FACTORING

Optimierung von Factoring durch Künstliche Intelligenz

Datenextraktionsprozesse werden automatisiert

Roland Fassauer, Foto: aifinyo

Factoring-Unternehmen haben monatlich tausende Rechnungen unterschiedlichster Art zu bearbeiten. In den meisten Firmen werden die Daten manuell ausgelesen. Dies nimmt nicht nur viel Zeit in Anspruch, sondern erhöht auch die Fehlerquote. Eine Automatisierung der Abläufe würde derartige Prozesse deutlich optimieren. Um diese Lösung zu testen, ist der Finanzdienstleister Aifinyo eine Kooperation mit dem Datenextraktions-Dienstleister Markov Solutions eingegangen. Im Folgenden ein Erfahrungsbericht und Einblicke in die Zusammenarbeit. (Red.)

Im Zuge der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Zahlungsausfällen und -verzögerungen hat Factoring an Bedeutung gewonnen. So hat die liquiditätssichernde Finanzierungform eine stabilisierende Wirkung für die Wirtschaft. Die deutschen Factoring-Umsätze konnten entgegen vieler Erwartungen trotz der Pandemie-Auswirkungen weiter zulegen (Quelle: Deutscher Factoring Verband e. V.).

Viele Unternehmer sehen in der Finanzierungsmöglichkeit eine Chance, Liquidität zu sichern. Das automatisierte Auslesen von Rechnungen verbessert dabei die Effizienz bedeutend. Die Aifinyo AG steht als Factoring-Anbieter für Gründer, Freiberufler und mittelständische Unternehmen vor der Herausforderung, tausende Rechnungen im Monat korrekt auslesen zu müssen, die keiner einheitlichen Struktur folgen.

Datenauslese als Herausforderung

Aus jeder Rechnung müssen insgesamt etwa 40 Kategorien bestimmt werden. Darunter Rechnungssteller, Empfänger und die jeweiligen Adressen, aber auch Daten wie die Internationale Bankkontonummer IBAN und Steuernummern. Herkömmliche Ansätze, diesen Arbeitsaufwand zu bewältigen, haben sich zunehmend als kostenintensiv und ineffizient erwiesen.

Die manuelle Extraktion und anschließende Korrektur durch Mitarbeitende ist nicht nur mit hohen Kosten verbunden, sondern auch sehr zeitaufwendig, fehleranfällig und schwer skalierbar. Lösungsansätze für dieses Problem beschränkten sich bisher zumeist auf Template-basierte Texterkennungssysteme (OCR), die wiederum kosten- und zeitaufwendiger Pflege bedürfen. Sie erfordern die Festlegung vordefinierter Layouts, mit denen einer bestimmten Stelle auf einer Rechnung eine bestimmte Information zugeordnet wird. Weicht eine Rechnung von diesen Layouts ab, kann das System die Informationen nicht mehr korrekt zuordnen und es kommt folglich zu Fehlern. Da in der wirtschaftlichen Praxis nur selten eine Rechnung der anderen gleicht, ist der Instandhaltungsaufwand dieser Systeme enorm.

Anbieter, die monatlich mehrere tausend Rechnungen von neuen und bestehenden Kunden erhalten, müssten also permanent neue Rechnungslayouts in das System integrieren, was wiederum zusätzliches Personal erfordert. Die Probleme des Kosten- und Zeitaufwands bleiben auf diesem Weg ungelöst und werden allenfalls leicht reduziert. Dabei scheinen die Prozesse für Nutzer beispielsweise der Aifinyo-Plattform recht simpel. Nach dem Hochladen der Rechnung erfolgt die weitere Abwicklung intern, also aus Nutzerperspektive quasi automatisch. Die tatsächliche Automatisierung des Auslesungsprozesses ist jedoch eine Herausforderung, die einen innovativeren Ansatz erfordert.

Künstliche Intelligenz hilft bei Datenextraktion

Zu diesem Zweck kooperiert die Aifinyo AG mit der Berliner Markov Solutions GmbH, die auf die Automatisierung dokumentenbezogener Prozesse spezialisiert ist. Dabei bedient sie sich einer marktführenden Technologie, die mit Unterstützung durch Künstlicher Intelligenz (KI) arbeitet. Die Automatisierung von Datenextraktionsprozessen ist der Hauptfokus des Unternehmens. Markov Solutions wurde ursprünglich als Agentur für KI-getriebene Softwareprojekte gestartet. Somit hatte man bei der Spezialisierung auf dokumentenbezogene Prozesse bereits ein erfahrenes Team von KI-Entwicklern an Bord.

