NACHHALTIGKEIT

Nachhaltigkeit bei der Geldanlage

Übertriebener Hype oder gefragtes Investment?

Steffen Braun, Foto: Civey 

Nachhaltigkeit ist längst nicht mehr nur ein Trend. In Zeiten des Klimawandels wird das auch bei Investments ein wichtiges Auswahlkriterium. Bei nachhaltigen Geldanlagen wird beispielsweise in Unternehmen investiert, die bestimmte umweltfreundliche, ethische oder soziale Kriterien erfüllen. Der Autor beschreibt die Rolle der Nachhaltigkeit bei der Entscheidung für ein Investment und erläutert die Ergebnisse einer Untersuchung des Meinungsforschungsinstituts Civey. Dabei arbeitet er heraus, für welche Zielgruppen nachhaltige Geldanlagen besonders interessant sind. (Red.)

Kann das Finanzwesen nachhaltig sein? Und damit Investments von Anlegern? Diese Frage ist in der Europäischen Union in den letzten Jahren verstärkt ins Zentrum gerückt. Das Pariser Klimaabkommen, die 17 globalen Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen oder das jüngst verschärfte Klimaschutzprogramm der deutschen Bundesregierung - all diese Vereinbarungen zielen darauf ab, eine strukturelle Veränderung des globalen Wirtschaftssystems zu bewirken. Denn nur dann ist die Begrenzung der Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad Celsius realisierbar. Umfangreiche, zielgerichtete und vor allem nachhaltige Investitionen in die Transformation und den Umbau des Wirtschaftssystems sind hierfür notwendig. Das Interesse von Kapitalanlegern an nachhaltigen Investments nimmt zu, wie die Daten des digitalen Markt- und Meinungsforschungsinstituts Civey zeigen.

Das gesteigerte gesellschaftliche Bewusstsein gegenüber einer nachhaltigen Art zu Leben und zu Wirtschaften macht auch vor der Finanzwelt keinen Halt. Sogenannte ESG-Kriterien spielen bereits seit einigen Jahren eine immer wichtigere Rolle in Investmentstrategien. ESG steht für die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit Ökologie (E), Soziales (S) und Governance (G). Trotz dieser Entwicklung fehlte lange ein regulatorischer Rahmen, der festlegt, welches Finanzprodukt nun wirklich nachhaltig ist - und welches nicht. Die Europäische Union hat daher auf dem Feld grüner Finanzierungen vor einigen Jahren bereits einen großen Handlungsbedarf identifiziert und mit einem umfassenden Aktionsplan ("Sustainable Finance Action Plan") die regulatorischen Rahmenbedingungen dafür geschaffen. Allen voran mit der sogenannten Taxonomie-Verordnung, die als Regelwerk für klimabezogene, umwelt- und sozialpolitische Tätigkeiten Standards setzen soll und die politische Debatte prägt.

Abbildung 1: "Wie wichtig ist Ihnen das Thema Nachhaltigkeit, wenn Sie Geld in Aktien, Fonds oder ETFs anlegen?" Quelle: Civey

EU verordnet einheitliches Regelwerk

Ausgeschlossen sind dabei von vornherein jegliche Aktivitäten, die mit Kohle in Zusammenhang stehen. Heftig umstritten ist die Art der Einstufung der Atomenergie in dem Regelwerk. Die Nachhaltigkeitskriterien gehen aber noch weiter: Als nachhaltig gilt nur, wer neben einem positiven Beitrag zu einem Ziel keines der anderen fünf Ziele zugleich wesentlich beeinträchtigt. Folgende sechs Ziele hat die EU-Kommission definiert: Klimaschutz, Klimawandelanpassung, nachhaltige Nutzung von Wasserressourcen, Wandel zu einer Kreis laufwirtschaft, Vermeidung von Verschmutzung sowie der Schutz von Ökosystemen und der Biodiversität.

Auch müssen Investments im Rahmen der EU-Taxonomie gewisse soziale Mindestbedingungen sowie technische Prüfkriterien erfüllen. Ziel der Gesetzgebung ist es, dass durch die einheitlichen Kriterien Investorinnen und Investoren in der Lage sind, nachhaltige Investments schneller und leichter zu erkennen.

