhe und einem ausgeprägten Zinsstrukturkurveneffekt ab.17) Schnell stark steigende Zinsen bei einer flachen Zinsstrukturkurve können die Ertragslage der dezentralen Institute stark belasten.

Strategische Schlussfolgerungen

Der vorliegende Beitrag zeigt, dass der Großteil der Stärken und Schwächen der Sparkassen und Kreditgenossenschaften in Verbindung mit dem Regionalprinzip steht. Anders formuliert: Das Regionalprinzip ist Segen und Fluch der Sparkassen und Kreditgenossenschaften zugleich. Es ergeben sich daraus Chancen und Risiken. Eine Chance besteht aus der Nutzung der Kundennähe und der stabilen Ertragslage.

Hieraus lassen sich aus einer Position der Stärke heraus neue Produkte und/oder neue Geschäftsprozesse entwickeln. Der Schlüssel wird für die Sparkassen und Kreditgenossenschaften darin liegen, wie gut es gelingt, die lokale Kenntnis und die Nähe zu den Kunden mit der Fähigkeit zu digitalen Innovationen zu verbinden. Die Risiken bestehen darin, dass diese Chance nicht genutzt werden kann, insbesondere dass die Kombination aus Kundennähe und digitaler Innovation nicht gelingt oder dass aufgrund von Innovationen und einem aggressiven Preiswettbewerb von Drittanbietern das angestammte Geschäftsmodell erodiert.

Fußnoten

1) Monopolkommission (2014): XX. Hauptgutachten, Kap. VI-4.1, Bonn 2014, S. 679 und S. 695.

2) Monopolkommission (2018): XXII. Hauptgutachten, Bonn 2018, S. 49 ff.

3) Hartmann-Wendels, T. et al. (2015): Bankbetriebslehre, 6. Aufl. Berlin/Heidelberg: SpringerGabler Verlag. S. 27 ff.; Bacher, U. (2015): Bankmanagement, 5. Auflage, 2015, S. 20 ff., 32 ff.; Monopolkommission (2014). a. a. O. Kap. VI-2.2.2 m.w.N.

4) Statt vieler: Vgl. Bacher U. (2015), a. a. O. S. 20 ff., 145 ff.; Monopolkommission (2014), a. a. O., Kap. VI-2.2.1 m.w.N.

5) Behr, P./Schmidt, R. (2015), a. a. O., S. 5 ff.; Hartmann-Wendels, T. et al. (2015), a. a. O. S. 27 ff.; Bacher, U. (2015), a. a. O. S. 20 ff., Monopolkommission (2014), a. a. O. Kap. VI-2.2.2 m.w.N.

6) Grandke, G. (2014): Kredit- und Realwirtschaft im Spannungsfeld von Regulierung und Niedrigzinsphase. In: Kreditwesen 1/2014, S. 30.

7) Ing-Diba (2017): Konzernlagebericht und Konzernabschluss 2017, Umschlaginnenseite. Dohms, H. (2015). Die Erfindung der Einfachheit. In: Capital, Nr. 10 vom 01.10.2015, S. 98 bis 103.

8) Monopolkommission (2014), a. a. O. Rz 1924 ff.; Bacher, U. (2016), Zum Regionalprinzip bei den deutschen Kreditgenossenschaften, in: Taisch u. a. (Hrsg.) Genossenschaftliche Identität und Wachstum, IGT Luzern 2016, S. 30 ff.

9) Monopolkommission (2014), a. a. O. Kap. VI-4.3.1.2; Bacher, U. (2016), Zum Regionalprinzip bei den deutschen Kreditgenossenschaften, in: Taisch u. a. (Hrsg.) Genossenschaftliche Identität und Wachstum, IGT Luzern 2016, S. 30.

10) BVerfG Urteil 1 BvR 1759/91 vom 19. Jan. 2001 Rz. 32 ff.

11) Die Durchschnittsgröße der Spardabanken und einzelne Ständebanken sind noch wesentlich größer. So ist die apo-Bank mit über 40 Milliarden Euro Bilanzsumme die größte Kreditgenossenschaft!

12) Arts, V. (2016): Aktuelle Herausforderungen für Genossenschaftsbanken - Eine Analyse der Umwelt. Arbeitspapiere des Instituts für Genossenschaftswesen der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, S. 6 f.

13) Arts, V. (2016), a.a.O. S. 10 ff.

14) Arts, V. (2016), a. a. O. S. 17 ff.; Dorfleitner, G./Hornuf, L. (2016): FinTech-Markt in Deutschland. Berlin: Bundesministerium für Finanzen.

15) Dorfleitner, G./Hornuf., L. (2016). a. a. O. S. 46 ff.; Paul, S. (2016). Neue Finanztechnologien - Bankenmarkt in Bewegung. Wirtschaftsdienst 9/2016, S. 631 bis 647.

16) Bartz, C./Kühne, J. (2018). Digitalisierung als Chance für Vermögensverwalter. In: Kreditwesen 2/2018. S. 74 bis 76.; Dorfleitner, G./Hornuf., L. (2016). a. a. O. S. 40 ff.; Paul, S. (2016), a. a. O., S. 640 ff.

17) Vgl. Bacher, U.: Die Zinsfalle - worunter dezentrale Kreditinstitute seit 1995 leiden, in: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, Kreditwesen 1999-7, S. 342 bis 345.

Prof. Dr. Urban Bacher Professur für allgemeine Betriebswirtschaftslehre und für Finanz- beziehungsweise Bankmanagement, Hochschule Pforzheim
Prof. Dr. Robert Nothhelfer Professur für allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Hochschule Pforzheim
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Prof. Dr. Urban Bacher , Professur für allgemeine Betriebswirtschaftslehre und für Finanz- beziehungsweise Bankmanagement, Hochschule Pforzheim

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