Leitartikel

Ein Hoch den alten Allianzen

KO - Es sind gewiss nicht allein die Deutschen, die sich schwer tun "mit Brüssel". Aber vielleicht haben doch vor allem die Deutschen und ihr Finanzgewerbe so viele nationale Errungenschaften liebevoll und sachkundig entwickelt, dass ihnen der freiwillige, grundsätzliche Verzicht auf die volle Souveränität über von ihnen hochbewertete Institutionen schwer fällt. "Sparkasse", Förderbanken, Beihilfen im amtlichen Blick der von den Europäern selbst bestellten Wettbewerbsaufsicht, sind beinahe tägliche Schlagzeilen wert. Dabei folgt der Umgang "mit Brüssel" einem Schema, dessen Ablauf sich geradezu frappierend wiederholt: Zunächst wird festgestellt, dass "Brüssel" wohl demnächst fordernde Kritik an bestimmten deutschen Verhältnissen äußern wird. Sobald die Schelte dann zur ersten Anmahnung geworden ist, schwappt die Welle der nationalen Entrüstung hoch - "Niemals". Folgt dann die zweite, dritte Aufforderung wie eine sich langsam zuziehende Schlinge, beginnt die betroffene Branche wenigstens ein paar nationale Sonderstatuten durch existenziellen Gehorsam zu retten.

Just dieser Vorgang läuft soeben bei den Vorbereitungen auf die "Single European Payments Area" ab, mit der das vereinte Europa vor allem und endlich auch den privaten Zahlungsverkehr zu einer grenzüberschreitenden Alltäglichkeit machen will. Kein vernünftiger Unternehmer kann ein solches Anliegen nicht als grundsätzlich vernünftig erachten. Nur eben: Im Detail, da ist der Weg zu diesem hehren Ziel namens Sepa doch wohl noch mit unglaublich holprigen Basaltsteinen gepflastert - oder?

Die bundesdeutsche Besonderheit im kartengestützten Zahlungsverkehr ist auch heute noch die überragende Bedeutung des Debitsystems electronic cash. 11,5 Prozent der Zahlungen im Einzelhandel sind, so berichtete Ralf-Christoph Arnoldt soeben beim Bankkarten-Forum dieser Zeitschrift, heute ec-Zahlungen. ELV nimmt ab, POZ verschwindet, die Kreditkarten stehen bei etwa fünf Prozent der Einkäufe. Während jedoch das alte scheckgebundene ec-System in seiner Glanzzeit ganz Europa samt südlichem Mittelmeer umspannt hatte, schrumpfte das elektronische ec-System auf eine ziemlich deutsch-nationale Begrenzung, wenn man von den Bargeldautomaten einmal absieht. Von 100 POS-Zahlungen sind 97 rein deutsch, abgewickelt von mehr als 25 (!) Netzbetreibern, und auch sonst von lizensiertem aber freiem Marktzugang für alle Interessenten gebaut: fein Sepa-konform. Und genau diese Freiheiten sind es, für die die deutsche Kreditwirtschaft derzeit rundherum wirbt: "Jeder interessierte Partner (in Europa, Red.) kann electronic-cash-Netzbetreiber werden und electronic-cash-Karten akzeptieren, und interessierte Kreditinstitute haben die Möglichkeit, der electronic-cash-Vereinbarung beizutreten und Karten auszugeben", sagt Arnoldt mit Stimme für den ZKA, der gemeinschaftlichen "Geschäftsstelle" der Branche. Und er hat auch gleich hinzugefügt, dass das Ganze zwar unter der Governance des nationalen Gewerbes laufe. Aber so bleiben müsse das nicht.

Das alles ist eine richtige Bewegung "der Deutschen", weil es für die Sepa- und Europawilligkeit ihres nationalen Debitsystems prinzipiellen Alibicharakter hat. Dass die beteiligten, betroffenen Banken für die praktische Attraktivität von ec noch eine Menge investieren müssen, in die (EMV-)Technik, in die Konditionierung, ja sogar in ein supranationales Logo, weiß man ganz gut. Es wird nichts schnell gehen. Aber der tatsächliche Verbrauchernutzen ist ja auch noch keineswegs drängend, auch in Aachen, Straßburg, Passau und Schleswig und auf Mallorca nicht. Nur Brüssel eben will, wie gesagt, schon mal vorbereiten. Wenn jedoch die Visa-, Mastercard/Maestro- und Amex-Strategen nicht gleich so furchtbar laut geschallt hätten, man müsse in Deutschland ec doch nur durch Kreditkarten ersetzen, um die Sepa-Konformität unverzüglich herzustellen, hätten sich die deutschen Banken gewiss von Brüssel nicht so schnell erwecken lassen. Nun leben sie wieder, die alten Allianzen.

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