NACHHALTIGKEIT

Gutes Gewissen dank nachhaltiger Investments

Eine Studie zum Verhalten von Retailanlegern

Dr. Ann-Christine Brunen, Foto: PicturePeople GmbH & Co. KG

Viele Verbraucher sprechen sich für Nachhaltigkeit aus. Da scheint es naheliegend, dass sich diese Personen auch bei Finanzfragen entsprechend entscheiden. Eine genaue Beobachtung zeigt aber, dass nachhaltige Anleger nicht diejenigen sind, die sich im Alltag derart verhalten. Die Autorin hat die Beziehung zwischen Verbraucher- und Anlegerethik in einer umfassenden Studie unter die Lupe genommen. Sie stellt ihre Ergebnisse vor, ordnet diese ein und zeigt unterschiedliche Ansätze auf, wie sich die teils widersprüchlichen Verhaltensweisen erklären lassen. (Red.)

Nachhaltigem Investieren kommt eine wesentliche Rolle bei der Finanzierung nachhaltigen Wachstums zu. Bei nachhaltigen Investmententscheidungen finden Umwelt-, soziale und Governance-Aspekte (sogenannte ESG-Kriterien) neben den klassischen Kriterien der finanziellen Rendite, der Liquidität und des Risikos Berücksichtigung.1) Anleger legen bei ihren Entscheidungen zunehmend Wert auf Nachhaltigkeit,2) sodass im Jahr 2020 36 Prozent aller professionell verwalteten Assets weltweit nachhaltig waren.3) Allerdings sind größere Anstrengungen nötig, um die Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen zu erreichen.4) In diesem Zusammenhang hat die EU einen Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums ausgearbeitet. Dieser sieht vor, privates Kapital in nachhaltige Investitionen zu lenken, um den benötigten Investitionsumfang zum Erreichen der Klima- und Energieziele der EU aufzubringen. Hierzu soll Nachhaltigkeit in die Anlageberatung einbezogen werden, um nachhaltige Investitionen durch Privatanleger zu fördern.5)

Insbesondere in Deutschland ist sowohl der Anteil nachhaltiger Fonds und Mandate als auch nachhaltiger Privatanleger im Vergleich zu den Nachbarländern Österreich und Schweiz mit 6,4 Prozent beziehungsweise 18 Prozent besonders gering.6) Um den Anteil nachhaltiger Privatanleger effektiv steigern zu können ist es wichtig, nachhaltige Privatanleger und ihre Beweggründe besser zu verstehen. Insbesondere ist keinesfalls im Vorhinein klar, ob Individuen, die sich in anderen Bereichen nachhaltig verhalten, auch diejenigen sind, die am Ende des Tages nachhaltig investieren; denn Untersuchungen zu nachhaltigem Verhalten zeigen sowohl einen verstärkenden als auch kompensierenden Effekt zwischen unterschiedlichen Entscheidungen im Kontext von Nachhaltigkeit.7) Dieser Beitrag untersucht basierend auf Daten zu den Entscheidungen von Privatanlegern in Investment- und nichtinvestmentbezogenen Bereichen, ob diejenigen nachhaltig investieren, die sich auch sonst nachhaltig verhalten.

Daten und Methodik

Hierzu wird das Verhalten von Retailanlegern in verschiedenen Bereichen untersucht. Umfrageantworten bergen die Gefahr der Verzerrung, da die Teilnehmer zu sozial erwünschten Antworten neigen8) oder die berichteten Einstellungen nicht dem tatsächlichen Verhalten entsprechen. Aus diesem Grund werden Transaktionsdaten sowohl zu den Anlageentscheidungen als auch zu alltäglichen Ausgaben und gemeinnützigen Spenden von einer Stichprobe deutscher Privatanleger analysiert. Indem Portfolio-, demografische und Ausgabedaten einzelner Anleger miteinander kombiniert und um öffentlich verfügbare Daten zu den Geschäften, in denen sie einkaufen, ergänzt werden, kann auf einen einzigartigen Datensatz zurückgegriffen werden. Insbesondere werden für die Untersuchung der Einkauf in Bio-Supermärkten, die Unterstützung kleiner, unabhängiger Buchhandlungen und gemeinnützige Spendentätigkeit als Indikatoren nichtinvestmentbezogenen, nachhaltigen Verhaltens herangezogen. Der Datensatz stammt aus 2017, deckt eine Zeitspanne von einem Jahr ab und umfasst 220 private Fondsanleger.

