Technisches Processing: Künftige Strategien für Emittenten

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Die Ertragsausfälle durch die Interchange-Senkung werden sich nicht durch Kostensenkungen im Processing kompensieren lassen. Hier sehen die Autoren zwei denkbare Szenarien. Produktseitig werde es in Zukunft sogenannte "Plain-Vanilla"-Kreditkarten ohne Extras und mit beinahe täglicher Abrechung geben, andererseits deutlich teurere "Full-Service"-Karten. Letztere könnten für die Prozessoren auch weiterhin in der Verarbeitung lukrativ sein. Bei den "Plain Vanilla"-Karten aber wird sich die Frage stellen, inwieweit sie technisch mit den Debitkarten zusammengeführt werden können, denen sie in Zukunft sehr ähnlich sein werden. Red.

Issuer im deutschen Payment-Markt stehen vor bedeutenden Herausforderungen: Nach Vorstellung der EU wird das vorherrschende Geschäftsmodell des Kartengeschäfts angepasst werden müssen. Gleichzeitig setzt sich der Trend zu karten- und bankfernen Zahlverfahren im wichtigen E-Commerce Markt fort. Zudem dringen neue Marktteilnehmer mit innovativen Zahlverfahren an den PoS und positionieren sich als Alternative zum Bargeld und zur Karte.

Diese Entwicklungen zwingen Issuer, ihr Geschäftsmodell und Produktportfolio neu zu definieren, neue Ertragsströme zu erschließen und nicht zuletzt Kosten erheblich zu reduzieren.

Unter Beibehaltung der aktuellen Kartengebühren und des aktuellen Nutzungsverhaltens wird es vielen Issuern, bei einem bevorstehenden Erlöspotenzial von 0,2 Prozent/Sieben Cent fix beziehungsweise 0,3 Prozent pro Euro Umsatz mit einer Debit- beziehungsweise Kreditkarte, schwer fallen, einen positiven Deckungsbeitrag zu erzielen. Zur Sicherung der Profitabilität wurden in der öffentlichen Diskussion bereits zahlreiche Maßnahmen der Kostensenkung vorgeschlagen und diskutiert.

Allen voran wird gerne das technische Processing im Kartengeschäft angeführt, da Issuer hier historisch gesehen Kostensenkungserfolge von bis zu 60 Prozent im Rahmen von Outsourcing-Initiativen erreichen konnten. Auch liegt im technischen Processing mit durchschnittlich 15 bis 25 Prozent der Kosten ein bedeutender Hebel der Issuer GuV. Bei Betrachtung und Optimierung der Kosten im technischen Processing muss allerdings konsequent zwischen Debit- und Kreditkarten unterschieden werden.

Nachfolgend wird erläutert, wie der deutsche Markt im Bereich des technischen Processings der Debit- und Kreditkarten aktuell aufgestellt ist. Auf Basis der bevorstehenden regulatorischen Herausforderungen im Bereich der Kreditkarten werden dann zwei Produktstrategien vorgestellt, welche sich auf die Sourcing-Strategien im technischen Processing auswirken werden.

Status quo im Debitkarten-Processing: vergleichsweise niedrige Stückkosten

Die historische Entwicklung im Bereich der Debitkarte ist durch ein inhouse Betriebsmodell der Banken und technische Änderungen im Rahmen der regulatorischen Notwendigkeiten geprägt. Darüber hinaus fand in nahezu allen großen Banken in Deutschland ein Austausch der Legacy-Mainframe-Betriebsplattformen statt.

Mit nur wenigen Ausnahmen (beispielsweise Einführung von NFC oder Wechsel des Co-Badging-Schemes) betrafen die Änderungen nicht den Konsumenten. Die Debitkarte wurde und wird als "Produktzugang zum Konto" ohne signifikantes Alleinstellungsmerkmal von deutschen Banken gesehen und von den Konsumenten wahrgenommen.

Die Vermarktung der Debitkarte als Bündelprodukt ohne relevante Differenzierungsmerkmale zwang deutsche Banken zur größtmöglichen Reduktion der Stückkosten der Debitkarten. Infolgedessen wurden die IT-Systeme über Jahrzehnte ohne signifikante Re-Investitionen betrieben. Änderungen an diesen Systemen fanden zwar statt, wurden jedoch nur selten von den Banken selber angetrieben, sondern stets über Regulatoren, Schemes oder die Deutsche Kreditwirtschaft.

Darüber hinaus unterscheidet sich auch die relevante Kostenbasis: Die größtenteils fixen Kosten der technischen Kontoführung und des Clearing & Settlements können auf eine sehr viel breitere Erlösbasis verteilt werden, da über diese Systeme auch die Geschäftsprozesse des Girokontos abgewickelt werden.

Diese Faktoren führen zu vergleichsweise niedrigen Stückkosten der Debitkarten im technischen Processing. Im direkten Vergleich mit dem technischen Processing von Kreditkarten zeigen sich Kostenunterschiede von bis zu 95 Prozent pro Karte. Entscheidend hierfür sind drei Faktoren:

1. geringes Investitionsvolumen durch geringe Innovationsaktivitäten,

2. geringe Komplexität durch Reduktion der Funktionalitäten auf das notwendige Minimum,

3. Nutzung von Skaleneffekten durch enge Verzahnung mit den bestehenden und durch andere Produkte genutzten Kernbanksysteme.

