Leitartikel

E-Ticketing wird überregional

sb - Die Deutsche Bahn und Vodafone haben angekündigt, unter dem Namen "Touch & Travel" gemeinsam ein mobiles E-Ticketing-Verfahren zu entwickeln. Vor Beginn ihrer Fahrt sollen sich die Kunden mit ihrem Mobiltelefon an sogenannten "Touchpoints" anmelden und am Ziel ebenso wieder abmelden. Die Touchpoints enthalten einfache Funkchips, die beim Ein- und Auschecken eine Ortsinformation an das Mobiltelefon des Fahrgasts übergeben. Die Fahrtberechtigung wird auf der SIM-Karte abgelegt. Aus diesen Daten werden im Hintergrund Fahrtstrecke und Fahrpreis errechnet und dem Kunden einmal monatlich in Rechnung gestellt. Ziel ist es, die Nutzung von Touch & Travel entlang der gesamten Reisekette zu ermöglichen. Auch der Umstieg auf andere Verkehrsmittel - etwa vom ICE auf den Bus oder umgekehrt soll so möglich werden.

Die anvisierte Einbeziehung auch regionaler oder städtischer Verkehrsgesellschaften wird durch die Nutzung des Mobiltelefons als Grundlage für das Verfahren sicher erleichtert. Denn anders als chipkartenbasierte E-Ticketing-Systeme erfordert das Konzept nach Angaben der Kooperationspartner vergleichsweise geringe Investitionen in die Infrastruktur an Bahnhöfen und Haltestellen. Auch für die Kontrolle müssen keine eigenen Geräte angeschafft werden. Mit mobilen Terminals, wie sie die Bahn vor nicht allzu langer Zeit bundesweit eingeführt hat, kann die Echtheit des elektronischen Fahrscheins kontrolliert werden. Auch Verkehrsbetriebe, bei denen derartige Prüfgeräte noch nicht im Einsatz sind, sollen nach Angaben der Bahn nicht in teure Kontrollgeräte investieren müssen. Hierfür habe man einen Ansatz entwickelt, mit Hilfe einer einfachen Chipkarte eine sichere Kontrolle durchzuführen. Noch in diesem Jahr soll ein erster technischer Praxistest auf der Bahnstrecke Berlin-Hannover, in einem Teilnetz der Berliner S-Bahn und im gesamten städtischen Nahverkehr von Potsdam anlaufen. Zunächst brauchen die Testkunden indes noch einen normalen Fahrschein. Für 2008 ist dann ein Pilotversuch geplant, bei dem die Fahrgäste das System einschließlich Abrechnung testen können - auch unter Einbeziehung des gesamten S- und U-Bahn-Netzes von Berlin.

Unbestritten verdient das System Aufmerksamkeit. Schließlich ist Touch & Travel in Deutschland der erste überregionale Ansatz beim E-Ticketing, noch dazu mit dem erklärten Ziel, möglichst viele regionale beziehungsweise städtische Verkehrsunternehmen mit ins Boot zu nehmen. Und nur die Überregionalität bietet die Chance, dem elektronischen Fahrschein zum Durchbruch zu verhelfen. Und dennoch: Der Abschied vom papierenen Fahrschein ist damit längst nicht in greifbare Nähe gerückt. Zum einen wird es eine große Zahl von Kunden geben, denen eine "reale" Fahrkarte zuverlässiger scheint als eine virtuelle. Das Vertrauen in das System wird sich nur ganz allmählich aufbauen lassen. Zum Zweiten dürfte es schwierig werden, Datenschutzbedenken vollständig auszuräumen. Gerade bei einem Ansatz, der Schienen- und Busverkehr gleichermaßen einbezieht, werden schließlich zu Abrechnungszwecken regelrechte Bewegungsprofile erstellt. Drittens bleiben noch technische Fragen offen: Platzreservierungen via Touch & Travel etwa sind nicht möglich. Ohne sie wird das System aber zumindest für Fernreisende auf stark frequentierten Strecken uninteressant. Und ob Verkehrsgesellschaften, die bereits beträchtliche Summen in den Aufbau chipkartenbasierter Systeme investiert haben, zum Umstieg auf das Bahn-Verfahren bereit sind, darf ebenfalls bezweifelt werden.

Nicht zuletzt ist die Entscheidung der Kunden für oder gegen den elektronischen Fahrschein auch eine Frage des Komforts. Sicher, der Fahrkartenkauf vor Fahrtantritt entfällt. Dafür muss am Ziel - beim Umsteigen zu einem Verkehrsmittel eines anderen Anbieters womöglich auch bei den knapp kalkulierten Übergängen - der Touchpoint passiert werden. Und auch wenn das Auschecken in Sekundenschnelle vonstatten geht, könnte dies bei reger Nutzung zu einem Engpassfaktor werden, der an die Bahnsteigsperre von einst erinnert. Und das dürfte von manchem als Rückschritt empfunden werden.

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