Im Einzelnen wird die Entscheidung eines Anlegers, mindestens einen nachhaltigen Aktienfonds in dem betrachteten Jahr zu halten, durch das beobachtete alltägliche Ausgabe- und Spendenverhalten in diesem Jahr erklärt, wobei eine Probitregression genutzt wird. Es wird für Portfolioeigenschaften und soziodemografische Merkmale der Anleger kontrolliert. Die nachhaltigen Fonds in der Stichprobe sind mehrheitlich Aktienfonds, weshalb sich die Analyse hierauf beschränkt. Zudem sind börsengehandelte Fonds (ETFs) aus der Analyse ausgeschlossen.

Erklärende Variablen

Im Folgenden wird die Wahl der erklärenden Variablen genauer erläutert: Umweltfreundlicher Konsum ist das dominierende Thema im Kontext von nachhaltigem Verhalten,9) weshalb der Einkauf in Bio-Supermärkten als erster Indikator nachhaltigen Verhaltens herangezogen wird. Hierzu wird die relative Anzahl von Bio-Supermarkt-Einkäufen im Verhältnis zu Einkäufen in herkömmlichen Supermärkten betrachtet. Die Unterstützung für Läden in der lokalen Umgebung und damit der Schutz regionaler Arbeitsplätze ist der zweite Indikator nachhaltigen Verhaltens, basierend auf der Idee von François-Lecompte & Roberts.10) Dieser wird gemessen durch den Gesamtbetrag, den der Anleger in dem betrachteten Jahr in kleinen, unabhängigen Buchläden ausgegeben hat. Schließlich wird die von einem Anleger für gemeinnützige Zwecke zur Verbesserung umweltbezogener und sozialer Herausforderungen in dem Jahr gespendete Summe als dritter Indikator nachhaltigen und verantwortungsbewussten Verhaltens berücksichtigt.

Neben diesen Hauptvariablen wird für die folgenden anlegerbezogenen Eigenschaften kontrolliert: die Einkommensgruppe (das heißt niedriges, hohes oder unbekanntes Einkommen, wobei mittleres Einkommen als Referenzgruppe dient), die Altersgruppe (also 30 bis 39, 40 bis 49, 50 bis 64 oder älter als 65 Jahre, mit "jünger als 30 Jahre" als Referenzgruppe), ob das Portfolio von einer Anlegerin oder einem Paar gemeinsam verwaltet wird (männliche Anleger sind die Referenzgruppe), wohnhaft in einem der neuen Bundesländer, wohnhaft in einer der 20 größten deutschen Städte. Zudem werden die folgenden portfoliobezogenen Variablen kontrolliert: das Portfoliovolumen (gemessen als logarithmierten Wert der gehaltenen Aktien und Aktienfonds), die Aktivität des Anlegers (gemessen durch die Anzahl der Transaktionen bezogen auf Aktien und Aktienfonds), die Risikoaffinität (gemessen durch den Anteil an Derivaten, den der Anleger in seinem Portfolio hält) und der Anteil von Aktienfonds am Gesamtportfolio.

Die Stichprobe umfasst 220 private Anleger von Aktienfonds, von denen 20 Prozent nachhaltige Fonds halten. 75 Prozent der nachhaltigen Anleger halten höchstens einen nachhaltigen Fonds im Vergleich zu durchschnittlich vier konventionellen Fonds.

