BANKING

Flexibler Forderungsverkauf über digitale Plattformen

Positiver Nutzen für alle Beteiligten?

Michael Piel, Foto: blende11 Fotografen

Nachdem sich digitale Plattformen besonders bei der Supply-Chain-Finanzierung etabliert haben, ebnet sich langsam dieser Weg der Prozessoptimierung für weitere Bereiche. Großer Handlungsbedarf besteht beispielsweise bei der Forderungsfinanzierung. Auch wenn es sich bei Forderungsverkäufen meist um Eins-zu-eins-Beziehungen handelt, bieten sich sowohl für Unternehmen als auch für Käufer etliche Vorteile. Beide Parteien wissen ganz genau, welche Optimierungen sie sich wünschen - auch wenn diese manchmal mit den realen Bedingungen kollidieren. (Red.)

Seit einigen Jahren etablieren sich auch im deutschen Markt zunehmend digitale Plattformen für die Abwicklung von Forderungsverkäufen. Zunächst wurden diese Portale überwiegend im Zusammenhang mit firmenübergreifenden Verbesserungen von Finanzabläufen im Rahmen von Supply-Chain-Finance-Programmen eingesetzt.

Hierbei bietet eine webbasierte Plattform einen einheitlichen Zugang für eine in der Regel hohe Anzahl an Nutzern auf Seite der Lieferanten. Insbesondere bei Supply-Chain-Finance-Programmen mit ebenfalls hohen Finanzierungsvolumina bietet ein digitales Portal zusätzlich die Möglichkeit, mehrere Finanzierungspartner parallel in den direkten Forderungsankauf einzubinden. Dadurch können Syndizierungen vermieden und somit Transparenz, Effizienz und Flexibilität deutlich erhöht werden.

Während der Wertbeitrag einer digitalen Plattform im Kontext Supply-Chain-Finance offensichtlich ist (einheitlicher Zugang für eine große Anzahl an Nutzern), stellt sich die Frage, ob ein derartiges Portal auch im Falle eines klassischen Forderungsverkaufs einen Mehrwert liefert. Schließlich handelt es sich hierbei häufig noch um Eins-zu-eins-Beziehungen. Das heißt, ein Forderungsverkäufer steht einem einzelnen Forderungsankäufer, zum Beispiel einer Factoring-Gesellschaft, gegenüber.

Forderungsverkauf aus Unternehmenssicht

Im Rahmen einer im Frühjahr 2021 von der Treasury Beratung Schwabe, Ley und Greiner gemeinsam mit CRX Markets durchgeführten Studie "Working-Capital-Finanzierung in einem modernen und demokratisierten Markt" (Download: https://www.crxmarkets.com/wp-content/uploads/studie-working-capital-finanzierung.pdf) wurden Finanzverantwortliche und Kassenverwalter aus mehr als 1 000 Unternehmen - überwiegend mit Sitz in der DACH-Region - zu verschiedenen Aspekten der Finanzierung von Umlaufkapital befragt. Auf die Frage, in welchen Feldern dieser Working-Capital-Finanzierung im eigenen Unternehmen der größte Handlungsbedarf besteht, lautete die mit Abstand häufigste Antwort "Forderungsfinanzierung". Hier sieht nahezu jeder zweite Befragte Nachholbedarf. Bei der Auswahl von Finanzierungsinstrumenten stellen "große Preistransparenz", "hohe Liquidität" und "geringer Implementierungsaufwand" die wichtigsten Kriterien dar. Andererseits sind "mangelnde Ressourcen" die größte Hürde bei der Implementierung.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Unternehmen den Forderungsverkauf als ein sinnvolles Instrument der Working-Capital-Finanzierung bewerten und hier offenbar deutlichen Nachholbedarf sehen. Allerdings kollidiert der starke Wunsch nach großer Preistransparenz und hoher Liquidität mit der im Factoring-Markt vorherrschenden Eins-zu-eins-Beziehung zwischen Forderungsverkäufer und Factoring-Gesellschaft. Zwar kann im Rahmen einer Ausschreibung sehr gut die gewünschte Preistransparenz hergestellt werden. Die längerfristige Bindung an einen einzelnen Partner will allerdings gut überlegt sein, denn mangelnde Ressourcen stellen häufig auch eine Austrittsbarriere seitens der Unternehmen dar. Um die angestrebten Transparenz- und Liquiditätsziele zu erreichen, könnten beispielsweise zwei oder drei Finanzierungspartner parallel mandatiert werden. Dies geht allerdings mit erhöhtem Implementierungsaufwand einher.

