FACTORING

Zur Bankerlaubnispflicht bei Ankauf von Lebensversicherungen

Urteil des Bundesgerichtshofs lässt Factoring-Branche aufmerken

Dr. Karl Friedrich Dumoulin, Foto: Marc Fippel

Seit einigen Jahren existiert ein Markt für den "Kauf gebrauchter Lebensversicherungen". Mit einem entsprechenden Sachverhalt befasste sich unlängst der Bundesgerichtshof (BGH).1) Das Urteil betrifft die Factoring-Branche nicht direkt. Es zeigt aber einmal mehr, dass im Hinblick auf die extensive Auslegung des Tatbestands des Einlagengeschäfts2) stets Aufmerksamkeit geboten ist. (Red.)

Dem BGH lag folgender Fall zur Entscheidung vor: Der Beklagte war alleiniger Verwaltungsrat einer in der Schweiz ansässigen Aktiengesellschaft (AG). Über eine Bankerlaubnis verfügte diese AG nicht. Auf der Grundlage eines sogenannten "Kauf- und Abtretungsvertrags" zwischen den Parteien verkaufte und zedierte die Klägerin "die Rechte und Ansprüche", die ihr aus den Kapitallebensversicherungen gegen den Versicherer zustehen, an die AG. Die Klägerin bestätigte ferner, dass ihr bekannt sei, dass die AG (Käuferin) "die Rechte und Forderungen gegebenenfalls verwertet". Als "Erlös" gelte der Betrag, der von der Versicherung an die AG ausgekehrt werde.

Bei Kapitallebensversicherungen handele es sich dabei um den aktuellen Rückkaufswert, der von dem Versicherer auf der Basis des erstmöglichen Kündigungstermins zur Auszahlung an die AG gebracht wird. Zu "Höhe, Fälligkeit und Auszahlung des Kaufpreises" bestimmte der Vertrag in der von der Klägerin gewählten Variante Folgendes: "Auszahlungen in Höhe des Kaufpreises bestimmen sich nach Wunsch des Verkäufers wie folgt: (...) Cashdirekt I (C) (ab 1 000 Euro Erlös) in insgesamt 120 monatlichen Zahlungen (zehn Jahre) zuzüglich einer einmaligen Abschlusszahlung. Die Abschlusszahlung (...) ist nach Ablauf des 120. Monats fällig (...). Die monatlichen Auszahlungen sind jeweils am Anfang eines Kalendermonats fällig (...). Der Kaufpreis entspricht dem doppelten Erlös. Die Abschlusszahlung berechnet sich aus dem vereinbarten Kaufpreis (doppelter Erlös) abzüglich der 120 monatlich geleisteten Auszahlungen. Die monatlichen Auszahlungen sind jeweils am Anfang eines Kalendermonats fällig (..). Ausschlaggebend für den Beginn der Auszahlung ist grundsätzlich der vollständige Eingang des Erlöses auf dem Konto der S-AG."

Darüber hinaus übernahm die Verkäuferin - neben der Veritätsgarantie - die Garantie dafür, dass sämtliche fälligen Beträge und Prämien entrichtet wurden, kein unwiderrufliches Bezugsrecht zugunsten Dritter besteht und es sich nicht um eine Direktversicherung handelt.

Nachdem sich das Geschäft für sie als nachteilhaft herausstellte, machte die Klägerin gegen den Beklagten als verantwortlichen Verwaltungsrat der AG einen Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung wegen Verstoßes gegen das Kreditwesengesetz (KWG) (unerlaubtes Bankgeschäft) geltend.3) Die zentrale Frage, ob es sich bei dem von der AG angebotenen Anlagemodell um ein Bankgeschäft in Form des Einlagengeschäfts im Sinne des § 1 Absatz 1 S. 2 Nr. 1 Alt. 2 KWG handele, hat der BGH bejaht. Da das Berufungsurteil keine Feststellungen dazu enthielt, ob der Beklagte möglicherweise einem Verbotsirrtum unterlag und deshalb ein Schadensersatzanspruch der Klägerin verneint werden musste, hat der BGH die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Kauf- und Abtretungsvertrag

In seiner Urteilsbegründung hebt der BGH hervor, der "Kauf- und Abtretungsvertrag" sei zwar nicht unmittelbar auf die Einzahlung von Bar- oder Buchgeld gerichtet gewesen, sondern auf die Abtretung von Rechten und Ansprüchen aus den von der Klägerin gehaltenen Kapitallebensversicherungen. Diese Rechtsübertragung habe aber bezweckt, dass die AG den Rückkaufswert vereinnahmte und den Anlegern das den Rückkaufswert betreffende Auszahlungsrisiko nach den mit der AG getroffenen vertraglichen Vereinbarungen verbleibt.