Hauptanalyse

Die Analyseergebnisse zeigen, dass diejenigen Akteure, die sich in anderen Bereichen nachhaltig verhalten, nicht dieselben sind, die nachhaltig investieren (siehe Abbildung). Vielmehr scheint nachhaltiges Verhalten in nichtinvestmentbezogenen Bereichen in einem negativen Zusammenhang mit der Wahrscheinlichkeit zu stehen, dass ein Anleger in einen nachhaltigen Fonds investiert. Alle beschriebenen Maße für nachhaltiges Verhalten in nichtinvestmentbezogenen Bereichen zeigen einen signifikant negativen Zusammenhang zu nachhaltigen Fondsinvestments. Im Einzelnen hält ein privater Anleger, der in Bio-Supermärkten einkauft, mit geringerer Wahrscheinlichkeit einen nachhaltigen Fonds in seinem Portfolio als ein Privatanleger, der nur herkömmliche Supermärkte besucht. Ebenso ist es weniger wahrscheinlich, dass sich Anleger für einen nachhaltigen Aktienfonds entscheiden, wenn sie kleine Buchhandlungen mit ihrem Einkauf unterstützen. Außerdem hängt der Betrag, den ein Anleger an eine gemeinnützige Organisation spendet, negativ mit der Wahrscheinlichkeit zusammen, in einen nachhaltigen Aktienfonds zu investieren. Das zuletzt genannte Ergebnis ist jedoch lediglich auf dem zehn-Prozent-Niveau statistisch signifikant.

Im Gegensatz dazu liefern soziodemografische Merkmale wenig Erklärungswert für die Investitionsentscheidung. Ein hohes Einkommen hängt negativ mit der Wahrscheinlichkeit zusammen, dass ein Anleger in einen nachhaltigen Fonds investiert. Die übrigen soziodemografischen Kontrollvariablen zeigen keinen signifikanten Zusammenhang mit der Investitionsentscheidung. Basierend auf einer weiteren Analyse lässt sich ausschließen, dass der beobachtete negative Zusammenhang zwischen nachhaltigem nichtinvestitionsbezogenem Verhalten und nachhaltigem Investieren durch Unterschiede im Einkommensniveau getrieben ist. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich nachhaltige Verhaltensweisen in anderen Bereichen nicht auf nachhaltige Anlageentscheidungen übertragen.

Mögliche Erklärungen für das Ergebnis

Im Folgenden werden verschiedene Erklärungen für den beobachteten negativen Zusammenhang diskutiert:

- Moral Licensing: Der Zusammenhang zwischen den verschiedenen nachhaltigen Verhaltensweisen ist nicht einfach insignifikant, was bedeuten würde, dass kein Zusammenhang besteht, sondern signifikant negativ. Eine mögliche Erklärung für diesen beobachteten negativen Zusammenhang liefert die Psychologieliteratur. Nachhaltige Akteure sind gegebenenfalls nicht bereit, ständig einen Preisaufschlag für nachhaltige Alternativen zu bezahlen, sodass sich unterschiedliche nachhaltige Verhaltens weise gegenseitig verdrängen. Das Konzept des moralischen Gleichgewichts11) geht davon aus, dass Individuen ohne schlechtes Gewissen gelegentlich von moralischem Verhalten abweichen, solange sie ein gewisses moralisches Gleichgewicht ihrer Handlungen wahren. Es gibt Evidenz dafür, dass sich die Idee des moralischen Gleichgewichts auf Konsumentscheidungen12) und auf die Spendenbereitschaft13) auswirkt.

Zusammenhang zwischen erklärenden Variablen und nachhaltigen Fondsinvestments

Mackenzie & Lewis14) beobachten, dass das Konzept des moralischen Gleichgewichts bei der Portfolioallokation zum Tragen kommt. In ihrer Untersuchung sind auch Anleger, die sich um die ethischen Aspekte eines Investments sorgen, in der Regel nicht bereit, auf einen wesentlichen Teil ihrer Investmentrendite zu verzichten. Stattdessen überwinden sie den Konflikt zwischen ihren moralischen Prinzipien und finanziellen Bestrebungen, indem sie den kleineren Teil ihres Portfolios nachhaltig und den Großteil konventionell investieren. Auf diese Weise gelänge es ihnen, ihr reines Gewissen zu wahren. Die von Mackenzie & Lewis berichtete Portfolioallokation erinnert an eine "Core-Satellite-Strategie"15) , bei der sich die Anleger auf die Rendite ihres Kernportfolios konzentrieren, während sie mit ihrem kleineren Nebenportfolio ihren persönlichen Interessen nachgehen. Die Beobachtung von Mackenzie & Lewis deckt sich zudem mit der Erkenntnis dieser Studie, dass die nachhaltigen Anleger in der Stichprobe mehrheitlich (75 Prozent) nur einen einzigen nachhaltigen Fonds neben ihren konventionellen Fonds halten.