Die regulatorischen Rahmenbedingungen sind also zunehmend auf die Förderung von nachhaltigen Investments ausgelegt, um so die Erreichung der Klimaziele voranzutreiben. Das hat bereits zu einem verstärkten Angebot von Kapitalanlagen geführt, die auf ESG-Kriterien achten. Beispielsweise gibt es Immobilienfonds, die aufgrund von Nachhaltigkeitsaspekten nur in Kitas investieren. Auch die Anzahl von Aktienfonds, die nachhaltige Investitionskriterien nutzen, nimmt stetig zu. Insgesamt steigt der Anteil wirkungsorientierter Geldanlagen, sogenannte Impact Investings. Also Investitionen, die neben einer finanziellen Rendite einen messbaren positiven sozialen und ökologischen Effekt erzielen. Impact Investing eröffnet den Investoren die Möglichkeit, nicht nur mit dem eigenen Handeln zu mehr Nachhaltigkeit beizutragen, sondern gezielt in Unternehmen zu investieren, die die Welt mit Innovationen ökologisch und gesellschaftlich verträglicher machen, beispielsweise durch die Förderung erneuerbarer Energien oder die Entwicklung pflanzenbasierter Alternativen zu Fleisch.

Steigende Nachfrage?

Doch wird das wachsende Angebot von den vielfältigen nachhaltigen Finanzprodukten auch auf der Nachfrageseite von Privatanlegern in der Breite angenommen? Wenn man die mediale Berichterstattung verfolgt, drängt sich dieser Eindruck auf. Die Bewegung Fridays for Future macht nun schon seit mehreren Jahren politischen Druck durch regelmäßige und öffentlich wirksame Demonstrationen. Zudem rücken die zunehmenden Extremwetterereignisse wie der Starkregen im letzten Sommer oder die Dürren in den vergangenen Jahren den Klimawandel immer stärker in den Fokus der Öffentlichkeit. Auch die politische Agenda verschiebt sich vermehrt in diese Richtung. Demnach müsste die Bereitschaft steigen, das eigene Kapital in grüne Investments anzulegen, um so einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.

Ist dieser subjektive Eindruck auch repräsentativ belegbar oder eher der Eindruck der eigenen sozialen Filterblase - wie etwa die eines urbanen Großstadtbewohners? Aussagekräftige Antworten dazu liefern die Daten von Civey, ein Unternehmen für digitale Markt- und Meinungsforschung in Deutschland. Civey erhebt und analysiert Daten fortlaufend in Echtzeit - und das an der Schnittstelle zwischen klassischer Statistik und künstlicher Intelligenz. Die Datenerhebung erfolgt über das größte Onlinepanel Deutschlands. Dank des innovativen Ansatzes und der großen Abdeckung sind auch Befragungen in kleinen, individuellen Zielgruppen möglich - beispielsweise Personen mit einem Vermögen von mindestens einer Million Euro.

Abbildung 2: "Wie stark würden Sie soziale, umweltbezogene und ethische Kriterien berücksichtigen, wenn Sie aktuell Ihre Altersvorsorge wählen würden?" Quelle: Civey

Ein Drittel der Privatanleger setzt auf ESG

Wie ist das Stimmungsbild bei den Privatanlegern zum Thema Nachhaltigkeit? Die Daten zeigen, dass ESG-Kriterien für Aktien, ETF- und Fondsbesitzer zunehmend an Bedeutung gewinnen. Bereits für ein Drittel (32 Prozent) ist Nachhaltigkeit bei der Geldanlage wichtig. Wenn man die Frage nach Parteineigung untersucht, ist es insbesondere für die Mehrheit der Grünen-Wählerschaft - die zudem Aktien, ETFs oder Fondsanteile besitzen - ein wichtiges Thema (57 Prozent). Dagegen ist es für Wählerinnen und Wähler der FDP (22 Prozent) und der Union (28 Prozent) bislang kein bedeutender Faktor.

Auch bei vermögenden Personen finden sich nachhaltige Investments zunehmend im Portfolio. Fast ein Viertel der Bürgerinnen und Bürger mit einem Vermögen von mindestens einer Million Euro (23 Prozent) haben bislang nachhaltige Investments getätigt und fünf Prozent haben vor, künftig darin zu investieren.