Rechnungen werden automatisch ausgelesen Quelle: Aifinyo

Die Extraktions-KI von Markov Solutions ist in der Lage, sämtliche Daten aus fotografierten, gescannten oder digitalen Dokumenten auszulesen und zu kategorisieren. Somit können die Probleme bei der manuellen Bearbeitung und der Bearbeitung mit OCR Systemen vollständig umgangen werden. Die KI läuft als Programmierschnittstelle (API) auf Aifinyo-Servern. Nach der Extraktion der Daten werden diese zur weiteren Verarbeitung ausgegeben.

Die Künstliche Intelligenz ist in der Lage, die Dokumente ähnlich wie ein Mensch zu interpretieren und kann somit - unabhängig vom Layout - mit jeder Rechnung umgehen. Umständliche und kostenaufwendige Pflege- und Instandhaltungsprozesse sind dadurch nicht mehr nötig. Die Vorteile des automatisierten Extraktionsprozesses liegen in einer deutlich erhöhten Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit, aber auch in der Skalierbarkeit und reduzierten Kosten.

Dokumente zuverlässig interpretieren

Um eine solche Effizienz zu erreichen, hat das KI-Team von Markov Solutions neueste wissenschaftliche Erkenntnisse in die praktische Anwendung eingebracht. So fanden bei der Entwicklung insbesondere neuronale Netzwerke (auch bekannt als "Deep Learning Algorithmen") Anwendung. Bei neuronalen Netzwerken werden zwischen Input und Output zahlreiche Zwischenschichten eingesetzt, wodurch sich eine umfangreiche innere Struktur ausbildet.

Dadurch sind neuronale Netzwerke in Bezug auf die Erfüllung spezifischer Aufgaben lernfähig. Für die Datenextraktion aus einer Rechnung muss das System in der Lage sein zu erkennen, welcher Kategorie ein spezifischer Ausdruck zuzuordnen ist. Zu diesem Zweck muss das System, ähnlich wie ein menschliches Gehirn, trainiert werden. So wird ein Datensatz zusammengestellt, der mehrere tausend Rechnungen mit verschiedensten Layouts enthält. Dem System wird gezeigt, wie diese korrekt zu extrahieren sind. Somit verfügt es über ein grundlegendes "Verständnis" davon, wie Rechnungen aufgebaut sein können und wie Datenextraktion funktioniert. Dieses Verständnis kann die KI dann auch auf Rechnungen mit einem ihr fremden Layout übertragen und die Daten schnell und zuverlässig über automatisierte Skripte extrahieren.

Die Künstliche Intelligenz kann also auf Grundlage von Referenz-Rechnungen die korrekte Interpretation der Dokumente und die Datenextraktion erlernen. Und diese Fähigkeit verlässlich auch auf unbekannte Rechnungen anwenden.

Konkrete Vorteile

Dieser Lösungsansatz bietet eine Reihe signifikanter Vorteile gegenüber herkömmlichen Ansätzen: So erfolgt die Datenerfassung achtmal schneller als bei manueller Extraktion, wodurch eine Zeitersparnis von bis zu neunzig Prozent erreicht wird. Das Verfahren ist zudem skalierbar, kann mit sämtlichen Dokumenten umgehen und verbessert sich selbst kontinuierlich. Ein zentraler Vorteil liegt außerdem darin, dass basierend auf dem Verfahren weitere Funktionen hinzugefügt und automatisiert werden können. Dadurch ist die KI nicht nur in der Lage, die Daten zu extrahieren, sondern auch zu bestimmen, ob die Angaben vollständig und die Rechnungen valide sind.

Zudem können die Dokumente mit anderen Informationsquellen abgeglichen werden, um Unbeständigkeiten aufzudecken. Dies kann beispielsweise nützlich werden, wenn eine eingestellte Rechnung zu hoch oder in anderer Art und Weise fehlerhaft ist. Und obwohl die verarbeiteten Rechnungen ständig andere Formate und Layouts aufwiesen, konnte eine Extraktionsgenauigkeit von über 95 Prozent erreicht werden. Dies zeigt, dass sich die KI problemlos an verschiedenste Arten von Dokumenten anpassen lässt.

Weitere Vorteile dieser Methode sind, dass auch unkonventionelle Rechnungen erfasst und korrekt verarbeitet werden. Aufgrund der menschenähnlichen Interpretation der Rechnungen spielt es keine Rolle, an welcher Stelle im Dokument der Rechnungsbetrag steht. Durch ein abwechslungsreiches Training mit möglichst diversifizierten Datensätzen, die verschiedenste Darstellungsmöglichkeiten abdecken, kann die KI optimal lernen und wird immer flexibler und präziser. Dem zugrundeliegenden Language Modell sind dabei keine Grenzen gesetzt: Es erkennt und verarbeitet selbst freie Formulierungen ohne Probleme.

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