Bezogen auf die Ergebnisse der Untersuchung bedeutet das Konzept moralischen Gleichgewichts das Folgende: Verantwortungsbewusste Verbraucher können sich als Anleger ohne schlechtes Gewissen auf die Rendite ihres konventionellen Portfolios konzentrieren; während alle anderen Anleger nachhaltige Fonds als gute Gelegenheit betrachten könnten, weniger nachhaltiges Verhalten zu kompensieren, ähnlich wie es beispielsweise Fluglinien mit einer CO2 -Kompensation anbieten. Das Konzept ähnelt dem eines Ablassbriefs oder Freifahrtscheins. Ein solcher negativer Zusammenhang zwischen verschiedenen nachhaltigen Verhaltensweisen deutet auf einen abnehmenden Grenznutzen nachhaltigen Verhaltens hin.

- Finanzielle und nichtfinanzielle Motive: Eine weitere mögliche Erklärung für den beobachteten negativen Zusammenhang ist, dass die nachhaltigen Anleger in der Stichprobe eine bessere finanzielle Performance nachhaltiger Fonds erwarten, ungeachtet der gesellschaftlichen Auswirkungen ihrer Investitionen. Die Relevanz finanzieller Motive für nachhaltige Investitionsentscheidungen ist indes strittig in der Literatur. Døskeland & Pedersen16) zeigen, dass der Hinweis auf attraktive Renditeaussichten Anleger besser von nachhaltigen Investments zu überzeugen vermag als das Herausstellen der gesellschaftlichen Auswirkungen. Brodback et al.17) stellen fest, dass hohe Renditeerwartungen an nachhaltige Investments vor allem Anleger mit stärker ausgeprägtem Egoismus anziehen, während sie stärker altruistische Anleger tendenziell abzuschrecken scheinen. Bauer et al.18) und Riedl & Smeets19) finden für finanzielle Motive im Zusammenhang mit nachhaltigen Investmententscheidungen eine geringere Relevanz. Gutsche & Ziegler20) beobachten eine ausgeprägte Zahlungsbereitschaft für nachhaltige Investments.

Stattdessen scheinen nachhaltige Anleger Nutzen aus den nichtfinanziellen Eigenschaften ihrer Investments zu ziehen, der sie für eventuelle Renditeeinbußen zu kompensieren vermag.21) Eine mögliche Erklärung für den beobachteten negativen Zusammenhang der verschiedenen nachhaltigen Verhaltensweisen in dieser Untersuchung ist, dass durch nachhaltiges Verhalten im Alltag beziehungsweise durch nachhaltige Geldanlagen unterschiedliche nichtfinanzielle Ziele verfolgt werden. Studien zur Konsumenten- und Anlegerethik deuten jedoch auf ähnliche Motive der beiden Gruppen hin und somit darauf, dass die Erklärung an anderer Stelle zu suchen ist. In beiden Bereichen sind Umweltbewusstsein und soziale Identifikation entscheidende Treiber;22) beide Verhaltensweisen fordern altruistische Charakterzüge23) und beide Verhaltensweisen vermitteln das angenehme Gefühl guter Taten.24) Sowohl mithilfe nachhaltigen Konsums25) als auch in Gesprächen über ihre nachhaltigen Investments26) versuchen Individuen gesellschaftliche Anerkennung zu erlangen. Nachhaltiges Verhalten im Alltag und nachhaltige Geldanlagen scheinen daher weitgehend durch dieselben nichtfinanziellen Bestrebungen getrieben zu sein.

- Mangelndes Vertrauen in nachhaltige Fondsmanager: Möglicherweise sind diejenigen, die sich im Alltag nachhaltig verhalten, skeptischer, was das potenzielle Greenwashing der Anlagestrategie von als nachhaltig ausgewiesenen Fonds angeht. Um dies zu überprüfen, wird getestet, ob diese nachhaltigen Akteure stattdessen verstärkt in Aktien mit hohem Nachhaltigkeitsrating investieren, sie folglich selbst auswählen, anstatt auf die ESG-Anlagepolitik eines Fondsmanagers zu vertrauen. Die ESG-Ratings für Unternehmen werden extern von Rating-Agenturen vergeben und sind öffentlich zugänglich.

