Im Gespräch

"Unsere Zwei-Marken-Strategie zahlt sich aus" - Interview mit Ole Franke

Herr Franke, wie stark wird all das, was wir unter Digitalisierung subsumieren, unseren Alltag und damit auch das Bankgeschäft verändern und vor allem auch - wie schnell?

Die Digitalisierung in unserer Gesellschaft schreitet weiter und zügig voran. Genauso, wie immer mehr Menschen heute ganz selbstverständlich Bücher oder Schuhe online kaufen sowie Musik oder Filme downloaden oder streamen, wollen immer mehr Kunden ihre Bankgeschäfte selbstbestimmt und flexibel im Netz erledigen. Die Herausforderung ist dabei, all das, was mit Digitalisierung zusammenhängt, zu berücksichtigen und vorbereitet zu sein. Vorbereitet zu sein heißt aber nicht, radikal auf Zukunftsvisionen umzustellen. Wir entwickeln und bieten digitale Inhalte an, die letztendlich bereits heute einen entsprechenden Nutzen haben und zu Kundenbindung und Wachstum führen.

Was sind die wesentlichen Trends, die das Kundenverhalten und damit auch das Bankgeschäft verändern, verändern werden?

Rund 80 Prozent der Bankkunden in Deutschland erledigen gelegentlich ihre Bankgeschäfte im Internet. Fast jeder dritte Verbraucher nutzt dafür inzwischen mobile Geräte wie Smartphones oder Tablets. Der entscheidende Trend ist sicherlich der Trend zu mobilen Angeboten. Mobile ist eine Spur anders als Online und vor allem inhaltlich konkreter. Mobile Angebote müssen in der Regel besonders einfach und verständlich sein. Die zweite Herausforderung, die mit der Digitalisierung einhergeht, ist der Kunde selbst: Dieser wird immer informierter und selbstbestimmter.

Nun herrscht beispielsweise bei Mobile-Payment-Lösungen ein fröhlicher Wettbewerb der Systeme - ist das für den Gesamtprozess hilfreich oder sollten sich Kreditwirtschaft und Kartengesellschaften nicht besser auf einen Standard einigen?

Zunächst ist festzustellen, dass solche "Wallet-Lösungen" in Deutschland nur eine untergeordnete Relevanz haben, da die Bargeldversorgung hierzulande sehr gut ist. Wir beobachten aber die Entwicklung sehr genau.

Das heißt dann aber doch auch, dass innerhalb einer jeden Bank um die Investitionen gerungen wird, oder? Wie wird das entschieden?

In der Tat gibt es viele sehr gute Ideen. Bei der Entscheidung spielen neben der Marktforschung auch weitere Faktoren wie Einschätzung, Erfahrung, Bauchgefühl eine Rolle. Alles auf einmal zu verwirklichen, geht natürlich nicht. Dafür sind die Summen, die dafür investiert werden müssten, einfach zu groß.

Weiß der Kunden denn wirklich, was er will?

Der Kunde weiß sehr genau, was er will. Wir bekommen deshalb über die Marktforschung konkrete Handlungshinweise. Wir dürfen uns aber auch nicht der Illusion hingeben, alles erfüllen zu müssen, was von einer Bank erwartet wird. Das kann sehr schnell unwirtschaftlich werden. Zudem sind die Kundenerwartungen auch zu unterschiedlich. Da hilft der Blick in andere Branchen, bei denen die Digitalisierung bereits früher Einzug gehalten hat.

Was muss der Berater heute noch alles wissen?

Der Berater muss natürlich möglichst viele Informationen parat haben. Aber er stößt irgendwann an Grenzen, wenn er mit Informationen zugeschüttet wird. Also müssen wir im Backoffice dafür sorgen, dass wir die relevanten Informationen identifizieren und herausfiltern und diese dem Berater komprimiert zur Verfügung stellen. Das geht natürlich nicht alles auf einmal, sondern schrittweise.

Wie viel Stufen, wenn man eine Treppe mit hundert Stufen nimmt, haben sie schon geschafft?

Das lässt sich so nicht genau sagen, denn die Treppe wächst ständig ein Stückchen. Wir haben uns das Ziel gesetzt, bis Ende des Jahres all das zu bieten, was auch eine Direktbank bietet. Wir haben unter anderem unser Online-Portal komplett erneuert, eine Tablet-App, die den Namen auch wirklich verdient, eine nutzerfreundliche und innovative Kontostands-App und mit der Photo-TAN das beste Sicherheitsverfahren beim Online-Banking.

Was heißt das alles für die Aufbauorganisation einer Bank?