Nutzen für Firmen

Der Nutzen von digitalen Plattformen im Bereich der Forderungsfinanzierung geht aus Unternehmenssicht weit über den Wunsch nach Preistransparenz und Liquidität hinaus hin zu Automatisierung und Standardisierung:

  • Insbesondere die Abwicklung und die damit verbundene Obligoabstimmung bringen einen sehr hohen Zeitaufwand mit sich. Das trifft vor allem auf die weit verbreitete Form des regressfreien, stillen Forderungsverkaufs zu. Hierbei muss der Forderungsverkäufer einerseits den Forderungsabgang erfassen, das heißt den entsprechenden Debitorenposten ausbuchen. Andererseits steht der Forderungsverkäufer in der Verpflichtung, das Mahnwesen gegenüber dem jeweiligen Debitor aufrechtzuerhalten. In den meisten Enterprise-Resource-Planning-(ERP)-Systemen ist dies jedoch kein Standardprozess, sondern erfordert entsprechende manuelle Eingriffe oder technische Anpassungen.
  • Eine digitale Plattform bietet im Rahmen der umfassenden ERP-Integration die Möglichkeit einer vollständigen Automatisierung des Abwicklungsprozesses. Hierbei wird der gesamte Zyklus des Forderungsverkaufs - von der Andienung einer Forderung zum Ankauf bis zur Weiterleitung der erhaltenen Debitorenzahlung bei Fälligkeit der Forderung - automatisiert. Diese Automatisierung umfasst neben der buchhalterischen Abbildung des Forderungsabgangs die Disposition und Verbuchung des vereinbarten Forderungskaufpreises einschließlich des True-Sale-Aufwands.

Mit Zahlungseingang des Forderungskaufpreises erfolgt bereits die Erfassung einer Verbindlichkeit gegenüber dem jeweiligen Forderungskäufer. Diese entsteht, sobald der zugrunde liegende Debitorenposten ausgeziffert wird. Abschließend erfolgt die Erstellung eines entsprechenden Zahllaufvorschlags. Dessen Freigabe stellt in der Regel den einzigen manuellen Schritt im Gesamtprozess dar. Tendenziell fehleranfällige manuelle Prozesse werden somit überflüssig. Die Prozesskosten auf Unternehmensseite reduzieren sich erheblich. Die umfassende ERP-Integration erfüllt den Wunsch der Unternehmen nach einem geringen Implementierungsaufwand.

  • Vollständige Transparenz: Bei Verwendung einer digitalen Plattform erfolgt die Trennung der technischen Infrastruktur von der Finanzierung. Somit können Unternehmen die bestehende Wertschöpfungskette aufbrechen. Einzelne Leistungen werden transparenter und können objektiv miteinander verglichen werden.
  • Hohe Liquidität und damit Finanzierungssicherheit erhält insbesondere dann einen hohen Stellenwert, wenn ein Forderungsverkauf nicht versicherte Einzelforderungen umfasst. Dies ist in der Regel bei Forfaitierungen der Fall. Auch wenn Unternehmen im Rahmen ihres Debitoren-Risikomanagements ihr Exposure durch regressfreie Forderungsverkäufe steuern wollen, ist die Finanzierungssicherheit das wichtigste Kriterium. Eine True-Sale-Transaktion mit der parallelen Einbindung mehrerer Bankpartner lässt sich auf einer digitalen Plattform sehr einfach realisieren.
  • Skalierbarkeit: Die Nutzung einer digitalen Plattform bewirkt zunächst eine Standardisierung der Prozesse auf Unternehmensseite. Dies betrifft nicht nur die technische Integration, sondern auch die rechtliche Dokumentation. Dadurch wird es für Unternehmen viel einfacher, neue Beteiligungsgesellschaften, weitere Währungen oder zusätzliche Jurisdiktionen in den Forderungsverkauf einzubeziehen. Sollte der bestehende Kreis an Forderungskäufern nicht ausreichen, können neue Forderungskäufer sehr einfach über die Plattform angebunden werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass digitale Plattformen insbesondere dann einen deutlichen Mehrwert für Unternehmen mit sich bringen, sofern der Forderungsverkauf nicht im Wege einer Ein-zu-eins-Geschäftsbeziehung mit nur einem Forderungskäufer dargestellt werden kann oder aus strategischen Überlegungen mit mehreren Forderungskäufern realisiert werden soll. Unternehmenskunden können eine digitale Plattform nutzen, um hierauf eine auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene True-Sale-Struktur zu realisieren. Dies umfasst neben einer einheitlichen rechtlichen Dokumentation die flexible und bedarfsgerechte Auswahl der Forderungskäufer. Der Wertbeitrag der Plattformen geht entsprechend deutlich über die technische Integration hinaus. Die erforderliche Kompetenz - auch das ein Aspekt der oben angesprochenen Studie zur Working-Capital-Finanzierung - trauen die Unternehmenskunden digitalen Plattformen zu.

