Leitartikel

Alles beim Alten

sb - Die Zeiten, da Deutschland in Sachen Karten als unterentwickelter Markt galt, sind endgültig vorbei. Die Besonderheiten wie Debitlastigkeit und das Vorherrschen von Charge Cards gegenüber "echten" Kreditkarten mögen ausgeprägt sein. Anders heißt heute aber nicht mehr zwangsläufig rückständig. Auch der Blick in die angelsächsischen Märkte verursacht deutschen Kartenverantwortlichen keine Minderwertigkeitsgefühle mehr - mittlerweile vielleicht sogar das Gegenteil. Natürlich ist die Penetra tionsrate mit Kreditkarten in den USA deutlich höher als in Deutschland, und natürlich werden die Karten deutlich intensiver genutzt als hierzulande. Aber um welchen Preis? Fast 1 000 Millarden US-Dollar an Kreditkartenschulden haben die amerikanischen Verbraucher angehäuft. Und die Sorge bezüglich der Einbringlichkeit dieser Forderungen wächst. Die Umwandlung von American Express in eine Bank, um in den Genuss staatlicher Programme kommen zu können, ist sicher ein erstes ungutes Zeichen.

Hysterie bezüglich einer demnächst platzenden "Kreditkartenblase" scheint dennoch nicht angebracht. Experten wie Bernhard Gräf von der Deutschen Bank oder Björn Eber hard von der Luzerner Kantonalbank, um nur zwei Beispiele zu nennen, geben Entwarnung. Zum einen sind die Kreditkartenschulden - anders als die Hypothekenschulden - in Relation zu den verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte in den USA seit 2000 nicht gestiegen, sondern schwanken zwischen neun und 9,5 Prozent.

Zudem sorgen die gesunkenen Kreditzinsen für eine gewisse Entspannung, wenn auch die finanzielle Lage der privaten Haushalte zweifellos problematisch bleibt.

Auf das Geschäft mit den deutschen Karteninhabern sind diese Entwicklungen ohnehin von sehr begrenztem Einfluss. Sollten sich verbriefte Kreditkartenforderungen als "toxisch" erweisen, ginge dies in den all gemeinen Verlusten auf, stünde aber in keinem Zusammenhang mit dem eigenen Portfolio hiesiger Emittenten. Eines immerhin hat die Entwicklung bewirkt: Die Skepsis deutscher Konsumenten und Verbraucherschützer in Sachen Kartenkredit dürfte sich durch die Schreckensmeldungen aus den USA eher noch verfestigt haben. Und seitens der Emittenten wird der Revolving Credit anders als noch vor wenigen Jahren nicht mehr als Königsweg zur Verringerung der Abhängigkeit von den tendenziell sinkenden Inter change-Erträgen ausgemacht. Dass der deutsche Kartenkunde sich nicht so leicht in dieser Richtung "umerziehen" lässt, ist mit Blick auf die Sorgen der Kollegen in Übersee vermutlich leichter zu verschmerzen.

Die drängende Frage nach Möglichkeiten zur Verringerung der Abhängigkeit von der Interchange und einer Stabilisierung der Ertragslage ist damit aber noch nicht gelöst. Tabu ist der Kredit per Karte sicher auch heute nicht, allen negativen Erfahrungen im Ausland zum Trotz. Doch schon allein der Zuschnitt entsprechender Programme in Deutschland beugt einer überbordenden Schuldenlast der Karteninhaber in gewissem Maße vor; schließlich ist der Kartenkredit - der deutschen Mentalität entsprechend - in der Ausgestaltung dem Ratenkredit häufig sehr ähnlich. Und auch die Rahmenbedingungen sind nicht eben günstig: Der Markt für Konsumentenkredite stagniert. Das Wachstumspotenzial und somit der mögliche Beitrag des Zinsertrags zur gesamten Ertragssituation im Kartengeschäft ist also, wenigstens augenblicklich, begrenzt.

Trotz aller Aufregung um den US-Kartenmarkt bleibt hierzulande somit im Wesentlichen alles beim Alten. Auf der Suche nach einem Ausgleich für sinkende Interchange-Erträge ist die Jahresgebühr die wichtigste Stellschraube. Sie ist dem Kunden zwar schwer vermittelbar. Durch neue Differenzierungsmöglichkeiten bei Design, Funktionen und Zusatzleistungen gibt es aber Ansätze, den Mehrwert wirklich zu verkaufen. Erfolgreiche Beispiele gibt es.

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