Kreditkarten-Processing: Outsourcing rechnet sich

Im Gegensatz hierzu ist das Betriebsmodell im technischen Kreditkarten-Processing überwiegend durch ein vollumfängliches Outsourcing an spezialisierte Dienstleister geprägt. Diese verarbeiten die technischen Kartenprozesse über eine fast vollständig von den Banken entkoppelte multi-mandantenfähige Plattform. Änderungen an diesen Plattformen finden fortlaufend statt: Migrationen von Kartenportfolien, Aufsetzen von neuen Kartenprogrammen, Stilllegung von alten Kartenprogrammen, Einführung von spezifischen Funktionalitäten einzelner Kartenprogramme oder Umsetzung von regulatorischen Anforderungen.

Insbesondere Banken mit der Kreditkarte als strategisch eigenständigem Produkt haben die Erwartungshaltung an den Dienstleister, dass geschäfts- und produktpolitische Änderungen schnell und reibungslos umgesetzt werden. Das Bedürfnis reicht von Änderungen der Preise und Konditionen, bis hin zur Einführung von NFC oder einer TSM-Anbindung.

Die hierdurch über Jahrzehnte hinweg kontinuierliche Zunahme der Komplexität des technischen Processings von Kreditkarten hat dazu geführt, dass mittlerweile praktisch alle deutschen Banken die Verarbeitung an Dienstleister mit einer entsprechenden IT-Kernkompetenz vergeben haben. Hierdurch wurden zwar re dundante Karten- und Kontoführungssysteme geschaffen, welche sich aber dennoch rechnen, da die spezialisierten Dienstleister eher in der Lage sind, die zunehmende Komplexität zu handhaben und durch Skaleneffekte günstig zu produzieren.

Trotz Outsourcing an spezialisierte Dienstleister sind die Kostenunterschiede wie dargestellt enorm. Der nicht zuletzt durch die Marge der Prozessoren und teilweise auch durch Mehrwertsteuer getriebene Aufpreis rechnet sich aus Sicht der Banken insbesondere aus den folgenden drei Gründen:

1. Kurze Time-to-Market für IT-technische Änderungen, um Differenzierungsmerkmale in der Produktgestaltung schnellstmöglich einführen zu können.

2. Handhabbarkeit der bestehenden und weiter zunehmenden Komplexität.

3. Niedrige Stückkosten unter Berücksichtigung der Komplexität.

Produkte der Zukunft: "Plain-Vanilla"- und Full-Service-Kreditkarten

Die geschilderten Herausforderungen im Bereich der Kreditkarten werden zu einem Paradigmenwechsel im deutschen Markt führen. Die Deckelung der Interchangegebühren durch die EU wird bei vielen deutschen Issuern eine schlagartige Reduktion der Erlösseite um bis zu 70 Prozent nach sich ziehen. Da die Wiedererlangung der aktuellen Profitabilitätswerte nicht durch klassische Kostensenkungsmaßnahmen möglich sein wird, müssen die Geschäftsmodelle der Banken im Kreditkartengeschäft neu definiert werden.

Nach unserer Einschätzung werden sich langfristig zwei unterschiedliche Geschäftsmodelle deutscher Banken etablieren:

1. "Plain-Vanilla"-Kreditkarten: Banken mit einer Strategie der Preisführerschaft werden die Funktionalitäten der Kreditkarte auf das notwendige Minimum reduzieren. Im Extremfall führt dies zu Kreditkarten mit nahezu täglicher Abrechnung, ohne separate Rechnungsstellung, ohne Mehrwertdienste, ohne Loyalty-Programme und ohne technische und optische Zusatzfunktionalitäten der Plastikkarte. Im Kern wird die Kreditkarte durch diese Maßnahmen zu einer Debitkarte, mit dem Unterschied der globalen Akzeptanz, der Nutzbarkeit im E-Commerce und des Käuferschutzes im Rahmen von Chargeback-Möglichkeiten.

2. "Full-Service"-Kreditkarten: Im Gegensatz hierzu werden insbesondere Banken mit einer Nischen-/Differenzierungs-Strategie den Umfang der Funktionalitäten der Kreditkarte beibehalten oder sogar weiter ausbauen. Dies führt zu kom plexen Produkten wie sie heute bereits bestehen, mit aufwendigen Mehrwertdiensten, Loyalty-Programmen, produkt- und sogar kundenindividuellen Abrechnungszyklen und technisch und optisch aufwendig gestalteten Plastikkarten.

Karteninhaber stärker in die Pflicht nehmen

Zur Sicherung der Profitabilität dieser Produkte wird jedoch künftig der Konsument wesentlich stärker in die Pflicht genommen, als dies bisher der Fall ist. Der Wegfall der Interchangegebühren wird maßgeblich über höhere einmalige und wiederkehrende Kartengebühren kompensiert werden müssen.

