DIGITALISIERUNG

Industrie 4.0 - versäumte Investitionen kosten bares Geld

Finanzierungslösungen für die digitale Transformation

Kai-Otto Landwehr, Foto: SFS

In einer aktuellen Studie von Siemens Financial Services wird argumentiert, dass es bei der digitalen Transformation in der Fertigungsindustrie nicht mehr um die Frage geht, ob Investitionen getätigt werden sollen - sondern wann sie durchgeführt werden. Um die Kosten decken zu können, lohnt es sich unter anderem, auf neue Finanzierungsmodelle setzen. Der Autor stellt diese Wege der smarten Finanzierung vor. Er erläutert dabei, worauf geachtet werden sollte und welche Ziele erreicht werden können. (Red.)

Investitionen in die digitale Transformation machen heute den Unterschied zwischen reinem Überleben und echtem Erfolg von Unternehmen, insbesondere angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Unsicherheit. Da die Meinungen über die wirtschaftliche Prognose für den Produktionssektor auseinandergehen, haben sich viele Unternehmen für einen eher abwartenden Ansatz entschieden. Dabei werden sowohl Umstrukturierungs- als auch Investitionsentscheidungen aufgeschoben. Global tätige Analysten sind sich jedoch einig darüber, dass die Beibehaltung der Investitionen entscheidend ist. Unternehmen, die - auch in wirtschaftlich unsicheren Zeiten - ihre Investitionen fortsetzen, erzielen langfristig Wachstum und messbare Wettbewerbsvorteile.

Mit welchen speziellen Finanzierungslösungen können Unternehmen den Wandel hin zur vierten industriellen Revolution (Industrie 4.0) also schnell und kostengünstig vollziehen? Smarte Finanzlösungen wurden entworfen, um die digitale Transformation zu ermöglichen. Herstellern wird damit ein finanziell nachhaltiger Weg geboten, um die Geschäftskontinuität im aktuellen herausfordernden Umfeld sicherzustellen.

Renditen aus digitaler Transformation

Eine kürzlich durchgeführte Studie von Siemens Financial Services (SFS) hat Meinungen von über 40 Vertretern von Fertigungsunternehmen und Wirtschaftsverbänden sowie Akademikern aus aller Welt eingeholt. Mithilfe dieser Angaben soll das Zeitfenster prognostiziert werden, in dem Firmen die erwartete Investitionsrendite aus ihren Initiativen zur digitalen Transformation ziehen können. Der Zeitraum wird auf fünf bis sieben Jahre geschätzt. Bis zu diesem Wendepunkt erwartet man, dass 50 Prozent der Hersteller erhebliche Investitionen in Industrie 4.0 getätigt haben werden. Danach werden andere Hersteller Nachholbedarf haben.

Obwohl die meisten Fertigungsunternehmen die Vorteile einer digitalen Transformation kennen, verlangt Industrie 4.0 transformative Veränderungen mit einer Geschwindigkeit, die die meisten Firmen noch nicht erreichen. Wenn Unternehmen im aktuellen Tempo fortfahren oder gar stillstehen, dürften sie den Realitäten der Fertigungsbranche von morgen nicht gewachsen sein. Dadurch könnten sie von Vorreitern und neuen Marktteilnehmern aus der Bahn geworfen werden. Daher müssen Fertigungsunternehmen die Digitalisierung jetzt realisieren, um die Vorteile der frühzeitigen Umsetzung zu nutzen - andernfalls riskieren sie, ins Hintertreffen zu geraten.

Finanzierungsaspekte

SFS hat ein Modell entwickelt, mit dem der Umfang der Investitionsanforderung für die Fertigungsindustrie bei der Umsetzung der Smart-Factory-Technologie abgeschätzt werden kann. Dieses wird konservativ auf knapp 400 Milliarden Dollar geschätzt (siehe Abbildung). Das Modell basiert auf Daten verschiedener analytischer Prognosen des Smart-Manufacturing-Marktes für den Fünfjahreszeitraum 2020 bis 2024. Das Ergebnis wird um den Anteil von Smart Manufacturing bereinigt, der bereits durch Smart Finance erzielt wurde. Darüber hinaus wird die Schätzung um die Hälfte des verfügbaren Marktes reduziert, um eine sehr konservative Einschätzung des Umfangs der Investitionen zu erhalten. Dies ist erforderlich, um eine Marktdurchdringung von 50 Prozent zu erreichen.

