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Interchange-Verdikt aus Brüssel: Unsicherheit besteht fort

sb - Es war kein Weihnachtsgeschenk für Mastercard. Am 19. Dezember hat die EU-Kommission entschieden, dass die Interchange für Mastercard- und Maestro-Transaktionen gegen die Vorschriften über wettbewerbsbeschränkende Geschäftspraktiken verstoßen. Innerhalb von sechs Monaten muss die Interchange nun abgeschafft werden. Ansonsten droht ein tägliches Zwangsgeld in Höhe von 3,5 Prozent des täglichen Gesamtumsatzes von Mastercard im vorausgegangenen Geschäftsjahr.

"Nicht grundsätzlich rechtswidrig"

Grundsätzlich rechtswidrig ist eine Inter change nach Einschätzung der EU-Kommission zwar nicht. Mit dem EU-Wettbewerbsrecht sei sie allerdings nur dann vereinbar, wenn sie zum technischen und wirtschaftlichen Fortschritt beitrage und den Verbrauchern zugute komme.

Empirische Nachweise für etwaige positive Wirkungen auf Innovation und Effizienz zu erbringen, habe Mastercard jedoch in den vier Untersuchungsjahren versäumt. Vielmehr würden die Kosten der Kartenakzeptanz für Einzelhändler künstlich in die Höhe getrieben, was letztlich die Verbraucher in Form überhöhter Preise zu zahlen hätten: Kartenenzahler würden damit zusätzlich zu ihrer Kartengebühr ein zweites Mal zur Kasse gebeten. Und letztlich müssten auch Barzahler somit die Kosten der Kartennutzung tragen.

Ganz so falsch liegt die Kommission damit vermutlich gar nicht. Dass aber umgekehrt auch die Kartenzahler über die Endpreise die Kosten des Bargeldhandlings mitbezahlen und sich die Verteilung der Kosten somit in etwa ausgleicht, wird dabei freilich nicht berücksichtigt. Und in eben dieser einseitigen Betrachtungsweise liegt vermutlich der Kern der Auseinander setzungen zwischen der Kommission und der Kartenbranche.

Genau damit argumentiert man bei Mastercard. Neben dem üblichen Verweis auf den Segen des Mediums Karte für Karteninhaber und Händler und die Notwendigkeit der Interchange als gerechte Verteilung der Kosten zwischen allen Teilnehmern des Systems, wird als Argument gegen eine staatliche Regulierung das Beispiel Australien angeführt. Dort hatte ein solcher Eingriff eine deutliche Erhöhung der Kar tengebühren zur Folge, ohne dass wie erwartet die Verbraucherpreise im Einzelhandel dadurch sanken, was auch die EU-Kommission von ihrer Entscheidung erhofft.

Die Ankündigung der Kartenorganisation, beim europäischen Gerichtshof rechtliche Schritte gegen ein solches Urteil einzuleiten, kommt insofern sicher nicht über raschend.

Genugtuung beim HDE

Beim HDE Hauptverband des Deutschen Einzelhandels wird das Verdikt aus Brüssel verständlicherweise mit Genugtuung aufgenommen. Weil die Interchange 80 Prozent des vom Akzeptanten zu zahlenden Disagios ausmache und weder verhandelbar noch transparent sei, werde der Handel in Europa nun spürbar entlas tet, heißt es aus Berlin. Gleichzeitig hofft der Ver band auf eine Signalwirkung auch für Deutschland im Hinblick auf seine seit Anfang 2006 anhängige Beschwerde beim Bundeskartellamt.

Kein Triumphgeheul bei Visa

Differenzierter ist die Stellungnahme von Visa. Dass die Entscheidung der EU-Kommission nur den Wettbewerber betrifft (die Visa-Interchange ist nach einer Absenkung seit 2002 von der EU-Kommission freigestellt), sorgt sicher für Erleichterung, wenn nicht gar Befriedigung.

Triumphgeheul über den Schlag für den Wettbewerber kommt aber auch nicht auf. Denn die grundsätzliche Frage nach der Zukunft der Interchange bleibt für alle Beteiligten weiterhin offen - eine Einschätzung, die offenbar auch von Visa geteilt wird, sieht man sich doch veranlasst, auf die hohe Bedeutung des Interbankenentgelts für das Bestehen von Kartenzahlungssystemen hinzuweisen. Und die Formulierung, man freue sich darauf, die Überlegungen der EU-Kommission zu verstehen, deutet auch nicht eben auf Begeisterung.

Die unmittelbare Bedeutung der Entscheidung aus Brüssel für Banken und Spar kassen ist vermutlich sehr unterschiedlich - je nachdem, wie stark die Profitabilität eines Portfolios derzeit auf Interchange, Jahresgebühr oder Nutzung des Kartenkredits beruht und wie weit die einzelnen Emittenten Strategien zu Verringerung ihrer Abhängigkeit vom Interbankenentgelt bereits vorangetrieben haben. Für gratis angebotene Charge-Karten als stand-alone-Produkt wird die Luft aber vermutlich dünn.

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