Leitartikel

Die nächste Runde

sb - Eine echte Überraschung war es sicher nicht, dass die EU-Kommission am 26. März die Eröffnung eines Wettbewerbs-Verfahrens gegen Visa Europe ankündigte, bei der es um die Interchange-Frage sowie die Honour-all-cards-Frage geht. Ausdrücklich erklärte die EU-Kommission, dass die Verfahrenseinleitung keinen Schluss auf eine bereits beobachtete Verletzung der geltenden Regeln zulässt. Man verweist aber darauf, dass zum Jahresende 2007 die seit 2002 gültige Freistellung der Cross-Border-Inter -change-Sätze ausgelaufen ist. Dass der Kartenorganisation damit über kurz oder lang eine neue Auseinandersetzung mit der Kommission ins Haus stehen würde, war somit erwartet worden. Und es wäre wohl eine Überraschung gewesen, wenn diese allzu lange auf sich hätte warten lassen.

Auch wenn die jetzt eingetretene Entwicklung zu erwarten war: Mit einer gewissen Sorge betrachtet wird sie im Markt gleichwohl. Dass Visa sich 2002 mit der EU-Kommission auf eine Senkung der Interchange-Sätze von durchschnittlich 1,1 Prozent auf 0,7 Prozent geeinigt und sich (und den Emittenten) damit sechs Jahre der Ruhe erkauft hat, wird von Marktteilnehmern als Verzweiflungstat oder sogar als Sündenfall bezeichnet, mit dem der unerhörte Präzedenzfall geschaffen wurde, von den Wettbewerbshütern konkrete Preise absegnen zu lassen. Ob sich dieses Vorgehen von Visa oder die Haltung von Mastercard, die es im Endeffekt auf einen Prozess ankommen lässt, letztlich das geschicktere Taktieren war und ist, wird sich vermutlich frühestens nach dem Abschluss der neuen Runde der Auseinandersetzung auf beiden Seiten abschätzen lassen.

Der Handel ist in jedem Fall zufrieden. Sowohl die europäische Organisation Eurocommerce mit Sitz in Brüssel als auch der deutsche HDE begrüßen die Ermittlung gegen Visa als konsequente Fortführung der Kommissionsentscheidung gegen Mastercard. Beim HDE hofft man zudem auf eine Signalwirkung auf das Bundeskartellamt, bei dem bereits seit Anfang 2006 eine Beschwerde hinsichtlich der Inter bankenentgelte für inländische Kreditkartenzahlungen eingereicht wurde, der aber bislang keine Untersuchung seitens der Wettbewerbsbehörde folgte.

Bei der Untersuchung geht es freilich nicht allein um die Interchange. Auch die Honour-all-cards-rule kommt erneut aufs Tapet. Sie ist dem Einzelhandel schon lange ein Dorn im Auge. Was eine Abschaffung in der Praxis bedeuten würde, lassen Vertreter von Handelsorganisationen bewusst offen. Es gehe aber ums Prinzip, heißt es beim Hauptverband des Deutschen Einzelhandels HDE in Berlin. Beispielsweise solle es Akzeptanten freistehen, ob sie auch Corporate-Cards, bei denen die Disagien über denen von Privatkarten liegen, akzeptieren wollen. Vor allem aber wird der Blick auf die im Zusammenhang mit EMV geplante Priorisierungs-Voreinstellung seitens der Emittenten gelegt. Dass Händlern und Kunden damit die Möglichkeit genommen wird, sich über das gewählte Zahlungsverfahren zu verständigen, steht im Mittelpunkt der Kritik.

So verständlich die Argumentation auch ist: Mit einem Kippen der Honour-all-cards-Regel würde die Sache für Kunden und Emittenten nicht einfacher. Kunden könnten eigentlich nur noch in ihren Stammgeschäften sicher sein, ob ihre Karte akzeptiert wird. Sie müssten dann verstärkt auf eine größere Vielfalt von Karten setzen, um im Zweifelsfall immer eine einsatzfähige Karte parat zu haben. Emittenten hätten mit sinkenden Durchschnittsumsätzen zu kämpfen. Und für den Verbraucher wüchse die von Verbraucherschützern immer wieder heraufbeschworene Gefahr, den Überblick über die Ausgaben zu verlieren. Denkbar wäre freilich auch eine andere Konsequenz: Kundenkarten mit Zahlungsfunktion könnten aus Kundensicht ganz neue Attraktivität gewinnen.

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