Für diese Untersuchung werden die ESG-Ratings von Refinitiv verwendet. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass diejenigen, die sich im Alltag nachhaltig verhalten, kein stärkeres Misstrauen als die Vergleichsgruppe gegenüber den Anbietern nachhaltiger Fonds hegen. Außerdem zeigt eine weitere Analyse, dass das Screening von Aktien mit hohem Nachhaltigkeitsrating Investments in nachhaltige Fonds weder ersetzt noch ergänzt, sondern kein Zusammenhang zwischen den beiden Anlagestrategien besteht. Letztere Beobachtung ist vor dem Hintergrund interessant, dass ESG-Screening im Jahr 2017 die viertbeliebteste Fondsnachhaltigkeitsstrategie auf dem deutschen Markt war. Eine mögliche Erklärung für dieses überraschende Ergebnis ist, dass ein Investor durch die Investition in einen Fonds mit Nachhaltigkeit im Namen eine positive gesellschaftliche Außenwirkung erzielen kann27) - frei nach dem Motto "Tue Gutes und sprich darüber" -, während durch den ESG-Score des Aktienportfolios nicht offensichtlich wird, dass ein Privatanleger eine nachhaltige Strategie verfolgt. Es lässt sich festhalten, dass die Anleger in der Stichprobe Investitionsentscheidungen betreffend Aktien und Fonds im Hinblick auf Nachhaltigkeit unabhängig treffen.

- Unzureichende Information über nachhaltige Investments: Auch wenn unzureichende Kenntnisse über nachhaltige Investments ein wesentliches Hindernis für potenziell interessierte Anleger sind,28) wird der potenzielle Effekt, den die ungleich verteilte Kenntnis bezüglich nachhaltiger Investments auf die Ergebnisse dieser Studie hat, als gering eingeschätzt. Der Grund hierfür ist, dass die Anleger in der Stichprobe alle Kunden bei demselben Anbieter sind.

Um dennoch eine Idee dafür zu bekommen, ob diejenigen in der Stichprobe, die sich im Alltag nachhaltig verhalten, weniger Aktienfondserfahrung haben und sich stattdessen stärker auf Direktinvestitionen in Aktien konzentrieren, wird getestet, ob die Wahrscheinlichkeit von Investitionen in die eine oder andere Anlageklasse in einem Zusammenhang mit nichtinvestitionsbezogenen nachhaltigen Verhaltensweisen steht. Mit Ausnahme des Effekts von Spenden, der lediglich auf einem zehn-Prozent-Niveau statistisch signifikant ist, findet sich keine Evidenz dafür, dass diejenigen, die sich im Alltag nachhaltig verhalten, weniger in Fonds und stattdessen vermehrt in Aktien investieren.

Limitationen

In diesem Abschnitt werden Limitationen dieser Untersuchung diskutiert. Die genannten Aspekte werden zukünftigen Untersuchungen überlassen. Erstens besteht die Gefahr, dass die Ergebnisse aufgrund des geringen Stichprobenumfangs durch Multikollinearität und Ausreißer verzerrt und nicht auf Anleger außerhalb dieser Stichprobe übertragbar sind. Darüber hinaus beschränkt sich die Stichprobe auf Deutschland. Es ist fraglich, inwieweit die Ergebnisse auf andere Länder übertragbar sind. Zweitens kann der Teil der Ausgaben, der in bar getätigt wird, nicht beobachtet werden. Dies betrifft insbesondere den Einkauf in Bio-Supermärkten und Buchhandlungen. Im internationalen Vergleich ist der Anteil an Barzahlungen in Deutschland besonders hoch.