Neue Finanzierungsmodelle für Industrie-4.0-Investitionen orientieren sich häufig an den Geschäftsergebnissen. Dabei soll die Finanzierung eng auf die erwartete Rendite, die durch die Vorteile der digitalisierten Technologien erzielt wird, abgestimmt werden.

Angesichts des doppelten Drucks des wachsenden Wettbewerbs in den Binnen- und Exportmärkten für europäische Hersteller sind Investitionen in die digitale Transformation an einem kritischen Punkt angekommen.

Intelligente Finanzierungen eröffnen nachhaltige Möglichkeiten für Investitionen, die dem Hersteller die gewünschten klaren Geschäftsergebnisse liefern. Sie werden durch den Zugang zu den richtigen Technologien und Dienstleistungen mit Unterstützung von sachkundigen, auf die Finanzierung spezialisierten Geldgebern erreicht. Dies ist angesichts der wahrscheinlichen wirtschaftlichen Auswirkungen der aktuellen globalen Gesundheitskrise besonders vorteilhaft.

Smart Finance für die digitale Transformation in der Fertigung kommt von Spezialfinanzierungsanbietern, die sich in der Technologie, den Anwendungen, den Märkten und deren Herausforderungen auskennen. Sie sind in der Lage, Finanzierungsstrukturen so zu entwickeln, dass sie sich durch Zugang zu den richtigen Technologien, Dienstleistungen und Beratungen auf erkennbare und gewünschte Geschäftsergebnisse konzentrieren.

Auswirkungen auf Geschäftsergebnisse

Welche Ergebnisse sind typisch für die digitale Transformation in der Fertigungsbranche? Welche unternehmerischen Ziele aus dieser Veränderung werden durch Smart Finance ermöglicht, ohne an Flexibilität oder kommerzieller Nachhaltigkeit einzubüßen?

- Digitalisierungs-Upgrade: Anbieter, die den Erwerb eines Systems oder einer Technologie ermöglichen, haben fundierte Kenntnisse in der Fertigung und passen den Finanzierungszeitraum und die Finanzierungsbedingungen flexibel an. Dadurch können die wahrscheinlichen Vorteile, die der Hersteller durch die Technologie hat, berücksichtigt werden. Häufig deckt diese Art der Finanzierung die damit verbundenen Betriebskosten, zum Beispiel für die Instandhaltung, in Form einer gebündelten monatlichen Zahlung ab. Um schnelle Kaufentscheidungen zu ermöglichen und Geschäftsentscheidungen zu realisieren, hat ein Anbieter oft eine Rahmenvereinbarung mit einem Hersteller, welche die Vereinbarung zukünftiger Leasing-Verträge vereinfacht.

- Erweiterung der Anlagewerte: Technologische Innovationen und Upgrade-Phasen werden kürzer. Finanzierungslösungen bieten Flexibilität, um im Verlauf eines Finanzierungszeitraums ein Upgrade durchzuführen, und schützen so vor technologischer Überalterung. Upgrades beinhalten oft die Nachrüstung von Hardware und/oder Software auf der wichtigsten Technologieplattform. Letztendlich werden sich sowohl die Lebensdauer der Plattform, als auch der Wert und die Funktionen, die sie dem Hersteller bietet, verlängern. Finanzierungsspezialisten kennen die damit verbundenen Risiken und nehmen das Softwareelement in ein Gesamtfinanzierungspaket auf.

- Übergangsmanagement: In Anbetracht der Herausforderungen des Übergangs bei bestehenden Technologien oder Fertigungsplattformen, stehen diverse Finanzierungsvarianten zur Verfügung. Diese schieben die Zahlung für ein neues System auf, bis es zuverlässig in Betrieb ist. Dadurch entfällt die finanzielle Belastung, für das neue System bezahlen zu müssen, während das alte noch verwendet wird.

