Leitartikel

Nur eine Illusion

sb - Noch am 11. Dezember hatten der Verbraucherzentrale Bundesverband und der Bundesbeauftragte für den Datenschutz den von Innenminister Schäuble vorgelegten Gesetzesentwurf zum Bundesdatenschutzgesetz als längst überfällige Maß nahme zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor Datenklau und Datenmissbrauch begrüßt. Wie zur Bestätigung der Notwendigkeit eines neuen Gesetzes folgte darauf der Skandal um die Landesbank Berlin (LBB) und ihren Processor Atos, in dem Daten von Kreditkarteninhabern abhanden kamen und der Frankfurter Rundschau zugespielt wurden.

Der Fall ist nur einer von vielen, in denen es um Datenschutz im weiteren Sinne geht. Erst im November war die Telekom in den Schlagzeilen. Und doch hat jeder Skandal, in den Kreditinstitute und ihre Dienstleister verstrickt sind, eine besondere Qualität. Mit Daten wie Adresse, Geburtsdatum oder Telefonnummer gehen viele Verbraucher vergleichsweise sorglos um. Dass ihre Telekom-Vertrags- und vielleicht auch Verbindungsdaten möglicherweise in fremde Hände geraten sind, verärgert Kunden zwar. Hier fürchtet man aber vergleichsweise wenig "Spätfolgen". Überall dort hingegen, wo es um Konto- oder Kar tendaten geht, liegt der Fall anders. Dort geht es ums Geld, und dabei ist der Mensch bekanntlich empfindlich. Auch lassen sich anhand möglicher betrügerischer Transaktionen die Folgen des Datenverlusts unmittelbarer erkennen als andernorts, für die Kunden ebenso sehr wie für die Kriminellen - und vielleicht deshalb sind Bankdaten als "Hehlerware" noch begehrter als die Kundendaten anderer Unternehmen. Ein Trend in dieser Richtung wird in der Branche bereits beobachtet.

Umso mehr kommt im Fall des Falles der Öffentlichkeitsarbeit eine hohe Bedeutung zu. Zumindest die LBB, wenn auch nicht ihr Dienstleister Atos, hat im Dezember prompt reagiert und umfangreiche Informationen veröffentlicht. In mancher Hinsicht blieben diese zwar etwas unbefriedigend. Beispielsweise scheint der Hinweis auf "anerkannte Logistikunternehmen" im Hinblick auf das Abhandenkommen einer offenbar nicht in einer gesicherten Umgebung beförderten Datensendung auf dem Transport ein wenig mager. Doch wird das Bemühen um Aufklärung offenbar: Soweit möglich, werden Informationen zum Sachverhalt, zum Hintergrund von Datenarchivierung und Outsourcing wie auch den Folgen des Skandals für die Kundschaft geliefert - verbunden mit dem für den Emittenten von 1,9 Millionen Karten vitalen Hinweis, dass Karteninhaber dadurch nicht zu Schaden kommen werden.

Ein Image-Schaden ist gleichwohl fast unvermeidlich, nicht allein für die LBB, sondern für die Branche insgesamt. Schon lebt die Diskussion um mangelnden Datenschutz in Unternehmen auf, wird neue Regulierung und Kontrolle gefordert, obwohl es in Wirklichkeit nicht um laxen Umgang mit Datenschutzbestimmungen geht, sondern vielmehr um Sicherheitslücken bei der Datenaufbewahrung. Eben diese aber wird man nie restlos schließen können. Sicher kann man Kundendaten in verschlüsselter Form und im Werttransporter statt als bloße Kuriersendung auf den Weg schicken, wie es Atos nun offenbar tun will. Mit dem neuen PCI-Standard wird gegen die in der Vergangenheit mitunter praktizierte unberechtigte Speicherung von Karteninhaberdaten beim Händler vorgegangen. Und auch die erforderliche elektronische Speicherung muss alle erdenklichen Sicherheitsmaßnahmen erfüllen. Doch dies alles kann nie mehr als ein gewisses, wenn auch hohes Maß an Sicherheit bieten. Auch Werttransporter, in denen Kundendaten befördert werden, können überfallen werden, wie im Sommer 2008 in Norwegen geschehen. Und wenn professionelle Hacker selbst die virtuellen Schutzwälle des Pentagons überwinden können, darf man auch von Bankrechenzentren keine Wunder erwarten. Vollständige Datensicherheit ist im Informationszeitalter eine Illusion. Die Öffentlichkeit, die deutsche zumal, verschließt sich dieser Binsenweisheit freilich gern. Deshalb bleibt einstweilen nur eines: Kommunikation und Aufklärung.

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