Karten-Blickpunkte

Kartengesellschaften Die Rückkehr der Wunsch-PIN

Auch wenn die Interchange-Frage noch nicht abschließend geklärt ist, scheint doch eines gewiss: Dass Kartenemittenten künftig immer weniger auf Erträge aus der Interchange bauen dürfen. Parallel zur Klage vor dem europäischen Gerichtshof gegen die EU-Kommission in Sachen Interchange arbeitet Mastercard deshalb an Strategien, mit denen Banken ihren Kunden künftig einen Mehrwert bieten können, für den diese dann tunlichst auch ein entsprechendes Entgelt zu zahlen bereit sind. Um hier die Erfahrungen aus den unter schiedlichsten Märkten nutzen zu können, hat die Kartenorganisation ein "Best in Class"-Programm entwickelt, um die besten europaweiten Lösungen für individuelle Variationen von Kernanforderungen zu ermitteln und diese dann in standardisier ter Form auch für Emittenten in anderen Märkten nutzbar zu machen. Dabei hat sich wieder einmal erwiesen, dass das Wort von der Servicewüste Deutschland offenbar auch im Kartengeschäft gilt: Im europäischen Vergleich bieten deutsche Karten wenig Service-Merkmale. Im Zuge der Sepa-Umsetzung ist aber auch hier mit einem Nachholeffekt zu rechnen. Ein Beispiel dafür ist die vom Kunden frei wählbare PIN, die beispielsweise in Belgien oder Italien an jedem Geldautomaten geändert werden kann. Ganz neu ist das Thema auch in Deutschland nicht. Vor etlichen Jahren gab es einige Vorstöße in dieser Richtung. Am Markt breit durchgesetzt hat sich diese Hoffnung vieler vergesslicher Kunden jedoch nicht. Hauptsächlich wurde der Leichtsinn des gemeinen Karteninhabers ins Feld geführt, der doch wohl dazu neigen würde, allzu simple Ziffernfolgen wie 1234 oder das Geburtsdatum zu wählen, das ein Taschendieb nach Erbeuten der Brieftasche bequem aus den Ausweispapieren ablesen könnte. Die frei wählbare PIN verschwand daraufhin wieder in der Versenkung. Aus heutiger Sicht scheint die damalige Argumentation überholt. Zum einen hat die jahrelange Aufklärung offenbar gewirkt. Verbraucher gehen heute sorgsamer mit ihrer Karte beziehungsweise PIN um. Zum anderen sind auch die Betrugsschemata längst andere geworden: In einem Umfeld, in dem der Kartenmissbrauch mit gestohlenen Karten gegenüber Kartenfälschungen und dem Abgreifen von Geheimnummern am Geldautomaten eine weitaus geringere Rolle spielt, ist die Gefahr des Ablesens der PIN aus dem Personalausweis weniger bedeutsam als noch vor einigen Jahren. Und nicht zuletzt lässt sich die Wahl risikoreicher PINs schließlich auch auf technischem Wege ausschließen. Im Ausland hat sich die Wunsch-PIN deshalb bisher nicht als Missbrauchs-Treiber erwiesen. Auch deutsche Banken sind deshalb nach Mastercard-Angaben mittlerweile für das Thema offen. Für ein anderes Service-Merkmal aus dem Best-in-Class-Programm dürfte das in weitaus geringerem Maße gelten: Die Kontostandsabfrage auch an den Geräten anderer als der Hausbank etwa wird bei deutschen Filialbanken wohl auf wenig Gegenliebe stoßen. Ein solcher Service würde der Trittbrettfahrer-Debatte, wie sie um die Bargeldversorgung geführt wird, wohl neuen Auftrieb verleihen. sb

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