Drittens wird auf einige Nachteile der gewählten Indikatoren für nachhaltiges Verhalten hingewiesen. Die Warenkörbe der Konsumenten lassen sich nicht beobachten, sondern lediglich, in welchen Geschäften sie einkaufen. Daher werden keine Bio-Produkte berücksichtigt, die die Konsumenten in herkömmlichen Supermärkten kaufen. Außerdem lässt sich nicht direkt dafür kontrollieren, ob Bio-Supermärkte in Reichweite der untersuchten Anleger liegen. Es wäre natürlich nicht nachhaltig, wenn Lebensmitteleinkäufe durch längere Fahrten höhere CO2 -Emissionen verursachten. Die Entfernung des nächsten Bio-Supermarktes kann somit Einfluss auf die Entscheidung haben und die Ergebnisse verzerren. Der zweite Indikator nachhaltigen Verhaltens, die Ausgaben in unabhängigen Buchhandlungen, ist gegebenenfalls eher ein Maß für Bildung als für Nachhaltigkeitsbewusstsein. Außerdem wären Daten betreffend nicht kaufbezogener nachhaltiger Verhaltensweisen wie Mobilität, Energieverbrauch, Recycling et cetera interessant gewesen.

In Bezug auf die Kontrollvariablen wären zusätzliche Informationen über die Finanzmarkterfahrung der Anleger hilfreich; obwohl das Nettoeinkommen der Anleger beobachtet wurde, gibt es keine Information über die Haushaltsgröße, auf die sich das Einkommen verteilt. Außerdem wären Daten über die Renditeerwartungen der Anleger an nachhaltige Investitionen wünschenswert.

Abschließend hat sich das Bewusstsein für Nachhaltigkeit in Deutschland seit dem Zeitpunkt der Untersuchung stark gesteigert, sodass sich der beobachtete Zusammenhang zwischen nachhaltigen Verhaltensweisen möglicherweise verändert hat. Zudem hat das Angebot an nachhaltigen Fonds zugenommen, was zu dem Zeitpunkt der Untersuchung noch ein limitierender Faktor war.

Negative Korrelation

In diesem Beitrag wird die Beziehung zwischen Verbraucher- und Anlegerethik beleuchtet. Dabei wird festgestellt, dass nicht diejenigen in nachhaltige Fonds investieren, die sich in anderen Bereichen nachhaltig verhalten. Diese Erkenntnisse lassen sich auf eine begrenzte Zahlungsbereitschaft für Nachhaltigkeit zurückführen und darauf, dass sich diejenigen, die sich im Alltag nachhaltig verhalten, ohne schlechtes Gewissen auf die Rendite ihres Portfolios konzentrieren können. Der Rest hin gegen scheint nachhaltige Fondsinvestments als Gelegenheit zu nutzen, weniger verantwortungsbewusste Alltagsentscheidungen auszugleichen. Das beschriebene Konzept stammt aus der Psychologie und wird als moralisches Gleichgewicht bezeichnet. Zudem wurden mehrere alternative Erklärungen diskutiert und getestet mit der Schlussfolgerung, dass die vorgenannte Erklärung der wahrscheinlichste Treiber für die Ergebnisse ist.

Die Befunde haben Implikationen für die Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen. Sie deuten darauf hin, dass der Grenznutzen, den Individuen aus nachhaltigem Verhalten ziehen, ab nehmend ist und sich nachhaltiges Verhalten in verschiedenen Bereichen tendenziell verdrängt. Um die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen ist es jedoch wichtig, ein ganzheitliches Verständnis von Nachhaltigkeit zu vermitteln, um einen solchen "Trade-off" nachhaltiger Verhaltensweisen zu vermeiden.

Fußnoten

1) Global Sustainable Investments Alliance, 2021, Global Sustainable Investment Review 2020.

2) Hartzmark/Sussman, 2019, Do Investors Value Sustainability? A Natural Experiment Examining Ranking and Fund Flows. The Journal of Finance, 74 (6), 2789-2837.

3) Global Sustainable Investments Alliance, 2021.

4) Eurosif, 2018, European SRI Study 2018.

5) EU-Kommission, 2019, Sustainable Finance.

6) Forum Nachhaltige Geldanlagen e. V., 2021, Marktbericht Nachhaltige Geldanlagen 2021 - Deutschland, Österreich und die Schweiz.

