Kundenauswahl am PoS: Streitpunkt Diskriminierung

sb - Ab Juni dieses Jahres wird beim bargeldlosen Bezahlen am Point of Sale eine neue Ära anbrechen - insofern nämlich, als dann der Kunde bei Karten mit Co-Badging die Wahl haben wird, welche Zahlungsmarke oder welche Anwendung er zum Einsatz bringen will. So sieht es Artikel 8 Absatz 5 und 6 der EU-Verordnung zur Interchange-Regulierung vor. In Deutschland wird das vor allem die Debitkarten betreffen. Hier muss der Kunde künftig die Auswahl vornehmen können, ob er per Girocard (also mit PIN-Eingabe) zahlen möchte, ob das ELV-Verfahren oder ob die Zahlung über Maestro beziehungsweise V-Pay abgewickelt werden soll. Kein Verfahren darf dabei diskriminiert werden.

Dass dem weitaus größten Teil der Kunden die zur Wahl stehenden Optionen vermutlich wenig sagen und es vielen deshalb gleichgültig sein dürfte, wie die Zahlung abgewickelt wird, wenn das Verfahren nur zuverlässig und schnell funktioniert, spielt dabei keine Rolle. Berücksichtigt wird dieser Aspekt nur insofern, als eine automatische Händlerauswahl zulässig ist - sofern der Kunde die Möglichkeit hat, sich über diese Vorauswahl hinwegzusetzen und sich anders zu entscheiden. Das kann beispielsweise dann von Interesse sein, wenn Kartenemittenten für die Debitkarte eine Jahresgebühr berechnen, diese jedoch nach einer gewissen Anzahl von Transaktionen im Girocard-Verfahren zurückerstatten.

Generell ist klar: Alle Terminals, an denen mehr als ein Zahlverfahren freigeschaltet sind, benötigen in jedem Fall eine Migration. Dabei darf keine bestehende Terminal-Zulassung verlorengehen. Und das Bezahlen darf für den Kunden nicht komplizierter und unkomfortabler werden. Sonst droht eine Rückkehr zur Barzahlung. Der Bundesverband der electronic-cash-Netzbetreiber e.V. (BecN), Frankfurt, am Main, hat angesichts des knappen Zeitfensters bis zum Stichtag gemeinsam mit Terminalherstellern und Handel einen gemeinsamen Vorschlag entwickelt, wie den rechtlichen Vorgaben auf praktikable Weise entsprochen werden kann. Grundgedanke dabei: Für den Durchschnittskartenzahler dabei wird es nicht nachvollziehbar sein, wenn er in jedem Fall eine Liste angezeigt bekommt, aus der er auswählen muss, und wenn diese Liste überdies bei jedem Händler und an jedem Terminal ganz unterschiedlich aussieht. Benutzerfreundlich wäre das sicher nicht.

Auswahlmöglichkeiten per Tastendruck anfordern

Der gemeinsame Vorschlag von Handel, Herstellern und Dienstleistern sieht vor, an allen Geräten einheitlich eine zusätzliche "Auswahl"-Taste zu integrieren. Nur wenn der Karteninhaber diese Taste drückt, wird die Auswahl angezeigt. Somit hat er die Wahl der Zahlungsoptionen - er wird aber nicht gezwungen, eine Auswahl zu treffen.

Weil sich Handel, Dienstleister und Terminal-Hersteller noch 2015 auf diese Lösung geeinigt haben, wurde bereits mit den Umsetzungsarbeiten begonnen. Die Lösung könne deshalb rasch realisiert werden, so der BecN. Von den Standardisierungsgremien der EU sei das Konzept inzwischen auch befürwortet worden. Eigentlich, so könnte man meinen, ist die Branche damit auf einem guten Weg, auch wenn die Genehmigung der BaFin für das gemeinsame Konzept noch aussteht.

Mastercard fürchtet Diskriminierung

Und doch liegt die Tücke im Detail: Das Stichwort hier lautet: Diskriminierung. Wenn nämlich dem Kunden die Auswahlliste nicht automatisch angezeigt wird, sondern nur in dem Fall, dass er tatsächlich eine Auswahl treffen möchte, werden diejenigen Verfahren, die in der automatischen Vorauswahl des Händlers nicht vorkommen, möglicherweise diskriminiert. Das befürchtet zumindest Mastercard und wendet sich deshalb gegen das auf den ersten Blick recht überzeugende Konzept.

In gewisser Hinsicht hat die Kartenorganisation damit sogar Recht - schließlich dürfte es nur ein Bruchteil der Kunden sein, der sich tatsächlich über die Voreinstellung der Händler hinwegsetzt. Nachzuvollziehen ist die Kritik trotzdem nur bedingt. Denn selbst wenn die Auswahlliste generell angezeigt wird, ist es gut möglich, dass der Kunde sich automatisch für die erste Option entscheidet. Dann würde sich die Diskriminierung allein durch die Gestaltung der Liste ergeben. Denn irgendwie müssen die Optionen ja sortiert werden. Überdies wäre niemandem damit gedient, wenn das Bezahlen per Karte für den Kunden so verwirrend würde, dass er sich künftig wieder für Bargeld als die einfache Variante entscheidet. Die einfachste Lösung wären Karten ohne Co-Badging. Dann würde der Kunde durch die Auswahl der Karte - sei sie nun physisch oder virtuell - auch das Verfahren für die Abwicklung vorgeben. Für Emittenten hätte das den Charme, dass viele Kunden dann ein Produkt mehr nutzen (und bezahlen) würden: neben der meist gebührenfreien Girocard fürs Inland Maestro oder V-Pay fürs Ausland. Das ist aber allenfalls Zukunftsmusik.

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