- Energieeffizienz: Zahlungen können auf den erwarteten wirtschaftlichen Vorteilen basieren, die durch die Technologie möglich werden.5) Einsparungen oder Gewinne aus dem Zugang zur Technologie werden zur Finanzierung monatlicher Zahlungen verwendet, weshalb die Technologie für den Hersteller kostenneutral ist. Vereinbarungen erfassen effektiv zukünftige Einsparungen zur Finanzierung der laufenden Investitionen, ohne dass Kapital gebunden werden muss.

- Leistung und Produktivität: Spezialfinanzierungen gibt es in verschiedenen Variationen, in denen die Zahlungen an definierte Produktivitätsziele angepasst werden. Strenge Bedingungen stellen sicher, dass sowohl der Technologielieferant als auch der Hersteller Mitverantwortung übernehmen, damit die gewünschten Produktivitätsergebnisse erreicht werden können.

- Nachhaltiges Wachstum: Erhöhte Produktionskapazität und Produktivität bei gleichzeitiger Verbesserung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit können dazu führen, dass größere Mengen an Rohstoffen oder Einzelteilen erforderlich sind. Hier stehen Finanzlösungen für die Rechnungslegung zur Verfügung, die bei der Bewältigung der Herausforderungen des Cashflows helfen, die der Erfolg durch die Digitalisierung mit sich bringt. Ebenso können Hersteller aufgrund des schnellen Wachstums durch die Digitalisierung eine Liquiditätsverschärfung erleben. Eine Assetbasierte Kreditvergabe ermöglicht es einem Kreditnehmer, auf die liquiden Mittel zuzugreifen, die im Umlaufvermögen gebunden sein können. Eine revolvierende Kreditlinie, die durch die Forderungen und Bestände des Kreditnehmers gesichert ist, stellt die Liquidität bereit, die zur Deckung des täglichen Liquiditätsbedarfs notwendig ist.

- Verkaufsförderung: Relevant für Anbieter von Industrielösungen, wie beispielsweise Maschinenbauer, die sowohl technische Komponenten von den Lieferanten kaufen als auch eigene Fertigungstechnologien an andere Hersteller verkaufen. Spezialfinanzierungen bieten integrierte Lösungen, die das Investment für die Kunden des Anbieters attraktiv und finanzierbar gestalten.

- Management des Vertriebswachstums: Lösungsanbieter, wie Maschinenbauer, müssen den Anstieg des Umsatzwachstums aufrechterhalten. Entweder in Bezug auf wirtschaftliche Marktherausforderungen oder als Ergebnis der steigenden Nachfrage seitens Fertigungskunden, die wiederum selbst eine digitale Transformation durchmachen. Spezialfinanzierer bieten Finanzierungsvarianten, die als extended payment terms bekannt sind. Diese helfen Anbietern von Industrietechnologien, die eigene Liquidität im Hinblick der wachsenden Nachfrage zu decken.

Fußnoten

1) Siehe die Studien von Bain & Company, Beyond the Downturn: Recession Strategies to Take the Lead, Mai 2019, sowie des Harvard Business Review, Roaring Out of Recession, März 2010, mit Bezug auf Untersuchungen von McKinsey.

2) Siehe auch Siemens Financial Services, Fertigungsunternehmen am Wendepunkt, April 2019.

3) KPMG, A reality check for todays C-suite on Industry 4.0, 2018.

4) Siehe dazu auch Siemens Financial Services, Investing in Success, April 2016.

5) Siehe auch Siemens Financial Services, Opportunities and Outcomes, Februar 2017.

KAI-OTTO LANDWEHR ist Leiter des Commercial-Finance-Geschäfts der Siemens Financial Services GmbH, München, und Vorsitzender der Geschäftsführung der Siemens Finance & Leasing GmbH. Bevor er im Jahr 2001 zu SFS wechselte war er unter anderem als Leiter Relationship Management für GE Capital tätig.
E-Mail: communications.sfs[at]siemens[dot]com
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Kai-Otto Landwehr , Leiter des Commercial-Finance-Geschäfts der Siemens Financial Services GmbH, München, und Vorsitzender der Geschäftsführung der Siemens Finance & Leasing GmbH

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