sb - Weit stärker als im weltweiten Vergleich ist in der europäischen Kartenbranche die Sorge/Erwartung ausgeprägt, dass neue Marktteilnehmer das Geschehen im Zahlungsverkehr verändern könnten, so das Ergebnis des Anfang April veröffentlichten Global Payments Trends Survey 2011 von Edgar, Dunn & Company (siehe Daten und Fakten). Als Paradebeispiele genannt werden stets Google und Paypal. Beide Unter nehmen haben einen Schritt in Richtung Zahlungsverkehr gemacht: Google mit der "Google Wallet" (hinter der eine Prepaid-Mastercard steht). Und Paypal hat Mitte März mit "Paypal Here" eine Bezahllösung für den PoS vorgestellt, die mit Hilfe eines Kar tenlesers zum Einstecken das i-Phone und demnächst auch jedes Android-Smartphone zum Akzeptanzterminal machen soll. Der Service ist zunächst für ausgewählte Händler in Nordamerika, Australien oder Hongkong verfügbar, soll dort aber bald allgemein verfügbar sein. Der Marktstart in Europa ist geplant. Bereits in Deutschland am Markt - wenn auch bislang nur als Projekt in Berlin - ist eine QR-Shopping-Lösung, die auch stationäre Händler in den mobilen E-Commerce bringen soll. Hierzu scannt der Kunde unabhängig von Öffnungszeiten mit seinem i-Phone den QR-Code von Waren vom Produkt oder Display im Schaufenster und bezahlt per App mit PIN-Eingabe. Die Ware kann dann verschickt oder abgeholt werden.
Ist damit also der erste Schritt getan, Kartenemittenten und ihre Dienstleister aus dem Geschäft zu dängen? Nicht ganz. Zum einen richtet sich Paypal Here an solche Händler, für die sich Acquirer-Vertrag und Einrichtungsgebühren schlicht nicht lohnen. Für den "normalen" stationären Einzelhandel ist Paypal Here weder gedacht noch geeignet. Hinzu kommt: Mit Gebühren von 2,7 Prozent vom Umsatz ist das Paypal-Angebot vergleichsweise teuer. Längst nicht jeder Kleinhändler wird einen solchen Satz zu zahlen bereit sein - in einem typischen Barzahlungsland, in dem etwa auf dem Wochenmarkt die Nachfrage nach Kartenzahlungen überschaubar sein dürfte, noch weniger als andernorts. Und dann kommt noch die Frage der Sicherheit hinzu. Natürlich bezeichnet Paypal den Kartenleser als voll verschlüsselt. Aber wird der sicherheitsbewusste deutsche Durchschnittskunde einem fremden Mobiltelefon die gleiche Sicher heitsstufe unterstellen wie einem von der Kreditwirtschaft zertifizierten Terminal? Unter Fraud-Gesichtspunkten wird sich Paypal Here erst noch beweisen müssen. Auch das durchaus auf große Händler zielende QR-Shopping, mit dem auch die Otto Group unter der Marke Yapital an den stationären PoS kommen will, bedeutet vermutlich nicht den Knockout für Acquirer oder Terminalhersteller, wenngleich es die eine oder andere Transaktion umlenken könnte. Denn das Modell taugt wohl eher für den Vertrieb in Verbindung mit Außenwerbung als für den eigentlichen stationären Handel. Denn längst nicht jeder Einzelhändler mag sich in größerem Stil mit dem Warenversand befassen. Und im Laden selbst verliert das Modell ohnehin an Reiz.
Auch in Deutschland wird die Ebay-Tochter mit ihrem Konzept für den PoS sicher ihren Markt finden. Ein "Überraschungsangriff" ist es aber nicht. Längst diskutiert die Branche die Frage, wie der Begriff "Terminal" künftig zu definieren sein wird, auch mit Blick auf die mobilen Endgeräte. Ein "Schreckschuss" mögen die Pläne aber durchaus sein. Denn sie zeigen, dass man die Antworten auf solche Fragen nicht mehr auf die lange Bank schieben kann. Die Kartengesellschaften haben sich bei Lösungen zur Einbeziehung mobiler Endgeräte in den Zahlungsprozess bislang primär auf den Person-to-Person-Bereich konzentriert. Vermutlich werden sich diese Modelle in der einen oder anderen Form auf den B2C-Bereich anpassen lassen. Die Deutsche Kreditwirtschaft wird sich mit Lösungen für die Girocard möglicherweise schwerer tun. Doch auch sie hat bei Girogo und ec-cash 2.0 ein gehöriges Maß an Innovationsfähigkeit bewiesen. Und dass etwa eine Sparkassenorganisation das Segment der kleinen Händler - ihre Stammklientel - kampflos dem Wettbewerb überlassen sollte ist schwer vorstellbar.