Die Commerzbank ist im Kern eine Filialbank. Die erste Herausforderung war es, unsere Mitarbeiter für die Digitalisierung zu sensibilisieren. Dann waren Reichweite und Erreichbarkeit ein Thema. Die Logins haben sich bei uns in den vergangenen zwölf Monaten um rund zehn Prozent erhöht. Die Zugangsänderung des Kundenportals von "commerzbanking.de" zu "commerzbank.de" hat dazu einen wesentlichen Beitrag geleistet. Der neue Internetauftritt macht sich auch bei der Neukundengewinnung bemerkbar. Vor einem Jahr lag der Online-Anteil bei Girokontenabschlüssen bei gut einem Prozent, zuletzt haben wir bei unserer DFB-Kampagne 14 Prozent erreicht.

Stimmt denn auch die Qualität dieser Kunden, die online ein Konto eröffnen?

Ja, die Qualität stimmt. Deswegen bewerben wir auch weiterhin unsere Girokonten online, beispielsweise mit unserem Wochenendbonus.

Kann man eine Multikanalbank aufbauen, ohne für unterschiedliche Zugangswege unterschiedliche Konditionen zu verlangen und erhöht das nicht die Komplexität wieder?

Unsere Erfahrung zeigt, dass Basisleistungen nicht unterschiedlich bepreist werden sollten. Aber man kann sehr gut über Aktionen steuern. Beispielsweise bieten wir die Kontoeröffnung online an einem bestimmten Wochenende mit einem höheren Startguthaben von 100 Euro an. Das sind Aktionen, die der Kunde versteht und annimmt.

Wie viele Produkte des gesamten Portfolios sind inzwischen online-abschlussfähig?

Inzwischen können unsere Kunden mehr als zwanzig Basisprodukte online abschließen.

Also müssen Ihre Mitarbeiter die Digitalisierung nicht fürchten, die Commerzbank wird keine "Roboterbank"?

Wir wollen die Commerzbank bis 2016 zu einer echten Multikanalbank umbauen. Denn trotz zunehmender Digitalisierung haben Filialen mehr Potenzial, als viele annehmen. Zwei von drei Kunden wollen eine Bank, die Filialbank und Direktbank in einem ist. Wir gehen davon aus, dass es auch weiterhin viele Kunden geben wird, die ein leistungsstarkes digitales Angebot erwarten und gleichzeitig auf eine persönliche Beratung in der Filiale nicht verzichten wollen.

Die Zielsetzung für Sie heißt, Direktbankfähig bis Ende 2014: Wie weit sind Sie Stand heute?

Die Commerzbank wird Ende 2014 das komplette Leistungsspektrum einer Direktbank anbieten. Wir arbeiten zurzeit noch am digitalen Haushaltsbuch. Kunden können damit ihr Ausgabeverhalten analysieren. Sie sehen dann genau, wofür sie Geld ausgeben und wo sie vielleicht sparen können. Zudem werden wir noch das Online-Angebot für das Wertpapiergeschäft verbessern.

Wozu braucht eine Commerzbank dann noch eine Comdirect: Haben beide Häuser nicht begonnen, in den ursprünglichen Teil des anderen einzudringen: Die Commerzbank wird eine Direktbank, die Comdirect entwickelt sich in Richtung Universalbank?

Hier verfolgen wir eine klare Zwei-Marken-Strategie. Und die zahlt sich aus. Commerzbank und Comdirect sind beide erfolgreich und wachsen unter ihrer eigenen Marke.

Einverstanden: Aber entsteht durch den Trend zur Digitalisierung und die damit verbundene Austauschbarkeit des Angebots nicht doch so etwas wie eine Einheitsbank? Wie kann man sich künftig noch vom Wettbewerb abheben?

Es gibt verschiedene Motive, die die Entscheidung des Kunden für ein Institut beeinflussen. Das sind im Filialgeschäft vor allem die Nähe zum Wohnort und der persönliche Kontakt zum Berater. Online sieht das anders aus. Hier zählt vor allem Funktionalität und Sicherheit.

Zudem muss die Nutzung für den Kunden möglichst einfach sein. Eine zunehmende Rolle spielt inzwischen auch die Qualität der mobilen Anwendungen. Neben diesen Kriterien haben natürlich auch weiterhin die Marke, die Qualität der Produkte und das Pricing eine Bedeutung.

Die Sparkassen bieten eine offene App an, in die der Kunde alle Banken, nicht nur Sparkassen, integrieren kann. Ist eine solche offene Lösung aus Kundensicht nicht sinnvoller?

Das hängt in erster Linie vom Kundenverhalten ab. Der eine Nutzer möchte seine Konten auf einen Blick sehen, anderen ist die Trennung hingegen lieber. Es wird sich noch zeigen müssen, wie zuverlässig solch offene Lösungen letztendlich sind.

Von welchen Branchen lernen Sie auf diesem Weg, dem weiteren Ausbau hin zur modernen Multikanalbank am meisten, am liebsten?

Zum einen von großen Versicherungsunternehmen, sowie von Energie- und Telekommunikationsgesellschaften. Daneben lohnt es sich, immer einen Blick auf Entwicklungen im E-Commerce zu werfen.

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