7) Vgl. u. a. Chatelain et al., 2018, Feel Good, Stay Green: Positive Affect Promotes Pro-Environmental Behaviors and Mitigates Compensatory "Mental Bookkeeping" Effects. J. Environ. Psychol., 56, 3-11; Whitmarsh/O'Neill, 2010, Green Identity, Green Living? The Role of Pro-Environmental Self-Identity in Determining Consistency across Diverse Pro-Environmental Behaviours. J. Environ. Psychol., 30 (3), 305-314.

8) Follows/Jobber, 2000, Environmentally Responsible Purchase Behaviour: A Test of a Consumer Model. Eur. J. Mark., 34 (5/6), 723-746.

9) Vgl. u. a. Paço et al., 2019, A New Model for Testing Green Consumer Behaviour. J. Clean. Prod., 207, 998-1006; Lin/Huang, 2012, The Influence Factors on Choice Behavior Regarding Green Products Based on the Theory of Consumption Values. J. Clean. Prod., 22 (1), 11-18.

10) François-Lecompte/Roberts, 2006, Developing a Measure of Socially Responsible Consumption in France, in: J. Mark. Manag., 16 (2), 50-66.

11) Vgl. u. a. Nisan, 1991, The Moral Balance Model: Theory and Research Extending our Understanding of Moral Choice and Deviation, in: Kurtines, Handbook of Moral Behavior and Development, 213-249.

12) Khan/Dhar, 2006, Licensing Effect in Consumer Choice. Journal of Marketing Research, 11 (3), 259-266; Mazar/Zhong, 2010, Do Green Products Make Us Better People? Psychological Science, 21 (4), 494-498.

13) Vgl. u. a. Gneezy et al., 2014, Conscience Accounting: Emotion Dynamics and Social Behavior. Management Science, 60 (11), 2645-2658.

14) Mackenzie/Lewis, 1999, Morals and Markets: The Case of Ethical Investing. Business Ethics Quarterly, 9 (3), 439-452.

15) Methling/von Nitzsch, 2019, Thematic Portfolio Optimization: Challenging the Core Satellite Approach. Financial Markets and Portfolio Management, 33 (2), 133-154.

16) Døskeland/Pedersen, 2016, Investing with Brain or Heart? A Field Experiment on Responsible Investment. Management Science, 62 (6), 1632-1644.

17) Brodback et al., 2019, Altruism and Egoism in Investment Decisions. Review of Financial Economics, 37 (1), 118-148.

18) Bauer et al., 2021, Get Real! Individuals Prefer More Sustainable Investments. The Review of Financial Studies, 34 (8), 3976-4043.

19) Riedl/Smeets, 2017, Why Do Investors Hold Socially Responsible Mutual Funds? The Journal of Finance, 72 (6), 2505-2550.

20) Gutsche/Ziegler, 2019, Which Private Investors Are Willing to Pay for Sustainable Investments? Empirical Evidence from Stated Choice Experiments. J. Bank. Financ., 102, 193-214.

21) Vgl. u. a. Brodback et al., 2019.

22) Vgl. u. a. Gutsche/Ziegler, 2019.

23) Vgl. u. a. Brodback et al., 2019.

24) Vgl. u. a. Gutsche/Ziegler, 2019.

25) Vgl. u. a. Gino et al., 2013, License to Cheat: Voluntary Regulation and Ethical Behavior. Management Science, 59 (10), 2187-2203; Ariely et al., 2009, Doing Good or Doing Well? Image Motivation and Monetary Incentives in Behaving Prosocially. American Economic Review, 99 (1), 544-555.

26) Riedl/Smeets, 2017.

27) Ebd.

28) Bundesverband deutscher Banken, 2019, Nachhaltige Geldanlage - Wissen und Engagement der Deutschen; Wins/Zwergel, 2016, Comparing Those Who Do, Might and Will Not Invest in Sustainable Funds: A Survey among German Retail Fund Investors. Business Research, 9 (1), 51-99.

DR. ANN-CHRISTINE BRUNEN ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Seminar für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Bankbetriebslehre der Universität zu Köln.E-Mail: brunen[at]wiso.uni-koeln[dot]de
Dr. Ann-Christine Brunen , Senior Consultant , ­Simon-Kucher & Partners Strategy & Marketing Consultants GmbH, Köln

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