Zudem zeigen die Daten, dass immer mehr Investoren keinen Gegensatz mehr zwischen ESG und Rendite sehen. Bei einer nachhaltigen Aktienanlage erwarten 24 Prozent eine höhere Rendite als bei einer konventionellen Aktie, 21 Prozent sehen keinen Unterschied und nur 19 Prozent prognostizieren eine geringere Rendite. Insgesamt belegen die Umfragedaten, dass es bei Privatanlegern und Vermögenden bereits einen etablierten Markt für ESG-Produkte gibt, der voraussichtlich in den kommenden Jahren weiterwachsen wird.

Nachhaltige Altersvorsorge gewünscht

Auch bei dem essentiellen Anlagethema Altersvorsorge sind umweltbezogene, soziale und ethische Kriterien zunehmend im Fokus. Aktuell würden noch 44 Prozent ESG-Kriterien kaum bei der Wahl eines Altersvorsorge-Produkts berücksichtigen, aber bereits für 37 Prozent hätten diese Faktoren eine große Bedeutung. Hier findet gerade ein Wandel statt, denn es zeigt sich ein starker Unterschied zwischen den Generationen. Bei den Unter-40-Jährigen sind ESG-Aspekte sehr relevant. In der Altersgruppe zwischen 18 und 29 Jahren haben sogar für 95 Prozent Nachhaltigkeitsaspekte ein starkes Gewicht bei der Entscheidung, bei den 30- bis 39-Jährigen sind es noch 57 Prozent.

Interessant ist zudem, den Aspekt "nachhaltige Geldanlage" bei spezifischen Zielgruppen zu untersuchen - beispielsweise für Familien. Für das Impact-Investing Unternehmen Inyoya hat Civey im Sommer 2021 eine repräsentative Studie dazu durchgeführt. Ein wesentliches Ergebnis ist, dass Menschen mit Kindern (72 Prozent) deutlich aktiver Geld zur Altersvorsorge anlegen, als dies bei kinderlosen Menschen (46 Prozent) der Fall ist.

Bei der Geldanlage für Familien ist zudem nicht nur der finanzielle Profit entscheidend, sondern auch die Weichen für eine ökologisch und sozial verträglichere Zukunft zu stellen. Die Befragung zeigt zudem: Geht es um einen nachhaltigen Lebensstil, zeichnet sich deutlich ab, dass dieser für Familien (61 Prozent) wichtig ist und innerhalb des vergangenen Jahres stark an Bedeutung zugenommen hat. Da die Elterngeneration bis zu einem gewissen Alter die Zukunft der Kinder in den Händen hält, rückt der Erhalt eines gesunden Planeten bei vielen Eltern in den Fokus.

Familien und Jüngere als potenzielle Kunden

Insbesondere Transparenz ist für Menschen mit Kindern ein entscheidendes Kriterium für die Wahl einer Geldanlage - fast 40 Prozent der befragten Eltern bejahen dies. Wichtig beim Anlegen von Geld für Familien ist zudem eine hohe Diversifikation des Portfolios sowie eine langfristige Anlagestrategie bei gleichzeitig überschaubarem Verwaltungsaufwand.

Die Civey-Daten zeigen: Insgesamt stehen bei der Mehrheit der Anleger Nachhaltigkeitsaspekte (noch) nicht vorrangig im Fokus. Aber wenn man die Ergebnisse für bestimmte Zielgruppen analysiert, ergeben sich erhellende Erkenntnisse. Familien, Grünen-Anhänger und Jüngere - zumindest bei der Altersvorsorge - setzen vermehrt auf grüne Investments, vermutlich aufgrund ihres langen Anlagehorizonts. Anbieter von grünen Finanzprodukten sollten sich daher verstärkt auf diese Kundengruppen fokussieren. Eine mögliche Hemmschwelle für Anleger sind aber intransparente Anlageprodukte, die sich in puncto Nachhaltigkeit kaum miteinander vergleichen lassen. Insofern ist der Ansatz der EU-Kommission hier zielführend, durch einheitliche Vorgaben eine größere Vergleichbarkeit zu schaffen, um so grüne Investments zu fördern.

Zudem wird es spannend sein, in welchem Ausmaß die neue Ampelkoalition grüne Investments fördern wird. Fest steht: Die ambitionierten Klimaziele im Koalitionsvertrag werden nur erreicht, wenn dafür auch ausreichend privates Kapital aktiviert wird. Hier gilt es zu beobachten und zu messen, ob dies der neuen Regierung gelingt.

Steffen Braun , Partner und Vice President of Sales , Civey GmbH, Berlin

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