Wir glauben, dass diese unterschiedlichen Kartenstrategien sich mittelfristig stärker im Markt zeigen und Mischformen, wie sie heute bestehen, perspektivisch zurückgehen werden. Dies schließt jedoch nicht aus, dass Banken gleichzeitig beide Strategien verfolgen können, beispielsweise durch das Anbieten einer "Plain-Vanilla"-Kreditkarte im Kontobündel und das separate Anbieten einer "Full-Service"-Kreditkarte als eigenständiges Produkt.

Durch das sukzessive Herunterfahren von Mehrwertdiensten und die ersten Anhebungen von Kartengebühren für Kreditkarten mit Alleinstellungsmerkmalen durch einige Issuer sind erste Tendenzen einer derartigen Differenzierung bereits heute im Markt zu sehen.

Zusammenführung von "Plain-Vanilla"-Kreditkarten und Debitkarte?

Die wesentliche Chance dieses Trends liegt in der konsequenten Umsetzung der strategischen Ausrichtung des Kreditkartengeschäfts. Für das technische Processing steht hierbei die Frage im Vordergrund, weshalb ein im Kern identisches Produkt auf einer separaten und redundanten technischen Plattform verarbeitet werden muss.

Bei dieser Frage ist die "Plain-Vanilla"-Kreditkarte in der technischen Abwicklung sehr viel näher an der Verarbeitung einer Debitkarte als der Verarbeitung einer "Full-Service"-Kreditkarte. Die Differenzierung zwischen der Debitkarte und der Reinform einer "Plain-Vanilla"-Karte könnte daher aufgebrochen und die technische Basis dieser Kartentypen wieder zusammengeführt werden.

Erforderlich für die erfolgreiche Umsetzung dieser Strategie ist das Commitment des Managements auf die Behandlung der "Plain-Vanilla"-Kreditkarte im Geiste einer Debitkarte. Im Zentrum stehen dabei die zuvor genannten Erfolgsfaktoren für die kostengünstige Produktion der Debitkarte. In der Konsequenz wird das Produkt dadurch "langweiliger" und enger an das Girokonto gebunden.

Ist dieses Commitment gegeben, bietet die vorhandene Abwicklungsplattform der Debitkarte erhebliche Kosten-vorteile und Redundanzen in den Konto führungs-, Clearing und Settlement-, Autorisierungs- und Authentifizierungs- und Kartenmanagementsystemen können aufgelöst werden.

Relevante Treiber zur Unterstützung dieser strategischen Ausrichtung kommen nicht nur aus dem regulatorischen Umfeld, sondern auch aus der internen Ausrichtung der Banken. So bieten die in den letzten Jahren neu eingeführten Kernbanksysteme meist nativ die Möglichkeit, Karten zu verarbeiten.

Zudem könnte durch diesen Schritt der ganzheitliche Blick auf den Kunden einfacher ermöglicht und die bisher rein technisch bedingte Trennung zwischen der Führung der Kunden- und Kartendaten zusammengeführt werden.

Konsequenzen für die Marktteilnehmer

Kreditkarten-Issuer sollten sich möglichst frühzeitig mit den Konsequenzen der Regulierung auseinandersetzen. Nach derzeitiger Einschätzung wird die Deckelung der Interchangegebühren durch die EU Anfang 2016 erfolgen. Allerdings werden erste Einschnitte in der Gewinn- und Verlustrechnung, beispielsweise durch die bilateralen Vereinbarungen zwischen Visa und der Europäischen Kommission, bereits früher zu verzeichnen sein.

Zur Sicherung des Geschäfts wird sich jeder Issuer die Frage stellen müssen, wie er künftig sein Geschäft entlang der zwei skizzierten Modelle aufstellen möchte. Diese grundlegende Entscheidung muss dann in allen Facetten umgesetzt werden, inklusive einer gegebenenfalls notwendigen Neuausrichtung der IT. In Anbetracht von im Markt beobachteten Projektlaufzeiten von mehreren Jahren sollte ein derartiger Schritt rechtzeitig geplant werden.

Signifikant steigender Preisdruck für Prozessoren

Auch die im deutschen Markt tätigen Issuing-Prozessoren sollten ihre künftige Geschäftsstrategie entsprechend anpassen. Der Preisdruck in der Verarbeitung von sehr einfachen Kartenprodukten wird signifikant höher, da Issuer die Preise gegen die inhouse-Kostenbasis vergleichen werden.

Für kleinere Portfolien wird zwar eine externe Verarbeitung auch nach Reduktion der Funktionalität weiterhin attraktiv bleiben, allerdings sind hier harte Verhandlungsprozesse zu erwarten. Lukrativ dürfte dahingegen die Verarbeitung der aufwendigen "Full-Service"-Karten bleiben. An dieser Stelle treten jedoch zunehmende Anforderungen der Issuer und der Konsumenten selber hervor.

Zu den Autoren

Steven Jacob, Principal, und Jan Lettow, Senior Associate, Innovalue Management Partner GmbH, Hamburg.

Steven Jacob , Partner, Arkwright Consulting, Hamburg
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