Das Anlagemodell ziele im Kern darauf, der AG den Rückkaufswert der Lebensversicherung zufließen zu lassen und ihr für die vertraglich vereinbarte Zeit zu belassen. Höhe und Fälligkeit des von der AG an die Klägerin zu entrichtenden "Kaufpreises" seien unmittelbar vom Eingang des von der AG erzielten Erlöses auf dem Konto der AG abhängig. Bei dem "Erlös" im Sinne des Vertrags handele es sich aber exakt um den Betrag, der vom Lebensversicherer an die AG bei Verwertung der Versicherung tatsächlich ausgekehrt werde. Daraus, dass die Klägerin Zahlungen der AG nach dem Vertrag nur erhalten sollte, wenn und soweit die Versicherer den Rückkaufswert zuvor an die AG auskehrt, ergebe sich zugleich, dass die Klägerin als Anlegerin das den Rückkaufswert betreffende Auszahlungsrisiko tragen sollte.

Die von der AG wie beschrieben angenommenen Gelder seien auch unbedingt rückzahlbar gewesen. Der als "Kaufpreis" deklarierte Anspruch auf Auszahlung des von der AG vereinnahmten Rückkaufswerts sei im Vertrag ausdrücklich und bedingungsfrei vereinbart worden.4)

Abgrenzung zum klassischen Factoring

Damit nimmt der Bundesgerichtshof in dem von ihm entschiedenen Fall eine klare Abgrenzung zum (klassischen) Factoring vor. Während das Auszahlungsrisiko der Lebensversicherung bei dem Vertragskonstrukt der AG beim Kunden verbleibt, übernimmt das Factoring-Institut beim (klassischen) Factoring das Ausfallrisiko der Debitoren.5)

Darüber hinaus stellt sich der "Kauf- und Abtretungsvertrag" bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise als "Etiketten schwindel" dar: Ob sich der Beklagte den Rückkaufswert zunächst an sich auszahlen lässt und dann bei der AG einzahlt, oder der Zahlungsweg durch das von der AG verwendete Vertragskonstrukt abgekürzt wird, macht keinen Unterschied.6) Dagegen liegt dem Factoring ein realer Forderungskaufvertrag zugrunde, der darauf abzielt, dem Anschlusskunden umgehend Liquidität durch den Verkauf seiner Forderungen an das Factoring-Institut zu verschaffen.

Generell zeigt das Urteil des BGH, dass der Tatbestand des Einlagengeschäfts extensiv ausgelegt wird. In diesem Kontext ist für Factoring-Unternehmen bei Geschäftsmodellen Vorsicht geboten, bei denen es den Kaufpreis erst zu einem nachträglich von ihm mit dem Anschlusskunden vereinbarten Zeitpunkt oder auf jederzeitige Anforderung des Anschlusskunden an ihn auszahlt.7) Das gilt freilich nicht nur für Factoring-Institute als Käufer von Forderungen, sondern gleichermaßen etwa für Abnehmer von Warenlieferungen.

So hatten im sogenannten "Winzergeldfall" die Mitglieder einer Winzergemeinschaft einen Teil der Entgelte für die Ablieferung ihrer Trauben als jederzeit abrufbare "Einlage" gegen Verzinsung stehen lassen.8) Diesen Sachverhalt hatte der BGH ebenfalls als unerlaubtes Betreiben von Bankgeschäften in Form des Einlagengeschäfts qualifiziert.9)

Fußnoten

1) BGH, Urteil vom 16. Oktober 2018, VI ZR 459/17, NJW-RR 2019, 170 f. = BeckRS 2018, 31248, zur Vorinstanz (LG Rottweil) BeckRS 2017, 153469; Urteilsbesprechungen: Fischer, EWiR 2019, 129 f.; Henning, WuB 2019, 128 ff.

2) § 1 Absatz 1 S. 2 Nr. 1 KWG

3) § 823 Absatz 2 BGB i. V. m. § 1 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2, 32 Abs. 1 S. 1, 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG, § 14 Abs. 1 StGB

4) In diesem Sinne hatte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) zu dem hier in Rede stehenden Thema bereits in einer Publikation vom 2. Dezember 2013 festgehalten, der Tatbestand des Einlagengeschäfts komme in Betracht, wenn der "Kaufpreis" erst zu einem späteren Zeitpunkt ausgezahlt werden solle und der vermeintliche Kaufvertrag sich als Angebot für eine Geldanlage darstelle: siehe "Kauf gebrauchter Lebensversicherungen", abrufbar unter: www.bafin.de

5) Siehe Henning, a.a.O., Seite 129 l.Sp.

6) Siehe Henning, a.a.O., Seite 129 l.Sp.

7) Siehe näher Dumoulin, FLF 2011, Seite 125 ff. mit weiteren Nachweisen

8) BGH, Urteil vom 19. März 2013, VI ZR 56/12, NZG 2013, 582 ff. = NJW-RR 2013, 675 ff.

9) Siehe Dumoulin, FLF 2014, Seite 41 f.

DR. KARL FRIEDRICH DUMOULIN ist Rechtsanwalt und Partner im Düsseldorfer Büro der Wirtschaftssozietät FPS Fritze Wicke Seelig Partnerschaftsgesellschaft von Rechtsanwälten mdB. Zu seinen Schwerpunkten zählt die Beratung von Factoring-Unternehmen.
E-Mail: dumoulin[at]fps-law[dot]de
Dr. Karl Friedrich Dumoulin , Rechtsanwalt und Partner , Wirtschaftssozietät FPS Fritze Wicke Seelig Partnerschaftsgesellschaft von Rechtsanwälten mdB
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