Vorteile für Forderungskäufer

Auf einer digitalen Plattform richtet sich der Fokus der Forderungsverkäufer sehr stark, aber nicht nur auf die Transaktionskosten:

  • Die Transaktionskosten reflektieren die absolute Kernkompetenz eines Forderungskäufers, nämliche die risikoadäquate Bepreisung aller mit einer Transaktion verbundenen Bonitäts-, Veritäts- und sonstigen Geschäftsrisiken. Sofern es hier zu unterschiedlichen Bewertungen kommt, trägt die Transparenz einer digitalen Plattform zu der Beseitigung bestehender Ineffizienzen im Markt bei. Dies fördert grundsätzlich eine steigende Akzeptanz für das Instrument Forderungsverkauf.
  • Beteiligung an Marktwachstum: Die Erfahrung im Marktsegment Supply-Chain-Finance zeigt, dass das Finanzierungsvolumen auf digitalen Plattformen einerseits auf die Akquisition neuer, in der Regel besser skalierbarer Finanzierungsangebote zurückzuführen ist. Andererseits konnten digitale Plattformen durch die Reduzierung von Eintrittsbarrieren neue Unternehmenskunden für ein Finanzierungsangebot Supply-Chain-Finance gewinnen. Die reine Substitution bereits bestehender Strukturen stellt eher eine Ausnahme dar. Eine ähnliche Entwicklung ist im Bereich des konventionellen True Sale zu erwarten. Auch hier wird der Abbau bestehender Eintrittsbarrieren dazu führen, dass der Forderungsverkauf für einige Unternehmen zu einer echten Alternative in der Working-Capital-Finanzierung wird. Diese Tendenz lässt sich bereits im Markt beobachten.

Produkte wie Factoring, Forfaitierung oder auch Verbriefung haben aus Sicht des Forderungsverkäufers häufig eine sehr ähnliche Zielsetzung, sie verfügen jedoch über unterschied liche Eigenschaften und Anforde rungen. Banken vertreiben diese Produkte deshalb oft isoliert aus verschiedenen Abteilungen heraus. Es besteht daher das Risiko für den Kunden, keine ganzheitliche oder optimale Beratung zu erhalten. Der Plattformansatz erlaubt eine unvoreingenommene produktübergreifende Beratung und basierend darauf eine Vorselektion sowie die zielgerichtete Einbindung von Finanzierungspartnern.

  • Transparenz und Gleichbehandlung: Auch Forderungskäufer können von der Markttransparenz, die durch digitale Plattformen aufgrund der Standardisierung zahlreicher Parameter geschaffen wird, profitieren. Das betrifft zum Beispiel die Forderungslaufzeiten, Überfälligkeiten oder den gesamten Prozess der Weiterleitung erhaltener Debitorenzahlungen, vor allem zu vereinbarende Fristen. Die Preisbildung selbst erlaubt einen kontinuierlichen Abgleich der eigenen Risikoeinschätzung mit den Mitbewerbern. Sollte sich hier die Markteinschätzung ändern, wird dies unmittelbar durch eine veränderte Zuweisung der Ankaufvolumina transparent.
  • Datenqualität und Prozessrisiken: Die Automatisierung der relevanten Buchhaltungsprozesse auf Seiten des Forderungsverkäufers verbessert zusätzlich die Qualität der für einen Forderungsverkauf benötigten Datenpunkte. Als Beispiel lässt sich ein detaillierter, zeitnaher Einblick in Dilutionsrisiken nennen. Diese Transparenz ist im Saldenabgleichverfahren nicht gegeben, sondern muss in einer Außenprüfung geschaffen werden. Eine verbesserte Datenqualität und Datenmenge erweitert außerdem den Kreis potenzieller Finanzierungspartner. Sie öffnet somit diese Assetklasse für neue Investorengruppen, die vor allem im anhaltenden Negativzinsumfeld händeringend nach sicheren, kurzfristigen Anlagealternativen suchen. Darüber hinaus werden Prozessrisiken und damit das sogenannte operationelle Risiko infolge manueller Prozesse eliminiert.
Michael Piel , Vizepräsident Corporate Advisory , CRX Markets, München
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